Kapitel Nr.
Kapitel 23.13

Mit «Iischers Visp» ererbtes Kulturgut schützen und erhalten

Im Oktober 1983 fand in der historischen Schützenlaube die Gründungsversammlung einer Vereinigung statt, die sich «Iischers Visp» nannte. Sie setzte sich zum Ziel, das von den Altvorderen ererbte Kulturgut auf dem Gemeindegebiet Visp zu schützen und zu erhalten. Zudem wollte die Vereinigung bei der Bevölkerung das Interesse an der eigenen Dorfschaft fördern und stärken. Dadurch sollte das Dorfbild mitgestaltet, die Wohnlichkeit und die Lebensqualität verbessert werden. Mitglieder des Vereins konnten alle Visperinnen und Visper werden, sofern sie bestrebt waren, den Vereinszweck zu fördern, und die Vereinsstatuten anerkennen wollten. Der Vereinsbeitrag sollte sich in sehr bescheidenem Rahmen bewegen. Der ehemalige Lonza-Direktor Dr. Raymond Perren präsidierte die Vereinigung.

Dem Verein kommt eine bedeutende kulturelle Aufgabe zu. Er will anregen und begleiten und die einheimische Bausubstanz, die erhaltenswürdig und für das Städtchen von einer gewissen Bedeutung ist, erhalten. Der Verein führt selbst keine Sanierungen durch.

Besonders in den ersten zehn Jahren seines Bestehens hatte der Verein «Iischers Visp» mancherorts in der Burgschaft die Hand im Spiel. Der alte Kern des Städtchens wurde so immer ansehnlicher.

Inzwischen ist die Tätigkeit von «Iischers Visp» weitgehend zum Erliegen gekommen. Eine anfangs 2024 gewählte neue Vereinsleitung dürfte die dringend gewordene Tätigkeit jedoch wieder aufnehmen.

Stiftung «Vespia Nostra» für die Finanzen

Zum Zweck der Finanzierung der Projekte erfolgte Ende Mai 1985 die Gründung der Stiftung «Vespia Nostra», wohl auf Initiative der Mitglieder von «Iischers Visp». Der Zweckartikel lautet wie folgt: «Die Stiftung ‚Vespia nostra‘ bezweckt die finanzielle Unterstützung der Erhaltung schützenswerter Gebäulichkeiten und Kulturgüter auf Gebiet der Gemeinde Visp. Die Stiftung kann alle Massnahmen ergreifen, die mit dem genannten Zweck in Zusammenhang stehen.» Stifter war der Verein «Iischers Visp». Die Stifterversammlung wurde durch die Mitgliederversammlung von «Iischers Visp» gebildet; die beiden Körperschaften haben also die gleichen Mitglieder und werden vom selben Vorstand geleitet. Die Stiftung «Vespia Nostra» hat darüber hinaus mit «Iischers Visp» rechtlich nichts zu tun. Das Stammvermögen betrug 5 000 Franken.

Die Form der Stiftung wurde gewählt, weil sie insbesondere Institutionen und Dritten finanzielle Unterstützung erlaubt, wie sie gegenüber einem Verein oder einer Einzelperson nie möglich wäre. Der Zweckartikel legt einerseits klare Grenzen fest, lässt aber anderseits auch ein weites Tätigkeitsgebiet offen. In einer ersten Phase sollte sicher die Erhaltung oder sogar Rettung schützenswerter Gebäulichkeiten im Vordergrund stehen.

Zweck und Ziele der Stiftung «Vespia Nostra» liegen im Interesse der ganzen Gemeinde und aller Kreise der Bevölkerung. Die Stiftung kann diese Ziele aber nur verwirklichen, wenn sie auch über die dafür notwendigen Mittel verfügt.

Der Stadel Ennet der Brücke, im Aufstieg zur Hohlen Gasse, wurde 2004 vom Verein «Iischers Visp» neu erstellt. Balthasar Stadelmann hatte ihn 1790 erbaut.

© Peter Salzmann

Burgschaftsfest

Der Erlös des Burgschaftsfests 1988, das der Verein «Iischers Visp» organisiert hatte, ging zum grössten Teil in die Kasse der Stiftung «Vespia Nostra». Diese hatte damit für die Zukunft ein gutes Fundament, das Massnahmen erlaubte, welche den Statuten gerecht wurden.

Zu Grosseinsätzen im Baugewerbe reichte es jedoch nicht. Die Kasse der Stiftung füllte sich nicht von selber. Auf feste Eingänge konnte sie nicht zählen, weshalb sie auf freiwillige Beiträge angewiesen war.

Die frühere Suste Pflanzetta, eine über 660 Jahre alte Baute, nach der von «Iischers Visp» geleiteten und zum Teil finanzierten Sanierung.

