Das damalige Patrizierhaus, heute Burgener-Haus genannt und Gerichtsgebäude, wurde im ausgehenden 17. Jahrhundert errichtet, wahrscheinlich zwischen 1697 und 1699. Es gehörte dem Visper Magistraten, Landvogt, Zendenhauptmann, Landschreiber, Landratsabgeordneten und späteren Landeshauptmann Johann Jodok Burgener (1657–1721), auch Hans Jodok genannt. Die Architekturgeschichte dieses Visper Hauses zeigt, dass es sich beim dreigeschossigen Barockbau an der Nordseite des Martiniplatzes um einen interessanten Zeugen für die Verschmelzung von Tradition und Neuorientierung handelt.
Weit gereister Hausherr
Der Vater des Hausherrn, der aus dem Vispertal stammende Jurist Johannes Burgener, wurde 1643 in die Burgerschaft Visp aufgenommen. [Siehe auch Kapitel 09.05 «Für die Burgener begann es mit Schuhmachermeister Johann aus Grächen».] Sein Sohn Johann Jodok Burgener, der dem Haus den Namen geben sollte, war 1674 als Student der Logik an der Hochschule von Dillingen an der Donau immatrikuliert. Später trat er in französische Kriegsdienste ein. Er kehrte 1685 aufgrund eines Todesfalls als Leutnant ins Wallis zurück und wurde gleich vom Landrat zum Gouverneur der bedeutenden Landvogtei Saint-Maurice gewählt.
Um 1688 schloss Burgener den Ehebund mit der 1671 geborenen Anna Cäcilia Lambien, Tochter des hochgeachteten Staatskanzlers Anton Lambien von Brig.
Später war Burgener erneut in französischen Diensten, wurde aber in der Folge im Wallis zum Hauptmann der Truppen von Entremont ernannt. 1692 trat er die Nachfolge von Jodok Venetz als Zendenhauptmann und Abgeordneter des Wallis an. 1693/94 übte er das Amt eines Zendenrichters oder Grosskastlan der drei Viertel aus, welches kehrweise zwischen den Vierteln Visp, Stalden und Saas umzugehen pflegte.

Der Briger Anton Lambien, Vater von Anna Cäcilia Lambien, der Hausherrin des Burgener-Hauses, zeichnete und illustrierte diese Karte des Wallis 1682 im Auftrag des Bischofs und des Landeshauptmanns. Die kupferne Druckplatte, Ausschnitt aus der Carte du Valais, gedruckt 1682 in Lyon. 1709, Geschichtsmuseum Wallis, MV 113.
© Walliser Kantonsmuseen, Sitten, Jean-Yves Glassey
Burgeners Schwiegervater schuf Walliser Karte
Der gelehrte Landschreiber Anton Lambien war in der Jugend Sekretär des grossen Stockalper, später Grosskastlan von Brig, Landvogt von Monthey, Landschreiber und 1680/1681 Vize-Landeshauptmann. Noch heute wird seine Karte der Landschaft Wallis von 1682 sehr geschätzt. Lambien starb 1683.
Der Bächji-Boozu
Eine aus dem 17. Jahrhundert stammende Sage lautet: «Da sei der Geist eines Lambien in den Bächjigraben verbannt, am südlichen Ende des Rebbergs ‘Riebä‘. Dies weil er einst Kirchengelder veruntreut habe, zeige er sich in jenem Tobel, bald in der Gestalt eines Tieres, bald in der eines traurigen Mannes.»
In Visp starben die Lambien 1702 aus.
Bauherrin des Herrenhauses
Während ihr Gatte Johann Jodok Burgener dauerhaft im französischen Sold stand und im Ausland weilte, soll seine Ehefrau Anna Cäcilia gemäss einer alten Familienüberlieferung den Auftrag zum Bau des stattlichen Herrenhauses am Visper Martiniplatz erteilt und die Bauaufsicht übernommen haben. Als der Ehemann 1699 zurückkehrte, weil ihm die bedeutende Aufgabe eines Staatskanzlers oder Landesschreibers übertragen wurde, habe sie ihm stolz den Bau gezeigt.
Das Glück im neuen Haus war allerdings von sehr kurzer Dauer: Die Gemahlin starb am 31. März 1700 im Alter von 29 Jahren. Am 9. September des gleichen Jahres ging Burgener den Bund der Ehe mit Anna Maria Mannhaft, Tochter des Bannerherrn Christoph Mannhaft in Brig, ein.
Söldnerwerbung um jeden Preis
Um 1701 befand sich der ausserordentliche Gesandte Savoyens im Wallis auf einer Propagandareise für die Anwerbung von Söldnern für ein Walliser Regiment in savoyischen Diensten. In Visp gelang es ihm, Johann Jodok Burgener, damals einflussreicher Landschreiber und die rechte Hand des Landeshauptmanns, durch eine Pension den savoyischen Interessen geneigter zu stimmen. Um ihn ganz auf die Seite Savoyens hinüberzuziehen, bot er ihm auch die Stelle des Obersten in dem zu bildenden Walliser Regiment an. In einem späteren Brief an Oberst Courten stellte Burgener seine Abhängigkeit vom savoyischen Geld scharf in Abrede und gab als einziges Motiv den Nutzen des Landes an; dennoch empfanden die Freunde der Franzosen sein Verhalten wenig zuverlässig.
