Arnold Blatter, der spätere Landeshauptmann, begründete im 17. Jahrhundert den Visper Zweig der Familie Blatter, der bedeutende Amtsträger in Landschaft und Zenden und hohe Geistliche hervorbrachte. Unter diesen waren auch zwei Bischöfe von Sitten: Johann Joseph Arnold und Joseph Anton.
Mit den Aufdenblatten, Kronig und Riedin hatte die Beamtenfamilie Blatter am Ende des Mittelalters zu den angesehensten Familien der Landschaft Zermatt gehört. Ihren Namen hatten sie offensichtlich vom malerisch gelegenen Weiler Blatten ob Zermatt hergeleitet. Jodok von Zermatt war Meier von Visp gewesen und 1528 bei der Verurteilung von Georg Supersaxo Ratsbote im Walliser Landrat.

Den Bau in der Burgschaft, der heute als Blatter-Haus bezeichnet wird, hatte im 16. Jahrhundert Bischof Adrian I. von Riedmatten erstellt; anschliessend erwarb der Visper Landeshauptmann Blatter das Haus. Das Foto stammt aus der Zeit vor der letzten Renovation.
Ohne Datum, Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Christian Fux
Arnold Blatters Bruder stand Grosspfarrei Visp vor
Arnold Blatter wurde am 11. April 1653 noch in Zermatt geboren. Wo er studierte, ist nicht bekannt. Als Notar erschien er am 13. März 1675 mit seinem Berufskollegen Jakob Aufdenblatten als Zeuge in Visp. Arnold scheint damals noch in Zermatt gewohnt zu haben, wo er mit Katharina Schuler vermählt war. Sie soll ihrem Mann eine bedeutende Fahrhabe in die Ehe gebracht haben: «zwei Kühe, drei Schafe, vier Kelber, drei alte Waffen, eine blawe Gattelon-Decke, 16 Lifer Wolle, 11 Fischel Roggen, 1 Fischel Weizen, 1 Hamme, 2 Stück Horig; dazu 6 hölzerne Becher und Teller und 40 Pfund an Geld». So mag das Haus Arnold Blatters einfach, aber nicht ärmlich ausgesehen haben.
1679 verlor Arnold Blatter seine Frau und im folgenden Jahr seinen Schwager Pfarrer Johann Schuler.
Entscheidend wurde für Arnold Blatter, der in jenen Jahren das Meieramt in Zermatt bekleidete, zweifellos sein Bruder Johannes Blatter, der seit November 1667 Kirchherr der grossen Pfarrei Visp und seit November 1672 auch Titular-Domherr von Sitten war. Es kann angenommen werden, dass er es war, der seinen Bruder Arnold überredete, nach Visp zu ziehen und das enge Zermatt den Mattern zu überlassen.

Im 17. Jahrhundert ging das Haus an den späteren Landeshauptmann Arnold Blatter über und wurde so zum Geburtshaus der beiden Blatter-Bischöfe – Johann Joseph Blatter (1734–1752) und Joseph Anton Blatter (1790–1807). Johann Ignaz Blatter, ein weiterer Sohn von Arnold, erweiterte die Überreste des ehemaligen Baus, der offenbar sehr gelitten hatte, 1760 nach Süden hin, mit offenem Durchgang zum Blauen Stein.
© Christian Pfammatter
Heirat mit einer Burgener
Arnold Blatter wohnte wohl bereits einige Zeit in Visp, als er sich am 3. Februar 1681 mit Anna Katharina Burgener vermählte. Diese war die Tochter des verstorbenen Landvogts Johannes und der Maria de Preux, Schwester des aufstrebenden späteren Landeshauptmanns Johann Jodok Burgener. Von den Kindern aus dieser Ehe verstarben einige früh, sieben wurden erzogen. Kurz nach der Eheschliessung erwarb Blatter das Burgerrecht der Vespia Nobilis, denn am 18. März 1682 nannte er sich bereits Burger von Visp und Meier von Zermatt. So trat er in den Kreis der damals im Visper Zenden massgebenden Familien.
Dunkler Fleck in der Geschichte
Das erste Amt, das Blatter 1681 in Visp innehatte, war das eines Gerichtsschreibers des Kastlans Niklaus Kreuzer von Baltschieder und Gründen, dies namens der Burgerschaft Visp.
Es ist ein dunkler Fleck und Schatten in der Geschichte des Oberwallis, dass damals noch der unselige Hexenwahn herrschte. Blatter schrieb die Akten des Prozesses, in dem sein Vorgesetzter Kreuzer am 17. Juli 1681 Johann Fellmatter wegen Hexerei zum Feuertod verurteilte. [Siehe auch Kapitel 08.12 «Zweifelhafte Todesurteile bei Hexenprozessen».]
