Kapitel Nr.
Kapitel 04.08

Die Landbrücke, der meistbenutzte Flussübergang des Oberwallis

Die «Bruggen» bei Visp fand erstmals 1283 im Zusammenhang mit einem Lehenszins in Zeneggen Erwähnung. Später wurde die Brücke über die Vispa «Landbrücke» genannt, bildete sie doch einen unerlässlichen Übergang der südlich der Rottenebene angelegten Landstrasse. Die Brücke verband und verbindet die Burgschaft Visp mit dem Dorfteil «Ennet der Brücke». Ihre Bedeutung ging aber weit darüber hinaus: Durch dieses Nadelöhr musste der gesamte Verkehr landauf, landab, und zwar bis zur Inbetriebnahme des Vispertal-Tunnels im Schwarzen Graben im Jahr 1997, der den Verkehr in die Vispertäler hinein und aus ihnen heraus nach Westen hin weitgehend aufnahm und so die Landbrücke wesentlich entlastete.

Vor 380 Jahren soll die Visper Landbrücke so ausgesehen haben. Jedenfalls zeigt sie das einzige Bilddokument aus dieser Zeit, der Merian-Stich von 1642. Östlich der Landbrücke steht die wenige Jahre zuvor erbaute Kapelle. Diese war nach dem Hochwasser von 1633, das auch die Landbrücke wegriss, entstanden. Die Visper beteten dort um Schutz vor dem Hochwasser und hielten alljährlich einen Gedenkgottesdienst ab.

Foto ab Originaldruck Peter Salzmann

Bau und Unterhalt sehr aufwendig

Bis ins späte 12. Jahrhundert, als es eine Phase des Brückenbaus gab, waren Kaufleute und andere Reisende zur Überquerung von Flüssen oft auf Fährdienste angewiesen. Für den Verkehr sicherer als Furt und Fähre sollte schliesslich die Brücke sein.

Der intensive Brückenbau beschleunigte und verbilligte nicht nur den Handel auf bestehenden Verkehrswegen, sondern es wurden damit auch neue Routen erschlossen. Allerdings verursachte dies Kosten: Die Finanzierung stellte nach den technischen Erfordernissen das grösste Problem dar. Brücken als Glieder des Strassennetzes erwiesen sich sowohl beim Bau als auch beim Unterhalt als äusserst aufwendig. Hochwasser, Vereisung, Sturm und Schnee erforderten immer wieder Reparaturen oder gar den Neubau von Brücken.

Wie die Strasse und der Fluss war auch die Brücke einem verkehrsbezogenen Regal unterstellt. Zusammen mit den Zöllen gehörten Geleitgelder sowie weitere Gebühren für die Benützung der Brücke durch Mensch, Tier oder Lasten zu den öffentlichen Einkünften, ebenso Abgaben von Mühlen, Badestuben und so weiter.

Landbrücke international

Am 15. März 1291 schloss der Sittener Bischof Bonifaz mit Händlern aus Mailand einen Vertrag ab, in dem auch der «Bruggenzoll» an der Visper Landbrücke geregelt wurde.

Brücken aus dem 14. Jahrhundert

Die Rottenbrücke bei Lalden, eine ungedeckte Holzbrücke, über die auch der Weg von Brigerbad nach Visp führte, wurde 1316 erstmals urkundlich erwähnt.

Weiter unten sollen die Savoyer 1387 eine Holzbrücke über die Dala errichtet haben, um ein Jahr später, 1388, nach Visp vorzurücken, wo sie eine empfindliche Niederlage erlitten. [Siehe auch Kapitel 06.01 «Wie eine Gruppe Bauern ein starkes savoyisches Heer bezwang».]

Eine arg strapazierte Brücke

Da die Vispa im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder Hochwasser verursachte und die untere Burgschaft und die Felder überflutete, wurde auch die Landbrücke, die aus Holz gefertigt war, wiederholt beschädigt und mehrmals sogar weggerissen. Der tobende Fluss rüttelte dann an den Brückenpfeilern und wenn er zuweilen die Landbrücke selbst zum Einsturz brachte, musste diese wiederaufgebaut und repariert werden, was bei den damals im Ort vorhandenen Mitteln stets ein waghalsiges und kostspieliges Unterfangen war.

Die Holzbrückentechnik veränderte sich über die Jahrhunderte kaum. Das Wasser an sich schadet dem Holz nicht; das zeigen in den Fluss gerammte Holzpfähle: Holz, das ständig unter Wasser ist, hält ebenso gut wie solches, das immer im Trockenen steht. Es sind die witterungsbedingten Wechsel zwischen Regen und Besonnung, die dem Werkstoff Holz zusetzen: Holz leidet, wenn es dauernd der Witterung ausgesetzt ist.

Erste Vispa-Korrektion

Am 28. Januar 1476 fanden sich im Haus Gotfredi in Visp über 20 Burger ein. Sie kamen überein, jenseits der Wehre in der Vispa, oberhalb der Landbrücke, eine Mauer aufzurichten. Wer hinter besagter Wehre Güter besass, solle für jede Mannmahd Wiese eine Mauer von einem Klafter Länge und Höhe errichten. Wer sich hierin aber als nachlässig erweisen und seinen Mauerteil «bis zum nächsten Pfingstfest nicht erstellt haben sollte», dessen dortige Güter würden unter «confiscation» gestellt, das heisst von der Burgerschaft eingezogen.

