Kapitel Nr.
Kapitel 08.02

Der Dorfbrand von 1518 – Brandstiftung von auswärts?

Im Frühjahr 1518, am 16. April, als der Visper Simon In Albon Landeshauptmann war, wütete in Visp ein Grossbrand, der den alten Ortskern am Gräfinbiel mit den kleinen Häusern und engen Gassen, ebenso einen Grossteil der tiefer gelegenen, aus Holz gebauten Häuser zerstörte.

Zwei Protokollauszüge des Landrats, des Kantonsparlaments, verwenden im Zusammenhang mit diesem Brand das Wort «verräterisch». Es kann angenommen werden, dass der Brand von feindlicher Seite willentlich gelegt wurde und in erster Linie das Schloss auf dem Gräfinbiel anvisierte, das den Grafen von Visp und ihren Nachfolgern als gesicherte Wohnstätte diente; tatsächlich wurde es eingeäschert. Das Schloss sah sich bis auf die Grundmauern zerstört, während die Kirche durch dieses Schadenfeuer schwer beschädigt wurde. Es ist durchaus möglich, dass der Biel im Süden der unteren Kirche und der Norden in seiner ganzen Breite vom Herrschaftssitz belegt war.

Verräterisch in Brand gesteckt?

Am 28. April 1518, wenige Tage nach dem Brand, schrieb Landeshauptmann Simon In Albon aus Visp nach Luzern: «Begegnet uns ouch Visp, daz ehrlich dort uf Fritag in der nacht nach Quasimodo (16. April) als wir mörklich anzeig finden, verretherlich angesteckt und verbrannt ist. Solchen Kummer klagen wir euch, unseren teuren, lieben Mitbürgern und bitten und mahnen euch zu dem höchsten. Ihr wollt denselben zu Herzen fassen und uns vor Gewalt schützen und zu Recht verhelfen.»

Schiners Männer in Visp eingedrungen?

Im Vorfeld des Brandes hatte sich die Situation zugespitzt: Nachdem sich die Visper fast restlos auf die Seite des Volkstribuns Supersaxo gestellt und damit gegen Kardinal Schiner Position bezogen hatten, griff dieser zum Kirchenbann: Papst Julius II. belegte 1512 auf Veranlassung des Walliser Kardinals den Visper Kastlan Simon In Albon, Vater des gleichnamigen späteren Landeshauptmanns, mit dem Kirchenbann. Im hohen Alter von 70 Jahren wurde In Albon 1517 nach Rom zitiert, wo er während sieben Monaten in der Engelsburg eingekerkert blieb. Die Walliser blieben aber die Antwort nicht schuldig: Sie beschuldigten unter anderem den Bruder des Kardinals, er sei mit seinen Leuten bewaffnet in Visp eingedrungen und habe dort 22 Häuser angezündet. [Siehe auch Kapitel 08.01 «Visper eher für Supersaxo als für Schiner».]

Kardinal Schiners Rechtfertigung

In der ausführlichen Rechtfertigung des Kardinals Schiner wegen Verhängung von Acht und Bann über Jörg uf der Flüe und dessen Anhänger steht unter anderem: «Der widerteil sol och gerettet haben, Hr. Kardinal wider inn vor einer loblichen Eydgnosschaft mancherlei unwarheiten von mirachen und von sundren Personen gerett hab, sagt Hr. Kardinal, was er hiervor geschriben und was syn hochwurd furgelen in gestalt wie syn red geschechen ist, weile alles und möge mit fromer erlicher Kundschaft war machen, sol auch der widerteil, das Visp verbrunnen mit Hr. Kardinal Schuldigen, der davon nutzet gewust hat, mag er aber die priester von Stalden und ander erfragen, können im sagen, wie in denen Tagen sy ein mutig schwert und zwo Geislen ob Visp nachtz haben gesechen schweben derglych hat daz für öch sym wurkung vollbracht.»

In einem Brief von Jörg auf der Flüe an den Landeshauptmann Simon In Albon, auch vom 28. April 1518, wird der Brand ebenfalls erwähnt: «dass die Landlüthe» gute Wacht «heighen», «das wir besorgen, das merklich anzeng zu Bryg und zu Visp vorfinden, dass der Brand mit verreteren aufgegangen. Ihr sollt eylends einen Boten schicken auf Leuck, wann sie nit einen Boten schicken, so würden die Landslüt hier auf ihren Kosten liegen.»

