Der leidige und lange Weg bis zur Einführung der Visper Sekundarschule
Bereits 1910 erlaubte das kantonale Erziehungsdepartement per Dekret die Gründung von Sekundarschulen in den Gemeinden. Auf diese Möglichkeit muss zu wenig überzeugend hingewiesen worden sein – jedenfalls auf deutsch –, denn in Sachen Sekundarschule herrschte im gesamten Oberwallis zunächst absolute Funkstille. Die Gemeindebehörden sahen von einer entsprechenden Anstrengung für ihre Schüler ab. Aus- und Weiterbildung waren auf eine kleine privilegierte Schicht begrenzt. Diese konnte es sich leisten, ihre Söhne nach der Primarschule an die Mittelschule im Kollegium in Brig und vereinzelt auch ihre Töchter auf höhere Schulen zu schicken; sie hatten kein Interesse daran, dass auch weniger Begüterte Zugang zu Bildung erhielten.
Die grössten Gegner der Sekundarschule waren die Bauern; sie stellten sich offen dagegen, denn für die landwirtschaftlichen Arbeiten mussten sie über ihren Nachwuchs verfügen können. So dauerte es ein volles Vierteljahrhundert, bis in Visp die erste Sekundarschule des deutschsprachigen Wallis eröffnet wurde.

Das war die erste Klasse der 1935 eröffneten Visper Sekundarschule mit dem St.Galler Max Raiber als Lehrer. V. l. n. r., 1. Reihe: Leander Heinzmann, Meinrad Jerjen, Paul Venetz, Etienne Perren, Josef Stehlin, Julius Zenhäusern, Walter Bigler, Lehrer Max Raiber. – 2. Reihe: Adolf Bodenmüller, Viktor Schaller, Xaver Zenhäusern, Leo Zurbriggen, Rudolf Perren, Albert Biaggi, Marcel Biffiger. – 3. Reihe: Walter Imesch, Bernhard Bumann, Peter Meyer, Andreas Bloch, Georg Jenelten. – 4. Reihe: Alex Hug, Peter-Marie Studer, Emil Zenhäusern, Erwin Ruppen, Cäsar Studer, Josef Anthamatten. Nicht auf dem Bild: Yvo Jenelten, Willy Furger.
Aus der Broschüre «50 Jahre Sekundarschule Visp», 1985
Keine Möglichkeit, eine Lehre zu machen
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts musste sich der grösste Teil der Bevölkerung aus dem kargen Ertrag der immer wieder überschwemmten und daher mageren Böden ernähren. Viele zogen als Dienstboten und Handlanger in Städte oder verdienten als Knechte und Mägde oder im Gastgewerbe den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu Hause.
Wer eine Stelle in der Fabrik fand, konnte sich als Glückspilz betrachten – dies, obwohl er dort nur zu Handlangerdiensten herangezogen wurde. Geschulte Fachkräfte, gelernte Handwerker und kaufmännisch gebildete Leute gab es in Visp noch nicht. Bis 1919, als eine Initiative für eine Gewerbeschule Früchte trug, bestand keine Möglichkeit, eine handwerkliche, gewerbliche oder kaufmännische Ausbildung zu absovieren.
Im Vergleich zur übrigen Schweiz wies das gesamte Schulwesen im Wallis einen gewaltigen Rückstand auf. Visp bildete da keine Ausnahme, obwohl es seit bald einem Vierteljahrhundert Industriestandort war. In den 20er-Jahren wurde der unbefriedigende Zustand der Visper Schulen offensichtlich.
Landwirte gegen Sekundarschule
Fortschrittlich gesinnte Kräfte, welche die dringende Forderung der Zeit nach vermehrten Bildungsmöglichkeiten für die Jugend erkannt hatten, setzten sich für eine dezentralisierte Lösung ein, die sie «Sekundarschule» nannten. Neu war die Idee einer Sekundarschule für das Oberwallis keineswegs, erst recht nicht mit Blick auf die übrige Schweiz, existierten doch solche Schulen schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in der Deutschschweiz.
1931 diskutierte die Urversammlung der Gemeinde Visp einen ersten konkreten Vorschlag der Fortschrittspartei, die Sekundarschule einzuführen.
Gegen diese Neuerung, die vor allem der weniger gut gestellten Jugend eine bessere Zukunft versprach, leisteten Leute Widerstand, die als Selbstversorger das Heil für die Bevölkerung nach wie vor in der kargen Landwirtschaft sahen. Im Volk soll sogar – gezielt – die Meinung vertreten worden sein, vermehrte Schulung würde dem Bauernstand schaden und die Abwanderung fördern. Zudem würden die Kinder während der Schulzeit als Hilfskräfte im eigenen bäuerlichen Betrieb fehlen.