Burgener war auch international tätig
Johann Jodok Burgener war nicht nur Hauptmann des Zenden Visp (1692) und Landratsabgeordneter. 1689 und 1692 war er Ambassador in Solothurn, 1693 Oberst der Oberwalliser Truppen, 1699–1707 Walliser Landschreiber und 1707 bis Mai 1721 Landeshauptmann. Er nahm 1714 am Friedenskongress von Baden und 1715 an der Erneuerung des Bündnisses mit Frankreich teil.
Bau und Einrichtung dienten der Repräsentation
Die Familie Burgener war in Visp seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ein bedeutendes, dominierendes Geschlecht. Sie bedurfte eines architektonischen Rahmens, der dem Stand angemessen war. Das neue Haus diente unter anderem der Repräsentation, einerseits gegenüber den Bürgern von Visp, anderseits sicher auch gegenüber Gesandten aus Frankreich und anderen Gästen. Nur so lässt sich die reiche Innenausstattung der Empfangsräume und Zimmer erklären.
Die Grösse des Baus richtete sich also weniger nach der Zahl der Familienmitglieder – mit Anna Cäcilia Lambien hatte Burgener nur (!) vier Kinder – als nach den Ansprüchen und dem Geltungsbedürfnis des Besitzers.
Das Haus, ursprünglich für eine Familie konzipiert, wurde später in zwei separate Wohnungen aufgeteilt, wobei verschiedentlich auch in den Räumen Unterteilungen vorgenommen wurden. So entstanden aus einem Raum im dritten Geschoss, der ursprünglich als Badezimmer genutzt worden war, Badezimmer und Küche.

Aufnahme des Burgener-Hauses von 1902. Die Entfernung des Türmchens in der Mitte des Hauses dürfte einige Zeit nach dem Erdbeben von 1855 erfolgt sein. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Loggia im Erdgeschoss bereits zugemauert, wie sich aus einer Zeichnung von 1853 schliessen lässt.
Schweizerische Nationalbibliothek, Sammlung Max van Berchem, Genf, EAD-8644
Wer hat das Burgener-Haus gebaut?
Über den Baumeister des ehemaligen Patrizierhauses ist nichts bekannt; es liegen auch keine Pläne oder Projektstudien vor. Vereinzelt wird der Bau Prismeller Fachleuten zugeschrieben, also Nachfolgern von Ulrich Ruffiner, der 1544 in unmittelbarer Nähe das Visper Rathaus erbaut hatte. Da die Tätigkeit der Prismeller Baumeister zur Zeit der Erbauung des Burgener-Hauses langsam zu Ende ging, kommen sie als Erbauer aber nicht infrage; ihre letzte nachweisbare Arbeit im Wallis war die Bauleitung der Pfarrkirche von Glis im Jahr 1676, also ein Vierteljahrhundert vor der Erstellung des Burgener-Hauses.
Allerdings besteht die Möglichkeit, dass sich die Baumeister auch am Stockalperhof in Brig inspirierten, den die Prismeller massgeblich mitgestaltet hatten. Wenn also beim Burgener-Haus kein Prismeller am Werk war, so muss es sich zumindest um einen Steinmetz gehandelt haben, der das Gespür für die italienischen Renaissance-Motive hatte.
Verbindung von zwei architekturgeschichtlichen Epochen
Beim Burgener-Haus handelt es sich um einen Barockbau mit einer dreigeschossigen Loggia und einem fünfstöckigen Turm mit Spitzhelm in der Mitte.
Die Grundrissdisposition wird als unausgewogen bezeichnet. Das Mauerwerk besteht aus Bruchstein mit Kalkmörtel, aussen mit Kalkgipsverputz abgeglättet. Gedeckt wird das ehemalige Herrenhaus durch ein Krüppelwalmdach aus Schieferplatten.
Die Visper Kunsthistorikerin Felicitas Fux verfasste 1985 die Baugeschichte des Burgener-Hauses und stellte fest, es handle sich um einen äusserst interessanten Zeugen für die Verschmelzung von Tradition und Neuorientierung.
In ihrer Arbeit «Das Burgener-Haus in Visp – die Synthese zweier architekturgeschichtlicher Epochen» kam Fux zu folgendem Fazit: «Abschliessend lässt sich feststellen, dass beim Burgener-Haus in Visp gotische und Renaissance-Reminiszenzen eine bemerkenswert harmonische Verbindung eingehen: die ‚gotische These‘ und die ‚Renaissance-Antithese‘ führen zu einer beachtenswerten Synthese, ohne dass der eine Faktor dabei die Eigenwertigkeit des anderen vermindern oder gar auslöschen würde. Bei dieser geglückten Formenvereinigung ist v. a. die wichtige vermittelnde Funktion des Treppenturms zu betonen, der gleichsam in sich die beiden Strömungen zusammenfasst.
