Kapitel Nr.
Kapitel 04.06

Die Mutterkirche der Grosspfarrei des Zenden Visp

Die Visper St. Martinskirche war die Mutterkirche der Grosspfarrei des Zenden, einer der ältesten Pfarreien im Oberwallis, die möglicherweise bis ins erste Jahrtausend zurückreicht [siehe auch Kapitel 03.02 «Grosspfarrei Visp – eine der ältesten im Oberwallis»]. Schriftlich erwähnt ist sie zum ersten Mal in einer Urkunde von 1214, in der auch Pfarrer Matthäus und Kaplan Willermus auftauchen.

Ausschnitt aus dem Merian-Stich (1642): Die Pfarrkirche von Visp war das Zentrum einer grossen Pfarrei, welche sich fast über den gesamten Bezirk Visp erstreckte. Schon vor ihrem Neubau in den 1650er-Jahren befand sich die St. Martinskirche am selben Ort. Merian zeichnete den Turm allerdings in der Mitte der Kirche. 

Foto ab Originaldruck, Peter Salzmann

Seelsorger fast des ganzen Zenden

Die Pfarrei hatte eine grosse Ausdehnung; sie umfasste die Vispertäler, das Nanztal, auf der rechten Rhoneseite die Talschaft Baltschieder bis Lalden. Ursprünglich entsprach ihr Gebiet praktisch dem ganzen heutigen Zenden mit Ausnahme von Visperterminen, das zur Pfarrei Naters gehörte. 1221 wurde Visperterminen von Naters losgetrennt und Visp zugeteilt. Als Ersatz stiess Eggerberg, das bisher Visp zugewandt war, mit Finnen zu Naters. Am 20. Oktober 1329 wurde als Grenze zwischen den Pfarreien Visp und Naters in Eggerberg die Wasserleite von Lalden festgesetzt.

Die Seelsorge liess die Pfarrei von Visp in ihren oft weit entfernten Dörfern durch verschiedene Hilfsgeistliche ausüben. Allmählich nahmen diese ihren ständigen Sitz in den betreffenden Orten und erhielten eigene Pfründen. So entstanden Rektorate oder Kaplaneien, die immer noch vom Hauptpfarrer von Visp abhängig waren.

Die Ausdehnung der Grosspfarrei Visp.

Grafik Peter Salzmann, nach Zurwerra 1989 und Müller 1967

Allmählich Loslösung der Dorfpfarreien

Erst allmählich lösten sich die Gemeinden der inneren Täler und der Berge von der Stammpfarrei; die Filialkirchen wurden selbstständig:

  • St. Niklaus um 1272, ab 1280 Filialkirche in Zermatt.
  • Saas um 1400, nachdem der Visper Pfarrer dort ab 1298 einen ständigen Kaplan eingesetzt hatte, der den Talleuten alle Sakramente spendete.
  • Täsch 1430, wobei es – aus welchen Gründen auch immer – noch während Jahrhunderten die Begräbniskosten an den Pfarrer von Visp entrichten musste.
  • Grächen trennte sich um das Jahr 1433 von der Mutterkirche.
  • Stalden, das Dorf an der Gabelung zu den Visper Tälern, wurde um 1535 selbstständig. Es hatte dort aber bereits vor 1256 eine Filialpfründe bestanden, welche von einem Vikar des Pfarrers von Visp versehen wurde.
  • Der Akt der Lostrennung von Visperterminen, dessen Leute ein Gotteshaus gebaut hatten, das 1256 zur Quasi-Pfarrkirche erhoben wurde, stammt erst aus dem Jahr 1713.
  • Zeneggen gründete 1719 ein Rektorat, das 1754 zu einer Pfarrei erhoben wurde.
  • Der Weiler Unterstalden wurde erst am 1. November 1916 von Visp losgelöst und der Pfarrei Visperterminen einverleibt.
  • Die Gemeinde Gründen wurde 1923 von der Pfarrei Visp getrennt, als Gemeinde aufgehoben und logischerweise Ausserberg einverleibt, womit auch ein Transfer vom Bezirk Visp in den Bezirk Westlich Raron erfolgte.
  • Lalden verliess die Pfarrei Visp 1965.

Die Filialkirchen von Stalden, Visperterminen, Grächen, Törbel, Zeneggen und Embd entrichteten noch bis 1795 das sogenannte Totenpfund und den Primizkäs an den Pfarrer von Visp. Am 19. Juli gleichen Jahres kauften sie sich um den Preis von 150 Pfund von dieser Verpflichtung los. Zu diesem Akt steuerte Bischof Joseph Anton Blatter überdies 50 Pfund aus eigenen Mitteln bei.

