«Forstrevier» der Burgerschaften bekämpft Schädlinge und Waldsterben im Schutzwald
Die Burgerschaften Visp, Bürchen, Zeneggen, Lalden und Baltschieder gründeten 1977 unter der Leitung des Visper Burgermeisters Louis Studer das Forstrevier Visp und Umgebung. Es verfügt über 1 513 Hektaren Fläche. Zuvor war das Arbeitsvolumen für die Waldpflege inventarisiert worden; mit den damals vorhandenen Forstunternehmen war es nur noch schwerlich zu bewerkstelligen gewesen. Dennoch: Hut ab vor all den Forstleuten, Waldarbeitern, Behörden und Losholzern, die alljährlich ihr Bestes gaben.
Waldpflegenutzung statt Nutzschlagpflege
Man musste zur Kenntnis nehmen, dass die damalige Waldpflege, wie in den Jahrzehnten zuvor Nutzschlagpflege statt Waldpflegenutzung, nicht mehr weiter betrieben werden konnte. In Zusammenarbeit mit Behörden, Förstern und dem kantonalen Forstdienst wurden die forstpolizeilichen Aufgaben und Pflichten im Wissen um die bisher fehlende Betriebsstruktur zusammengetragen. Die Aufgabe des Revierförsters übernahm Jakob Kalbermatter.
Nach acht Jahren Abklärungen und Vorarbeiten gründeten am 19. Juni 1985 auf Initiative des Visper Burgerpräsidenten Dr. Francis Gattlen die Burgerschaften von Visp, Baltschieder, Lalden, Visperterminen, Zeneggen und Bürchen den Forstbetrieb Visp und Umgebung. Zwei Jahr später wurden auch die Burgerschaften von Unterbäch und Eischoll aus der Augstbordregion ins Revier aufgenommen.
Der Visper Louis Studer wurde zum ersten Präsidenten gewählt. Der Zweck der Gemeinschaft lautete: Pflegen, Bewirtschaften und Erhalten des Waldes. Insgesamt waren nicht weniger als 2 580 Hektaren Wald mit 4 200 Kubikmetern Hiebsatz zu bearbeiten. Anfangsschwierigkeiten waren da, um überwunden zu werden.
«Schlagkräftige» Forstequipe
Die Voraussetzungen waren geschaffen, um über eine «schlagkräftige» Forstequipe zu verfügen. Diese begann am 21. Juni mit ihrer Arbeit. Dem Revierförster Jakob Kalbermatter standen ein Forstwart, zwei Waldarbeiter und zwei Lehrlinge zur Seite. Bei seiner Gründung fand der Forstbetrieb Unterschlupf bei der Gemeinde Visp. Dort standen eine kleine Werkstatt und ein Einstellraum für die Fahrzeuge zur Verfügung. Ein fortschrittlicher, leistungsfähiger Forstbetrieb musste selbsttragend und daher gut organisiert sein. Er brauchte Geld für die Anschaffung von Werkzeugen, Maschinen und Transportmitteln und es brauchte eine gute Infrastruktur.

2005: links Martin Heldner, Kassier, in der Mitte Louis Studer, erster Präsident des Forstreviers Visp und Umgebung, rechts Martin Imesch, Förster. Louis Studer, der auch Burgermeister war, förderte die Gründung des regionalen Forstbetriebs, um so zu einer rationelleren Bewirtschaftung der lebenswichtigen Wälder zu gelangen.
© Josef Salzmann
Schutzwald am Grauberg in Gefahr
Mit einem Fünfjahresplan wollte die Burgerschaft Visp anfangs der 80er-Jahre den kranken Föhrenwald am Grauberg im Westen von Visp sanieren. Zwei Monate nach Beginn dieser Arbeiten erschien diese Grossaktion bereits fragwürdig. Als nämlich die ersten Stämme per Helikopter aus dem Steilhang im Riedertal herausgeflogen wurden, begannen plötzlich auch die Jungbäume abzusterben. Die Forstleute meinten, letztere seien zuvor von den älteren Föhren einigermassen gegen die «Dreckluft» geschützt worden. Man wartete – ohne grosse Hoffnung – auf fachmännischen Rat aus der Eidgenössischen Anstalt für das forstliche Versuchswesen in Birmensdorf. Recht bald stand fest, dass vom einst typischen Walliser Föhrenwald nur wenige einzelne Bäume überlebten; wahrscheinlich würden nur die Flaumeichen-Sträucher weiterwachsen, vielleicht auch einige Birken.