So präsentiert sich das Burgener-Haus dem Betrachter als ausgewogenes, harmonisches Werk, das über das blosse Zweckdenken hinaus in ein künstlerisches Gewand eingehüllt wurde. Es wird damit dem Anspruch gerecht, den Goethe in seinen ‚Schriften zur Kunst‘ für die Baukunst stellt. (…) Soll aber das Baugeschäft den Namen einer Kunst verdienen, so muss es neben dem Notwendigen und Nützlichen auch sinnlich-harmonische Gegenstände hervorbringen.»
Bedeutendere Rolle der Südfassade
Der Südfassade des Hauses kam anfangs der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts eine bedeutendere Rolle zu, als sie ohnehin schon hatte. Mit der Schaffung des grosszügig angelegten Martiniplatzes durch den Neubau des Visper Rathauses wurde diese Fassade an der nördlichen Seite quasi zur Schaufensterfront eines Palazzo.
Ganz im Osten der Südfassade zeigt sich das Sonnenuhr-Fresko als «liebenswerte, poetische Reminiszenz» einer Epoche, in der die Menschen noch weniger vom Zeitdruck geplagt waren.
Fachmännische Restaurierung
Nachdem im Lauf der Zeit verschiedenste Kreise wiederholt die Idee einer fachmännischen Restaurierung des Burgener-Hauses angeregt hatten, wurde diese Aufgabe in den Achtzigerjahren ernsthaft an die Hand genommen. Bevor das Haus 1985 unter der Aufsicht der eidgenössischen und kantonalen Denkmalpflege restauriert wurde, mussten der Aufwand, die Finanzierung und die spätere Nutzung geklärt werden.
Zu erwartende Umbaukosten
Am 7. Dezember 1982 trafen sich Gemeindepräsident Peter Bloetzer und Burgermeister Francis Gattlen mit dem Vertreter der Besitzerfamilie, Ingenieur Jodok Burgener aus Sitten, zwecks Gründung einer Stiftung für die Restaurierung des Burgener-Hauses.
Dabei wurde zur Kenntnis genommen, dass sich die Schatzung dieses historischen Gebäudes auf 600 000 bis 800 000 Franken belief. Angesichts der zu erwartenden Umbau- und Restaurationskosten und abzüglich der voraussichtlichen Subventionen rechnete man mit einer Restschuld von 1,75 Millionen Franken. Je nach Verkaufspreis würde die Familie Burgener einen Teil des Geldes in der künftigen Stiftung belassen.
Eine Variante bestand darin, dass die Familie Burgener ihr Haus selbst auf eigene Rechnung restaurierte und die Räumlichkeiten anschliessend der Gemeinde für 35 000 bis 40 000 Franken im Jahr vermietete. Diese Variante wurde aber fallen gelassen. Die einzige Möglichkeit, um von auswärts Geld zu bekommen, bestand darin, den Gerichten Platz zu geben, denn dazu war die Gemeinde Visp seit jeher verpflichtet.
Einigkeit über «Stiftung Burgener-Haus»
Man einigte sich auf eine Stiftung zwecks Erwerbs des Burgener-Hauses. Diese würde von der Munizipalgemeinde, der Burgerschaft, dem Verein «Iischers Visp» und der Familie Burgener getragen. Munizipalgemeinde und Burgerschaft wünschten zusammen die Stimmmehrheit beanspruchen zu dürfen, was denn auch gewährt wurde.
Anfangs April 1986 waren sich die Partner dann weitgehend einig. Das gründlich restaurierte Haus sollte als erstes die Raumbedürfnisse des Gerichts erfüllen. Mit der Gemeinde konnte die Burgerschaft grundsätzlich vereinbaren, dass ihr nach dem Auszug des Gerichts aus dem Rathaus daselbst ein Büroraum zur Verfügung stand. Dies entsprach einem dringenden Bedürfnis der Burgerverwaltung. Im Weiteren erklärte sich die Munizipalgemeinde bereit, zusammen mit der Burgerschaft mit der Stiftung über die Einrichtung eines gemeinsamen Empfangssaals im Erdgeschoss des dannzumal restaurierten Hauses zu verhandeln.
Nach einigen Änderungen genehmigte der Rat den dritten Entwurf der Stiftungsurkunde für die zu schaffende Stiftung Burgener-Haus und ermächtigte den Präsidenten und den Schreiber zu deren Unterzeichnung.
Am 23. August 1984 wurde die Stiftung Burgener-Haus gegründet. Deren Zweck ist die Erhaltung und Instandstellung dieses altehrwürdigen Gebäudes.
Konkret bezweckt die Stiftung den Kauf, die Restaurierung, den Unterhalt und den Betrieb des Burgener-Hauses am Martiniplatz (Grundstück Nr. 64, Blatt Nr. 1). Das Gebäude kann ganz oder teilweise der Munizipalgemeinde Visp oder der Burgergemeinde Visp vermietet oder verpachtet werden. Die Munizipalgemeinde erhält vor allem das Recht, im Burgener-Haus das Gericht des Bezirks Visp einzurichten.