Schenkung aus Ernen

Ritter Konrad von Ernen, Bruder des Meiers Rudolf, machte der Kirche von Visp 1220 eine Schenkung, und zwar mit Einverständnis seiner Gattin Julia, seines Bruders Cono und seines Verwandten Johann Trolere.

Vom Domherrn aus Aosta beschenkt

1267 wurde die Pfarrei Visp als Pfründe des Domkapitels genannt. Die Kirche wurde 1285 von Normand von Aosta und Domherr in Sitten letztwillig beschenkt.

Wie sich die Grosspfarrei finanzierte

Das Patronatsrecht über Visp hatte das Domkapitel mit den Domherren von Sitten inne. Vom Hügel Valeria aus übte der Dekan die Kollatur aus, das heisst er konnte den Sittener Domherren geeignete Kandidaten für die Pfarrwahl vorschlagen, worauf die Domherren die Wahl vornahmen.

Bei einem Pfarrempfang, also dem Dienstantritt, mussten auch die Gläubigen der späteren Tochterpfarreien in Visp erscheinen.

Aus dem Patronatsrecht des Domkapitels erklärt sich die Zehntenpflicht der Pfarrei Visp gegenüber diesem. Lehensgüter besass hier auch noch der Bischof.

In einem Akt vom 11. Oktober 1224 steht: «Nach Beratung des Domkapitels, des Viztums von Sitten und des Meiers von Visp ist zwischen Bischof Landrich und den Zinspflichtigen in der Pfarrei Visp eine Vereinbarung getroffen worden, dass jeder Untertane (miles: Soldat, Vasall), sei er Junker oder ein anderer, so viel dem Bischof an Abgaben zu entrichten hat, als er Lehensgut hat. Wer mehr hat, der muss auch mehr bezahlen. So lautet die Übereinkunft von Raron und von Naters.»

Am 31. Januar 1431 wurde der Pfarrer von Visp – wohl nicht zum ersten Mal – verpflichtet, drei Kapläne für Visp und für die Filialkirchen zu halten und diese aus seinen Einkünften zu besolden. Auch die Besoldung des Sigristen, der Unterhalt der Kirche, das Ewige Licht und das Almosen zweimal in der Woche mussten aus den Zehnten und Eingängen der Pfründen bestritten werden.

Die Pfarreipfründen früherer Zeiten waren also nicht so sehr die Einkünfte des Pfarrers, sondern der Pfarrei. Die Opfer, die früher freiwillig waren, wurden später zu einer Pauschale.

Anfangs des 14. Jahrhunderts betrug das jährliche Opfer für jedes Haus 4 Pfennig und 1 Heller. Gemäss einem Rodel vom 18. Juni 1324 betrugen die Totaleinkünfte des Pfarrers von Visp aus dem, was von Zehnten, Gilten und Opfern anfiel, 546 Fischel Korn, 4 Fischel Weizen, 62 Sester Wein, ½ Sester Öl und 9 Pfund an Geld.

Für Visp gab es Altaristen-Pfründen, die aus frommen Stiftungen entstanden waren.

Ein Drittel des Zehnten an Visper Pfarrei

Wie in den meisten höher gelegenen Orten, die weit von ihren Lehnherren entfernt waren, bildeten die Bewohner von Törbel frühzeitig eine Gemeinde und erwarben sich Rechte. 1224 ging Törbel mit dem Pfarrer von Visp einen Akkord ein, gemäss dem der Visper Pfarrer Matthäus und seine Nachfolger vom ganzen abgegebenen Zehnten den Drittel ziehen würden.

Die zwei übrigen Drittel überliess der geschäftstüchtige Priester im Namen seiner Kirche den Leuten von Törbel zu Lehen.

Die zwei Kirchen, welche die Burger belasteten

Visp hat seit jeher zwei Kirchen, die obere, die Zendenkirche und zugleich Pfarrkirche, und die untere, die unter dem Schutz der heiligen drei Könige stand und 1220 erstmals als Kirche «Unserer Lieben Frau von Visp» erwähnt wurde. Zu diesem Zeitpunkt sollen die Visper Pfarreirechte von der St. Martinskirche auf die Marienkirche, die «ecclesia B. Marie de Viegi», übergegangen sein.

