Der Ende 1924 gewählte Gemeinderat unter der Führung von Gemeindepräsident Lot Wyer nahm sich gleich nach Amtsantritt etwas für die Gemeinde Visp Einmaliges, geradezu Sensationelles vor: einen Entwicklungsplan, der das Dorf der Zukunft gestalten sollte, ausgearbeitet von auswärtigen Experten.
Ein solcher «Masterplan», wie man heute sagen würde, drängte sich auf, weil nach der Niederlassung der Lonzawerke 1907 die Bautätigkeit merklich zugenommen hatte und die Lonza ihrem Personal, vor allem dem höheren Kader, Wohnungen zur Verfügung stellen wollte. Im Bäret, in der Stockmatte und in den oberen Kleegärten verfügte sie über Böden, die sich dafür eigneten.
Bis zum Jahr 1924 bestanden weder im Kanton noch in der Gemeinde baugesetzliche Regelungen. Der Entwicklungsplan sollte auch die Grundlage für einen Bebauungsplan bilden. Als am 1. Januar 1925 das kantonale Gesetz betreffend das Bauwesen Rechtskraft erhielt, war Visp die erste Gemeinde, die 1926 beziehungsweise 1927 gestützt darauf dem Staatsrat einen Bebauungsplan und ein Baureglement zur Homologation vorlegte. Vorher waren die Baugesuche mehr oder weniger Sache des Gemeinderats gewesen.
Auftakt mit Ortsschau
Am 10. Februar 1925 fand im Rathaus eine Konferenz betreffend die Erstellung eines solchen Entwicklungsplans für die Gemeinde Visp statt. Anwesend waren als Experten Architekt Marc Burgener aus Siders, Architekt Dufour aus Sitten, Geometer Raoul Pellanda aus Siders und als Vertreter des Staats Strasseninspektor Stefan Bellwald aus Visp, Schützenhauptmann der Schützenzunft Josef Bittel aus Visp für die Angelegenheit des Schützenstands sowie die Mitglieder des Gemeinderats mit Lot Wyer an der Spitze. Wyer hatte den Vorsitz und eröffnete die Konferenz mit der allgemeinen Erörterung der nachfolgenden Punkte: Einfahrt der Talstrasse in die Burgschaft, Unterführung der Bahnlinie beim Bahnhof zu den Lonzawerken, Anschluss der VZ-Bahn an die Furka-Bahn, Entwicklung der Industrie, Zukunft der Landwirtschaft, Finanzlage der Gemeinde und innere Entwicklung der Ortschaft.
Im Verlauf der vorangegangenen 20 Jahre habe die Gemeinde einen gewaltigen Aufschwung erfahren. Im rein landwirtschaftlichen Ort habe sich die Industrie angesiedelt und der Gemeinde neue Bedürfnisse beschert und neue Aufgaben auferlegt, denen man zu begegnen habe. Man stehe heute noch mitten in der Entwicklungsperiode und fühle sich deshalb verpflichtet, diese Entwicklung hinsichtlich des Bauwesens, der Strassenanlagen usw. durch einen allgemeinen Entwicklungsplan in richtige Bahnen zu lenken.
Die Frage der Einfahrt der neuen Talstrasse in die Burgschaft zwinge zu raschem Handeln, diese Angelegenheit dulde keinen Aufschub mehr.
Die Konferenzteilnehmer besichtigten darauf die Ortschaft und die Umgebung. Dabei konnte sich jedermann davon überzeugen, dass die Einfahrt der Talstrasse durch die Baumgärten nicht mehr infrage kam.
Künftig sollte alles nach Plan erfolgen
Die Experten stellten fest, die innere Entwicklung der Ortschaft sei noch sehr mangelhaft und bedürfe spezieller Aufmerksamkeit. Verbesserungen an Strassen und Gässchen im Innern, Neu- und Umbauten an den Wasserleitungen und den Abwasserkanälen, Kabelverlegung für elektrischen Strom, Telefonleitungen usw., alles habe einheitlich nach dem aufzustellenden Plan zu erfolgen.
Der Gemeinderat legte dazu die einschlägigen Katasterpläne vor, ebenso den genehmigten Bebauungsplan Bäret von Brägger; den Übersichtsplan des Bäret von Burgener & Jäckle; den Wasserversorgungsplan mit den Eintragungen von Ingenieur Rauchenstein, das Projekt des Kantons für die Talstrasseneinfahrt sowie das entsprechende Projekt von Robert Mengis.