Stifter wurden die Munizipalgemeinde Visp, die Burgergemeinde Visp, die Familie Francis Burgener des Jodok von Visp und der Verein «Iischers Visp». Die Stiftung wurde von den Stiftern mit einem Stammkapital von höchstens 950 000 Franken ausgestattet, und zwar: Munizipalgemeinde Visp: 500 000 Franken; Burgergemeinde Visp: 120 000 Franken; Familie Burgener: 150 000 Franken; Verein «Iischers Visp»: 30 000 Franken als Starteinlage mit der Berechtigung, diese Einlage zu erhöhen.
Es wurde einstimmig beschlossen, dass die Familie Burgener ihre geforderten 800 000 Franken erhalte, von denen sie 150 000 Franken in der Stiftung belasse, und dass «Iischers Visp» einen zusätzlichen Betrag einlege.
Die Rechte und Pflichten der Vertreter im Stiftungsorgan wurden so festgelegt, dass sie im Verhältnis zum eingelegten Stiftungskapital standen.
Bezirksgericht im repräsentativsten Gebäude
Man kam zum Schluss, das Burgener-Haus sei nun das repräsentativste Gebäude in Visp. Die einzige Möglichkeit, dafür Geld zu erhalten bestehe darin, dem Gericht Platz zu bieten. Anschliessend an die Restauration sollte dieses als Gerichtsgebäude die Instruktionsgerichte I und II von Visp aufnehmen.
Nach 300 Jahren im Kern noch gesund
Die Bestandesaufnahme des Bauzustands vor der umfassenden Restaurierung des Burgener-Hauses von 1985 durch den leitenden Visper Architekten Luigi Nicolazzi ergab, dass das Bruchsteinmauerwerk in gutem und trockenem Zustand war – mit Ausnahme des Kellergeschosses und bis zu etwa einem Meter über dem Terrain.
Die vorhandene Bausubstanz war also im Kern gesund, wobei der Bau von mode- und wohnbedingten Änderungen im Lauf der Zeit nicht unverschont geblieben war: Die fast 300 Jahre waren nicht spurlos am Verputz und an den Tuffsteinelementen vorübergegangen; letztere zeigten eine starke Verwitterung.
Auch das Dachgebälk zeigte sich in gutem Zustand. Es war beim Bau als liegender Stuhl konstruiert worden und erlaubte so einen stützenfreien Raum auf der gesamten Estrichfläche.
Wiederaufbau des Treppenturms und Öffnung der Loggia
Das Loggia-Motiv wurde beim Burgener-Haus mit der Leichtigkeit und Klarheit italienischer Baumeister gehandhabt. Um 1853 – eine Zeichnung aus dieser Zeit zeigt es – war die unterste der drei Loggien im Erdgeschoss geschlossen. Diese Vermauerung hatte dem Gebäude viel von seiner Leichtigkeit genommen. Aufgrund der Zeichnung liess sich auch feststellen, dass das Treppenhaus damals noch als Turm ausgebildet war; das Erdbeben von 1855 hatte diesen jedoch stark beschädigt. Wie die Fotografie von 1858 zeigt, blieb das Türmchen zwar stehen, es dürfte aber im Innern derart lädiert gewesen sein, dass man vorzog, es abzubauen.
Mit dem Wiederaufbau des Treppenturms und der Öffnung der untersten Loggia bei der Restaurierung wurde dem Bau wieder etwas von der ursprünglichen Eleganz geschenkt.
Einweihung mit Dank für vorzügliche Arbeit
Die Arbeiten gingen gut voran. Im Juni 1986 war die Renovation des Burgener-Hauses abgeschlossen. Baukommission, Architekt und Handwerker hatten vorzügliche Arbeit geleistet.
Die Einweihung des restaurierten Gebäudes, das nun eine wahre Zierde für den Martiniplatz und Visp ganz allgemein darstellt, fand am Donnerstag, 23. Oktober statt. Pfarrer Walter Zurwerra nahm die Einsegnung der Räumlichkeiten vor, die künftig vor allem dem Gericht, aber auch der Munizipalgemeinde und der Burgerschaft dienen sollten.
Anschliessend erhielt die Bevölkerung Gelegenheit, das restaurierte Gebäude, das Stilelemente von nördlich und südlich der Alpen verbindet, zu besichtigen. Die Restaurierung des Burgener-Hauses kann als vollauf geglückt bezeichnet werden. Der Originalzustand wurde mit viel Einfühlungsvermögen wieder hergestellt, sodass den Beschauern heute ein altes Stück Visp in neuem Glanz vor Augen tritt.
Keller im Burgener-Haus wurde Carnotzet
1987 vermietete die Gemeinde Visp den Keller auf der Westseite des Burgener-Hauses an die Burgerschaft zwecks Installation eines Carnotzets. Die jährliche Entschädigung hierfür betrug 4 000 Franken.