Auch wenn die Fundamente der unteren Kirche ins 10. Jahrhundert datiert werden, bleibt umstritten, welche der beiden Kirchen zuerst gebaut wurde. Eine Urkunde von 1226 bezeichnet den Pfarrer von Visp ausdrücklich als Rektor der Kirchen von Visp. Es kann sich nur um die beiden Kirchen auf dem Platz Visp handeln, denn die Filialkirchen von St. Niklaus, Saas, Terminen oder Stalden kommen nicht infrage; ihre Errichtung und die Loslösung der Pfarreien erfolgten erst später. Die Visper Pfarrkirche wurde später als St. Martinskirche urkundlich erwähnt.

Wollten die Adeligen unter sich sein?

Wie lässt sich das Bestehen von zwei Kirchen in Visp erklären? Josias Simmler, der 1574 eine Beschreibung des Wallis herausgab, vertrat die Meinung, der Adel von Visp sei damals so zahlreich und seine Pracht sei so gross gewesen, dass er es für unter seiner Würde gehalten habe, gemeinsam mit dem gewöhnlichen Volk in einer Kirche zum Gottesdienst zusammenzukommen. Der Adel habe daher auf dem Gräfinbiel für sich ein eigenes Gotteshaus errichtet, die untere Kirche.

Dem widersprach Domherr A. J. de Rivaz, ein vorzüglicher Kenner der Walliser Geschichte: Visp sei wie Brig, Raron, Monthey, Martigny und andere Orte mit Wassern umgeben oder doch wenigstens mit Verteidigungswerken versehen. Zur Zeit des Krieges hätten sich die Ritter und ihre Krieger in die Festung geworfen und dem Gottesdienst in der Kapelle innerhalb dieser Mauern beigewohnt. Die Kirche ausserhalb der schützenden Mauern habe dem Landvolk der Umgebung gedient.

Der Augenschein zeigt, dass Visp wirklich befestigt war. Am Nordfuss des Hügels, des Gräfinbiel, erhebt sich noch heute ein Stück Ringmauer dieser alten Befestigung. Daraus lässt sich schliessen, dass die gesamte Häusergruppe, die sich auf diesem Hügel erhebt, mit einem festen Wall umgeben war. Innerhalb dieser Befestigung stand und steht bis heute die untere Kirche, die also in Zeiten der Not den Belagerten als Gotteshaus gedient haben soll. 

Wenig Bekanntes über frühere Martinskirche

Wie auf der ältesten Darstellung Visps aus dem Jahr 1642, dem Merian-Stich, zu sehen ist, war der Turm der St. Martinskirche demjenigen der unteren Kirche sehr ähnlich.

Über die frühere Bauart der St. Martinskirche hat man keine, über ihre Einrichtung und Ausstattung nur wenige und ungenaue Angaben. Der Bau taucht 1226 auf, errichtet worden war er schon früher. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Kirche mit einer neuen Bedachung und mit Glasfenstern versehen. Gleichzeitig erhielt sie einen neuen Altar und neue Chorstühle.

Dies alles war das Werk des «Herrn Michael von Visp», der von 1220 bis 1262 als Kaplan von Visp wirkte. Derselbe Kaplan wandte der Kirche auch eine Unze Gold zu, welche ein Ritter aus Frankreich zu deren Ausstattung vermacht hatte, ebenso ein Messgewand für ihn selbst und eines für den bereits verstorbenen Kaplan Raymundus und vom gleichen grosszügigen Spender auch eine Albe.

Nikolaus von Ernen, der von 1292 bis 1298 die Pfarrei Visp verwaltete, liess für die Kirche wertvolle Gegenstände herstellen.

Neben dem Hauptaltar, der dem heiligen Martinus geweiht war, besass die damalige Kirche noch zwei Seitenaltäre. Am 12. Juli 1319 wurde ein neuer Altar zu Ehren des heiligen Christophorus und der heiligen Margaretha erwähnt. Am 6. März 1456 schenkte Jeninus Aldisum von Mühlachern eine Gilt von 40 Schilling an den Altar Allerseelen.

Auch im 16. und 17. Jahrhundert noch gut erhalten

Grössere Reparaturen müssen 1563 an der Kirche vorgenommen worden sein, denn am 16. Juni dieses Jahres wurde der Viertel Stalden aufgefordert, für entsprechende Arbeiten während zwei Tagen je 12 Mann nach Visp zu entsenden.

Aus der Zeit des Bischofs Hildebrand Jost sind zwei Visitationsakte erhalten, die noch über den Stand der alten Kirche Bericht erstatten. Der eine ist aus der Zeit zwischen 1614 und 1616, der zweite datiert vom 10. Mai 1623.

