Kapitel Nr.
Kapitel 18.12

Der leidige Entsumpfungskanal Visp–Niedergesteln

Die Entsumpfung des 19. Jahrhunderts fand anfangs des 20. Jahrhunderts ihre Fortsetzung. In Visp wurden weitere Entsumpfungsprojekte realisiert, die weiteren Boden erschlossen. Die dafür erforderlichen Kanäle wurden zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden angelegt. Die Anlagen erschlossen die «Eye», das «Mischi», wo sich die offene Kehrichtdeponie befand, und das Gebiet zwischen Visp und Schnidrigen (oberhalb des Bahnhofs von Gampel).

Brücke über einen Kanal in der Ebene vor Visp.

Nicht datiert, Fotograf unbekannt, zVg

Kanal zum Entsumpfen in der Eye

Um den komplett sumpfigen Boden kultivierbar zu machen, sprach der Burgerrat 1910 den Wunsch aus, in der Eye solle ein Kanal erstellt werden. Es wurde allerdings 1920, bis der Entsumpfungskanal durch die Eyenlöser erstellt war. 

Offene Kehrichtdeponie in entsumpftem Gebiet

Auch das Gebiet östlich der Siedlung Visp war anfangs des 20. Jahrhunderts versumpft. In dieser unwirtlichen Gegend hatte man eine offene Deponie für den Hauskehricht angelegt. Aus diesem Grund erhielt das Gebiet den Namen «Mischi». Nun wollte die Gemeinde auch diese Gegend entsumpfen. Dies geschah im Herbst 1925 mit dem Bau des Mischi-Kanals mit einem Kostenaufwand von 170 000 Franken.

Entsumpfungsprojekt baureif

Die Gemeinden Visp, Raron und Niedergesteln erstellten Mitte der 20er-Jahre gemeinsam den Entsumpfungskanal zwischen Visp und Schnidrigen, das grosse Entsumpfungswerk in der Rottenebene. 

Im Hotel Post hatte im August 1915 eine Konferenz von Vertretern der Gemeinden Raron, Visp und Eyholz stattgefunden, bei der beschlossen wurde, das Entsumpfungsprojekt von Ingenieur Rauchenstein beim kantonalen Baudepartement zur Erlangung der gesetzlichen Subsidien einzureichen. Es bestand im Wesentlichen aus einem Hauptkanal zwischen Eyholz und Schnidrigen mit einem leistungsfähigen Durchlass unter der Vispa kurz vor deren Einmündung. Der Kanal erhielt eine Transportkapazität von 1,2 bis 7 Kubikmeter pro Sekunde. Um Letzteres zu ermöglichen, musste der bereits bestehende Schnidrigen-Kanal ausgebaut werden. Die Entwässerung der Ebene sollte durch sekundäre Zuleitkanäle ausgeweitet werden.

Gemeinschaftswerk von Visp, Raron und Niedergesteln

Die vorberatende Kommission schilderte die Lage gemäss der Walliser Geschichte von Arthur Fibicher so: «Diese Ebene erstreckt sich über eine Länge von 12 Kilometern und umfasst 750 Hektaren. Topografisch zerfällt sie in drei Abschnitte, die durch die Schuttkegel der durchfliessenden Flüsse und Bäche, nämlich der Vispa, des Laubbachs und des Mühlebachs, getrennt sind.» Einzig die Schuttkegel seien bebaut und bildeten kulturfähige Eilande mitten in der trostlosen, von Wasser durchtränkten und mit Schilf bewachsenen Ebene. Dieses Wasser stamme aus verschiedenen Quellen: Grundwasser, das in einem Einzugsgebiet von 58 Quadratkilometern durch Sickerungen von den Berghängen von Eyholz, Bürchen, Unterbäch und Eischoll geliefert wird, Wasser vom Laubbach und vom Mühlebach, die keinen Abfluss in die Rhone haben und deren Wasser sich in die Ebene ergiesst; die am Bergfuss und in der Ebene aufstossenden Quellen; das Bewässerungswasser des Schuttkegels der Vispa.