Ebenso räumte sie der Burgerschaft das Recht zur Benutzung des Empfangssaals im Erdgeschoss ein. Es sollte eine kleine Eröffnungsfeier stattfinden. Ob es dazu kam?
Wertvolle Bilder für den Saal
Margrit Le Comte schenkte der Burgerschaft Visp eine Reihe wertvoller Bilder, bei denen es sich vor allem um Portraits handelt; die Burgerversammlung vom 19. April 1988 meldete grosse Freude darüber. Die Gemälde sollten im Saal des Burgener-Hauses einen würdigen Platz finden.
Der letzte Pulverturm
Zeitweise gab es in Visp drei Pulvertürme. Der eine stand in den Seewjinen, der zweite im ehemaligen Pfarreigarten (wo heute das Gebäude von Kleider Bayard steht) und der dritte beim Restaurant Sonne. Dieser dritte Bau dürfte aus dem 17. Jahrhundert stammen; Bauart und verwendetes Eisen lassen darauf schliessen. Damals seien die Zendenzünfte aufgelöst worden. Jede Gemeinde habe ihre eigene Zunft erhalten. Sei vorher das Pulver für den ganzen Zenden in einem grösseren Gebäude aufbewahrt worden, habe man dieses später vernünftigerweise auf mehrere kleinere, heute etwas merkwürdig aussehende Häuschen verteilt.
Als dieser Turm 1984 plötzlich vom Abbruch bedroht war, beschloss man nach Rücksprache mit der kantonalen Denkmalpflege, diesen Zeugen der Vergangenheit zu erhalten. Dank der Initiative von «Iischers Visp» blieb der letzte Pulverturm in Visp erhalten.
Unrentable Transporte
Der Visper Wagner Kaspar Lambien brachte von 1650 bis 1653 in acht Fuhren 4 621 Liter Weizen von Sitten nach Brig. Das relativ bescheidene Volumen von 578 Litern pro Fahrt ist darauf zurückzuführen, dass er als Hauptladung meist leeres Sackgut zurückbeförderte, welches aus dem Salzhandel nach Brig zurückbehalten wurde. Das Getreide stellte mithin lediglich eine Zuladung dar. Roggen war das Getreide, das man selber anbaute.
Das Holzhaus an der Spittelgasse
Das Sterren-Haus stösst im Osten an das Burgener-Haus und an das Schuhmacher-Haus, dessen Eingang an der St. Martinistrasse steht; es befindet sich an der damaligen Rektoratsgasse, die später zur Spittelgasse wurde. 1634 wurde es vom Visper Burger Stephan Abgottspon oder Gottsponer auf dem damals nur aus einem Holz-Stockwerk bestehenden Gebäude neu erstellt.
Aus einem Keller und einem anschliessenden Saal aus Stein wurden zwei Wohn-Stockwerke in Blockbau errichtet. Es handelt sich gemäss Norbert Pfaffen um ein sogenanntes Vorschutz-Haus, bei dem das Holzgeschoss über den Mauersockel hinausragt.
Abgottspon verehelichte sich 1630 mit Christina Critzer (Kreuzer), einer Nichte des bekannten Grosskastlans Theodul Critzer am Gräfinbiel, der von 1575 bis 1577 das Critzer-Haus erbaut hatte. Mit dem Tod des kinderlos gebliebenen Ehepaars starb das Burgergeschlecht Abgottspon in Visp aus.
Seinen Namen erhielt das originelle Gebäude wenige Jahre später, 1659, als es durch Burger Anton Sterren und seine Gattin Margaretha Perrig, Witwe des Grosskastlans Anton Lengmatter, um ein weiteres Stockwerk aus Holz erhöht wurde. Dies geht aus einer lateinischen Inschrift im zweiten Stock hervor. Auch die Ehe dieser beiden blieb kinderlos. So ging das Haus nach wenigen Jahren in fremde Hände über.
Die erwähnte Inschrift nennt als Erbauer den Meister Januarius Schlinggler. Dieser Zimmermann war um 1650 aus dem Tirol ins Wallis eingewandert und hatte 1662 in Eyholz das Kaplaneihaus gebaut und kurz darauf das Imstepf-Haus in Eggerberg.
Pierre Imhasly führte Burgener in die Neuzeit
Als 1985 das Burgener-Haus in Visp renoviert wurde, erschien im Visper Anzeiger (heute vaz) der folgende Text, verfasst vom Visper Schriftsteller Pierre Imhasly. In seinem Beitrag liess er den Bauherrn des Burgener-Hauses, Johann Jodok Burgener, nach mehr als 300 Jahren wieder einmal zurückkehren. Praktisch alles, was der Mann aus dem 17. Jahrhundert zu sehen bekam, musste er ihm erklären, und das war bekanntlich nicht wenig.
«Käme sie jetzt, 1985, wieder, lhre schaubare Grossmächtigkeit Johann Jodok Burgener, das würde der wohl nie begreifen, es ginge ihm nicht in den Sinn.
Im Kopf und im Herzen selbst bedrängt, hätten wir Mühe, ihm und uns darzulegen, wie es denn so weit gekommen war, wie es denn kam, dass ringsum – hier und anderswo, im Herzen der Welt, in – zu unseren Zeiten der Wald zu sterben begann.