Diesen Berichten nach zu urteilen, befand sich die Kirche nicht in einem schlechten Zustand; nur der Fussboden und die Fenster bedurften einer Reparatur. Der Chor sollte ausgemalt und verschiedene Bilder der Altäre mussten aufgefrischt werden. Neben dem Hauptaltar stand ein grosses Gemälde der Geburt Christi und hinter dem Altar ein grosses Kruzifix, beide waren zu reparieren. Auch die Neuanschaffung von Ornamenten und Büchern war vorgesehen.

Umstrittene Ölberg-Gruppe

In der Kirche oder in deren Nähe war ein grosses Gemälde einer Ölberg-Gruppe (hortus olivetti) aufgestellt – ein Kunstwerk, das unterschiedliche Reaktionen auslöste. In einer ersten Verordnung wies der Bischof an, die Figuren zu übermalen, und am 10. Mai 1623 befahl er die vollständige Entfernung und Vernichtung.

Pfarrer Matthäus als Manager

Matthäus hiess der erste urkundlich erwähnte Pfarrer von Visp; er leitete die damalige Grosspfarrei von 1214 bis 1245. Gemäss Gremaud bezeugen die 15 verschiedenen Urkunden, in denen sein Name auftaucht, dass er sich mit Erfolg darum bemühte, die Zehntgefälle und andere Einkünfte der Kirche von Visp in Stalden, Lalden, Terminen, Baltschieder, in Niederhüsern, Oberhüsern, Törbel und Visp sicherzustellen.

1215 gab Matthäus auf Anraten von Aymundus von Leuk, Dekan von Sitten, dem Philip von Mörel eine Wiese vor der St. Martinskirche zu Lehen. Peter de Vesbia verkaufte dem Pfarrer Matthäus 1234 ein Wohnhaus in Visp. Am 1. Februar 1241 übergab das Domkapitel Sitten dem Visper Pfarrer alles, was es je in Lalden gekauft hatte.

Der Kaplan hinterliess drei Söhne!

Kaplan Wilhelm de Vespia hinterliess drei Söhne, von denen zwei ebenfalls den geistlichen Beruf ergriffen: Nikolaus war 1306 Rektor des Spitals in Sitten und Peter trat 1309 als Kleriker und Notar auf.

Peter de Vespia, Sohn des Junkers Anton, war von 1287 bis 1316 Domherr in Sitten, gleichzeitig mit einem noch bedeutenderen Domherrn aus Visp, dem Grafen Thomas de Biandrate.

Weitere Kleriker und Notare aus dem kleinen, noblen Visp waren zu dieser Zeit Jakob de la Vota, Wilhelm Dayletto, Walter de Tilia und Rudolf de Wyle.

Graf Jocelin de Biandrate, Meier von Visp, hatte in Johann von Raron den eigenen Schlosskaplan. Erwähnt wird auch der Prokurator oder Vogt der Bruderschaft «Unserer lieben Frau» mit Namen Barbitonsor.

Communitas Vespia: Dorf Visp und Pfarrgemeinden

Verhältnismässig früh waren in den Visper Tälern Ansätze zur Bildung ländlicher Gemeinwesen auszumachen. Sie hatten ihren Ursprung in wirtschaftlichen Verbänden, Allmend- und Alpgenossenschaften, die die gesamte Bevölkerung ohne Rücksicht auf Stand und herrschaftliche Zugehörigkeit umfassten. Dies erlaubte es der einheimischen Bevölkerung, sich selbst zu organisieren und langsam eine geordnete Gemeinde zu bilden, vorerst die sogenannte «communitas». [Siehe auch Kapitel 04.05 «Communitas de Uesbia 1248 erstmals erwähnt».]

Ungefähr gleichzeitig wurde die St. Martinskirche zur Mutterkirche der Grosspfarrei Visp. Auch wenn in Visp die Pfarrei in den Urkunden früher erscheint als die Communitas, nämlich 1214, gab es unberührt von der Pfarrei selbstverständlich auch das Leben in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Gestalt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Verbindung der Dorfgenossen zur Erledigung gemeinsamer Aufgaben bedeutend weiter zurückgeht und sich zur Pfarrei nur zufällig ein früherer Nachweis findet. Klärend wirkt hier die Trennung zwischen Pfarrei und Ort Visp in einer Urkunde von 1339, wo es heisst: Communitas loci et parrochie de Vespia.

Die Communitas Vespia wurde aus dem Dorf Visp und den Gemeinden dieser Pfarrei gebildet.

In der Kaiserurkunde, in der Karl IV. den Oberwallisern ihre alten Freiheitsrechte bestätigte, wandte er sich an die Männer des Wallis und der Pfarreien Leuk, Raron, Visp, Naters und Mörel.