Als Schutzwald aber habe der Grauberg bereits ausgedient, hiess es. Er sei sogar selbst zur Gefahr geworden. Bei einem Sturm oder Schneerutsch drohten die toten und die halbverdorrten Bäume auf die Kantonsstrasse hinunterzurutschen. Wie jener am Grauberg würden die meisten Wälder als Schutzwälder gelten, doch werde ihr Zustand oft verharmlost, auch von verantwortlichen Politikern.
Im offiziellen Sanasilva-Bericht des Bundes von 1984 stand: «Die Gebirgskantone Wallis und Graubünden (ohne Misox und Puschlav) zeigen die weitaus grössten Schäden. Mehr als die Hälfte der untersuchten Bäume ist hier nicht mehr gesund.» Mit 58 Prozent der Bäume, die kränkelnd bis absterbend waren, war das Wallis am stärksten betroffen.
Der Nordhang im Riedertal, zwischen 650 bis 900 Meter über Meer, weist eine durchschnittliche Neigung von 70 Prozent auf. Der Föhrenwald wies dort 850 Kubikmeter Schadenholz auf einer Fläche von 6 1⁄2 Hektaren auf, welches ausgeschafft werden musste. Die Föhren standen oder lagen grossenteils tot im Hang. Ausser dem Jungholz und Laubbäumen waren praktisch alle Bäume geschädigt. Als Ursachen dafür wurden Emissionen aus dem Tal des Rottens ausgemacht; Lonza, Alusuisse, Kehrichtverbrennung, Verkehr, Flugplatz sowie mangelnde Pflege und ein Sekundärschädling namens «Waldgärtner».
1977 erstmals Befall durch «Waldgärtner»
Im Thelwald wurde 1977 ein grösserer Befall durch den Schädling «Waldgärtner», eine Borkenkäferart, festgestellt. Dieser Käfer soll zumindest mitverantwortlich für das Absterben der Bäume gewesen sein. Er wird allerdings als ein Element der Waldföhrenwälder angesehen, das immer vorhanden ist.
Hohe Schutzfunktion in steiler Hanglage
Der auf der spärlichen Narbe auf dem Felsen wachsende Wald hat für Visp und Umgebung bei einer Hangneigung von 55 bis 60 Prozent eine bedeutende Schutzfunktion.
Der Wald an der südexponierten Flanke des Haupttals und in der Region um Visp wurde als dringendstes Problem erkannt.
1985: alarmierend kranker Wald
Im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms wurde der Gesamtzustand des Waldes 1985 als sehr alarmierend bezeichnet; angesichts der starken Gefährdung durch Steinschlag drängten sich Massnahmen auf. Massnahmen zur Erhaltung der Schutzfunktion müssen von Amtes wegen und auf Kosten der Allgemeinheit erfolgen. Der Verlust der Schutzwälder hat für die Bewohner tiefgreifende Veränderungen zur Folge.
Die Schutzfunktion des Waldes musste durch Verjüngung der Bestände erhalten und verbessert werden. Die Föhren erforderten besondere Aufmerksamkeit. In unserem Wald rechnet man mit bis zu 50 Jahren, bis aus einem Sämling ein zwei Meter hoher Baum herangewachsen ist. Kommt dazu, dass durch Schäl- und Schlagschäden des Hirschs 70- bis 80-jährige Bäume zerstört werden. Ein Hirsch frisst täglich bis zu 250 Fichtentriebe. Pro Winter macht das über 40 000 Triebe.
Erschliessungsstrasse Bodmen–Hotee
Die Wälder bedurften der Pflege. Nachdem der gesamte Wald bis dahin nur über Fusswege zugänglich gewesen war, verbesserte die neue Erschliessungsstrasse Bodmen–Hotee dies minimal; für die zeitgerechte Pflege und Holzerei war sie absolut notwendig. Das Fusswegnetz wurde gleichzeitig um einen Kilometer ausgebaut. All diese Massnahmen brachten einen Kostenaufwand von 1,6 Millionen Franken mit sich.
