Kapitel Nr.
Kapitel 19.11

Die liberale «Oberwalliser Zeitung» erschien in Visp, später auch der «Walliser Bote»

Die Konservativen verfügten mit dem «Walliser Boten» über ein Parteiorgan, das kraft seiner politischen und materiellen Stärke andere, neuartige politische Strömungen nicht aufkommen liess. Der «Walliser Volksfreund», der ab 1921 in Naters erschien, kam ebenfalls der grossen Partei entgegen, wenn auch um eine Kleinigkeit mehr links gerichtet. Zu diesen beiden gesellte sich 1929 ein liberales Blatt für das Oberwallis. Gedruckt wurde es anfänglich in der Visper Druckerei von Rektor Josef Sterren.

Ab 1929 erschien in Visp das liberale Blatt «Oberwalliser Zeitung».

Ab 1929 liberales Blatt aus Visp

Die unabhängige demokratische «Oberwalliser Zeitung», «volkswirtschaftliche Nachrichten und Geschäftsblatt für alle Erwerbszweige», erschien ab 1929 in Visp. Mit dem Grächner Alois Larry Schnidrig als Redaktor gab man die zweifarbige Wochenzeitung erstmals am 23. März 1929 heraus. Vom 1. Juli 1930 an erschien das Blatt gleich zweimal wöchentlich. Gedruckt wurde die «Oberwalliser Zeitung» anfänglich in der ersten Visper Druckerei im Alten Spittel.

Auch der Schriftsteller und spätere Visper Gemeindepräsident Adolf Fux war Redaktor des demokratischen «Oberwallisers». Als er die Zeitung am 31. März 1936 aus finanziellen Gründen schweren Herzens aufgeben musste, schrieb der «Walliser Bote» darüber: «Unter der Überschrift ‚Abschied‘ gibt der Redaktor Adolf Fux des liberalen Oberwalliser Blattes das Eingehen desselben bekannt, nachdem die genannte Zeitung erst vor Kurzem den 7. Jahrgang angetreten hat. Ob damit der sehr fähige Redaktor als Schriftsteller die Flinte ins Korn werfen wird, darf bezweifelt werden.» Dies mit Recht, denn Fux schuf ein bedeutendes literarisches Werk, für das er 1962 mit dem Preis des Oberwalliser Rottenbundes ausgezeichnet wurde. Auch politisch sollte er in Visp erfolgreich sein. [Siehe auch Kapitel 20.02 «Gemeindepräsident Adolf Fux, auch ein bedeutender Oppositionspolitiker».]

Rektor Josef Sterren, Pionier des Visper Druckereiwesens

Die Druckerei, welche die «Oberwalliser Zeitung» von 1929 bis 1931 herausgab, gehörte dem Priester Josef Sterren. Hauptberuflich wirkte dieser von 1914 bis 1930 als Rektor in Visp. Neben seinen seelsorgerischen Pflichten war er ein begeisterter Jünger von Johannes Gutenberg. Sein Steckenpferd, das seine Freizeit voll in Anspruch nahm, hatte dazu geführt, dass er die erwähnte eigene Druckerei – die erste in Visp – einrichtete. 

Anfangs des Jahrhunderts war der gebürtige Visper Geistliche als Pfarrherr im Bergdorf Ergisch tätig gewesen, wo er noch vor dem Ersten Weltkrieg – im Nebenberuf natürlich – eine Tiegeldruckpresse mit Fussantrieb in Betrieb genommen hatte. Bei seinem Umzug nach Visp nahm er seine Presse mit. 

Erst sechs Jahre später begann er hier mit der Herstellung von Todesandenken. Drei Jahre später war es dann so weit: Mit der Infrastruktur Sterrens wurde im Erdgeschoss des Rektoratshauses, dem heutigen Alten Spittel, die St. Martinsdruckerei Sterren & Hertli, eröffnet.

Josef Sterren, der Rektor, der in Visp auch als Drucker tätig war.

Fotograf unbekannt, zVg

Bistum drückte Augen zu

Was nicht ganz selbstverständlich war: Das Bistum Sitten als Arbeitgeber Sterrens muss dem neuen Unternehmen keine Hindernisse in den Weg gelegt haben. Gleich in zweifacher Hinsicht hatte es wohl den amtierenden Rektor zumindest stillschweigend gewähren lassen. Erstens war Sterren einer der drei Ortspriester und zweitens gehörte die benützte Räumlichkeit im Alten Spittel zur Hälfte dem Visper Rektorat und damit dem Bistum. 

Ein Setzer, ein Drucker – wahrscheinlich in Teilzeit – und ein Lehrling waren das Personal, das nun Druckaufträge ausführte, die in der periodisch erscheinenden achtseitigen Zeitschrift «Das geistliche Leben» gipfelten. Dazu kam im Haus Oswald Burgener an der Kantonsstrasse, wo die Walliser Kantonalbank steht, eine Papeterie. Dem Start der neuen Druckerei war jedoch kein Glück beschieden. Das Kommerzielle war weniger die Sache Sterrens; ihm lag mehr an der Druckerkunst. So geriet das kleine Unternehmen zusehends in Schwierigkeiten. 