Diese Beispiele zeigen, dass die Pfarreien den politischen Verband bildeten, der in gemeinsamen öffentlichen Angelegenheiten die Leute einer Talschaft zusammenfasste und deren Anliegen vertrat. Es bleibt offen, ob der alte Zenden der Visper Pfarrkirche St. Martin einst eine einzige wirtschaftliche Einheit bildete, wie dies für andere Zehntbezirke im Rhonetal feststeht. Ursprünglich umfasste der Zenden Visp auch das Nanztal, das kirchlich der Grosspfarrei Visp angehörte.

Fast ausschliesslicher Grundherr des Pfarrsprengels Visp war das Sittener Tafelgut, das heisst das Domkapitel, die Domherren; jenem entsprach seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts der Verwaltungsdistrikt beziehungsweise das Meieramt.

Martin, der Visper Kirchenpatron

Dass die Kirche dem heiligen Martin geweiht wurde, gilt als Hinweis auf ein hohes Alter der Pfarrei Visp. Martin war Bischof von Tours in Frankreich. Gemäss der Legende soll er auf der Rückreise von Rom in Saint-Maurice vorbeigekommen sein – ein Ereignis, von dem erstmals in einem Brief des Kanonikers von Tours an Philipp I., der zwischen 1167 und 1191 Erzbischof von Köln war, berichtet wurde. Der Martinskult breitete sich bis ins Oberwallis und damit nach Visp aus.

Martin war ein volkstümlicher Heiliger, dessen Fest wie andernorts auch hier am 11. November, am alljährlichen Zins- und Abgabetermin, gefeiert wurde – der Tag, an dem mancherorts die Martini-Gänse der Herrschaft abzuliefern waren. Seit Jahrhunderten findet in Visp gleichentags, heute am zweiten Mittwoch im November, der grösste Markt des Oberwallis statt.

Pfarrer Nikolaus baute neues Pfarrhaus

Von 1292 bis 1298 amtete Nikolaus von Ernen als Pfarrer von Visp. Er war gemäss eigenen Angaben von Ernen gebürtig und hatte zuvor die Pfarrei Bex verwaltet. Am 5. September 1295 traf er mit seinen Pfarrkindern – die Burgerschaft existierte noch nicht – ein Übereinkommen über die Verwaltung der beiden Kirchen und der verschiedenen Filialpfarreien von Visp.

Das Urkundenbuch der Pfarrei Visp preist ihn als grossen Wohltäter der Kirche von Visp. Er liess unter anderem ein grosses neues Antifonarium, ein neues Psalterium und ein neues kirchliches Rechtsbuch erstellen und erwarb auch den Wein- und Frühlingszehnten jenseits der Vispa. Die untere Kirche, welche die von Turn 1260 schwer beschädigt hatten, erfuhr unter Pfarrer Nikolaus ihre Wiederherstellung. Zudem erbaute er das 1234 erstmals erwähnte Pfarrhaus neu, nachdem dieses im Krieg gegen Peter von Turn zerstört worden war.

In Visp wimmelte es von Geistlichen

Die Kapläne lasen im 14. Jahrhundert nicht bloss Messe oder beteten das Brevier, sondern sie betätigten sich auch als Notare, wie mancher andere Kleriker mit bloss niederen Weihen auch.

Im Jahr 1299 wurde ein Walter aus Visp als Pfarrer von Macugnaga bezeichnet. 1306, als seine Tochter Salome eine Jahresabgabe von 3 Mütt Korn für 12 Pfund verkaufte, war er nicht mehr am Leben.

Pfarrkirche St. Martin – eine der Hauptkirchen

Als Bischof Walter Supersaxo am 10. Dezember 1467 die «confratria sacerdotum» für das Oberwallis ins Leben rief, bezeichnete er die Pfarrkirche von Visp zusammen mit denjenigen von Leuk, Naters, Ernen und Münster – das waren die alten kirchlichen Mittelpunkte – als eine der Hauptkirchen des Landes.

Ausserkantonale Priester im 13. Jahrhundert

1297 schickte der Pfarrer der Grosspfarrei Visp den Seelsorger Peter von Wil als Kaplan ins Saastal, ein Jahr später Johann aus Basel.

Nur an hohen Feiertagen nach Visp

Im 13. Jahrhundert gab es Verträge zwischen dem Pfarrer der Grosspfarrei Visp und dem Kaplan und dem Volk von Saas, wonach die Angehörigen der Pfarrei nur noch an einigen hohen Festtagen nach Visp zur Mutterkirche zu gehen verpflichtet waren.