Visp um 1925. Das Haus vorne rechts in den oberen Baumgärten wurde von einer Schule zum Spital. Im Norden der Siedlung stand auf beiden Seiten der Vispa, die von Pappeln gesäumt war, noch kaum ein Gebäude. Bauten und Strassen wurden nun nach dem Entwicklungsplan der Gemeinde von 1925 errichtet und angelegt.
Erschienen in Fux 1996, zVg/Heinz Studer
Abgrenzung des Gebiets für den Plan
Bei der Abgrenzung des Gebiets, das in den Entwicklungsplan einzubeziehen war, gingen die Meinungen auseinander: Zum einen sollte der Plan auf möglichst breiter Basis aufgestellt werden, zum anderen war den speziellen, beispielsweise klimatischen Verhältnissen der Ortschaft und der Umgebung Rechnung zu tragen. So sei kaum anzunehmen, dass ein Ortskundiger seine Wohnstätte jenseits des Bahndamms aufschlagen werde, weil er daselbst den kalten Winden viel mehr ausgesetzt wäre und durch Fabrikrauch und Staub belästigt würde.
Eine allzu grosse Ausdehnung des Plans hätte für die Gemeinde insofern nachteilige Folgen gehabt, als sie für die Strassenexpropriation, für Wasserversorgungsanlagen und Abwasserkanäle ein zu weitläufiges Netz hätte erstellen müssen, was mit bedeutenden Kosten verbunden gewesen wäre.
Schliesslich stellten die Experten folgende Abgrenzungslinien auf:
- im Norden: von der Eisenbahnbrücke abwärts bis zur Sandmatte, an den Mischikanal, die Stockmatte bis zum Fabrikareal,
- im Osten: aufwärts bis an den Kanal in der Litterna, östlich des alten Pulverturms zwischen der Bahnlinie und der Landstrasse,
- im Süden: von der Landstrasse, der Starkstromleitung entlang durch die Baumgärten bis hinter den Friedhof zum Hubel,
- im Westen: der Vispa entlang bis vor die Landbrücke; ennet der Brücke hinüber zu den Geisseyen und hinab zur Bahnlinie.
Allgemein war man sich einig, dass bei der Lösung einer so wichtigen Frage alle Sonderinteressen ausgeblendet werden mussten und dass die Experten, die inzwischen über die Wünsche der Bevölkerung unterrichtet waren, in die Pläne Einsicht nehmen konnten. Vonseiten der Verwaltung und der Bevölkerung wurde ihnen das volle Vertrauen entgegengebracht.
Die ganze ergiebige Diskussion wurde schliesslich folgendermassen zusammengefasst: Die Experten wiesen auf die Bedeutung des Unternehmens hin und befürworten es, die Aufstellung des Entwicklungsplans auf eine grössere Basis zu stellen; die Erarbeitung sollte in einem Konkurrenzverfahren öffentlich ausgeschrieben werden.
Wohl sei die Einfahrt der Talstrasse dringend, doch bis der Entwicklungsplan erstellt sei, so wurde vermutet, dürfte der Staat mit einem diesbezüglichen Begehren gewiss abwarten.
Visper für Taleinfahrt bei Landbrücke
Auf Antrag des Gemeinderats stimmte die Urversammlung 1925 punkto Einfahrt der Talstrasse in die Burgschaft folgendem Antrag zu: gradlinige Verlängerung der Strasse über den Mühlenwuhr zur Landbrücke; der Mühlenwuhr ist einzudecken oder an den Bahndamm zu drücken. Es soll eine Abzweigung durch die Spittelmatte zum Blauen Stein erstellt werden.
Zur Erlangung von höheren Bundessubventionen wollte man die Fortsetzung der Strasse in beide Täler als Forst- und Alpenweg verlangen. Die Weiterführung von Stalden ins Saastal sei so zu projektieren, dass der Anschluss zum Nikolaital auf dem rechten Vispaufer erfolgen könne.