Grauberg-Sanierung dank Gemeinde
Im Juni 1989 wurde beschlossen, den Grauberg-Wald wiederherzustellen. Die Burgerschaft reichte beim kantonalen Forstinspektorat ein entsprechendes Gesuch ein. Es handelte sich um eine Fläche von 150 Hektaren, die von den Schlüsselachern bis zum Grauberg hinunter reichten, grösstenteils Privatwald. Die Kosten wurden auf 2 149 000 Franken geschätzt. Der Kanton subventionierte das Werk zu 17 Prozent, der Bund zu 64 Prozent.
Um die Wiederherstellung zu ermöglichen, ersuchte die Burgerschaft die Munizipalgemeinde, nicht nur die gesetzlichen 40 Prozent von den restlichen 19 Prozent, sondern die Restkosten von rund 400 000 Franken vollumfänglich zu übernehmen. Dem stimmte der Gemeinderat aufgrund der Dringlichkeit zu.
Das Waldsterben allgemein, das immer häufigere Auftreten von Schädlingen, vor allem des Borkenkäfers, hatte bei Behörden und Bürgern das Pflichtbewusstsein um die Erhaltung und Pflege der Umwelt geweckt, nicht nur national. Dieses Umdenken löste einiges aus. Das Forstgesetz wurde revidiert. Die Finanzen gaben angesichts des kostenintensiven fachtechnischen Arbeitens zu denken.
Auf der anderen Seite musste das Holz als Rohstoff allzu billig abgegeben werden. Allein die Rüstarbeiten liessen sich aus dem Verkaufserlös kaum decken, schon gar nicht möglich war die Mitfinanzierung von Waldpflegearbeiten. Diese Feststellung war aber nicht neu. Heute gibt es Subventionen für die verschiedensten Projektarten, jedoch keine Restfinanzierungshilfen.
Stanislaus Zurbriggen, OS-Lehrer und Naturforscher
Der aus dem Saastal stammende Sekundarlehrer Stanislaus Zurbriggen (1943) lehrte an der Visper Orientierungsschule Biologie und Mathematik. Als grosser Naturfreund und Kenner der Alpenflora gehörte er 1979 zu den Gründern der Naturforschenden Gesellschaft Oberwallis (NGO). Sein besonderes Interesse an der Vogelwelt erlaubte es ihm 1982, im Rahmen der NGO die Abteilung Ornithologie zu gründen. Diese führte dann regelmässig Exkursionen im Wallis und darüber hinaus durch. 1987 sprach der Staatsrat dem Kenner der Oberwalliser Vogelwelt verdientermassen einen kulturellen Förderpreis von 5 000 Franken zu.
Schweizer Hitzerekord in Visp
Am 7. August 1991 mass man in Visp 34,6 Grad im Schatten, was der schweizerische Spitzenwert an Hitze war.
Der «Thelwald» der Burgerschaft
Der «Thelwald» liegt östlich von Visp an einem steilen, teilweise mit Felsbändern durchzogenen Hang, der sich zwischen 750 und 1 260 Meter über Meer befindet und vorwiegend westlich orientiert ist. Er gehört der Burgerschaft Visp. Die Gesamtfläche beträgt 61 Hektaren. Das Gelände ist trocken und wenig fruchtbar. Am unteren Waldrand ist die Wohnsiedlung inzwischen ziemlich nahe gerückt.
Noch vor 100 Jahren war der Thelwald, wie sein Name vermuten lässt, ein reiner Föhrenwald – Thela, Teella oder Täla bedeutet Bergkiefer oder -föhre. Aufgrund der Industrialisierung mit der einsetzenden Belastung der Luft und anderer Faktoren wurden die Föhren geschwächt und dann zunehmend durch andere Baumarten, vorwiegend Laubhölzer, ersetzt. In den höheren Lagen nahm jedoch der Anteil an Nadelholz zu: dort zeigte die Föhre mehr Widerstandskraft. Im Winter kommt es hier noch heute zu grösseren Konzentrationen von Wildtieren und einer vielfältigen Vogelwelt.