Mit Unterstützung von Bund und Kanton hatten die Gemeinden Visp und Raron bereits bedeutende Arbeiten ausgeführt und damit diesem Wasser einen Abfluss verschafft. Bislang waren die Gemeinden jede für sich an die Entsumpfung dieser Ebene herangetreten; jede besass ein eigenes Kanalnetz mit eigener Ausmündung, das erste bei der unteren Baltschiederbrücke, das zweite bei Schnidrigen oberhalb des Bahnhofs von Gampel. Diese Kanäle aber hatten die in sie gesetzte Hoffnung nicht erfüllt. So beschlossen die Gemeinden 1917, in der Sorge um die Zukunft ihrer Bewohner, eine rationelle Entwässerung ihres Bodens zu studieren.

Syndikat Visp, Raron und Niedergesteln

Im Jahr 1919 wurden die Arbeiten für die erste Teilstrecke am Entsumpfungskanal an die Unternehmer Donazzola, Rossi und Bodenmüller vergeben. Der Kostenvoranschlag belief sich auf drei Millionen Franken für den Hauptkanal mit sämtlichen Abzweigungen und Seitenkanälen. 

Zur Finanzierung dieses Unternehmens wurde ein Syndikat gebildet, bestehend aus den Gemeinden Visp, Raron und Niedergesteln. Die Kantonalbank eröffnete einen Kredit von 500 000 Franken, ohne weitere Sicherheiten zu verlangen. Das Syndikat verpflichtete sich lediglich dazu, die eintreffenden Kantons- und Bundessubventionen auf dieses Konto einzuzahlen. Die Arbeiten schritten zügig voran, sodass der nachgesuchte Kredit bald erschöpft war. Ein weiterer drängte sich auf. 

Die Kantonalbank gewährte weitere 400 000 Franken. Somit betrug die Schuld 900 000 Franken.

Finanzielle Nöte

Am 23. November 1919 erteilte die ausserordentliche und stark besuchte Urversammlung dem Gemeinderat einstimmig die Vollmacht zuhanden des gesamten Syndikats, bei der Kantonalbank ein Darlehen von 400 000 Franken aufzunehmen. Zweck: Finanzierung der Entsumpfungsarbeiten des Schnidrigen-Kanals zwischen Visp und Raron.

Das erste Teilstück war aber noch nicht vollendet. Ohne Sicherheitsleistung wollte die Kantonalbank keine weiteren Geldmittel zur Verfügung stellen. Für eine Hypothek von 300 000 Franken musste die Gemeinde Visp ihr Wasserwerk einsetzen. Ende 1921 war auch dieser Kredit erschöpft. Die finanziellen Probleme des Entsumpfungskanals wurden immer grösser. 

Als 1922 das kantonale Baudepartement zur Auszahlung der Garantiesumme an die Unternehmer einen Gutschein im Betrag von 100 000 Franken ausstellte, weigerte sich die Kantonalbank, denselben einzulösen. Das hatte zur Folge, dass Visp und Raron bei der Bank in Brig einen Wechsel auf diesen Betrag aufnehmen mussten, der alle vier Monate erneuert werden musste. Mit den Subsidienzahlungen hatte sich die Schuld bei der Kantonalbank inzwischen von 900 000 Franken auf 421 000 Franken reduziert. Betreffend Zinsfuss machte die Kantonalbank keinen Unterschied zwischen Kontokorrent und Hypothek; dieser betrug 6 1⁄2 Prozent. 

Es ergaben sich aber auch Arbeiten, die in der Planung nicht vorgesehen und die in der gemeinsamen Schuld von 826 679 Franken nicht enthalten waren, so die Unterführung unter die Vispa und die Fortsetzungsarbeit, die Reparaturarbeiten nach dem Hochwasser von 1921 und die Arbeit am Nordkanal.

Da 1923 die Beschaffung weiterer Gelder zur Beendigung des gesamten Unternehmens scheiterte, beschlossen die Gemeinden, jede auf ihrem Territorium und auf eigene Rechnung die Weiterführung an die Hand zu nehmen. Für die Gemeinde Visp bedeutete dies einen Aufwand von 222 612 Franken für die Ausführung der Vispa-Unterführung, verbunden mit den entsprechenden Rhone- und Vispa-Dammarbeiten. Dafür hatte die Kantonalbank vorerst einen Kredit von 170 000 Franken eröffnet, diesen nachträglich aber auf 152 500 Franken herabgesetzt. Diese Arbeiten konnten nicht voranschreiten, weil die Gemeinde Visp nicht über die nötigen Zahlungsmittel verfügte. Und die Unternehmer führten die Arbeiten nur so weit aus, um damit ihre Steuern verrechnen zu können.