- Ich kam ja, im Waffenrock, bis nach Frankreich, in manches Land und in manchen Krieg, aber so hat das früher nie ausgeschaut; von den gelben Räuchlein da drüben kann das wohl nicht stammen, würde er werweisen, wenn er jetzt, 1985, wiederkäme.
- Ach, nur zum Teil, Herr Landeshauptmann, müssten wir der Wahrheit die Ehre geben, teils-teils, Herr Burgener. Ganz ratlos sind wir nicht, aber ziemlich ohnmächtig. Es geht uns alles, in diesen spätkapitalistischen Zeiten, zu schnell, zu hoch, zu weit. Verursacher, Ihre Schaubarkeit, Verursacher also sind Immissionen – denen werden wir nicht mehr Herr. Das summende Areal da drüben, übrigens, Herr Burgener, das mit den Räuchlein ist die Lonza, unsere Fabrik; gehört zur Alusuisse, einem weltweiten Konzern, und 2 500 Leute finden dort ihr Auskommen. Sie ist in etwa unser Anschluss an die Zeit, an die Welt. Malochen braucht dort keiner mehr. Was nicht Kopfarbeit ist, Herr alt Gouverneur, wo sie erfinden, Produktionen und Verfahren, die Chemiker, Ingenieure, Datenverarbeiter – das meiste Feinchemie, heute –, was also nicht Col blanc ist, Ihre Grossmächtigkeit, ist allenfalls Überwachen.
- Arbeiter in der weissen Schürze? Na, klar. Sehen Sie, Herr Zendenhauptmann, das will vielleicht nicht in Ihr Bild, aber es ist irreversibel; noch bereitet sie uns zwar erhebliche Beschäftigungsprobleme, die Rationalisierung, sie kostet Arbeitsplätze; aber zurück kann da niemand – es ist fast wie mit den Autos, jener Mobilität, die eine Freiheit ist, an der wir ersticken –, wir sind aber, wie gesagt, zuversichtlich, wir glauben, das wird uns noch ganz neue Wege weisen.
- Also, diese grossen gelben Vehikel, meinen sie, wie Drohnen am Morgen in den Postbahnhof hinein und aus dem Postbahnhof heraus, dito am Abend? Ja, das sind die harmlosen, unsere Postautos, Herr Ambassador, sie fahren uns aus den Dörfern die Kinder sicher zur Schule. Das ist nicht wie zu Ihren Zeiten, Herr Leutnant, als man, vor bald dreihundert Jahren, hungers oder um eine Karriere in fremde Dienste zog. Ja ja, jeden Tag gehen die zur Schule, und alle, obligatorisch, die höheren Schulen sind regional organisiert – Visp so ein Zentrum –, und technisch oder akademisch bilden die sich fast alle weiter.
- Wer den Dreck mache, die Arbeit? Arbeit gleich Dreck, das eigentliche Leben französisch Parlieren? Könnte Ihnen so gefallen, Herr Burgener, aber für solches Klassenbewusstsein bekommen Sie heute kein Grab mehr geschaufelt, wir wollen das überhört haben. Sehen Sie, Herr Zendenrichter, wenn wir bauen, wie jetzt zum Beispiel an Ihrem schönen alten Haus, kommen die Handlanger, die Maurer von weit her, aus Italien oder Portugal. Das ist schon lange so und eine einzige Migration. Es gibt auch Türken, Spanier, Jugoslawen, und im Fremdenverkehr – ja, wenn Sie wüssten, was sich da alles tut, heute –, in den Gastbetrieben verrichten die uns die minderen Arbeiten, Kellner, Serviererinnen und so weiter. Zu Ihren Zeiten war es genau umgekehrt, da mussten die unseren weg, nicht wahr! Lernten dafür, neben dem Kriegshandwerk, Sprachen, haben Sie gesagt? Ja, wissen Sie, Herr Staatskanzler, an Ihnen würde ich das nicht messen, so ganz unprivilegiert waren Sie zu Ihren Zeiten ja auch nicht, mit Ihrem eleganten Latein und Französisch, und an der Donau die Logik studiert und so! Also, Latein kommt wahrscheinlich wieder. Auf paradoxen Wegen. Die Amerikaner besinnen sich darauf zurück – und wir, Herr Burgener, wir hier im alten Europa, wir besinnen uns nur noch auf die USA. Mit Abendland machen Sie hier keinen Staat mehr, Herr Burgener. Englisch ist überall. – Ja, wörtlich: überall. Pop – einst aus: popular art – Beat und Rock und Business, und Satellitenfernsehn, und Hollywood und Sex & Crime und die kaputten Medien, das Ganze nun nochmals per Video, das dauert und dauert, das lässt uns nicht mehr aus den Klauen. – Nein, Taschenrechner nicht; alles, was Elektronik ist, noch kleiner, noch ingeniöser, ist japanisch.