Das Waldsterben der 90er-Jahre
Anfangs der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts ging es dem Wald um Visp schlecht; das Rot der toten Waldföhren färbte erneut ganze Waldpartien. Das Föhrensterben hatte sich beschleunigt. Ganze Hangpartien starben innerhalb eines Jahres vollständig ab. Fachleute fanden das deshalb gravierend, weil die Waldföhre in den unteren Hanglagen von 600 bis 1 500 Meter über Meer die natürliche, standortgerechte Vegetation bildete. Ab circa 1 400 Meter über Meer werden die Waldföhrenbestände von Fichten- und Lärchenwäldern abgelöst.
Nach 1992 zeigten die Waldföhren im Unterschied zu anderen Bäumen einen deutlichen Wachstumsabfall; das liess vermuten, dass der «Waldgärtner» sie befallen hatte. Unklar blieb die Rolle der Misteln; es konnte weder ein positiver noch ein negativer Einfluss derselben festgestellt werden.
1990 bis 1997 wurden im Rahmen des Wald-Wiederinstandstellungsprojekts Visp West die Föhrenwälder einer Pflege unterzogen. Im Herbst 2003 traten wieder vereinzelte Schäden auf, die für die Benützer der darunterliegenden Kantonsstrasse ein Sicherheitsrisiko darstellten.
Der Forstbetrieb Visp und Umgebung führte die notwendigen Arbeiten umgehend aus. Die Burgerschaft verpflichtete sich, die nicht subventionierten Kosten zu übernehmen.
90 Prozent des Waldes bedroht
Anlässlich der Ehrenburgerfeier für Dr. Peter Z’Brun von 1991 erklärte der damalige Burgermeister Louis Studer in seiner Rede, dass bis zu 90 Prozent des Waldes in der Region Visp bis circa 1 000 Meter über Meer vom Aussterben bedroht seien.
Wieso stirbt die Waldföhre und nicht die Fichte?
Auf die Frage, wieso die Waldföhren im Thelwald bei Visp abstarben, gab es keine einfache Antwort. Neben Immissionen kamen auch natürliche Faktoren in Frage, etwa Trockenheit. Es zeigte sich nämlich, dass zum Beispiel die Fichte am gleichen Standort grössere Zuwächse verzeichnete. Die Trockenheit kam jedoch nicht als alleinige Erklärung für die hohe Mortalität der Föhren infrage. Es wird vermutet, dass die Summe aller Stressfaktoren im Thelwald für die Waldföhre wesentlich ungünstiger war. Auch die Art und Weise des Absterbens variierte stark.
Schutzwälder gegen Steinschlag und Rutsche
Heinz Wandeler, Direktor der eidgenössischen Forstdirektion, stellte 1998 fest, dass die Bedeutung der Schutzfunktion des Waldes in den Jahrzehnten davor stark zugenommen hatte. Schutzwälder würden zwar keinen absoluten Schutz gegen Naturgefahren bieten, aber je nach Lage und Untergrund schützten sie gut gegen Lawinen, Rutschungen, Murgänge und Steinschlag. Um ihre Schutzfunktion ohne Unterbruch erfüllen zu können, bräuchten sie Pflege, zum Beispiel eine periodische Verjüngung, denn die Bäume würden selbst unter den Naturgewalten leiden.
Die überaus steilen Wälder östlich und westlich von Visp werden seit Jahren derart intensiv gepflegt, dass sie diese Aufgabe bis heute erfüllt haben, wenn man vom Rutsch absieht, der 2018 auf Eyholzer Seite Schaden anrichtete.
Ausmerzung des Borkenkäfers
Im Frühjahr 1998 herrschte im Thelwald am Feetschuggen ein hektischer und lärmintensiver Betrieb. Grund dafür war die «Ausmerzung» des Borkenkäfers, der die Föhren befallen hatte. Die Equipe des Forstreviers Visp leistete da in kurzer Zeit Bedeutendes zur Gesundung des Schutzwaldes.
