Die Reformation im Wallis fand 1604 in Visp ihr Ende
Die Reformation, die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zum Bruch mit der römischen Kirche führte, erfasste über Zürich und Bern auch das Wallis. Besonders in Sitten und in Leuk fand der neue Glaube eine beachtliche Zahl Anhänger. Diese gehörten mehrheitlich der schmalen Oberschicht an, was ein Grund dafür sein könnte, dass die Reformation nicht schnell und wirksam um sich griff. Zu Trägern der neuen Ideen wurden die Herrenfamilien, die früher den Bischof im Kampf gegen den Adel unterstützt hatten, ihm nun aber seine Rechte streitig machten: Die weltlichen Rechte des Bischofs wurden allmählich abgebaut. Die Verringerung der weltlichen Macht des Landesbischofs zog die Festigung der Stellung dieser einflussreichen Familien nach sich, auch auf Kosten der Landbevölkerung.
Zum Aufkommen der Reformierten dürften auch die kriegerischen Gelüste des Bischofs und späteren Kardinals Matthäus Schiner beigetragen haben. Die Visper Mächtigen jener Zeit hatte er eher gegen sich; im Duell der zwei Gommer unterstützten sie grösstenteils den Rebellen Jörg Supersaxo.
1518 zerstörte ein Grossbrand um das Gräfinbiel herum den Ortskern von Visp. Die Familie von Kardinal Schiner wurde beschuldigt, das Feuer gelegt zu haben. Die Brandkatastrophe hatte zur Folge, dass im 16. und 17. Jahrhundert in der Burgschaft einige der stattlichen Herrschaftshäuser neu gebaut wurden.
Der Grächner Thomas Platter, der in Zürich mit der Reformation in Kontakt gekommen war, führte um 1530 in Visp eine Privatschule. Als ihn der Bischof mit der Leitung der Walliser Landesschule beauftragen wollte, gab er diesem einen Korb. Stattdessen kehrte er mit seiner Familie nach Zürich zurück und avancierte später in Basel zum Gelehrten. Aus der Ferne liess er Gedankengut der Reformation ins Wallis gelangen, indem er junge Walliser Studenten beherbergte. Umgekehrt versuchten die «alten Orte» (Innerschweiz), im Wallis die Annahme des neuen Glaubens zu hintertreiben, indem sie eifrige Priester ins Wallis schickten.
Es gab Amtsträger aus dem Oberwallis, die nach Sitten in den Landrat gingen, dort mit den bedeutenden Sittener Reformierten liebäugelten und nach ihrer Rückkehr in die heimischen Gefilde keinen Zweifel daran aufkommen liessen, dass sie dem angestammten katholischen Glauben treu waren. Zunächst schienen die Aussichten für die Reformierten auch in Visp günstig zu sein. In der Gemeinde sorgte Pfarrer Petrus Kaufmann für viel Unmut mit seinem ungezügelten Lebenswandel. Obwohl man ihn einen «schlimmen Pfarrer» nannte, durfte er sein Amt ein Vierteljahrhundert ausüben, denn das Bistum liess ihn gewähren. Indessen dürfte es der Reformation kaum genützt haben, dass er den Bischof auf der Kanzel verunglimpfte.
1550 begehrte das Volk gegen die Obrigkeit auf und marschierte in Richtung Visp. Es handelte sich um den sogenannten Trinkelstierkrieg, eine Bauernrevolution und Rebellion geprellter Söldner. Bei den Drahtziehern regten sich auch reformatorische Gedanken; der Unwille gegen viele Geistliche, besonders gegen die Domherren und den Bischof, war gross. Der Aufstand ging ohne Blutvergiessen zu Ende. In der übrigen Schweiz hatten die Religionsparteien längst ihre Lager bezogen. Im Wallis hingegen zog sich das zähe Ringen der beiden Konfessionen – das heisst der protestantischen Minderheit gegen die katholische Mehrheit – ungewöhnlich lange hin und blieb fast 80 Jahre unentschieden. Der Walliser Landtag in der unteren Kirche von Visp führte 1604 schliesslich die entscheidende Wende herbei und setzte der Reformation im Wallis ein Ende. Jene Mitbürger, die reformiert bleiben wollten, wurden des Landes verwiesen.
Der Zendenhauptort Visp stellte im 16. Jahrhundert nicht weniger als sieben Landeshauptmänner: Mit Simon In Albon übernahm 1518 ein erst 26-jähriger Rechtsgelehrter aus Visp das Amt des Walliser Landeshauptmanns. Er vertrat das den zugewandten Ort Wallis an der eidgenössischen Tagsatzung, beim Papst in Rom und auch am französischen Hof. Mit der Erneuerung der Kirche war es ihm ernst. Er handelte als Freund und Testamentsvollstrecker von Jörg Supersaxo und verstand sich sowohl mit Bischof Adrian I. von Riedmatten als auch mit Thomas Platter. Zwei Generationen später wurde Johann In Albon Landeshauptmann; dieses Amt, so sagte man ihm nach, habe ihm fast im ganzen Wallis einschliesslich des Untertanengebiets Unterwallis derart viel Besitz gebracht, dass er es vor Stockalper zum reichsten Walliser brachte. Anton Venetz, Georg Summermatter, Jodok Kalbermatter, der mit Söldnerdiensten reich wurde, Johannes Kalbermatter und Niklaus Im Eich hatten das hohe Amt des Landeshauptmanns ebenfalls inne.
Der Söldnerdienst für Frankreich blühte und brachte einigen wenigen reichen Verdienst. Er forderte aber auch zahlreiche Todesopfer unter den jungen Wallisern, ebenso wie wiederkehrende Pestepidemien.