Nach dem Dorfbrand von 1518 liess sich Landeshauptmann Simon In Albon dieses prächtige Haus auf dem Gräfinbiel bei der Dreikönigskirche bauen.

© Christian Pfammatter

Das Geschenk der Burgerschaft an In Albon

Angesichts des Brandes erscheint es plausibel, dass Landeshauptmann Simon In Albon während der ersten Monate seiner Amtszeit in der Burg wohnte. Ein weiteres Indiz ist, dass die Burgerschaft dem neu gewählten Landeshauptmann noch im gleichen Jahr Bauland am Nordwesthang des Gräfinbiel schenkte, nämlich den westlichen Teil der Brandruine und des Hügels. Simon In Albon konnte dort für sich das stattliche Patrizierhaus erstellen, das noch heute mit seinen markanten Treppengiebeln eine Zierde des Gräfinbiel darstellt. Der oberste, flache Teil direkt gegenüber der unteren Kirche dürfte zunächst noch aus einer Ruine bestanden haben, entstanden bei dem vermuteten Brandanschlag, dem unter anderem das Schloss der de Biandrate und ihrer Vorgänger nördlich davon zum Opfer gefallen war.

Jahre später gab er den unteren Teil der Parzelle wegen Nichtgebrauchs den Burgern zurück, allerdings mit der Auflage, dass dort kein weiteres Wohnhaus entstehen dürfe. Das später östlich davon entstandene Wohnhaus beeindruckte im Gegensatz zu In Albons burgartigem Gebäude nur gerade durch seine Grösse. Wer es erstellt hat, steht nicht fest. Möglicherweise hatte auch hier In Albon die Hand im Spiel, verbindet schliesslich doch die heute noch bestehende Wohnbrücke mit schlankem Turm die beiden stattlichen Gebäude.

Bau aus Holz und Eisen von 1518

In einem bescheidenen Haus Ennet der Brücke war gemäss Adolf Fux noch folgender Spruch zu lesen: «Im Jahr Jesu des Sohnes Maria 1518 aufgerichtet (ans Licht gebracht) durch Mühe und grosse Kunstfertigkeit des Meisters Christian Andereggen und des Meisters Peter Gerstiner, dieser des Eisens, jener des Holzes Werkmeister.»

Verkauf der Säge

Mit Zustimmung der Burger kaufte Moritz Zer Bruggen am 28. Januar 1518 die in den Wehrineyen gebaute Säge um 8 Pfund.

Heimlich statt laut

Am 2. Januar 1588 beschloss der Burgerrat, dass der Stundenrufer inskünftig eine heimliche Wacht durchführen solle, statt die Stunden zu rufen.

1518 brannte der Dorfkern von Visp nieder; man vermutete Brandstiftung. Bei allem Leid, das der Grossbrand verursachte, schuf er Platz für den Bau grosszügiger Bürgerhäuser. Im 16. Jahrhundert entstand in Visp eine überdurchschnittlich grosse Zahl an gemauerten Bauten im frühbarocken Baustil. Diese bauliche Entwicklung beeinflusste das Siedlungsbild von Visp stark. Blick auf den heutigen Kaufplatz und seine Umgebung.

© Daniel Reust

Feuer und Wirtschaftseinbussen bestimmten Bautätigkeit

Das neue Haus des Landeshauptmanns Simon In Albon blieb nicht das einzige. Bei allem Leid, das der Grossbrand verursachte, schuf er Platz und damit die Voraussetzung für den Bau grosszügiger Bürgerhäuser. Das erklärt die überdurchschnittlich grosse Zahl an Bauten aus dem 16. Jahrhundert in Visp. Die Katastrophe sollte eine weiträumige bauliche Entwicklung zur Folge haben, die das Siedlungsbild von Visp stark beeinflusste. Dieser Neubeginn war gemäss Experten ausschlaggebend für den festen Platz, den der frühbarocke Baustil im Bild von alt Visp erhielt.

Die Bautätigkeit nahm wieder ab, als aufgrund des Ausbaus des Simplonpasses zwischen 1630 bis 1650 die Bedeutung der übrigen Oberwalliser Alpenpässe, auch jener in den Visper Tälern, sank. Die Stärkung des Simplonpasses durch Kaspar von Stockalper schwächte das Transportgewerbe in Visp.