Dem «neuen Zeugs» wurde mit rückständigen Argumenten begegnet: «Die Sekundarschule ist nicht für unsereiner. Diese Erfahrung nützt in der Landwirtschaft nichts. Er ist dann zu gescheit zum Bauern. Wer die Kinder zu rechten Leuten erziehen will (gemeint war da die Erziehung zum Glauben, zum Fleiss und zur Sparsamkeit), darf sie nicht in die Sekundarschule schicken.»
Es wurde befürchtet, dass die Lehrkräfte der Sekundarschule neue und gefährliche Ideen verbreiten würden, die sich gegen Altbewährtes richteten; es wurde ihnen ein tiefes Misstrauen entgegengebracht.
Kollegium befürchtete Schülerschwund
Anderseits – und das fiel noch mehr ins Gewicht – waren die bessergestellten und seit jeher regierenden Familien auch zu diesem Zeitpunkt nicht an einer allzu gut gebildeten Jugend der übrigen Dorfbevölkerung interessiert. Ludwig Imesch zitierte immer wieder den damals hartnäckig im Volk herumgebotenen Spruch: «Lasst das Volk dumm bleiben – so regiert’s sich leichter.»
Auch Akademiker weltlichen und geistlichen Stands setzten sich zum Teil heftig dagegen zur Wehr, die allgemeine Volkssekundarschule einzuführen. Das Kollegium in Brig befürchtete Schülerschwund in seinen Realklassen.
Der Wind drehte
Damit erreichten die Verfechter des bisherigen Schulwesens genau das Gegenteil dessen, was sie als wünschenswert betrachteten. Mit ihrer undifferenzierten Antwort hatten sie nun auch manchen Bürger, der bisher zu ihnen gehalten hatte, ins gegnerische Lager getrieben. Immer mehr Familien freundeten sich mit dem Gedanken an eine Sekundarschule an; wenn es der Nachwuchs im Leben besser haben sollte als die Eltern, konnte dies nur über eine für jedermann erschwingliche Schule und somit einen Ausbau der Schule geschehen.
Keine Fortschritte im Schulwesen
1933 wurde der damalige Visper Schulpräsident, Pfarrer Theodul Wirthner, der auch regionaler Schulinspektor war, mit dem Vorwurf konfrontiert, Visp habe im letzten Vierteljahrhundert auf dem Gebiet des Schulwesens keine Fortschritte gemacht.
Im Gegenteil, hielt Wirthner dem selbstzufrieden entgegen, Visp habe in dieser Zeit sogar grosse Fortschritte gemacht. Die Visper Schulen hätten anlässlich der Prüfungen bei der Schulentlassung, an denen Lesen, Aufsatz, Rechnen und Vaterlandskunde geprüft wurden, jeweils die besten Resultate im Oberwallis erreicht. Zudem seien die besseren Schüler der Kollegien oder ähnlicher Anstalten vorher in die Visper Primarschule gegangen.
Wenn der Fortschritt die Erwartungen nicht erfüllt habe, so die Argumentation des Schulpräsidenten, seien die Gründe dafür wohl anderswo zu suchen als in der Schule und bei den Lehrern, nämlich in den Anstalten, im Elternhaus, im anderen Zeitgeist, der zu sehr materiell geprägt sei und genusssüchtig mache. Die Lonza und das Kino würden hierzu beitragen. Ein weiterer Grund sei, dass es zu wenig Polizei gebe. Die Lehrpersonen könne man als gut bewerten.
Erklärungsversuche und Vorschläge
Kritische Stimmen forderten, man dürfe den Übelständen im Schulwesen nicht mit müssigen Händen gegenüberstehen. Es brauche eher einige Opfer vonseiten der Gemeinde und einige vonseiten der Bevölkerung. So könnten sicher weitere Fortschritte erreicht werden.
Man denke an eine andere Klasseneinteilung, an die Eröffnung einer neuen Knabenklasse, an eine eventuelle Verlängerung der Schuldauer von acht auf wenigstens neun Monate. Mit einer anderen Klasseneinteilung der Knabenschule war gemeint, dass die Fortgeschrittenen nach der 6. Primarklasse in eine Sekundarschule eintreten konnten.