- Die schwarzen Kästchen, was die Leute da immer vor dem Gesicht haben, wenn es irgendwo schön wird? Nein, das sind Fotoapparate. Man macht Bilder, weil man keine Zeit hat, sich was anzuschauen. Ja, alles japanisch. Die haben uns schon überrollt, genau; das Mattelholn wollen sie immel haben, unsele Fleunde; ja, ja, wir setzen ihnen japanische Speisekarten hin. Nein, nein, das Essen wird nicht besser, können Sie sich ja vorstellen, Herr Burgener, bei diesen Massenabfertigungen. Und ein Gift nach dem anderen finden sie in unseren Nahrungsmitteln – das ist etwa wie mit den Immissionen; es sind auch Immissionen, was weiss ich; und was gestern noch gut war, ist heute kanzerogen, morgen dies, am besten nicht hinschauen.
- Ja, die Probe aufs Exempel können Sie machen. Englisch können Sie hier Brot kaufen, wenn sie drei Franken zehn in der Tasche haben. Nein, da brauchen Sie keinen Taschenrechner dazu. Auf 600 000 Laib Brot – der Laib ein Kilo, ein Kilo neuestens 9.806 Newton –, auf 600 000 Laib Brot etwa wäre die Restauration Ihres Hauses hier veranschlagt; macht ungefähr 100 000 Stunden Maurerlohn, ein Maurer verdient knapp 6 Laib die Stunde, der Laib etwa 2 Pfund aus Ihren Zeiten. Von den 100 000 Stunden bleibt Ihnen zum Schluss noch die Hälfte, denn die Rechnung müssen Sie anders aufmachen, so: Ferien plus 13. Monatslohn, 11⁄2 Laib. Soziallasten, 2 Laib. Betriebskosten, 11⁄2 Laib. Verwaltungskosten, 11⁄2 Laib. Risiko und Verdienst des Unternehmers, 1 Laib. Das sei jetzt ein bisschen à la Schweyk gerechnet! kann man wohl sagen, doch Gott erhalt uns den braven Schweyk, vierzig Jahre keinen Krieg mehr gehabt, in Europa, doch draussen, in der Welt, Herr Burgener, einer nach dem andern. Mit Napalm und allem, und ein Flüchtlingselend in der Welt, Herr Burgener, Sie wissen nicht, was Krieg ist, Ihre Schlachten, damals, Mann zu Mann, das war Zuckerlecken, Herr Leutnant, Honigstreichen war das gegen die Bilder, die uns hier, im Frieden, via Television ins Haus kommen. Und innen haben wir alle Angst und warten auf den Grossen; der jederzeit, sogar aus Versehen, losbrechen kann; dann, Herr Burgener, ist nichts mehr zu retten.
- Als Ganzes, als Agglomeration will Ihnen Ihr Dorf nicht mehr gefallen, nicht sonderlich? Sie ahnen ja nicht, Herr Landeshauptmann, wie schnell sich das alles verändert. In den letzten dreissig Jahren so sehr, dass wir es kaum wiedererkennen, geschweige denn Sie, der, mit Verlaub, von weit herkommt. Wir waren auf dem grossen Sprung. Dreissig Jahre Entwicklung an die gemütlichen dreihundert von vorher. Keine Zeit für Patina, keine Zeit für Sentimente; auch unser inneres Auge hat sich noch nicht daran gewöhnt. Drum jetzt diese nostalgische Fassadenflickerei überall; wir möchten, wo es geht, doch noch etwas zurückholen; wir haben uns selbst überholt.
- Gewiss, Lungen braucht es, um heute zu überleben, sicher. Unser grösstes Problem – ausser dem inneren, der Angst auf der Welt –, unser grösstes äusseres Problem ist der Verkehr. Wir fressen Gas, Herr Burgener, Abgas, noch und noch. Mag sein, wir mutieren schon. Wenn nicht, steht es schlimm.
- Renaissance, Barock, und Sie haben Wien und Paris gesehn, damals, Florenz; warum wir, bei all unserer Bildung, so einen mickrigen Baustil hätten? Kleinkarierte Uniformität nennen Sie das? Da mag was dran sein, wenn das jetzt auch nicht sehr diplomatisch war, Herr Ambassador. Schenken wir uns die Kunstgeschichte, zurückbetrachtet ist einfach vergolden; hier und jetzt muss man natürlich auf ökonomische Zwänge verweisen. Der Raum wird enger, Herr Burgener, und so springen denn die Bodenpreise qua Spekulation jeglicher Vernunft aus der Zange. Sie, Herr Burgener, haben da gut reden, Sie kamen aus Frankreich zurück, und Ihre gute Frau Cäcilia Lambien hatte Ihnen diesen herrlichen Herrschaftssitz hingestellt; Sehen Sie, damit der in seiner ganzen Pracht erhalten bleibe, restaurieren wir das jetzt. Dreihundert Jahre hat er einigermassen überstanden, kam ja nie aus der Familie, aus Ihrer Familie, wissen Sie, an uns soll es nicht liegen. Sogar das Türmchen setzen wir Ihnen wieder drauf, das 1855 mit dem Erdbeben ging.
