Kapitel Nr.
Kapitel 21.04

Hans Wyer, der Visper, der die nationale Politik beeinflusste

Als der 1927 in Visp geborene und hier aufgewachsene Hans Wyer mit 34 Jahren das Amt des Visper Gemeindepräsidenten antrat, setzte er eine längere Familientradition fort. Vor ihm hatten sein Grossvater Pierre-Marie und sein Vater Lot als Gemeindeoberhaupt gewaltet.

Der Visper Politiker Hans Wyer 1986. Er war Gemeindepräsident von Visp (CSP), Nationalrat und Walliser Staatsrat. 1976 wurde er als erster und bisher einziger Visper zum Nationalratspräsidenten gewählt.

© Bibliothek am Guisanplatz, Portraitsammlung Rutishauser, CC BY-SA 4.0

1960 Gemeindepräsident...

Gemeindepräsident wurde er 1960, als er nach einem denkwürdigen Wahlkampf den Demokraten Adolf Fux, der dieses Amt 16 Jahre innegehabt hatte, schlug. Damit beendete die von ihm geführte, aus Konservativen und Christlichsozialen gebildete Volkspartei die 16-jährige Mehrheit der Demokraten. Wyer sollte der Gemeinde Visp ebenfalls während 16 Jahren vorstehen. Zuvor hatte der Advokat und Notar während einer Amtsperiode dem Visper Burgerrat angehört.

...und 1967 Nationalrat

Mit zielgerechter Arbeit und einem konsequenten Führungsstil erwarb sich Hans Wyer das Vertrauen der Visper Stimmbürger, sodass er 1967, als er sich auf der Liste der Christlichsozialen um einen Sitz im Nationalrat bewarb, prompt gewählt wurde und von da an als eine der massgeblichen Stimmen im Kanton galt.

1976 höchster Schweizer

Recht bald gehörte er auch in Bern zu den Tenören der CVP-Fraktion. Die logische Folge war 1976 der Aufstieg zum höchsten Schweizer, zum Präsidenten der Bundesversammlung. Diese Freude war für ihn von kurzer Dauer, weil im Wallis bereits ein paar Wochen später Wahlen in die Regierung anstanden und er dieses Amt «auf der Rechnung» hatte. Da aber aus dem Walliser Staatsrat nur ein einziges Mitglied gleichzeitig im eidgenössischen Parlament sitzen durfte, musste er – da erwartungsgemäss als Staatsrat gewählt – vorzeitig auf das nationale Präsidentenamt verzichten, denn Staatsrat Guy Genoud war bereits Mitglied des Ständerats.

Parteiintern stieg Wyer zu den höchsten Ämtern auf. Während elf Jahren präsidierte er die CVP Schweiz. Einmal mehr erwies es sich, dass dieses Amt für eine Wahl in den Bundesrat nicht förderlich ist: Bei der Endausmarchung an den Bundesratswahlen 1982 musste er dem Luzerner Alphons Egli den Vortritt lassen.

Mit dem Sittener Stadtpräsidenten Roger Bonvin erhielt das Wallis 1962 den zweiten Bundesrat. Der von Bern über Brig kommende Extrazug machte auch in Visp Halt, wo Bonvin vom Visper Gemeinderat willkommen geheissen wurde. V. l. n. r. Nationalrat und Gemeinderat Dr. Leo Stoffel, Gemeindepräsident Hans Wyer, Gemeinderat Alfred Ludi, Bundesrat Bonvin, Gemeinderat Josef Bürcher und Ortspfarrer Gustav Mengis.

zVg/Bruno Providoli

16 Jahre Staatsrat

Im Staatsrat gebot Wyer während 16 Jahren über die Walliser Finanzen, womit er im Gremium jeweils ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Später kam noch die für das Wallis immer bedeutendere Energie hinzu.

Doktorat über Wasserkraft

Nach seiner Pensionierung 1992 holte Hans Wyer im Jahr 2000 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern seinen «Doktor» nach, dies mit der Dissertation «Rechtsfragen der Wasserkraftnutzung – Unterhalt und Modernisierung, Heimfall und Selbstnutzung von Wasserkraftanlagen – unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Kanton Wallis». 2002 erschien zum gleichen Thema aus seiner Feder «Die Nutzung der Wasserkraft im Alpenraum», 2006 dann «Die öffentlichen Abgaben der Wasserkraftnutzung im Alpenraum». An Ostern 2008 beschloss er die Reihe mit dem Band «Die Nutzung der Wasserkraft im Wallis, Geschichte». Hans Wyer hat damit einen wertvollen Beitrag zur Erforschung dieses für den Kanton so bedeutenden Wirtschaftszweigs geleistet. Das Werk findet in der Branche nach wie vor grosses Interesse und hohe Beachtung.

Wenige Tage nach seinem 85. Geburtstag erlitt er einen Hirnschlag, dessen Folgen er Ende Januar 2012 erlag. Pirmin Meier von der CVP Schweiz schrieb in seiner Würdigung: «Hans Wyer gehörte einer Generation christdemokratischer Politiker an, welche Überzeugungstreue, das Vertreten legitimer Interessen, Klugheit mit einem ausgeprägten Sinn für politische Kultur zu verbinden verstanden.»

Familie Wyer mit drei Visper Gemeindepräsidenten

Theodul Wyer heiratete am 10. Mai 1693 Katharina Fux aus Visp. Peter Josef Wyer, wahrscheinlich ihr Gosskind, heiratete 1761 Anna Maria Katharina Sterren von Visp. Deren Sohn Johann verehelichte sich 1787 mit Maria Josefa Hutter. Ihr Sohn Peter Josef Theodul, geboren 1788, nahm 1816 die Visperin Patienzia Zimmermann zur Frau. In der nächsten Generation heiratete der 1821 geborene Franz Peter Nikolaus Alois Wyer 1846 Micheline Bacher, die Tochter eines Ratsherrn zu Münster.

1852 kam Peter Marie Moritz Wyer zur Welt, der 1878 Maria Albrecht aus Blitzingen ehelichte und um die Jahrhundertwende Visper Gemeindepräsident war. Von seinen Kindern wurde der 1880 geborene Peter Lotar (Lot) Wyer Politiker; ab 1920 hatte er das Amt des Gemeindepräsidenten von Visp inne – das Amt, in dem ihm 1960 sein Sohn Hans folgte, der später Nationalrat und Staatsrat werden sollte.

Stimmkarte eingeführt

Bei den Nationalratswahlen 1971, als die Frauen erstmals stimmen durften, führte der Gemeinderat die Stimmkarte ein. Das Gesetz vom 1. Juli 1938 betreffend Wahlen und Abstimmungen hätte dies schon 30 Jahre zuvor erlaubt.

Die Erfahrungen anderer Gemeinden waren allerdings nicht befriedigend.

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