Bei den Fichten gelang es, den Schädling mit Lockstoffen in Käferfallen zu besiegen, nicht so bei den Föhren. Die Borkenkäfer befallen meist kranke beziehungsweise geschwächte Bäume, in einer ersten Phase die Krone des Baums. Die Krankheit hat zur Folge, dass die gestressten Föhren einen Duftstoff ausstossen, der für die Käfer als Lockstoff wirkt; in gesunden Bäumen werden die Borkenkäfer vom Harz abgetötet.
Als wirkungsvollste Massnahme zur Bekämpfung erwies sich, den Baum innert 48 Stunden samt Stamm und Krone zu entfernen. Dies muss schnell über die Bühne gehen, weil ein Käferpaar innerhalb eines Jahres in drei Generationen bis zu einer Million Larven produzieren kann.
Mit der herkömmlichen Arbeitsweise wäre man da chancenlos gewesen. Mit einem High-Tech-Gerät, das in Skandinavien bereits seit einem Vierteljahrhundert bekannt war, konnte viel schneller, rationeller, sicherer und sogar kostengünstiger gearbeitet werden. Für schwierige und gefährliche Transporte kam ein Helikopter zum Einsatz.
Die grössten Schäden wurden im Gebiet Grauer Berg–Wandfluh zwischen Visp und Raron festgestellt, ebenso zwischen dem Feetschuggen, dem Eyholzer Chi und Gamsen. Das Resultat – gesundende Wälder – konnte sich sehen lassen.
Kreisforstamt verliess Visp
1995 beschloss der Staatsrat, das Büro des Kreisforstamts III in Visp dem Kreis IV anzugliedern, mit neuem Standort Gampel.
Eine Woche später wurde auch die Gemeinde Visp darüber informiert. Obwohl diese protestierte, wurde der Entscheid nicht mehr umgestossen. Auch hier war «der Mist längst geführt».
Im Wallis sind 88 Prozent des Waldes Schutzwald
88 Prozent des Walliser Waldes (85 000 Hektaren) sind Schutzwald. Die Visper Wälder dürften diesem Verhältnis recht gut entsprechen. Auch hier schwächten die wiederholten Trockenperioden die Bäume. Zur Bekämpfung der Folgen gewährte der Bund den Kantonen zusätzliche Mittel. 2018 war die schlimmste Trockenheitsperiode seit 1864. Es gab Schäden, wie man sie zuvor noch nie festgestellt hatte.
Europäische Waldschutzexperten im Thelwald
Etwa 80 Waldschutzexperten aus etwa 20 europäischen Ländern nahmen im April 1999 im Wallis – auch im Thelwald oberhalb Visp – an einem internationalen Seminar teil, das dem Thema Waldgesundheit gewidmet war. Die Veranstaltung befasste sich hauptsächlich mit den Schädlingen und Krankheiten, die den Wald befallen können, sowie mit den Möglichkeiten, sie zu bekämpfen oder sich vor ihnen zu schützen. Die Experten begaben sich in verschiedene Walliser Föhrenwälder, um dort das Absterben dieser Bäume zu studieren, zum Abschluss des Seminars auch in den Visper Wald.
Sie nahmen dort zur Kenntnis, dass der besorgniserregende Gesundheitszustand der Walliser Föhrenwälder nicht neu war. Schon seit Jahrzehnten waren in den Walliser Wäldern viele Föhren vorzeitig abgestorben, wobei sich die Lage seit anfangs der 90er-Jahre noch verschärft hatte.
Dafür gebe es verschiedene Gründe; einer der wichtigsten sei der Befall durch die «Waldgärtner». Die Insekten würden die jungen Triebe fressen und so dem Wald beträchtlichen Schaden zufügen. Daraufhin befielen weitere Insekten sowie Pilze die gestressten Bäume, die schliesslich abstürben. Vor allem nach Trockenperioden gebe es vermehrt tote Bäume. Die Bedeutung von Luftschadstoffen, die lange als hauptsächlicher Faktor des Waldsterbens galten, bleibe weiterhin unklar. Auch wenn eine direkte Schädigung nicht nachgewiesen werden könne, seien Auswirkungen auf die empfindliche Föhre in Kombination mit anderen Stressfaktoren möglich. An etlichen Standorten werde die Föhre beim Kampf um Licht, Wasser und Nährstoffe zunehmend von anderen Baumarten wie Fichte, Weisstanne oder Flaumeiche bedrängt. In dicht stehenden Waldbeständen führe dies mit der Zeit zum Absterben von Föhren.