© Peter Salzmann

Restaurierung der Pflanzetta

Herausragendes Projekt von «Iischers Visp» unter der Führung von Präsident Raymond Perren war die Restaurierung der Pflanzetta. Die frühere Suste war 1353 am strategisch wichtigen Standort erbaut worden, auf dem Weg zu den damals wichtigen und vielbegangenen Pässen in die Vispertäler. Anfangs 1985 ergaben Gespräche von «Iischers Visp» mit den verschiedenen Eigentümern, dass diese die Restaurierung der Pflanzetta an der heutigen St. Jodernstrasse 7 befürworteten. Sie erachteten es als unbedingt notwendig, vorerst die Dächer der beiden Hauptgebäude instand zu stellen. Von den Kosten von 260 000 Franken würden Bund und Kanton je 25 Prozent übernehmen. Die Gemeinde würde einen noch zu bestimmenden Beitrag leisten.

Die Renovation wurde unter der Federführung des Vereins «Iischers Visp» zusammen mit den Eigentümern durchgeführt; die Aufsicht hatte die kantonale Denkmalpflege. Die Pflanzetta gilt als regional schützenswertes Objekt der Kategorie B des Schweizer Denkmalschutzes. Das restaurierte Hauptgebäude beherbergt mehrere Wohnungen.

Heute enthält die herrschaftliche Überbauung Bauteile aus verschiedenen Zeiten.

Blick in den Hof der Pflanzetta.

© Peter Salzmann

Zugeschütteter Sodbrunnen

Im Südhof des Gebäudekomplexes gibt es einen Sodbrunnen, der in Mangelzeiten eine unabhängige Trinkwasserversorgung dieses Quartiers sicherstellte.

Der etwa 30 Meter tiefe Schacht wurde vor Jahrzehnten mit Bauabfall zugeschüttet. Trotz verschiedener Anläufe harrt er noch heute der Räumung und der Wiederherstellung.

1987 gelangte Iischers Visp mit der Idee an die Eigentümer, den Ziehbrunnen, der am südlichen Parzellenrand steht, wieder freizulegen, und zwar auf Kosten des Vereins. Einer der beiden Eigentümer des Platzes verhinderte dieses Begehren aus unbekannten Gründen. Damit bleibt dieses Kleinod, das man gerne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte, weiterhin verborgen. Zur Sicherung der Wasserversorgung ist der Brunnen heute nicht mehr nötig, doch würde der freigelegte historische Sodbrunnen das Bild der Visper Altstadt bereichern.

[Siehe auch Kapitel 05.05 «Die Suste Pflanzetta, ein bedeutender Warenumschlagplatz».]

Dank «Iischers Visp» konnte dieser Pulverturm aus dem 18. Jahrhundert erhalten werden.

© Peter Salzmann

Das letzte «Pulverturli»

In früheren Jahrhunderten gab es in Visp zeitweise drei Pulvertürme – eine Art Munitionsdepot. Vorher war das Pulver für den ganzen Zenden in einem grösseren Gebäude aufbewahrt worden. Als die Zendenzünfte aufgelöst wurden, erhielt jede Gemeinde ihre eigene Zunft. Das Pulver verteilte man nun vernünftigerweise auf mehrere kleinere, später etwas merkwürdig anmutende Häuschen.

Der eine Pulverturm stand in den Seewjinen, der zweite im ehemaligen Pfarreigarten an der Balfrinstrasse (heute Kleider Bayard), der dritte stand beim früheren Restaurant Sonne und war 1985 vom Abbruch bedroht; das Restaurant sollte seinerseits einem Neubau weichen. Die kantonale Denkmalpflege vermutete aufgrund der Bauart und des verwendeten Eisens, dass der Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammte.

Auf Veranlassung von «Iischers Visp» wurde 1987 die Möglichkeit geschaffen, dass der Turm 30 Meter weiter östlich, am Ende des Parkplatzes, eine endgültige Bleibe fand – als letzter Pulverturm von Visp.

Auf Initiative von «Iischers Visp» wurde am Mannenmittwoch, 18. Dezember 1985, zusammen mit den beiden Turnvereinen ein Lauf quer durch Visp durchgeführt.

Zeichnung von Helene Weber für das Logo des 600. Jahrestags der Schlacht bei Visp im Jahr 1988

Erster Mannenmittwoch-Lauf

Auf Initiative von «Iischers Visp» wurde am Mannenmittwoch, 18. Dezember 1985, zusammen mit den beiden Turnvereinen ein Lauf quer durch Visp durchgeführt. Start und Ziel befanden sich auf dem Kaufplatz, gelaufen wurde innerhalb der Ortschaft.

Dreimal fand der Lauf statt, letztmals mit 650 Teilnehmenden, vor allem Jugendlichen aus dem Oberwallis. Das Ende dieser vielversprechenden Sportveranstaltung kam ein Jahr später, als weder bei Iischers Visp noch bei den Turnvereinen die für die Organisation notwendigen Hilfskräfte zu finden waren. Schade!

