Kapitel Nr.
Kapitel 10.02

Johann Joseph Blatter, der heiligmässige Bischof aus Visp

Johann Joseph Blatter war das älteste von sieben Kindern von Arnold Blatter, dem späteren Landeshauptmann, und Anna Katharina Burgener. Er wurde am 23. März 1684 in Visp, im väterlichen Haus östlich vom Blauen Stein, das noch heute steht, geboren. Von Jugend auf zeigte er einen lebhaften Geist, eine leichte Auffassungsgabe, ein gutes Gedächtnis und er war kommunikativ. Schon als Knabe unterrichtete er seine Geschwister. Als er reif fürs Studieren war, schickte man ihn nach Brig ins Jesuitenkollegium, wo seine Talente gefördert wurden.

In Wien studierte er Philosophie und Theologie, wobei er an seiner Berufswahl zweifelte. Er wollte Jesuit werden, doch rieten ihm erfahrene Lehrer von allen Klostergedanken ab; Johann müsse in der Welt bleiben, er sei zu Höherem bestimmt. Er blieb bei seinem Vorhaben und wurde in seinem 35. Lebensjahr Priester und Lehrer für Theologie. Ins Wallis zurückgekehrt, war er zunächst Pfarrer und Dekan von Siders (1708­–1711), anschliessend wurde er ohne Weiteres Domherr in Sitten und 1719 Stadtpfarrer von Sitten, eine Stellung, in der er 16 Jahre verblieb. Er verstand es, in einfacher, volkstümlicher Sprache zu predigen. Kaum war er Domherr geworden, wurde er mit einer wichtigen Aufgabe betraut: Er wurde 1728 Abgeordneter zur Erneuerung des Bundes mit den katholischen Orten. Während dieser Zeit blieb er ein kluger Berater und Freund seiner geistlichen Mitbrüder.

Johann Joseph Arnold Blatter (1684–1752). Das Porträt befindet sich in der Galerie des Kapuzinerklosters in Sitten.

Historisches Lexikon der Schweiz, Foto Jean-Marc Biner

Vater Landeshauptmann, Sohn Fürstbischof

Als Blatter 50 Jahre alt war, starb am 1. Mai 1734 der Sittener Bischof Franz Josef Supersaxo, der während 33 Jahren als Fürstbischof geamtet hatte. Am 18. Mai wählten das Domkapitel und der Landrat Johann Joseph Blatter zum Fürstbischof. Das Einmalige an dieser Wahl im Landrat war, dass Johann Josephs Vater Arnold damals gerade Landeshauptmann war und den Landrat leitete, als er die Bischofswahl vornahm. Vater und Sohn bekleideten nun die beiden wichtigsten politischen Ämter im Wallis. Vetternwirtschaft wäre hier wohl das falsche Wort.

Vom Bischof von Lausanne erhielt Johann Joseph Blatter am 21. November in der Kapuzinerkirche von Bulle die Bischofsweihe. Als Bischof war er ein begnadeter Lehrer auf der Kanzel, ein sorgsamer Verwalter und Oberhirte. In seine Regierungszeit, die bis 1752 dauerte, fiel die Vertreibung der Kapuziner im Goms im Jahr 1746, die Ausscheidung der «Augsttaler» Mönche aus dem Kloster auf dem grossen St. Bernhard und der Streit zwischen Goms und Sitten um den Vortritt im Zug zur Bischofswahl.

Freund der Jesuiten

Noch im Jahr der Bischofswahl wurden die Jesuiten nach Sitten gerufen; Volk und Rat von Sitten sollen dies gewünscht haben. Erst anschliessend befragte man den neuen Bischof dazu und er soll darüber natürlich hoch erfreut gewesen sein. Seinen Lebtag lang blieb er ein ausgesprochener Gönner der Jesuiten.

Blatter gründete Priesterseminar Gerunden

Bischof Blatters Weisheit war gefragt, als das Domkapitel 1734 auf seinen geistlichen Feudalrechten beharrte, die niedere Gerichtsbarkeit verlangte, auch Sitz und Stimme im Landrat wie jeder Zenden, und den Bischof etwas abschätzig bewertete.

1745 warnte der Landrat vor der aus England gekommenen Freimaurerei, der angeblich auch Walliser angehörten, und erliess ein Verbot gegen die Freimaurer. Wer dieser Vereinigung beitrat, verlor nicht nur alle bürgerlichen Rechte, sondern auch Hab und Gut. Damit die Freimaurer eher entdeckt wurden, stand dem «Anzeiger», dem Denunzianten, eine ansehnliche Belohnung zu.

Bischof Blatter lagen Reform und Ausbildung des Klerus am Herzen. Da es in der Diözese noch keine eigene Anstalt zur Ausbildung der Geistlichen gab, gründete er 1748 im ehemaligen Karmelitenkloster Gerunden (Géronde), welches er erworben hatte, das erste Priesterseminar. Zudem stiftete er Studienplätze für Theologie in Wien, Novara und Dillingen an der Donau.

Alter und Tod

Noch als er die 60 überschritten hatte und nur noch undeutlich reden konnte, nachdem er die Zähne verloren hatte, wurden seine Predigten geschätzt. In seiner Bescheidenheit wollte er nichts von einer Veröffentlichung seiner Predigten wissen. Am 19. Januar 1752 starb er in Sitten an einem Schlaganfall.

Es wurde ausgerechnet, dass der genügsame und sparsame Herr in seinem Leben insgesamt an die 35 000 Kronen ausgeteilt hatte. Er sei neben dem Bischof von Lausanne als der ärmste Kirchenfürst der deutschen Lande angesehen worden.