Wissenschaftliche Waldbeobachtung und Forschung
Schliesslich konnten die Experten anlässlich der Besichtigung vor Ort eindeutig feststellen, dass viele Faktoren zu diesen komplexen Krankheiten beitrugen und dass deren Einfluss im Einzelnen kaum bestimmt werden konnte.
Wie der einheimische Kreisförster Siegfried Bellwald betonte, erhoffte man sich aber dank wissenschaftlicher Waldbeobachtung und Forschung, ausgewählte Faktoren in Zukunft besser gewichten zu können.
Wie entwickelt sich der Thelwald?
Entsprechend ihren Standortbedingungen erreichen die Bestände der Waldföhren Baumhöhen von 15 bis 25 Metern. Die Waldföhren-Oberschicht wird durch eine Unterschicht, bestehend aus Fichten und Weisstannen, bedrängt und mit der Zeit abgelöst. Flaumeichen und Weisstannen sind im Begriff, ihre früher verlorenen Territorien wieder zurückzuerobern und die Fläche der Waldföhrenbestände laufend verkleinern.
Die Ablösung bisheriger Baumarten durch neue ist in vollem Gang und dürfte in wenigen Jahrzehnten auf einem relativ stabilen Niveau angelangt sein – es sei denn, ein Waldbrand verzögere diese Entwicklung oder mache sie sogar rückgängig.
Es wird davon ausgegangen, dass die Mortalität der Waldföhren im Thelwald in Zukunft kaum sinken wird. Gemäss Fachleuten wird die Waldbrandgefahr im Zug der aktuellen Veränderung der Waldnutzung und der hohen «Mortalitätsrate» der Waldföhren wahrscheinlich noch zunehmen. Feuer stellt aber auch ein regulierendes Element dar, das die Wachstumsbedingungen der überlebenden Bäume verbessert.
Dabei spielen Quantität, Qualität und Lage des brennbaren Materials, die klimatischen Bedingungen (Trockenheit, Wind, Temperatur) sowie die Topografie des Geländes eine bedeutende Rolle. Der verheerende Waldbrand von 2011 zeigte, was das Feuer in einem äusserst steilen Gelände anrichten kann.
[Siehe Kapitel 25.10 «Der sechstgrösste Waldbrand im Wallis seit 1900».]
Der Bannwald in früheren Jahrhunderten
Bannwälder zum Schutz von Dörfern, Gebäuden, Menschen und Vieh gab es seit jeher überall in den Alpengebieten. Sie unterlagen äusserst strengen Regulierungen und waren vielfach von jeglicher Nutzung ausgeschlossen, seit einer Vereinbarung von 1528 auch der Thelwald, vor allem im Osten.
In den Burgerregeln von 1727, also ziemlich genau 200 Jahre später, wurde vorgeschrieben, dass weder Burger noch Einwohner im Thelwald grünes und dürres Holz fällen durften. Das wurde den Burgern unter einer Strafe von 10 Pfund untersagt, den Übrigen aber als Diebstahl geahndet. Das Sammeln von Lichtholz war vorbehalten. Nur die Burger durften «Chriss» (Streu aus Baumnadeln) sammeln.
Die restriktive Regelung hatte mit der Zeit jedoch Probleme zur Folge. Weil es sich eben um Bannwald handelte, gab es zum Beispiel 1808 im Thelwald viele herumliegende Bäume. So durfte, wer von den Konsulen oder Bannwarten die Erlaubnis hatte, je zwei umgerissene Stöcke beziehen.
1824 schlugen die Burger auch den Wald im Eyholzer Chi in den Bann, mit der Einschränkung allerdings, dass den Burgern der Holzschlag zu Bauzwecken erlaubt wurde.
Aber auch vor Freveln war der Bannwald nicht gefeit. 1845 beklagten sich die Eyholzer beim Burgermeister, dass ein Visper Burger in ihrem Bannwald gegen ihren Willen eine grosse Menge Lärchenholz gefällt habe. Nach dem Vergleich der Grenzdokumente einigten sich die beiden Burgerverwaltungen gütlich.
