Kapitel Nr.
Kapitel 18.04

Abspaltung der Visper Arbeiter- und Bürgerpartei christlichsozialer Herkunft von den Konservativen

In Visp selbst hatten die «Gelben» – immer noch im Schoss der Mutterpartei – schon früh ihre Anhänger, die sich zuerst um den Gerichtspräsidenten Leo Mengis und später um den Gemeindepräsidenten Lot Wyer scharten. Bei den klaren Mehrheiten hatte es für beide Richtungen auf derselben Liste Platz.

CMV seit 1916

Die Sektion Visp des Christlichen Metallarbeiter-Verbands wurde 1916 gegründet.

© Josef und Peter Salzmann.

Lot Wyer neuer Gemeindepräsident

Aus den Gemeinderatswahlen vom 7. Dezember 1924 gingen folgende Bürger als Gemeinderäte hervor: Lot Wyer, Präsident, Guillaume Pfefferlé, Vizepräsident, Julius Weissen, Karl Anthamatten, Robert Studer, Edgar Müller und Heinrich Müller. Guillaume Pfefferlé und Edgar Müller gehörten der Fortschrittspartei an, Heinrich Müller den Sozialisten, die übrigen der katholisch-konservativen Volkspartei. 

Unter dem Präsidium von Lot Wyer unternahm die Gemeinde Visp das kühne Wagnis, der Gemeinde erstmals einen Entwicklungsplan zu «verpassen». [Siehe Kapitel 19.01 «Erster Entwicklungsplan von 1925 – mutig und weitsichtig!»] Als Lot Wyer in seiner zweiten Amtsperiode 1929 bereits nach einem Jahr – aus Gründen, die nicht mehr zu ermitteln sind – unerwartet auf dieses erste Amt am Ort verzichtete, machte er damit den Weg frei für einen Politiker der anderen Seite, nämlich für den Landwirt Carlo Anthamatten, der acht Jahre später gar Staatsrat werden sollte. Der Betreibungs- und Zivilstandsbeamte Alex Mengis rückte in den Rat nach. Im Gemeinderat waren auch Guillaume Pfefferlé, Julius Weissen, Robert Studer, Arnold Nussbaum und Josef Ambiel.

Dieses Wechselspiel um die Präsidentschaft im Bezirkshauptort hielt bis 1945 an – bis die grosse, fast allmächtige Partei bei Kriegsende plötzlich in Rücklage geriet und die Demokraten, die seit fast 40 Jahren die Minderheiten vertraten, die Mehrheit eroberten. 

1948 verfügten die «KK» im Visper Gemeinderat nur noch über zwei Gemeinderäte: Oskar Studer und sein Mitarbeiter Gustav Eder, als Gewerkschafter eher «gelb».

© zVg, Jodok Wyer, Walliser Bote, Rebekka Mengis, Adolf Fux Stiftung, Bibliothek am Guisanplatz/Portraitsammlung Rutishauser/CC BY-SA 4.0, Wahlprospekt, Parlament.ch

Arbeiter- und Bürgerpartei startete 1952 mit zwei Sitzen

Dass 1949 die Christlichsoziale Volkspartei Oberwallis (CSPO) gegründet wurde und bei den Nationalratswahlen 1951 erfolgreich war – gewählt wurde der Visper Dr. Leo Stoffel –, gab der neuen Bewegung gewaltig Auftrieb, was denn auch bei den Gemeinderatswahlen 1952 in Visp zum Ausdruck kam. In Visp trat die CSP unter dem Namen «Arbeiter- und Bürgerpartei» (ABP) auf, sodass sich nun drei Ortsparteien an den Gemeinderatswahlen beteiligten. Die neue Partei war bereits recht gut etabliert. Mit Nationalrat Leo Stoffel schaffte sie auf Anhieb zwei Mandate: Zum Bisherigen Gustav Eder kam Stoffel. Die zusätzliche Konkurrenz hatte zur Folge, dass die Demokraten einen Sitz einbüssten, ebenso die durch die Abspaltung geschwächten Konservativen, die nur noch einen einzigen Sitz beanspruchen konnten. 730 Bürger, das waren 93 Prozent der Stimmberechtigten, hatten an den Wahlen teilgenommen. 

