Kapitel Nr.
Kapitel 06
Zeithorizont
1388

Fand Schlacht gegen Savoyen 1388 wegen der Gamsenmauer in Visp statt?

Wandbild im Schloss Greyerz aus dem 19. Jahrhundert von Daniel Bovy. Es zeigt die Schlacht bei Visp und datiert sie irrtümlich auf 1383 statt 1388.

Aus Fux 2005

Die Schlacht bei Visp, die mit einem sensationellen Sieg der bedeutend schwächer eingeschätzten Einheimischen endete, brachte einen bekannten Reiseschriftsteller – wahrscheinlich, weil er bei seiner Durchreise am Ort selbst nicht mehr in Erfahrung bringen konnte – zu folgender Vereinfachung:

Die Geschichte von Visp lasse sich auf einen einzigen Tag reduzieren, auf den Mittwoch, 23. Dezember 1388, zwei Tage vor Weihnachten. Wenn man Visperinnen und Visper heute dazu befragt, erhält man oft eine ähnliche Antwort. Zweifellos sticht dieser Tag ganz besonders hervor. Savoyen hiess der übermächtige Gegner, der sich schon im 13. Jahrhundert vorgenommen hatte, das Oberwallis und damit den Weg über den Simplonpass an sich zu reissen. Das Unterwallis hatte Savoyen ja schon lange vorher bis unterhalb Sitten erobert. Und gerade wieder war ein Savoyer Bischof und damit auch Graf von Wallis geworden. So beschloss Graf Amadeus von Savoyen im Herbst 1387 wieder einen Waffengang gegen das Oberwallis. Er stiess bis Salgesch vor. Leuk sah sich gezwungen, einen Frieden mit dem Gegner zu unterzeichnen. Graf Rudolf von Greyerz, verwandtschaftlich mit dem Haus Savoyen verbunden, rückte in dessen Auftrag im Dezember 1388 mit zahlreichen Streitkräften aus Saanen, Greyerz, der Waadt, aus der Dauphinée und Savoyen, weiter nach Osten vor. Sie überrannten Raron und lagerten schliesslich auf der unebenen und völlig vereisten Rottenebene vor der Burgschaft Visp. Die Eroberer – ihres Sieges sicher – stellten den Vispern das Ultimatum für eine kampflose Übergabe der Burgschaft. Deren Bewohner holten bei den sorglosen Welschen eine Frist heraus, bevor sie sich ergeben wollten oder auch nicht. Der Kampf fand dann statt und nahm einen völlig unerwarteten Verlauf. Die Visper hatten die Frist zu einer fieberhaften Vorbereitung genutzt. Sie holten Hilfe in der Umgebung und den Vispertälern. In der Burgschaft selbst wurden alle möglichen Waffen gerüstet. Und bevor der Morgen graute, schlichen beherzte Verteidiger in das Lager der bei grosser Kälte schlafenden Feinde und steckten Scheunen, Städel und Zelte, in denen vor allem führende Angreifer untergebracht waren, in Brand. Diese fanden so einen grauenvollen Tod. Dadurch gerieten deren Truppen in helle Panik. Wer nicht von den Wallisern niedergemacht worden war, suchte die Flucht westwärts. Das war das letzte Mal, dass die Savoyer einen Angriff auf das Oberwallis unternahmen. 1475 wurden sie von den sieben Zenden endgültig aus dem ganzen Wallis vertrieben.

Als im späten 20. Jahrhundert die Geschichte der Gamsenmauer aufgearbeitet wurde, ergab sich die Möglichkeit eines durchaus wahrscheinlichen Zusammenhangs mit dieser Schlacht des Jahrs 1388. Die Historiker sind sich einig: Die Talsperre wurde um die Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut, um die Savoyer an der Eroberung des Simplonpasses zu hindern. 1388 wurden die Angreifer allerdings schon von den Vispern zurückgeschlagen und nicht erst an der Mauer.

Mit der Schlacht von Visp begann eine neue Ära der Walliser Geschichte: Es entwickelte sich eine unabhängige Zenden-Demokratie, vorerst noch unter bischöflicher Oberhoheit.