Visper Bannwald
Die Forstverordnung von 1853 hielt die Bannwaldgebiete um Visp wie folgt fest: auf der östlichen Seite von Visp der Thelwald bis an die Hasentalegge, der Wald unterhalb der Visperi bis an den langen Acker, der Wald vom Kinngraben bis an den Laldnerwald.
Auf der westlichen Seite von Visp: der Wald vom Trümmelschleifweg bis an den Grubenschleif ob dem Eggerweg und der Wald vom Grubenschleif bis an den Schleif unter dem Eggerweg.
Waldföhren starben aus verschiedenen Gründen
Das 19. Jahrhundert war durch grossflächige Rodungen geprägt, die hauptsächlich auf die hohen Holzpreise, die Rottenkorrektion, den Eisenbahnbau und die beginnende Industrialisierung zurückzuführen waren; zuvor waren Bau- und Brennholz im Vordergrund gestanden. Während des Ersten und besonders während des Zweiten Weltkriegs nahm der Druck auf den Wald nochmals stark zu. Als Folge davon kam es regelrecht zur Rationierung von Brennholz.
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts wurde noch intensiv Streu genutzt; mit Rechen und Stoffsäcken zogen die Leute in den Wald und wischten die Streu zusammen. Damit wurden den Wäldern nicht nur Nährstoffe, sondern auch Saatgut entzogen. Die Waldföhre im Thelwald mit ihrer enormen Samenproduktion und ihren leichten, vom Wind getragenen Samen überstand solche Eingriffe mühelos. Aufgrund ihres hohen Holzgehalts, des «drehwüchsigen» Holzes und der geringen Dauerhaftigkeit sind die Föhren als Brenn- und Bauholz weniger beliebt; deshalb wich man erst dann auf Waldföhrenholz aus, wenn kein anderes Holz mehr verfügbar war.
Luftverschmutzung liess Thelwald verwelken
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgten die absterbenden Waldföhren im Oberwallis für Aufsehen. Spätestens seit dem Ersten Weltkrieg waren Waldschäden ein ständig wiederkehrendes Thema. Das Phänomen trat gleichzeitig mit dem Aufkommen verschiedener industrieller Wirtschaftszweige wie zum Beispiel der chemischen Industrie der Lonza in Visp und der Aluminium AG in Chippis auf.
1937 wurde im Zusammenhang mit den absterbenden Waldföhren von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen den erstmals erwähnten Waldschäden im Raum Visp und den Emissionen der nahe stehenden Chemiewerke gesprochen. Die Burgerschaft stellte erstmals mit Schrecken fest, dass Luftverschmutzung im Thelwald zum Verwelken der Bäume führte. Ein Streifen des Thelwalds galt als vom Absterben bedroht. Es bestand die Vermutung, dass die Krankheitserscheinungen auf das Einwirken giftiger Substanzen aus den Lonzawerken zurückzuführen waren. Ausser in der Industrie sah man die Ursachen zu diesem Zeitpunkt auch im enormen Strassenverkehr (!), in den Abgasen von Heizungen sowie in weiteren Faktoren. Nun waren Massnahmen gefordert. Die Waldverantwortlichen erhielten den Auftrag, während eines Jahrs im fraglichen Gebiet auf jegliche Holznutzung zu verzichten, weil so die Ursachen eher festzustellen waren. Diesem Antrag wurde entsprochen und der gesamte Thelwald von den Baumgärten aufwärts bis Hotee und von Visperterminen bis zum Kammgraben unter Bann gestellt.
Lonza übernahm Schaden
Im Gegensatz zur Fluorproblematik, verursacht durch die Aluminiumfabrik, konnte kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Schäden und Ursachen erkannt werden.
Die Lonza erklärte sich mit Schreiben vom 8. April 1938 bereit, den festgestellten Schaden im Thelwald zu decken, ohne sich damit für die Zukunft haftbar machen zu lassen.
Die Nachwehen der Luftverschmutzung dauerten an. Die Lonza übernahm auch zwei Drittel der Kosten für den entsprechenden Holzschlag und die Erstellung des erforderlichen Wegs im Thelwald. Ebenso nahm sie die Kosten für die Erstellung eines Pflanzgartens mit Hütte sowie die Aufforstung auf ihre «Kappe».