- Viel Geld? Einigermassen, denken Sie an die Brotrechnung. Doch da Ihr Haus nun als Monument von regionaler Bedeutung gilt, helfen, über den Denkmalschutz, Kanton und Bund. In der Stiftung zum Erhalt Ihres Hauses sitzen, neben Ihrer Familie, die Gemeinde unter Präsident Peter Bloetzer, die Burgerschaft unter Burgermeister Dr. Francis Gattlen, der Verein Iischers Visp unter Dr. Raymond Perren und die Lonza AG. Professor Alfred Schmid vom eidgenössischen Denkmalschutz hat die Oberaufsicht. Soll aber nicht einfach ein Monument werden, soll Ieben, Ihr Haus, Herr Burgener; auf zwei Etagen kommt jetzt das Gericht hinein, ins Erdgeschoss die Kanzlei, der alte Brotsaal – wissen Sie noch, wie da etwa gezecht wurde –, der also wird zu einem Empfangsraum für Gemeinde und Burgerschaft; zuunterst, neben den Kellern, Archive. – Sieht bald einmal gut aus, hier ringsum, ja gewiss. Die vor kurzem restaurierte Dreikönigskirche im Rücken, schauen Sie doch, wie die strahlt, wie früher, obere Burgschaft, Rathaus, Pfarrhaus, Martiniplatz, ja, das wird noch ein sehr schöner Nucleus, wie unser Architekt Luigi Nicolazzi zu sagen pflegt.
- Ganz schöner Nucleus, finden Sie auch. Dann ist ja gut, Herr Landeshauptmann. Ihnen ist, als müssten die Schwalben weiss sein, wie der Firn vom Balfrin da drüben? Ganz leicht fühlen sie sich? Ja, ich sehe sie auch, die Eidechse auf dem weissen Gemäuer. Flinker als sonst? Kann sein. Es ist als ob sie Flügel hätte. Stehen Sie doch bitte in die Loggia da, die unterste, die wir auch wieder ausgegraben haben. Wir machen ein Foto, schauen, ob sie fliegt.»
Pierre Imhasly
In Imhaslys «Rhone Saga» von 1996 findet sich der Text «Mein Dorf schaut in sich hinein», in dem Johann Jodok Burgener ebenfalls in den Neunzigerjahren ins Dorf «CH-3930» zurückkehrt. [Zum Visper Schriftsteller Pierre Imhasly siehe auch Visper Geist, Band I S. 259 ff.]
Visp stellte wenige Söldner
Auch wenn Johann Jodok Burgener in französischen Kriegsdiensten war – die grösseren Orte im Tal des Rottens, darunter Visp, stellten praktisch keine Söldner. Fast alle Walliser Söldner stammten aus Bergdörfern, wo die Leute oft nahe am Existenzminimum lebten. Die Söldner waren besser bezahlt als die Arbeiter in den Bergwerken zu Hause. Zudem war das 17. Jahrhundert gekennzeichnet durch Teuerungen; dazu kamen Naturkatastrophen wie etwa Überschwemmungen, die sich besonders verheerend auswirkten.
Die günstigste Zeit für die Anwerbung von Söldnern war offenbar der Hochwinter, wenn die Bergbauern fast arbeitslos waren und wenn in schlechten Jahren und strengen Wintern das Heu für die Kühe ausging, sodass die Familien in eine schlimme Lage gerieten. Es gab aber auch Leute, die ihr Gut «verwirtschafteten» oder sonst in Schulden gerieten und deshalb im Solddienst den einzigen Ausweg sahen. Johann Venetz, Kastlan von Visp, bat das Söldnerbüro von Stockalper, einen gewissen Hans Im Eich, Sohn des Schusters Nikolaus Im Eich aus Albenried oberhalb Visp, in eine Kompanie aufzunehmen. Dieser habe sein väterliches Erbe gänzlich vertan und sei nun gewillt, in den Solddienst zu ziehen, um sich dort «ehrlich durchzubringen».
Es gab auch Leute, die aus Abenteuerlust oder Langeweile in den Dienst zogen. So gab ein Vater an, sein Sohn sei noch zu jung zum Heiraten, er wolle in die Fremde, unter anderem wegen «perte du temps qu’il fait dans nos quartiers». Generell aber steht fest, dass man Geld verdienen musste oder wollte. Hinter diesen Beispielen standen die wirtschaftliche Lage der ausschliesslich von Landwirtschaft lebenden Leute und die sozialen Spannungen, die sich daraus ergaben.
Männer aus noblen Familien zogen direkt als Offiziere in fremde Dienste, kamen zumeist reich begütert zurück und spielten anschliessend in der Heimat politisch eine Rolle. Diejenigen, die nicht die Möglichkeit hatten, an Universitäten zu studieren, lernten so im Ausland Fremdsprachen. Als Offiziere konnten sie sich mit Problemen der Führung auseinandersetzen und holten sich so die nötigen Voraussetzungen, um anschliessend in der Heimat Verwaltungs- und Führungsaufgaben zu übernehmen.