Der Geistliche unternahm einen zweiten Anlauf: Mit Albert Heinzmann, später Gründer der Neuen Buchdruckerei, versuchte er einen reduzierten Betrieb weiterzuführen. Nach einem Umbau der Räumlichkeiten und mit Schriftsetzer Josef Sarbach aus Sitten als neuem Partner wagte er 1928 einen Neuanfang. «Druck und Verlag Josef Sarbach, Visp» hiess das Kleinunternehmen nun. 

Am 10. März 1930 starb Rektor Sterren; er wurde in Visp beerdigt.

Einstieg der Familie Mengis ins Druckgewerbe

Anfangs 1932 übernahm der Visper Klaus Mengis (1885–1951), ältester Sohn des Kantonsrichters Ignaz, die Druckerei Sterren bzw. Sarbach. Mengis, der seinen Wohnort inzwischen nach Luzern verlegt hatte, gründete die Buchdruckerei Klaus Mengis Visp. Er selbst war nie im Druckerberuf tätig, sondern führte als Bauingenieur seit 1919 erfolgreich eine Bauingenieur-Firma in Luzern und machte sich in der übrigen Schweiz und im Ausland einen Namen als Fachmann für Grundwasserbohrungen und Brunnensondierungen. Während zwei Jahren war er Mittelschullehrer am Kollegium Brig gewesen und in der Grosseya in Visp hatte er ein ansehnliches Landwirtschaftsgut ausgebaut.

Druck des «Walliser Boten» in Visp

1932 errichtete Klaus Mengis an der heutigen unteren Terbinerstrasse östlich des Bahnhofs ein einstöckiges Druckereigebäude, das heute noch steht. 

Mit dem Bau der neuen Druckerei schuf er die Voraussetzung dafür, den «Walliser Boten», das Organ der Oberwalliser Katholisch-Konservativen Partei, das am 1. September 1840 zum allerersten Mal in Sitten erschienen war, endlich im Oberwallis zu redigieren und zu drucken. Nachdem der bisherige Drucker Aymon in Sitten 1932 gestorben war, schloss der Oberwalliser Presseverein, der von der Konservativen Partei dominiert war, mit Mengis einen Vertrag für den Druck des «Walliser Boten». Damit hatte Klaus Mengis seinem neuen Unternehmen den ersten Auftrag zugeführt. 

Seine Brüder, der Sittener Domherrn Raphael Mengis und der Advokat, Gemeinderat und spätere Visper Gemeindepräsident und Grossrat Alex Mengis, waren nebenamtliche Redaktoren. Das dürfte auch der Grund für Mengis gewesen sein, Drucker zu werden.

Am 17. Februar 1932 kam der «WB» erstmals in Visp heraus, ab 1935 bis zum Kriegsausbruch sogar dreimal pro Woche statt wie bisher zweimal. Die Zeitung sollte fortan während drei Jahrzehnten in Visp gedruckt werden. 

Weil am Ort Fachleute fehlten, holte Mengis den Waadtländer Ernest Studer, der den Betrieb bis 1962 leitete und aufbaute. Klaus Mengis starb 1951 in Luzern und wurde in Visp beigesetzt.

Alex Mengis: der vielseitige Gemeindepräsident

Alex Mengis (1896–1951), anfangs der 30er-Jahre zusammen mit seinem geistlichen Bruder Raphael Mengis Redaktor des «Walliser Boten», hatte in Freiburg, Bern und Paris studiert. Er war in Visp als Advokat und Notar tätig. Die Wahl in den Grossen Rat 1928 und gleichzeitig die zum Vizepräsidenten des Visper Gemeinderats waren die nächsten Stationen. 1930 wurde er Betreibungsbeamter des Bezirks Visp und 1933 auch Zivilstandsbeamter; seine Frau Denise Wyer sollte nach seinem Tod das Amt übernehmen. [Siehe auch Kapitel 20.05 «Visperin Denise Mengis als erste Schweizerin Betreibungsbeamtin».

Als 1937 Karl Anthamatten in den Staatsrat gewählt wurde, trat Mengis dessen Nachfolge als Visper Gemeindepräsident an – ein Amt, das er in der schweren Kriegszeit während acht Jahren bekleidete; im Visper Gemeinderat war er während 16 Jahren. Eine bedeutende Rolle spielte er auch im Visper Vereinsleben; verschiedene sportliche und musikalische Vereine wurden von ihm und von Josef Bittel gegründet und in ihren Anfängen geleitet. 1951 starb Alex Mengis.

Ferdinand Mengis, der «Medien-Fürst» des Oberwallis

1927 als Sohn des Ingenieurs und Druckereibesitzers Klaus Mengis geboren, hat Ferdinand Mengis zwar nie in Visp gewohnt, aber mit Franziska Wyer eine Visperin geheiratet. Seine grossen Verdienste um Visp liegen im Aufbau seiner Druckerei und des Zeitungsverlags «Walliser Bote», der vor allem in Visp und Brig gegen 250 Personen Verdienst gab. Des Weiteren erstellte er in der «Pomona» einen Neubau von beachtlicher Grösse mit modernsten Maschinen und richtete in dessen Untergeschoss mit viel Aufwand ein Gutenberg-Museum ein, das hohen professionellen Ansprüchen gerecht wurde und zahlreiche Besucherinnen und Besucher beeindruckte; inzwischen wird der Bau aber anders genutzt.