Aufgrund seiner Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit galt er als heiligmässiger Bischof und einer der grössten und verdienstvollsten Kirchenfürsten, die je auf dem Sittener Bischofsstuhl gesessen hatten.

Bruder Johann Ignaz baute das Blatter-Haus

Johann Ignaz Blatter war der elf Jahre jüngere Bruder von Fürstbischof Blatter; er wurde 1695 in Visp geboren und heiratete Maria Katharina Andenmatten, Tochter von Joseph Andenmatten, Zenden-Kastlan und Hauptmann in Frankreich, und Maria Theresia Kaincard. Um das Jahr 1760 erbaute er östlich des Blauen Steins das stattliche Haus, dessen Türsturz mit einem einfachen Blatter-Wappen und den Initialen J.I.B. geziert ist. Es ist das einzige Andenken, das in Visp heute noch an die Familie Blatter erinnert.

Bruder des Bischofs starb früh

Am 16. März 1739 starb in Visp der Bruder des Fürstbischofs, Johann Anton Blatter. Er war Notar, Landvogt von Monthey und von Saint-Maurice, 1728 Kastlan zu Bouveret und 1737 Grosskastlan von Martigny.

Einflussreicher Landschreiber

Johann Ignaz dürfte wohl erst nach dem frühen Tod seines Bruders Johann Anton ins Rampenlicht getreten sein: Im Dezember-Landrat von 1739 erbte er dessen Ämter. Johann Ignaz Blatter wurde Bannerherr von Visp, bis zu seinem Ableben, und Grosskastlan von Martigny. Zwei Jahre später, im Mai-Landrat von 1741, wählte man ihn zum Landschreiber. Mit dem 1742 neu gewählten Landeshauptmann Franz Joseph Burgener, seinem Schwager, sollte er fast 20 Jahre lang die Geschicke der Landschaft beeinflussen und leiten.

Landschreiber Blatter stand mit Hans Jakob Leu, dem Verfasser des ersten Schweizer Lexikons (1747–1765), in schriftlichem Verkehr. Er lieferte diesem wiederholt Beiträge über Walliser Familien und Amtspersonen. Am 22. November 1760 starb er in Visp.

Eine Kampfwahl im Zenden

Sein Sohn Johann Joseph war Zendenhauptmann von Visp: Bei seiner Wahl am 27. April 1767 kam es wegen des Vortritts zu einem heftigen Streit zwischen den Talleuten und jenen des Viertels Visp. Die ersteren tagten in der Pflanzetta, die Visper auf dem Martiniplatz.

Blatter beschloss sein Leben 1782. Kinder hatte er keine. Seine Witwe Patientia Roten zog sich nach Raron zurück, wo sie 1814 starb. Damit erlosch die Magistratenfamilie Blatter in Visp, wo sie ein Jahrhundert lang mit der Familie Burgener einträchtig geherrscht hatte.

Visper als Landvögte

In den letzten 100 Jahren des Untertanenlands Unterwallis amtierten als Landvögte von Saint-Maurice mehrere Visper: Joseph Venetz (1700–1702), Jakob de Lavallaz (1714–1716) und Johann Anton Blatter (1728–1730). Für Monthey waren dies Philipp Jakob Venetz (1699–1701), Johann Anton Blatter (1713–1715) und Franz Joseph Burgener (1727–1729). Im Landrat vom Dezember 1740 wurde der Visper Joseph Venetz zum Landvogt von Monthey gewählt.

Grosskastlan von Lötschen-Niedergesteln

Am 24. Januar 1739 wurde in Visp Peter Ruppen beerdigt, gewesener Grosskastlan von Lötschen-Niedergesteln.

Stiftung erwarb Gräfinbielhaus

Um 1751 ging das Haus am Gräfinbiel östlich des In Albon-Hauses an eine Stiftung über.

Visper am Lac Léman

Johann Zmilacheren avancierte 1749 zum Kastlan von Bouveret.

Visper Kastlane

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekleideten folgende Visper das Amt des Kastlans:

  • Johann Jodok Burgener (1700/01)
  • Joseph Andenmatten (1703/04)
  • Johann Anton Blatter (1708/09)
  • Felix Matthäus Zuber (1711/12)
  • Philipp Jakob Venetz (1714/15)
  • Franz Joseph Burgener (1717/18)
  • Johann Arnold Blatter (1720/21)
  • Joseph Andenmatten (1723/24)
  • Johann Joseph Venetz (1726/27)
  • Franz Jodok de Lavallaz (1729/30)

Das Gebiet der Gerichtsbarkeit des Kastlans von Visp erstreckte sich über das Tal Saas, den Viertel Stalden und den Viertel Visp. Besondere Gerichtsbarkeiten waren die Meiertümer von St. Niklaus, Zermatt, Kipfen und die Herrschaft Baltschieder Gründen.

In Visp hingerichtet

1781 wurde im Saastal eine alte Frau aufgefangen und anschliessend in Visp hingerichtet. Sie stammte aus Zürich, war in der Welt herumgekommen und über den Theodulpass ins Wallis gelangt. Von ihr wurde viel «Albernes» erzählt.

Fremde Modeeinflüsse unerwünscht

Im Mai 1766 erliess der Landrat behördliche Massnahmen gegen «Kleiderpracht» und teure «Spitzlini». So wurde verboten, ausländische «Manteletten» anzuschaffen. Es sei vielmehr die «liebe alte, vaterländische Tracht» zu tragen. Der Zenden Visp protestierte gegen diese Verbote.