Laubbäume ersetzten Nadelbäume
Seit anfangs der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren, wie bereits erwähnt, aus den fast reinen Waldföhrenbeständen im Thelwald südöstlich von Visp zunehmend gemischte bis reine Laubholzbestände entstanden, dies infolge erhöhter Sterblichkeit der Föhren.
Der Prozess des Absterbens der Föhre verläuft im Gelände von unten nach oben. Er ist an den südwestlich exponierten Hängen ausgeprägter und reicht höher hinauf als an den nordwest-orientierten. Wo sich die Föhre zurückzieht, ersetzen sie Laubhölzer, vor allem die Flaumeiche. Dabei breiten sich die Laubbäume nicht überall mit gleicher Intensität aus. Inwieweit dabei die Standortverhältnisse, die Verteilung der Mutterbäume oder gar die Pflanztätigkeit der Menschen eine Rolle spielen, konnte noch nicht abgeklärt werden.
Für die Ansiedlung der Flaumeiche dürfte eher das Relief ausschlaggebend gewesen sein. Aus einer längeren Beobachtung vor einem Vierteljahrhundert wurde abgeleitet, dass die Föhre weiter zurückgehen wird. Auf trockenen, strahlungsintensiven Talflanken unterhalb von 1 200 Meter über Meer ist die Flaumeiche immer mehr in der Lage, die Waldföhre zu bedrängen oder gar zu dominieren.
Es wurde angenommen, dass die Föhre, die auf den wenigen trockenen, aber wüchsigen Böden in den höheren Lagen widerstandsfähiger ist, dort nicht im gleichen Mass zurückgehen wird wie in den tieferen Partien. In den Walliser Schutzwäldern sind 200- bis 300-jährige Waldföhrenbestände bis auf 1 500 Meter hinauf keine Seltenheit. Der Absterbeprozess hat – so die Annahme – erst kurz davor eingesetzt und ist sehr schnell verlaufen.
Wald im Krieg überbeansprucht
1947 zog der Burgerrat Bilanz über die Nutzung des Thelwalds in den Kriegsjahren 1939 bis 1945. Dabei stellte er ernüchtert fest, dass der Wald während der fraglichen Zeit überbeansprucht worden war. Es müsse daher in den nächsten Jahren mit reduzierten Holzschlägen gerechnet werden.
1949 machte der Burgerrat konkrete Vorschläge. Die Burgerschaft sah sich genötigt, die Holzausbeutung in wirtschaftlich weniger günstige Waldpartien zu verlegen, um eine weitere Überbeanspruchung zu verhindern. Solche Wälder gab es im Engiboden, bei der Bärengrube, im Kriegswald und so weiter.
Günstig für den Wald schien die Prognose, dass infolge Aufkommens der elektrischen Energie die Nachfrage nach Brennholz künftig abnehmen werde; es werde aber diejenige nach Bauholz weiter anhalten.
Holztransport auf dem Fluss
Meistens wurde das Holz durch die «Schleife» zu Tal befördert. Hier wurde es auf Fuhrwerke geladen oder in einen Flusslauf geworfen und auf diese Weise bis zu einem bestimmten Ort «geflötzt». Damit nicht einer dem anderen ins Handwerk pfuschte, musste dieses «Flötzen» eingeteilt und bewilligt werden.
Visp im Walliser Trockengebiet
Das Territorium Visp gehört klimatisch zum Walliser Trockengebiet, wo im Durchschnitt jährlich nur eine Niederschlagsmenge von 640 Millimetern gemessen wird.
Exotisches Holz im Thelwald?
Der Thelwald als ausgesprochener Trockenwald mit intensiver Bestrahlung brachte Kreisförster Leo Bodenmüller 1929 dazu, einen Kredit von 40 Franken zu verlangen, um damit Versuchspflanzungen von exotischen Holzarten anzulegen.
Eventuell könnten spätere Generationen damit hohe Erträge erzielen. Seinem Anliegen wurde entsprochen. Von den Resultaten ist nichts bekannt.