Kapitel Nr.
Kapitel 25
Zeithorizont
1999–2023

Bahnhof und Lonza katapultierten Visp ins dritte Jahrtausend

Ähnlich wie der Beginn des 20. Jahrhunderts begann auch das dritte Jahrtausend für Visp mit einem einmaligen Paukenschlag. Dieser riss die Gemeinde aus dem lethargischen Zustand der vorangegangenen Jahrzehnte. Dank dem NEAT-Basistunnel durch den Lötschberg halbierte sich die Reisezeit von Visp nach Bern 2007 auf weniger als eine Stunde. Visp wurde zum wichtigsten Bahnhof im Kanton und zu einem der bedeutendsten Umsteigebahnhöfe der Schweiz. Reisende aus Genf zum Beispiel erreichten Zermatt plötzlich um bis zu 80 Minuten früher, weil sie in Visp statt in Brig umstiegen. Sozusagen über Nacht lag Visp jetzt in Pendlerdistanz zu Bern, Thun und Spiez.

Nach langer Pause löste dies einen regelrechten Bauboom aus. Innert wenigen Jahren nahm die Bevölkerungszahl, die sich in den 20 Jahren zuvor bei 6 500 Einwohnern eingependelt hatte, um 1 500 Personen zu.

Zehn Jahre später sollte diese für Visp und das ganze Oberwallis erfreuliche Entwicklung noch eine ungeahnte Steigerung erfahren. Den Grund dazu lieferte die Lonza AG, die seit 1907 zum grössten und bedeutendsten Arbeit- und Brotgeber für die Oberwalliser Bevölkerung geworden war.

Inzwischen hatte das Unternehmen seine Tätigkeit weltweit ausgedehnt und beschäftigte an 40 Produktions- und Forschungsstätten fast 10 000 Mitarbeitende. 2017 wurde Visp Standort einer massiven industriellen Produktion der Lonza auf mehr als 100 000 Quadratmetern in fünf mächtigen Gebäuden auf dem nordwestlichsten Teil des Visper Lonza-Territoriums. Darin stellt Lonza Produktionskapazitäten zur Verfügung, damit Grosskonzerne die Zeit zwischen der Entwicklung eines Medikaments und seiner Einführung auf dem Markt verkürzen können. Dank dieser Grossinvestition namens «Ibex Solutions» – ibex bedeutet Steinbock – im Werk Visp sollten zum 125-jährigen Bestehen des Unternehmens ein Umsatz von 7,5 Milliarden Franken und ein Betriebsgewinn von 30 Prozent resultieren. Das war wohl der mächtigste Schritt nach vorne, den die Lonza je getan hatte: Sie wurde zum weltgrössten Auftragsfertiger der Pharmaindustrie. Warum hatte sie dafür gerade Visp ausgewählt? Am Oberwalliser Standort entstanden mit dieser Erweiterung nämlich zusätzlich mehrere Hundert Arbeitsplätze – für ein Projekt, das nicht nur für das Wallis, sondern für die gesamte Pharmaindustrie von grösster Bedeutung war. Lonza gab die Antwort spontan: «Wir haben hier gut ausgebildete Mitarbeitende auf allen Ebenen.» Auch die Werksinfrastruktur sei ausgezeichnet und die Energieversorgung gut. Die Summe der Vorteile sprach eindeutig für Visp.

Eine Zukunft mit derart vielversprechenden Perspektiven erlaubte es den Visper Stimmberechtigten auch, zu einer neuen Eissport- und Eventhalle im Wert von rund 40 Millionen Franken Ja zu sagen; die Einweihung der «Lonza Arena» erfolgte 2019.

Bei der dritten Rottenkorrektion wurde Visp, wohl vor allem der Lonzawerke wegen, absolut prioritär behandelt. 2019 stellte der Kanton mit Genugtuung fest, dass Visp jetzt auch vor Jahrhundert-Hochwassern geschützt ist.

Wenn in absehbarer Zeit auch die Tunnelumfahrung der Autobahn A9 im Süden von Visp vervollständigt und eröffnet sein wird, kann von einem dritten Jahrhundert-Ereignis für die Gemeinde gesprochen werden; neben den beiden Flüssen Vispa und Rotten hatte auch der nicht abbrechende Verkehrsfluss durch die Siedlung die Bevölkerung während Jahrzehnten belastet.