Hauptsächlich wurde bemängelt, dass man die Stundenzahl der Hauptfächer zugunsten der Nebenfächer Zeichnen, Gesang und Turnen beschnitten hatte. Die Nützlichkeit und Notwendigkeit dieser Nebenfächer wurden zwar nicht bestritten, doch dürften diese gegenüber den Hauptfächern, so die Meinung, in keinem Fall das sein, was die Mistel der Föhre gegenüber.
Fortschrittspartei beantragte Sekundarschule
Die Fortschrittspartei, die im Gemeinderat die Minderheit bildete, reichte am 26. März 1933 das Begehren auf Einführung einer Sekundarschule ein und hielt in ihrem Schreiben fest: «Die Partei erinnert den Gemeinderat an den von ihr gestellten Antrag zum Studium der Gründung von Sekundarschulklassen und ergänzt diesen Antrag dahin, der Gemeinderat wolle in seinem nächsten Jahresbericht Auskunft geben, ob die Finanzlage der Gemeinde es gestatte, innert der drei kommenden Jahre zwei bis drei Sekundarschulklassen zu bilden oder ob mit der Äufnung eines Fonds begonnen werden könne, der die Verwirklichung dieser für unsere Bevölkerung so eminent wichtigen Frage innert spätestens 10 Jahren ermögliche.»
Gemeinderat war nicht bereit
Mit Schreiben vom 6. April nahm die Gemeindeverwaltung dazu Stellung: «Das Problem der Errichtung von Sekundarschulen in unserer Ortschaft ist nicht neu, der Rat hat sich schon mehrmals damit im Verlaufe der letzten Jahre beschäftigt. Auch Staatsrat Escher, Vorsteher des Erziehungsdepartementes, hat die Frage der Einführung von Sekundarschulen in den grösseren Ortschaften des Kantons ins Auge gefasst, seine Ansicht geht jedoch heute dahin, dass die nötigen Voraussetzungen kaum vorhanden sind und nur mit grösster Vorsicht vorgegangen werden sollte. Zur Eröffnung einer zwei- bis dreiklassigen Sekundarschule würden wir in Visp die nötige Schülerzahl nicht aufbringen und auf Zuzug von den umliegenden Orten können wir vorläufig gar nicht rechnen.»
Örtliches Unterrichtswesen reformieren!
1934 beschloss der Gemeinderat, das gesamte Unterrichtswesen am Ort einem eingehenden Studium zu unterziehen und eventuell einen Fachmann beizuziehen, bevor er ein bestimmtes Programm für die Zukunft in Aussicht stellte.
Da dämmerte es wohl auch jenen, die bisher notorische Gegner von Sekundar- und Gewerbeschule gewesen waren, dass Bildung nach der obligatorischen Schulzeit das einzig Richtige war, wenn man nicht wollte, dass auch spätere Generationen als Selbstversorger bei der einfachen Landwirtschaft blieben.
Schulkommission war offener
Auch die Schulkommission setzte sich anschliessend eingehend mit der Frage der Eröffnung einer Sekundarschule im Rahmen der Gemeindeschulen auseinander. Es sollten Primarschüler aufgenommen werden, die das 6. und 7. Schuljahr erfolgreich abgeschlossen und «ein befriedigendes Examen» abgelegt hatten.
Im Verlauf des Jahres wurden die Vorarbeiten zügig vorangetrieben und verschiedene Abklärungen vorgenommen. Der Schulinspektor holte ein Gutachten über die Finanzierung und das Programm ein. Mit weiteren Fachleuten wurde ein umfassender Fragenkatalog eingehend besprochen.
Denkwürdiger Gemeinderatsbeschluss
Anlässlich der Urversammlung vom 17. Februar 1934 gab der Vorsitzende, Gemeindepräsident Karl Anthamatten, bekannt, dass der Gemeinderat aufgrund des Antrags der Fortschrittspartei und der inzwischen durchgeführten Abklärungen beschlossen habe, eine sogenannte «Mittelschule» im Rahmen der Primarschulzeit einzuführen, mit eventueller Verlängerung der Schuldauer auf neun Monate. Das Programm gleiche demjenigen der Sekundarschule in anderen Kantonen.
Aufgrund der positiven Vormeinung der Schulkommission und des Gemeinderats empfahl dieser der Urversammlung vom 24. Juni die Eröffnung einer Sekundarschule in Visp. Als Vorbild für den Schultyp diente die «Ecole inférieure industrielle» von Sitten. Man ging davon aus, dass sich die finanzielle Mehrbelastung der Gemeinde auf höchstens 10 000 Franken belaufen würde.