Als Hauptkanal war anfänglich der Grossgrundkanal vorgesehen. Da Eyholz jedoch nicht mitmachen wollte, wurde der Hauptkanal nach der Ortschaft Visp gegen das «Mischi» verlegt. Dass die Bodeneigentümer immer noch auf die Auszahlung der Gelder für die Expropriationen warten mussten, war ein anderes Kapitel dieses ungebührlich stark von finanziellen Nöten geplagten Kanalbaus. Demgegenüber stand aber der Mehrwert des entsumpften Bodens, der nach Vollendung des Hauptkanals erhoben werden konnte.

Der Entsumpfungskanal Visp–Schnidrigen

Die langwierigen Arbeiten, geleitet von Ingenieur Rauchenstein, gingen 1926 zu Ende. Erst im Jahr darauf einigten sich die drei Syndikatsgemeinden nach langen und zähen Verhandlungen über die Verteilung der Kosten für das Werk auf folgende Prozentanteile: Visp 57 Prozent, Raron 40,5 Prozent, Niedergesteln 2,5 Prozent. 

1927 erfolgte die Arbeitsausschreibung für den Grossgrundkanal durch den Kanton. Eine harte Nuss stellte dabei die Unterführung der Vispa mittels Tunnel dar. Diese Arbeiten hatten Mehrkosten von über 100 000 Franken zur Folge.

Kanalisationswasser als neue Herausforderung

In der Folge war es mit dem natürlich anfallenden Wasser der Region nicht getan. Es kamen die Kanalisationen der Gemeinden Eyholz und Visp hinzu und es folgte das Abwasser und Kühlwasser der Lonzawerke, die das Gerinne zusätzlich belasteten. Im Winter hatte das Folgen. Dem Kanal entstiegen nun Nebelschwaden, was auf der parallel dazu führenden Kantonsstrasse zwischen Visp und Raron den Verkehr störte. Später entzog die Fernwärmezentrale der Lonza dem Kühlwasser die nutzbare Wärme, womit dann auch diese gefährliche Nebelbildung der Vergangenheit angehörte.

Löser nach Entsumpfung neu vergeben

Nach der Entsumpfung der unteren Wehreye 1924 wurden dort neue Löser vergeben. Zuvor hatte aber die Burgerschaft an dieselbe noch einen Beitrag von 30 000 Franken zu leisten.

Die Erstellung eines Entsumpfungskanals zwischen Visp und Eyholz wurde vom Kanton 1935 mit 565 Franken subventioniert.

Vier Ortsschätzer

Als Ortsschätzer wurden anfangs 1917 ernannt: Josef Bodenmüller, Josef Perren, Stefan Bellwald und Louis Wyer.

Kein Weidgang mehr in den Eyen

Gerade im Frühjahr gab es in den Eyen viel abgestandenes und dürres Gras, was eine bedeutende Feuergefahr darstellte. Da nun in den Eyen durch Abbrennen von dürrem Gras schon zum wiederholten Mal Feuer gelegt worden war, wurde der Weidgang dorthin ab 1909 für die folgenden Jahre nicht mehr versteigert.

Boden für 10 Centimes pro Quadratmeter

Der Laichgraben in der Grosseye, hinter der Landstrasse, der ehemalige Entsumpfungskanal, wurde – weil nicht mehr benutzt – von den Angrenzern aufgefüllt. Die Urversammlung von 1949 beschloss, diese 5 251 Quadratmeter Boden den angrenzenden Bodeneigentümern zum Preis von 10 Rappen pro Quadratmeter abzutreten.

Burgerschaft steigerte in Grosseye

Von Alex Graven, der nun in Sitten wohnte, erwarb die Burgerschaft Visp an der Versteigerung vom 24. Mai 1916 für 6 700 Franken dessen Liegenschaft in der Grosseye.

Grenzstreitigkeit nicht erledigt

Im März 1925 drohte der Kanton der Gemeinde Visp eine Busse an, weil die Grenzstreitigkeit zwischen Visp und Eyholz noch nicht erledigt war.

Weitere Inhalte des Kapitels 18, 1908–1925

Am neuen Industrieort formierten sich politische Parteien

Kapitel Nr.
Kapitel 18
Zeithorizont
1908–1925

Visper im Walliser Staatsrat

Kapitel Nr.
Kapitel 18.08

Ein Pflanzgarten zur Baumaufzucht

Kapitel Nr.
Kapitel 18.20