Kapitel Nr.
Kapitel 01
Zeithorizont
Vorchristliche Zeit

Die Urzeiten: Visp unter viel Eis, ein blauer Stein und eine Grotte

Dass das Wallis vor Tausenden von Jahren noch mit Eis und Schnee bedeckt war, ist nichts Neues und wurde auch schon verschiedentlich beschrieben. Geologen haben Fixpunkte ermittelt, mit denen zum Beispiel die Eisdecke über Visp am Ende der letzten Eiszeit – also vor rund 10 000 Jahren – auf etwa 700 Meter Dicke geschätzt werden kann, das Eis konnte wohl noch über Zeneggen in Richtung untere Hellela fliessen.

Damals rückten sowohl die grossen Talgletscher als auch die sogenannten Kargletscher, die in einer schüsselförmigen Vertiefung liegen, erneut und ein letztes Mal vor. Mit ihren Moränen bescherten die Gletscher den Terrassenflächen wie jener von Bürchen-Unterbäch-Eischoll und den Talsohlen der beiden Vispertäler fruchtbare Ackerflächen.

Ebenso trugen die Gletscher Findlinge aus den Vispertälern talauswärts bis ins Rhonetal, eine geologisch fremde Umgebung. Der älteste Zeuge der Urzeiten des späteren Visp, der «Blaue Stein», ist noch heute mitten in der Burgschaft für jedermann sichtbar. Er liegt wohl schon rund 15 000 Jahre lang dort – ein erratischer Block, ein Findling. Fachleute sehen die Herkunft des Blauen Steins am östlichen Ausläufergebirge der mächtigen Mischabelgruppe. Das «vorhistorische» Monument sollte 1938 anlässlich des 550. Jahrestags der Schlacht bei Visp zum Gedenkstein für die historische Schlacht von 1388 werden; es blieb bei der schlichten Jahrzahl, die in die blaugrüne Oberfläche eingeritzt wurde.

Die ältesten Funde, die auf eine Besiedlung von Visp schliessen lassen, liegen oberhalb des heutigen Städtchens, in der sogenannten In Albon-Grotte, die erst vor einem halben Jahrhundert von zwei einheimischen Buben namens In Albon entdeckt wurde. Die Höhle besteht aus verschiedenen Hohlräumen, Schächten und Gängen. Die Funde, die 1985 bei ersten systematischen Ausgrabungen gefunden wurden, stammen aus der beginnenden Spätbronzezeit (1300 bis 800 vor Christus). Dass Keramikfunde am gleichen Standort aus zwei verschiedenen Kulturkreisen stammen (Italien und Nordalpen beziehungsweise Süddeutschland oder Österreich), ist gemäss den Fachleuten aussergewöhnlich und schwierig zu interpretieren. Wozu die Höhle genau diente, ist ebenfalls unklar: War sie ein Zufluchtsort, ein Lagerraum, eine Grabgrotte oder ein ritueller Verwahrungsort? Die Höhle oder Grotte muss von den Fachleuten der Archäologie noch weiter erforscht werden. Deshalb wird ihr genauer Standort nicht bekannt gegeben. Denn bereits haben Laien die ursprüngliche Fundsituation verändert.

Ansonsten gibt es nicht allzu viele Zeugen frühen menschlichen Daseins in Visp. Was aber in der näheren und weiteren Umgebung aus der Zeit vor Christi Geburt zutage getreten ist, dürfte vielfach auch das Territorium des heutigen Visp berührt haben. Zu nennen sind – von Visp aus in den vier Himmelsrichtungen – die Standorte Heidnischbiel bei Raron, der von der Jungsteinzeit bis zur jüngeren Eisenzeit besiedelt war, der Weiler Sisetsch/Zeneggen (Bronzezeit), Oberstalden (Spätbronzezeit) und das Dorf «Waldmatte» in Gamsen aus der Eisen- und der Römerzeit.

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