In der Diskussion wurde hervorgehoben, der erweiterte Schulunterricht werde von unschätzbarem Vorteil sein; die Auslagen seien gerechtfertigt, die Armenlasten würden durch vermehrte Bildung eher vermindert und es werde auch der ärmeren Bevölkerung möglich sein, sich besser ausbilden zu lassen.
76 Prozent stimmten für Sekundarschule
Am 24. Februar 1935 unterbreitete der Gemeinderat der Bevölkerung die Einführung einer Sekundarschule in der Gemeinde – der ersten im Oberwallis. An der Urnenabstimmung nahmen 388 Bürger teil. Das Resultat fiel überraschenderweise überaus positiv aus: 296, also mehr als drei Viertel, sprachen sich für die Sekundarschule aus, 74 dagegen; 18 stimmten leer. Nach den zum Teil peinlichen Diskussionen in den Jahren zuvor war dies so nicht erwartet worden.
Vor allem die Fortschrittspartei hatte sich von den unglaublich rückständigen Gegnern – darunter auch die Mehrheit der Behörden – nicht beeindrucken lassen, sodass sich schliesslich immer mehr von ihnen überzeugen liessen, die Seite zu wechseln.
Das war ein historischer Entscheid für das Bildungswesen in der Gemeinde. Es wurde nun alles vorgekehrt, damit man im darauffolgenden Herbst mit dem Unterricht beginnen konnte.
Behörde empfing ersten Sekundarlehrer am Bahnhof
Die Behörden machten sich auf die Suche nach einer Lehrperson. Da eine solche im Wallis nicht zu finden war, schalteten sie ein Inserat in der «Schweizer Schule», auf das verschiedene Bewerbungen eingingen. Die Gewährsmänner, die man in verschiedenen Kantonen hatte, nahmen eine Vorselektion vor.
Mit den Kandidaten der engeren Auswahl wurde eine Besprechung im Hotel de la Gare in Bern abgehalten. Die Wahl fiel schliesslich auf den 22-jährigen St.Galler Sekundarlehrer Max Raiber.
Wie es damals Brauch und Ordnung war, wurde der erste Lehrer der neuen Schule am 20. Juli 1935 bei seinem ersten Eintreffen in Visp auf dem Bahnhof von den Behördenvertretern empfangen.
Dem neuen Lehrer wurde verkündet: «Die Verwaltung wird die notwendigen Vorkehrungen treffen, um Ihnen angenehme und heimelige Schulräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen». Trotz dieser behördlichen Zusicherung brachte Lehrer Raiber zur Schmückung des Schulzimmers die zwei Wandbilder «Niklaus von der Flüe» und «Matterhorn» mit. Das Schulzimmer wurde im «grossen Saal» des Schulhauses, das bisher der Primarschule gedient hatte, eingerichtet.
Für die Anschaffung von Demonstrationsmaterial für die Schule wurde ein Kredit von maximal 1 500 Franken bewilligt.
1. Oktober 1935 – historischer Tag für die Schule in Visp
Am 1. Oktober 1935 nahm die Visper Sekundarschule als erste im Oberwallis ihren Betrieb auf.
Die Tatsache, dass die Sekundarschule Thalwil zu diesem Zeitpunkt ihr 100-jähriges Bestehen feiern konnte, zeigt den riesigen Rückstand des Walliser Bildungswesens gegenüber dem Mittelland auf; dieser Vergleich vermochte aber die Freude über den gelungenen mächtigen Schritt in eine bessere Zukunft nicht zu trüben.
Schwieriger Beginn
Die ersten Jahre der neu geschaffenen Schule gestalteten sich recht schwierig für den Lehrer, die Schüler und die Schulkommission.
Die Schüler bekundeten zum Teil Mühe mit dem Lehrprogramm, der Lehrer beklagte sich über das recht flegelhafte Benehmen und den mangelnden Fleiss einiger Zöglinge und aufgrund der mangelnden Disziplin der Schüler hatte auch die Schulkommission einiges zu tun.
In der Folge wurde der Lehrstoff an die Voraussetzungen der Schüler angepasst. Zeitweilig mussten sogar zwei Abteilungen nebeneinander geführt werden, die eine mit dem Sekundar-, die andere mit dem Primarschulprogramm.
Auch waren die Einrichtungen im Schulraum denkbar einfach. Von Spezialräumen wie Chemie- oder Physikzimmern hatte man nicht einmal Kenntnis, der Turnunterricht fand zumeist im Freien statt. Einzig für den Gesang war ein Zimmer reserviert.
Den Schülern wurde monatlich ein Zeugnis ausgestellt. Burschen, welche die Schule schwänzten, holte die Polizei und Störenfriede massregelte der Lehrer mit Ohrfeigen oder dem «In-die-Ecke-Knien».