Visp von oben, circa 1931: am linken Bildrand die neue Landbrücke aus Beton, die zu dieser Zeit noch gedeckt ist; die Turnhalle fehlt noch. Das Flussbett der Vispa ist breit und reicht im Westen bis zum Berg. Die Talstrasse führt ins Vispertal hinein (rechts im Bild).
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf unbekannt, Hs_1458-GK-B000-1931-0043, Public Domain
Lonza-Unterführung musste weiter warten
Ein Posten, für den die Gemeinde schon seit Jahren eine Belastung in Aussicht genommen hatte, war die Geleise-Unterführung östlich des Bahnhofs.
Der gesamte Verkehr zu und von den Lonzawerken wurde durch das Überschreiten der Geleise oft genug angehalten und auch das Überfahren mit Fuhrwerken zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Güter wurde an dieser Stelle vielfach durch einen unliebsamen Stau behindert.
Die Bundesbahnen zeigten sich eine Zeit lang willens, die Unterführung an dieser Stelle in Angriff zu nehmen, nur suchten sie einen bedeutenden Teil der Kosten auf die Gemeinde Visp abzuwälzen. Nach Angaben der SBB war zu diesem Zeitpunkt – 1925 – die Ausführung der Unterführung mit Rücksicht auf die missliche Finanzlage der Bundesbahn ausgeschlossen. Aus dem gleichen Grund war auch der Bau des neuen Bahnhofbuffets erneut verschoben worden.
Die Gemeindeverwaltung hatte schon zu Beginn der Verwaltungsperiode (1. Januar 1925) beschlossen, dem geplanten Anschluss der VZ-Bahn an die Gommer Bahn ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, dies, um die Interessen der Ortschaft Visp im Rahmen des Möglichen zu wahren.
Martinimarkt neu auf dem Kaufplatz
1925 bewilligte der Gemeinderat die Aufstellung eines Zirkus am Martinimarkt. Der Markt hatte sich vom Martiniplatz auf den Kaufplatz verlagert. Er blieb den Einheimischen reserviert. In der Ordonnanz von 1927 hiess es: An Markttagen sollen die Stände «unserer Geschäftsleute» sich um den Kaufplatz konzentrieren. Fremde mögen ihre Stände längs der Kantonsstrasse aufrichten.
Platz für neue Industrien
Der Gemeinderat stellte im Herbst 1925 fest, die Lonza AG besitze genügend Bodenfläche für ihre eventuell noch notwendig werdende Erweiterung. Es scheine eine Neubelebung der Werke des Unternehmens bevorzustehen. Hingegen sei entlang der Bahnlinie in der Nähe des Bahnhofs ein sehr geeignetes Terrain für neue Industrien mit direktem Geleiseanschluss vorhanden. Solche neuen Industrien seien umso eher möglich, als diese den elektrischen Strom von der Lonza beziehen könnten.
Postdirektor verlangt
Nachdem die Direktion der Post in Visp schon während mehr als zwei Jahren nur provisorisch besetzt war, fragte der Gemeinderat 1926 die Postverwaltung nach ihrer diesbezüglichen Absicht.
Schwierige finanzielle Lage der Gemeinde
Als der neue Gemeinderat 1925 zum Zeitpunkt der Lancierung des Entwicklungsplans eine Bilanz der Finanzlage der Gemeinde zog, kam er zum Schluss, dass diese nicht rosig war.
Die Erstellung des grossen Entsumpfungskanals, der Bau der Talstrasse nach Stalden, die Reparatur und Verbesserung der Dämme hatten bereits hohe Kosten verursacht, sodass man mit einer Schuld von über einer Million Franken rechnen musste. Dies war beim ersten Entwicklungsplan gebührend zu berücksichtigen.
Die finanzielle Lage erlaubte es nicht, grössere Strassenanlagen zu realisieren. Somit konnte es sich nur darum handeln Pläne auszuarbeiten, nach denen die weitere Überbauung zu geschehen hatte – dies, um zu verhindern, dass Bauten erstellt wurden, mit denen eine spätere Weiterentwicklung nicht in Einklang zu bringen war.
Da die Gemeinde schon die Bahnunterführung auf eigene Rechnung erstellt hatte und voraussichtlich im Herbst desselben Jahres auch noch den Kanal zum Mischi in Angriff nehmen würde, war sie voll und ganz belastet.