Bannerherr des Zenden Visp
Nach dem frühen Hinschied von Adrian In Albon wurde Blatter 1682 zum Bannerherrn des Zenden Visp gewählt. Ganz ohne Unterstützung soll dies nicht gegangen sein: Offenbar hatten sein angesehener Bruder, Pfarrer Johann Blatter, und seine Verwandten in der Familie Burgener dafür ihren Einfluss geltend gemacht, aber auch sein ansehnliches Äusseres soll dazu beigetragen haben.
Damit war Blatters politisches Glück gemacht. Mehr als ein halbes Jahrhundert sollte er die Ehre haben, das Zendenbanner bei sich zu beherbergen. Auch sein Vater, alt Meier Johannes Blatter, zog nun nach Visp, wo er am 18. Juni 1682 begraben wurde.
Vorsteher des Walliser Gesundheitswesens
Von nun an ging Blatters Laufbahn steil aufwärts. Im Mai 1683 ernannte ihn der Landrat in Sitten zum Vorsteher des Gesundheitswesens. Im Dezember 1684 betraute man ihn zusätzlich für zwei Jahre mit der Landvogtei Monthey.
Kurz vorher, im November 1684, war sein Bruder, Pfarrer und Domherr Johann Blatter, gestorben.
Gattin starb bei Geburt des 10. Kindes
Als es im Mai 1689 zu einer Umbesetzung der höchsten Landesämter kam, wurde Arnold Blatter Vize-Ballivus, das heisst Statthalter des Landeshauptmanns de Platea. Während zehn Jahren bestätigte man ihn mehrmals in dieser Funktion.
In diese Zeit fällt auch der Tod seiner Ehefrau, die am 26. August 1698 nach der Geburt ihres zehnten Kindes ihr Leben beschloss.
1691 und 1706 war Blatter Kastlan des Zenden Visp.
24 Jahre Landschreiber
1707, als Blatters Schwager, Johann Jodok Burgener, Landeshauptmann wurde, erkor man ihn selbst zum Landschreiber oder Staatskanzler – ein Amt, das er volle 24 Jahre ausübte.
Landeshauptmann im Greisenalter
Obwohl Blatter sich dagegen wehrte, wurde er im Mai 1731 mit fast 78 Jahren und «ohngeachtet seiner eingewendeten Entschuldigungen seines hohen Alters, der anhangenden Leibesschwachheiten und hinsinkenden Geisteskräfte» zum Landeshauptmann des Wallis gewählt. Er sollte dieses Amt bis 1737 ausüben. Sein Nachfolger als Staatskanzler wurde Johann Fabian Schiner, der mit seiner Nichte verheiratet war.
Ratstag gegen drohende Kriegsgefahr
Am 22. April 1712 fand ein Ratstag der Zenden in Visp statt, dies wegen des drohenden Kriegs in der Eidgenossenschaft.
Unruhige Regierungsjahre
Blatters Mandat an der Spitze des Landes begann im Frühjahr 1732 mit Unruhen in Savièse und auch im Oberwallis. Anlass dazu gaben Gerede und Verdächtigungen bezüglich des Vertrags über das Bergwerk in Binn. Auch Abneigung und geschürter Neid gegen die regierenden Männer und deren Familien scheinen im Hintergrund gewirkt zu haben. Es heisst, 1732 hätten «im Zenden Brig exorbitante Unruhen» geherrscht und mehrere Gemeinden hätten eine gefährliche Revolution gegen seine Exzellenz, den Landeshauptmann Blatter, angezettelt. Grund: Er habe ihnen gewisse Zahlungen vorenthalten.
Landsgemeinde in Visp
Ende August kamen die Unzufriedenen, etwa 300 Männer, in Visp zusammen und hielten dort eine Landsgemeinde, wobei Kastlan Johann Venetz aus Saas-Fee den Vorsitz hatte. Davon ausgeschlossen waren Bischof und Domkapitel und alle weltlichen Standes- und Gerichtspersonen.
Es entstand eine Neuordnung der Regierung mit nicht weniger als 39 Artikeln. Es wurde dort bestimmt, der Landrat sei künftig in Turtmann zu halten und dafür ein Haus zu bauen. Alle vier Jahre sollte eine Landsgemeinde gehalten werden, wie es schon 240 Jahre vorher der Fall gewesen war. Die Anführer sollen den greisen Landeshauptmann Blatter genötigt haben, ihre Forderungen zu akzeptieren.
Die 300 gingen auseinander. Bischof Supersaxo mahnte zur Ruhe. Die Bewegung schien abzuflauen. Im Februar 1733 herrschte scheinbar Ruhe, als ein Flugblatt zugunsten der Visper Landsgemeinde erschien.