Es war keineswegs selbstverständlich, dass man nach der Sekundarschule in eine Lehre einsteigen konnte, weil es noch recht wenige Lehrstellen gab. Zwar konnten einige auch die Handelsschule besuchen, mussten aber trotzdem zunächst als Hilfsarbeiter den Lebensunterhalt verdienen.
Der Gemeinderat beschloss im Sommer 1937 die Sekundarschule probeweise für ein weiteres Jahr beizubehalten.
Neu: drei Jahrgänge und neue Fächer
Auf Antrag der Schulkommission beschloss der Gemeinderat 1938, in der erst drei Jahre alten Sekundarschule Französisch, Buchhaltung und Naturkunde als neue Fächer ins Programm aufzunehmen.
Auf das Schuljahr 1941/42 erweiterte er die Sekundarschule auf drei Jahrgänge. Pro Woche sollten 30 Stunden gehalten werden: 2 Religion, 5 Muttersprache, 5 Französisch, 4 Mathematik, 2 Geschichte, 2 Geografie, 3 Naturkunde, 4 Zeichnen, 1 Turnen, 1 Buchhaltung, 1 Gesang.
Die Schüler sollten sich aus dem 7. und 8. Jahrgang der Primarschule rekrutieren und sich über die nötigen Fähigkeiten ausweisen.
20 Franken Schulgeld
Anfangs 1949 legte der Gemeinderat das Schulgeld für auswärtige Schüler in der Sekundarschule fest: Für Schüler aus der Pfarrei betrug es 20 Franken, für die übrigen Schüler 50 Franken.

Bis in die Sechzigerjahre war die Sekundarschule den Männern vorbehalten. Das Bild zeigt die 3. Klasse der Sekundarschule des Schuljahrs 1962/63 mit Schülern der Jahrgänge 1946 und 1947 vor dem Rathaus. In der Mitte steht Sekundarlehrer Max Raiber. Bei seinem Stellenantritt 1935 hatten die Gemeindebehörden den St. Galler am Bahnhof abgeholt.
Fotograf unbekannt, zVg/Georges Andenmatten
Mädchen von Sekundarschule ausgeschlossen
Der neue Schultyp stand nur Knaben offen. Zu dieser Zeit und noch viele Jahre später sah man keine Veranlassung, Mädchen zu weiterer Ausbildung zuzulassen. Folgendes Zitat aus dem Jahr 1941 vermag zu veranschaulichen, welcher Platz den Frauen zugedacht war: «Anstatt unsere Schulmädchen mit den Namen der Flüsse Amerikas zu plagen, mache man aus ihnen geschickte Haushälterinnen und kundige künftige Mütter.»
Erst 1961 sollte der Gemeinderat beschliessen, auch den Mädchen den Besuch der Sekundarschule zu ermöglichen. Erneut war Visp die erste Gemeinde im Oberwallis, die diesen Schritt ging.
Ein Jahr später setzte der Kanton das neue Schulgesetz in Kraft, in dem sämtliche Gemeinden verpflichtet wurden, den auf ihrem Gebiet wohnhaften Knaben und Mädchen den Besuch der Sekundarschule zu ermöglichen, dies bei einer jährlichen Schuldauer von 39 bis 42 Wochen.
Gemischte Klassen – lange Zeit undenkbar
Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Mädchen und Buben in Visp in separaten Klassen unterrichtet, wobei die Lehrerinnen der Mädchen oft Klosterfrauen waren, die Lehrer der Knaben Geistliche.
Das Nebeneinander der beiden Geschlechter in einer Klasse und die dadurch entstehende, «dem Scheine nach unschuldige Vertraulichkeit im Umgang untereinander» seien bei den Kindern gefährlicher, wurde argumentiert. Es wurde befürchtet, dass eben dadurch die Leidenschaften «gereizt und angefacht» würden, noch bevor die Kinder das Gute vom Bösen unterscheiden könnten, ohne dass sie ihre Neigungen zu beherrschen gelernt hätten, sodass nur gar zu oft «das Sittenverderbnis der Entwicklung des Verständnisses» zuvorkomme.
Erst in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Geschlechtertrennung in den Schulen von Visp aufgehoben: 1968 gab es erstmals eine gemischte Sekundarklasse (3. Stufe), vier Jahre später wurden grundsätzlich alle Klassen, auch auf der Primarstufe, gemischt unterrichtet.
Siehe auch Kapitel 19.06 «Gewerbeschule, Haushaltungsschule, Turnhalle und Schulhausplatz».