Es würden bald wieder neue Ausgaben in den Vordergrund treten wie die Strasse nach Bürchen, Strassen, Gässchen und Kanalverbesserungen im Innern der Ortschaft, der Bau eines neuen Schulhauses usw. Eine angemessene Amortisation sei unvermeidbar, wolle man sich nicht eines Tages vor eine erdrückende Schuldenlast gestellt sehen. Davon war aber noch gar nicht die Rede.
Um neben den üblichen Auslagen die Zinsen und Amortisationen dieser hohen Schuldenlast decken zu können, sah sich der Gemeinderat gezwungen, den Steuerfuss für 1925 auf 9 Prozente zu erheben – eine absolute Notwendigkeit.
Aufschwung in der Landwirtschaft erwartet
1925 bestand für den Gemeinderat die Notwendigkeit, die Landwirtschaftsbetriebe rationeller und ertragreicher zu gestalten, dies, nachdem die Gemeinde grössere Opfer für die Bodenverbesserung erbracht hatte.
Der Rat erwartete nicht nur einen vermehrten Futteranbau und eine entsprechende Vermehrung des Viehbestands sowie eine Verbesserung der Viehrassen, sondern angesichts des günstigen Klimas auch Fortschritte beim Obst- und Gemüseanbau. Bei der Verwertung von Gemüse und Obst, insbesondere von Spargeln und Aprikosen, sah man die Möglichkeit grosser Einnahmen wie im Mittel- und Unterwallis, zumal die Aussichten für den Absatz in Richtung Mittelland, im Fremdenverkehr und in der Industrie, die sich neu entwickelten, günstig waren. Bei einer zielbewussten Organisation schien der Absatz auch bei einer Mehrproduktion sichergestellt, denn die Walliser Produkte erfreuten sich einer grossen Nachfrage und wurden stets bevorzugt.
Eine notwendige Grundlage stellte die Gründung landwirtschaftlicher Vereine dar. Die Verwaltung wollte entsprechende Bestrebungen tatkräftig unterstützen. Um den Obstbau zu fördern, wurde beschlossen, der Urversammlung die notwendigen Kredite für die obligatorische Bekämpfung der Baumschädlinge zu beantragen.
Gemäss dem Gemeinderat bestand Aussicht auf einen bedeutenden Aufschwung der Landwirtschaft in Visp, in erster Linie dank des grossen Entsumpfungskanals, der einen beträchtlichen Bodenkomplex nutzbar gemacht hatte. Die Landwirtschaftliche Schule erachtete er als neue Impulsgeberin für Verbesserungen und Fortschritte in der Bodenbearbeitung. Ferner sah er in der Industrie das Potenzial, die Landwirtschaft neu zu beleben, indem alle Bodenprodukte richtig verwertet werden konnten und sich die Landwirte durch Nebenverdienst die notwendigen Mittel beschaffen konnten, um Verbesserungen durchzuführen – wobei es sich bei der Arbeit in der Industrie wohl oft um den Hauptverdienst gehandelt haben dürfte.
Bildung war kein Thema
Bei den wichtigsten Themen des Entwicklungsplans, zu denen der Bebauungsplan, der vielfältige Strassenbau, die Hochwasserschutz-Massnahmen, die Zukunft der örtlichen Landwirtschaft, die schwierig gewordenen Gemeindefinanzen usw. gehörten, fehlte wenig überraschend die Bildung als Voraussetzung für eine fortschrittliche Zukunft.
Noch wenige Jahre zuvor hatte man hier trotz der Niederlassung der Lonza noch fest auf die Landwirtschaft als Erfolg versprechende, zukunftsträchtige Möglichkeit der Selbstversorgung gesetzt. Sowohl die Sekundarschule als auch die Gewerbeschule wurden zunächst in vernichtenden Tönen als Institutionen abgewertet, die für den Fortschritt unnötig waren. Sogar noch 1930 konnte Schulpräsident und Ortspfarrer Theodul Wirthner zuhanden des Gemeinderats die Versicherung abgeben, dass es um die Visper Schulen gut bestellt sei. Dabei war der Besuch der einzigen Oberwalliser Mittelschule in Brig nach wie vor nur vereinzelten Schülern möglich, den Söhnen von begüterten Familien.