Brückenunterhalt oder Exkommunikation

Dass die Visper die ständig notwendigen Reparaturen nicht allein für das ganze Oberwallis bestreiten konnten, lag auf der Hand. Ganz freiwillig leisteten sie ihren Beitrag nicht. Beispielsweise drohte der Bischof am 9. August 1477 allen Pfarrgenossen in Visp mit der Exkommunikation, sofern sie nicht innert 14 Tagen Tragbäume an die Landbrücke heranschafften.

Die Visper versuchten immer wieder, auch andere Gemeinden, selbst kleine Berggemeinden und sogar Alpgeteilschaften zu einem Beitrag an die Unterhaltskosten der Landbrücke zu verpflichten.

Die Terbiner und «ihre Landbrücke»

Der Gemeinde Visperterminen fiel im Zenden Visp als besondere Aufgabe der teilweise Unterhalt der Landbrücke zu; sie hatte einen Tribut zu leisten. An den Rotten- und Vispa-Wehren waren die Terbiner ebenfalls verpflichtet; pro Haushalt wurde von ihnen ein «Gmeiwärch-Tag» an den Wehren von Visp verlangt.

Über die Wehren in der Vispa und im Rotten wachten Vögte, die ihrerseits Weisungen von oben entgegenzunehmen hatten. Ungehorsam und Rebellion wurden nicht geduldet. Das Gebet vor der Arbeit, konkret der Besuch der heiligen Messe, sollte den Segen Gottes auf das «Gmeiwärch» herabrufen.

Am 10. September 1522 musste die Alpe Rüspeck hoch oberhalb von Visperterminen ihren Anteil leisten, und zwar, indem sie «Ausbäume» lieferte.

Noch am 12. Oktober 1652 hiess es: «Es ist ja zu wissen, dass die löbliche Bergstatt Terminen ihrer alten Pflicht und Schuldigkeit gemäss 3 Brückenbäume liefert.»

Die Kapelle bei der Landbrücke

Bereits 1470 wurde ein Gebetshäuschen bei der Visper Brücke erwähnt, das dem heiligen Jakob gewidmet war. Aufgrund des folgenschweren Ausbruchs des Mattmarksees im Saastal im August 1633 wurde auch die Landbrücke weggerissen. Dieses Hochwasser fuhr den Vispern derart in die Glieder, dass die Burger im Jahr darauf einhellig beschlossen, südlich der Landbrücke auf der Seite der Ortschaft eine Kapelle zu erstellen.

Am Jahrestag der denkwürdigen Überschwemmung, dem Wasser-Feiertag, sollten die Geistlichen dort ein Hochamt feiern und ein Opfer einziehen, um damit ein reiches Almosen an die Armen austeilen zu können. Burger wie Hintersässen sollten diesen Feiertag alljährlich halten, ansonsten würden sie «ohne Gnadt» bestraft.

Der Stich «Fischbach» von Merian von 1642 zeigt «Unsere Frauen Capell» auf dem rechten Ufer der Vispa, südlich der Landbrücke. Wahrscheinlich wurde die Kapelle am 29. Mai 1799 beim Kampf der Oberwalliser gegen die Franzosen ein Raub der Flammen; in seinem Bericht von 1821 an den Bischof kam Pfarrer Venetz zum Schluss, der Bau sei völlig zerstört.

Wiederaufbau und erneute Hochwasser

Es ist anzunehmen, dass man die Landbrücke 1633 nicht gleich wiederaufbaute, sondern vorerst nur eine provisorische Brücke errichtete. 14 Jahre später, 1647, wurde nämlich Kastlan Lengmatter zum Baumeister der Mauer des Gräfinbiel sowie der Landbrücke ernannt.

Ein Unwetter mit anhaltenden Regenfällen hatte am 17. September 1727 einen Ausbruch des Mattmarksees und damit erneut eine massive Überschwemmung zur Folge. Dabei wurde der untere Teil von Visp regelrecht eingeschwemmt und die Überflutung verursachte enormen Schaden. Den reissenden Fluten fielen auch zwei Drittel der Landbrücke zum Opfer.

Steuer für Brückenunterhalt

Wiederholt ersuchte die Burgerschaft die Regierung in Sitten um eine Steuer, um unter der Landbrücke eine «Stosswähre» zu errichten, eine Vorrichtung zur Lenkung des Wassers. Zumeist vergeblich.

Brücke als Verbindung ins Saastal

1306 wurde eine erste Chi-Brücke in Stalden erwähnt. Mit diesem Bauwerk wurde offenbar ein Abzug des Verkehrs von den Höhenwegen, den bis dahin einzigen Verbindungen ins Saastal, eingeleitet. Dies hatte einen positiven Einfluss auf das Verkehrsaufkommen von und nach Visp.