Aufgrund des beachtlichen Erfolgs bei den Gemeinderatswahlen beschloss die Arbeiter- und Bürgerpartei, Gemeindepräsident Adolf Fux herauszufordern. Nationalrat Stoffel machte Fux das Präsidentenamt streitig. Es blieb aber für den «Gelben» bei einem ehrenvollen Resultat, denn Fux konnte das Amt mit klarem Vorsprung verteidigen. Der neue Gemeinderat präsentierte sich demnach wie folgt: Adolf Fux, Gemeindepräsident, bisher, Josef Blatter, neu, Viktor Abegg, bisher, Alfred Ludi, neu, also vier von der Demokratischen Partei; Gustav Eder, bisher und Dr. Leo Stoffel, neu, von der Arbeiter- und Bürgerpartei, sowie Alex Bodenmüller, Vizepräsident, neu, von der Katholischen Volkspartei (Konservative). Bereits ein Jahr später trat Vizepräsident Alex Bodenmüller zurück. Für ihn rückte aus der Katholischen Volkspartei Paul Eugen Burgener als Gemeinderat nach, während Gustav Eder (ABP) neu Vizepräsident wurde. 

Vier Jahre später, 1956, änderte sich bei den Wahlen in der Zusammensetzung des Rats überhaupt nichts. Spätestens jetzt mussten die C-Parteien einsehen, dass es ein Stolperstein war, getrennt zu marschieren, wenn sie den Demokraten die Mehrheit wieder abnehmen wollten. In aller Heimlichkeit legte man die Kräfte zur «Volkspartei» zusammen. Fast während eines ganzen Jahres wurde nun in den Medien gezielt gegen Adolf Fux und seine Kollegen «geschossen».

Vorübergehend «Volkspartei»

Für die Gemeinderatswahlen 1960 hatte sich die Volkspartei mit Jungpolitikern verstärkt, die mehr oder weniger direkt von der Hochschule kamen. Mit dem 34-jährigen Juristen Hans Wyer stellten sie in einer denkwürdigen Wahl den neuen Gemeindepräsidenten. Adolf Fux wurde mit 387 gegen 421 Stimmen abgewählt. Für die christlichsoziale Richtung in der Volkspartei gab es insofern auch weniger Erfreuliches, als die übrigen drei Gewählten Konservative waren und innerhalb der Volkspartei bei den «Gelben» der bisherige Gemeinde-Vizepräsident Gustav Eder nicht mehr gewählt wurde.

Volkspartei optimierte 1964 ihren Erfolg

1964 präsentierte sich die Volkspartei stärker denn je. Da der Rat gleichzeitig auf neun Mandate erhöht wurde, eroberte sie nicht weniger als sieben Gemeinderatssitze. Die «Gelben» stockten diesmal ihre Vertretung um drei Räte auf deren vier auf und waren in der Folge während vielen Jahren die stärkste Fraktion im Visper Gemeinderat. Die «Schwarzen» behielten ihre drei, womit für die Demokraten nur noch gerade zwei Bisherige verblieben. 

Trotz dieses überwältigenden Wahlerfolgs verlief beim Sieger Volkspartei dennoch nicht alles wunschgemäss. Und da man sich inzwischen richtigerweise bei den C-Parteien so stark fühlte, begann sich die gegenseitige Liebe langsam abzukühlen. Während der Amtsperiode 1965/68 wurde im Visper Gemeinderat der Zusammenhang innerhalb der Fraktion der Volkspartei immer brüchiger. Es war halt doch eine reine Zweckgemeinschaft zum Erreichen der Mehrheit gewesen. Als dann 1967 noch Hans Wyer als Nationalrat den bisherigen Amtsinhaber aus dem eigenen Lager ablöste, waren die Christlichsozialen im Oberwallis fest etabliert. So gehörte die Volkspartei im Herbst 1968 der Vergangenheit an. Man trat wieder getrennt an. Mit dem Vorteil des Gemeindepräsidenten lief für längere Zeit alles für die «Gelben».