Hohe Bodenpreise verhinderten Wohnungsbau
Der grosse Wohnungsmangel, an dem man zur Zeit des Ersten Weltkriegs gelitten hatte, war noch immer nicht behoben. Für kleine Wohnungen in den besser eingerichteten Häusern wurden sehr hohe Mietpreise verlangt. Die hohen Preise für Bauplätze verunmöglichten es gewöhnlichen Leuten, ein einfaches Wohnhaus ohne Geschäftslokal zu erstellen. Diese Situation legte die Bautätigkeit lahm.
Diesem Umstand wurde es zugeschrieben, dass damals eine grössere Anzahl Arbeiter und Angestellte der Fabrik auswärts wohnten und dabei auch einen Teil der Steuern auswärts bezahlten. Die auswärts wohnenden Lonza-Mitarbeiter sollen damals 50 Prozent der Steuern auf ihre Löhne in Visp bezahlt haben, die andere Hälfte in ihrer Wohngemeinde. Später sollen diese Steuern noch zu 20 Prozent an die Gemeinde Visp bezahlt worden sein; nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Wohngemeinde dann zu 100 Prozent in den Genuss dieser Steuern.
Bei der Planung sollten daher nicht nur verschiedene Quartiere als Industriezonen vorgesehen werden, sondern es sollten auch begehrte Wohnviertel mit grösser angelegten Strassen- und Trottoiranlagen versehen werden und einfachere Quartiere mit Flurstrassen, so dass neben den Wohnhäusern auch landwirtschaftliche Bauten errichtet werden konnten. Der Plan widerspiegelt die Vorstellung der gesellschaftlichen Unterschiede: Villen-, Beamten- und Arbeiterviertel wurden klar getrennt. Zur Erschliessung von Bauterrain wurden vorderhand Expropriationen von einfachen Flurstrassen ins Auge gefasst, ebenso die Einrichtung von Wasserversorgungs- und Abwasserkanälen, wo dies nötig war.
Störung durch den Schiessbetrieb
Benutzer der Talstrasse beschwerten sich am 22. Juni 1926 beim Gemeinderat über die Störung durch den Schiessbetrieb. Es wurde nämlich über den Schulhausplatz, die Talstrasse und die Vispa geschossen. Der Gemeinderat verwies die Kläger an die dafür zuständige Schützenzunft.
Neuer Schiessstand notwendig
Da der Ausbau der Talstrasse im Oktober 1926 kurz vor der Realisierung stand, verlangte das kantonale Baudepartement von der Gemeinde Visp, dass sie an den Schiesstagen den Verkehr der Talstrasse über den Blauen Stein leiten solle, da für die Bahn wie die Strasse eine Gefahr bestehe. Den Schiessstand dafür umzubauen würde teurer zu stehen kommen, als einen neuen Standort zu suchen. So wurde die Wiese Anthamatten am Hubel hinter dem Friedhof ins Auge gefasst. Der Scheibenstand wurde zuoberst in den Reben von Paul Theler vorgesehen.
Kantonsstrasse gerade gezogen
Nach einer Ortsschau beschloss der Rat, die Projektierung der neuen Kantonsstrasse vom Haus Burlet bis zur Einmündung in die Napoleonstrasse sofort an die Hand zu nehmen. Damit wurde nämlich der Hauptverkehr aus der Ortschaft verlagert.
Laut Strassengesetz gingen 2/3 der Kosten zulasten des Staats und 1/3 zulasten der Gemeinde.
Es wurde in Aussicht gestellt, die Korrektion der Kantonsstrasse in Visp 1929 in Angriff zu nehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die heutige Napoleonstrasse offizielle Kantonsstrasse. Der Bau sollte fünf Jahre dauern, bis 1934, und 149 261 Franken kosten.
Gründliche Strassenreinigung
Im Gemeinderat war 1926 die Strassenreinigung ein Thema. Diese habe möglichst gründlich zu sein, hiess es. Es müsse öfter gewischt werden als bisher und auch die Nebengässchen seien fleissig zu putzen.