Die «Vetterliwirtschaft» sollte aber noch ganz andere Blüten treiben. In der Folge kam es zu einem Bündnis zwischen Bischof, Domkapitel, der Stadt Sitten, der Contrée von Siders, St. Leonhard, der Burgschaft Leuk, Leukerbad, Varen, Inden, Albinen, Jeizinen, Gampel und Agarn, welche die Beschlüsse von Visp verwarfen, das heisst für nichtig erklärten und sich auf das Landrecht von 1572 beriefen.
Im Mai 1733 schien dann die Ruhe im Land wieder eingekehrt zu sein. Daraufhin beschloss der Landrat, dass «man bey dem Landrecht, dem Landfrieden und der loblichen Satzungen unserer Altvorderen beruhen und verbleiben wolle».
Blatter präsidierte Bischofswahl seines Sohns
Völlig überraschend beschloss der würdige und prachtliebende Fürstbischof Franz Joseph Supersaxo aus dem Geschlecht Walter und Georg Supersaxo am 1. Mai 1734 seine Tage auf Schloss Majoria.
So musste nun der Landrat am 18. Mai unter dem Vorsitz Blatters zur Wahl des Nachfolgers im Bischofsamt schreiten. Gewählt wurde kein anderer als Blatters Sohn Johann Joseph, der in Wien studiert hatte. So befanden sich Vater und Sohn gemeinsam an der Spitze des Wallis, als Landeshauptmann und als Bischof.
Im Landratsabscheid, dem Protokoll, steht zwar, dass der Vater und Landeshauptmann Blatter auf sein Amt verzichten wollte, und zwar mit folgenden Worten: «… da auf die geschehene bischöfliche Erwählung nun beide Ehrenämter des Vaterlandes als das Bistum und die Landeshauptmannschaft in einem Haus zusammenkommen, darüber in einem freien Stand auch billig könnten Bedenken gemacht werden, er bereit sei, seinen Befehl abzutreten, wie er dann selben wirklich überantworte». Die Abgeordneten aber baten ihn im Amt zu verbleiben, «da an seiner Treue nicht zu zweifeln sei».
Die beiden höchsten Ämter, die das Wallis damals zu vergeben hatte, waren nun während zwei Jahren in der gleichen Familie, bei Vater und Sohn vereint. [Siehe auch Kapitel 10.02 «Johann Joseph Blatter, der heiligmässige Bischof aus Visp».]
Konflikt zwischen Domkapitel und Zenden
Im Walliser Landrat vom Dezember 1734 kam es zu ernsten Verstimmungen zwischen dem Domkapitel von Sitten und den Zenden. Als dort die zwei Vertreter des Domstifts, Johann Stephan von Riedmatten und Johann Christian Hagen, Einsitz nahmen, weigerten sich die Abgeordneten der oberen Zenden am zweiten Tag an den Sitzungen teilzunehmen, sodass die Domherren es vorzogen, den Landrat zu verlassen.
Daraufhin beklagte das Domkapitel in einer Denkschrift die Schmälerung seiner Rechte. Weil die Zenden darauf nicht eingingen, schrieb Domherr Jakob Schmid: «Es ist nicht gut, wenn der Bischof aus einer grossen Familie kommt, die jetzt herrscht, wie es jetzt der Fall ist: der Vater Landeshauptmann, der Sohn Bischof und die Verwandten in allen Zenden an der Spitze.»
84-jährig gestorben
Arnold Blatter beschloss am 7. Februar 1737 seine Tage. Es ist jedoch nicht bekannt, ob sein Leichnam in einer der Familiengrüfte der beiden Visper Kirchen beigesetzt wurde oder ob er auf dem Friedhof seine letzte Ruhe fand. Das Familiengrab der Blatter soll «beim Beinhaus» gelegen haben.
Gewölbe über die Strasse
Am 22. Januar 1705 wurde Felix Zuber erlaubt, bei seinem Haus über die Strasse einen Bogen und Gewölbe zu bauen.
Zendensiegel gestohlen
Im Dezember 1767 wurde im Haus von Zendenhauptmann Blatter das von ihm verwahrte Zendensiegel mit anderen Wertsachen gestohlen.
Zeitzeuge urteilte: «Meisterlos, faul und unsauber»
Als der reformierte Basler Pfarrer Hieronymus Annoni (1697-1770) das Wallis besuchte und sich auch in Leukerbad aufhielt, nannte er das Landvolk «meisterlos, faul und unsauber». Der Adel sei gering geachtet, daher das Sprichwort: «Junker im Schmutz, grosser Name und wenig Nutz.» Um etwas zu erreichen, müssten hier politische Streber «tapfer saufen und zu saufen geben». Von der reichen Blüte der damaligen kirchlichen Kunst wusste der reformierte Geistliche nichts zu berichten.