ABP schaffte anstelle der Volkspartei absolute Mehrheit

1968 hinterlegten drei Parteien Kandidatenlisten: die Arbeiter- und Bürgerpartei (CSP), die Konservativen und die Demokraten. Nun holten die «Gelben» gar die absolute Mehrheit: Mit Nationalrat und Gemeindepräsident Hans Wyer, der so zum dritten Mal ins höchste Amt gewählt wurde, eroberte die ABP gleich fünf Sitze. Gewählt wurden Hans Wyer, Hans-Rudolf Lienhard, Armand Zenhäusern, Peter Bloetzer und Richard Imhof. Konservative und Demokraten mussten sich mit je zwei Sitzen begnügen. Bei den «Schwarzen» wurden Vizepräsident Ignaz Mengis im Amt bestätigt und «WB»-Redaktor Marco Volken gewählt.

Bloetzer gewann Duell um Präsidentschaft gegen Mengis 

1976 wurden die vier Vertreter der Arbeiter- und Bürgerpartei, Peter Bloetzer, Gemeindepräsident, Armand Zenhäusern, Hans-Rudolf Lienhard und Uli Heldner gewählt. Die CVP hatte ebenfalls vier Sitze: Franz Zurbriggen, Vizepräsident, Ignaz Mengis, Paul Halter, Peter Furger. Norbert Eder vertrat die SP. 

Ein heftiger Kampf, der erneut Spuren hinterliess – ähnlich wie 1945 und 1960 – entspann sich 1976 um das Amt des Gemeindepräsidenten, das mit dem Rücktritt des damaligen Nationalratspräsidenten Hans Wyer vakant geworden war. Die «Gelben» beanspruchten den Posten erneut für sich und stellten dafür Gemeinderat und Ingenieur Peter Bloetzer zur Wahl. Aber auch die «Schwarzen» wollten es diesmal wissen: Ignaz Mengis, von 1961 bis 1972 Gemeinde-Vizepräsident, war dafür in den Gemeinderat zurückgekehrt. Peter Bloetzer hatte schliesslich knapp die Nase vorn und trat die Nachfolge von Hans Wyer an. Nicht nur Insider nahmen an, dass die Eyholzer mit ihrer klaren «gelben» Mehrheit diese Wahl zugunsten von Peter Bloetzer entschieden hatten. 

1980 wurden von der ABP gewählt: Peter Bloetzer, Gemeindepräsident, Philemon Furrer, German Abgottspon, Hans-Rudolf Lienhard, Kurt Albrecht. CVP: Franz Zurbriggen, Vizepräsident, Paul Halter, Peter Furger. SP: Norbert Eder. 

Bei den Gemeinderatswahlen von 1984 bewarben sich wieder vier Parteien um die neun Sitze am Visper Ratstisch. Grosse Siegerin dieser Wahlen war die Arbeiter- und Bürgerpartei, die mit dem Restmandat ihre vier bisherigen Mandate aufstockte und damit die absolute Mehrheit schaffte. Die fünf Gemeinderäte waren Peter Bloetzer, Philemon Furrer, German Abgottspon, Kurt Albrecht, Jodok Wyer. Die CVP schrumpfte auf zwei Mandate, mit Franz Zurbriggen und Peter Furger. Donat Jäger vertrat die FDP, Thomas Burgener die SOPO.

Neu: Gemeinde druckte Stimmzettel

Gemäss geändertem Wahlgesetz mussten bei den Gemeinderatswahlen von 1984 die Stimmzettel von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden. Die Parteien mussten sie dort beziehen.

Weitere Inhalte des Kapitels 18, 1908–1925

Am neuen Industrieort formierten sich politische Parteien

Kapitel Nr.
Kapitel 18
Zeithorizont
1908–1925

Visper im Walliser Staatsrat

Kapitel Nr.
Kapitel 18.08

Ein Pflanzgarten zur Baumaufzucht

Kapitel Nr.
Kapitel 18.20