Haupteinfahrt der Bahn entlang, Nebeneinfahrt beim Blauen Stein
Eine Bestandesaufnahme ergab, dass vor allem der Strassenbau bis dahin eher stiefmütterlich behandelt worden war: die Talstrasse, diejenige in die Schattenberge, aber auch jene im Ortsinnern, denn die Kantonsstrasse führte, wie erwähnt, immer noch über die heutige Napoleonstrasse, also durch das damalige Ortszentrum. Eine Besichtigung der Ortschaft und der Umgebung überzeugte jedermann davon, dass die Einfahrt der Talstrasse durch die Baumgärten nicht mehr infrage kam. Ebenso schien die Durchfahrt vor dem Schulhaus durch die Märtmatte den Interessen der Gemeinde entgegenzustehen. Die Experten kamen zum Schluss, dass das Projekt für die Haupteinfahrt längs der Bahnlinie vorzusehen sei, verbunden mit einem Nebenprojekt für die Einfahrt der Talstrasse über den Blauen Stein.
Die Experten waren der Meinung, die Begutachtung der Talstrassen-Einfahrt könne sofort geschehen, während der Bau auszuschreiben sei. Es liege im Interesse der Gemeinde Visp, das vorgeschlagene Doppelprojekt – Verlegung der Strasse nach dem Mühlenwuhr mit der Abzweigung über den Blauen Stein – gleichzeitig zur Ausführung zu bringen. Die direkte Verbindung mit der Landstrasse (Kantonsstrasse) sei in technischer Hinsicht die einzig richtige Lösung. Ebenso liege es im Interesse des Orts, die Strasse erstklassig zu gestalten und zu bauen.
Die Experten erachteten die Verlegung der Strasse auf den Mühlenwuhr sowohl in praktischer als auch in ästhetischer Hinsicht als vorteilhaft, zum einen, weil damit kein Boden verloren ging, zum anderen, weil der Platz von der Landbrücke taleinwärts mit der Kirche und dem Hügel beim Friedhof so von idealer Schönheit sei.
Zur besseren Würdigung dieser Auffassung wurde daran erinnert, dass zwischen Gross- und Kleinverkehr unterschieden werden müsse. Zum Grossverkehr gehöre alles, was die Ortschaft ohne Aufenthalt durchfahre; an diesem habe die Bevölkerung kein Interesse, weshalb es zwecklos sei, denselben mitten durch die Ortschaft zu führen. Vielmehr sei es der Kleinverkehr, auf den spekuliert werde. Dieser könne durch die Nebenzufahrt ins Innere der Ortschaft geleitet werden.
Ferner wurde betont, eine Einfahrt beim Blauen Stein bedürfe als Haupteinfahrt einer grösseren Strassenkorrektion die Burgschaft hinunter und über den Kaufplatz hinaus bis zum Haus Schmiede Eberhard an der westlichen Kreuzung Bahnhofstrasse/Kantonsstrasse – eine Korrektion, die man bis zur Weiterführung des Entsumpfungskanals mit Rücksicht auf die Kanäle und Abwasserleitungen nicht ausführen konnte.

Visp 1930: Die Gemeinde hatte dank des Entwicklungsplans von 1925/1926 eine klare Vorstellung von der Entwicklung der Quartiere und der Führung der Strassen. Die Landbrücke trug nun kein Dach mehr – die Erinnerung an die Holzbrücke aus dem 19. Jahrhundert war offenbar nicht mehr nötig. Die Kleegärten, im Bild oben links, waren eines der Gebiete, in denen die Burgerschaft 1934 Grundgüter in bedeutendem Ausmass veräusserte.
© Swisstopo
Über Märtmatte und Stapfe zum Kaufplatz?
Wolle man heute am Ausgangspunkt dieser Strasse einen Knoten anbringen, wie dies mit der Einfahrt beim Blauen Stein der Fall wäre, würde damit die Strasse direkt entwertet. In diesem Fall ginge der Verkehr dennoch über die Märtmatte; einer Absperrung derselben würden sich der Staat und die dort wohnenden Privatpersonen widersetzen.
Diese Einfahrt hatte den Gemeinderat schon mehrfach beschäftigt. Zur Zeit, als das Dekret hierüber im Grossen Rat zur Verhandlung kam, wurde eine Delegation nach Visp beordert, die vom aufgestellten Projekt mit der damals geplanten Einfahrt durch die Märtmatte und einer Abzweigung durch die Stapfe nach dem Kaufplatz näher Einsicht nahm. Daraufhin wurde in Berücksichtigung der speziellen Verhältnisse der Gemeinde Visp für diese Einfahrt eine Subvention von 30 000 Franken in Aussicht gestellt.
Weitsichtig: Bebauungsplan und Baureglement
Der Entwicklungsplan, der unter das Motto «Licht und Arbeit» gestellt wurde, legte ein neues, vorderhand allerdings nur zum Teil zu realisierendes Strassennetz fest. Er sah beidseits der Bahnunterführung sternförmig ausstrahlende Strassen vor.
Die Urversammlung 1926 nahm das Baureglement einstimmig an.
Im Dezember 1926 beschloss der Gemeinderat, den neu ausgearbeiteten Entwicklungsplan in Kraft zu setzen. Die darauffolgende Urversammlung 1927 hiess den Plan gut.
Die Gemeinde Visp legte dem Staatsrat anfangs 1926/27 einen Bebauungsplan und ein Baureglement zur Homologation vor. Die Kantonsbehörden nahmen Einblick in den Entwicklungsplan. Sie bestätigten ihn und hoben lobend hervor, dass die Gesamtheit des Plans einen guten Eindruck hinterlasse und vollauf befriedige.
Die Bauordnung sollte bis 1960 in Kraft bleiben.
St. Martinskirche überholt
1926 wurde die Stützmauer unter der St. Martinskirche verstärkt, das Dach frisch gedeckt und das Äussere der Kirche überholt.
Erste Abklärungen für öffentliche Badeanstalt
1926 befasste sich der Gemeinderat erstmals mit der Errichtung einer öffentlichen Badeanstalt und beschaffte sich einige Angaben dazu. Es sollte noch 36 Jahre dauern, bis ein Bad gebaut wurde.
Saal für Anlässe schon 1926 ein Thema
1926 stellte der Gemeinderat fest, dass in Visp kein grosser Saal für Gesellschaftsanlässe zur Verfügung stand, obwohl dafür ein nicht geringes Bedürfnis bestand. Einige vertraten die Ansicht, dass man anlässlich von künftigen Schulhausbauten daran denken solle. Andere glaubten eher, dass ein solcher Bau neben eine Wirtschaft gehöre. Da in nächster Zeit mit dem Bau eines neuen Pensionats (wohl die Fortbildungsschule am späteren Standort des Spitals) begonnen werde, liesse sich die Frage vielleicht lösen, indem dort ein grosser Saal vorgesehen werde.
Bestandesaufnahme der Gemeinde
Der Gemeinderat beschloss 1927, es solle ein genaues Inventar sämtlicher Vermögenswerte der Gemeinde erstellt werden: Immobilien, Mobilien, Gerätschaften usw.
Der Ortspolizist Alexander Albrecht wurde damit beauftragt, dieses Inventar nachzuführen.
Schneckentempo für Autos
1927 wurde die Geschwindigkeit für die Automobile im Visper Ortsinnern auf maximal 18 Kilometer pro Stunde beschränkt.
Seit 1927 im Grundbuch
Bei der Einführung des Grundbuchs im Jahr 1927 wurde die Schützenlaube ohne Beleg, aber auch ohne Einsprache, auf den Namen «Schützenzunft» eingetragen.
Pflästerung der oberen Burgschaft
1927 wurde die obere Burgschaft gepflästert. Der beauftragte Ingenieur Ducrey plädierte für eine Kleinpflästerung.
Schlecht platziertes neues Kino
Der Gemeinderat bedauerte 1929, die Errichtung eines Kinos im neuen Quartier in der Litterna bewilligt zu haben. Die Beibehaltung eines reinen Villenquartiers wäre zweckentsprechender gewesen. Das Kino, das in Konkurrenz zum grossen Saal des Hotels La Poste war, stand östlich der Velohandlung Paci; es wurde vor Jahren abgebrochen.
Die Löhne des Kanzlei-Personals
Der Gemeindeschreiber erhielt 1936 ein jährliches Gehalt von 5 500 Franken, der Bürogehilfe erhielt 1 400 Franken, der Polizist 3 600 Franken, der Gemeindepräsident 2 700 Franken.
1936 nahm die Gemeinde von den natürlichen Personen 111 199.25 Franken an Steuern ein, von der Lonza AG 21 989.40 Franken. Die Mahnungsgebühren betrugen 31.30 Franken.
Die beiden Gemeindestiere beanspruchten 1 800 Franken.