1988 fand die 600-Jahr-Feier der Visper Schlacht statt. V. l. n. r. Peter Bloetzer, Gemeindepräsident Visp, Bernard Bornet, Staatsratspräsident, Willy Schnyder, Gemeindepräsident Steg, Hans Wyer, Staatsrat, Daniel Lauber, Ständerat – zweite Reihe: Willy Fux, Präfekt, Franz Hildbrand, Nationalrat, weiter rechts Leander Tenud, Standortleiter Lonza Visp, Jürg Engi, Ehrenpräsident Lonza und Ehrenburger von Visp, Francis Gattlen, Visper Burgermeister.

© Walliser Bote

Zur 600-Jahr-Feier der Schlacht bei Visp im Jahr 1988 fand sich auch eine Delegation aus Savoyen ein, diesmal in friedlicher Absicht. Vonseiten der Visper stellten sich im alten Gemäuer auf: Josef Salzmann (ganz links) und ganz rechts stehend Fidelis Imboden, Jodok Wyer und Ignaz Mengis.

© Peter Salzmann

Schützenswertes Visper Ortsbild

1996 wurde Visp ins ISOS, das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung aufgenommen; es umfasst die 1 200 «wertvollsten Siedlungen». Am 30. August 2000 teilte Staatsrat Jean-Jacques Rey-Bellet der Gemeinde Visp mit: «Das ISOS des Kantons Wallis umfasst nicht weniger als 101 Ortsbilder. Damit zählt der Kanton Wallis zu den wenigen mit über hundert höchsteingestuften Siedlungen. 57 davon liegen im Oberwallis. Zu ihnen gehört das Ortsbild von Visp. Wir gratulieren Ihnen hierzu!»

Die Bewertung in der Ortsbildaufnahme Visp lautet: «Besondere räumliche Qualitäten wegen der eindrücklich erlebbaren Abfolge von Gassen-, Platz- und Strassenräumen aus verschiedenen Epochen, insbesondere in den verwinkelten Gassen und Plätzen der Altstadt sowie in der klar definierten Achse zwischen Kaufplatz und Bahnhof.»

Das «fächerförmige» Industrieareal jenseits der Bahn trägt mit alten Industriebauten wie den Lagerhallen und den ehemaligen Karbid- und Elektrolyse-Hallen zum Wert des Ortsbilds bei.

1998, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Hans-Peter Bärtschi, SIK_03-081120 CC BY-SA 4.0

Weniger gut schnitten die Lagequalitäten ab: «Infolge der chaotisch überbauten Umgebungen nur noch bescheidene Lagequalitäten des ursprünglich prägnanten Ortskerns auf dem Hügel über der Vispa, aber markante Situation der Lonza-Werke über die volle Breite der Rhoneebene, vor allem in der Ansicht von der Lötschbergrampe herab.»

Der ISOS-Bericht zum Visper Industrieareal: «Fünfzehn Kilometer Bahngeleise, tausend Kilometer Rohrleitungen und etliche Kilometer offene Wasserkanäle durchziehen die Anlage und schaffen zusammen mit den konstruktiv und formal sehr unterschiedlichen Werkgebäuden, Lagerhallen, Tanklagerkugeln usw. eine einzigartige Binnenraumstimmung».

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Hans-Peter Bärtschi 1998, SIK_03-081086 CC BY-SA 4.0 2

Die detaillierte Beschreibung des gesamten Ortsbilds resultiert in folgenden Empfehlungen: «Angesichts des grossen Reichtums und der typologischen Vielfalt an wertvollen Bauten wäre ein detailliertes Inventar wünschenswert, das sämtliche Gebäude des Ortes, vom mittelalterlichen Wohnturm bis zum zeitgenössischen Fabrikbau, erfasst. Auf den Schutz der eindrücklichen, aber bereits stark beeinträchtigten Altstadtsilhouette gegen die Vispa hin ist besondere Aufmerksamkeit zu lenken. Die Renovation von Altbauten rund um den Kaufplatz ist fortzusetzen. Für die Gestaltung des Bereichs hinter dem Kaufplatz (…) sollte ein Wettbewerb veranstaltet werden. Für die verbleibende Fläche auf dem Talboden (…) ist ein Gestaltungsplan zu erarbeiten. Die landschaftsprägenden Pappelreihen beidseits der Vispa sind zu pflegen und zu ergänzen.»

«Zwei besonders ortsbildwirksame Werkhallen mit hohen, rechtwinklig zueinander stehenden Dächern basilikalen Typs überragen die umliegenden Gebäude», heisst es im Bericht über Visp, als dieses 1996 ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung aufgenommen wurde.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Hans-Peter Bärtschi, SIK_03-081121 CC BY-SA 4.0

Weitere Inhalte des Kapitels 23, 1973–1997

Kultur- und Kongresszentrum «La Poste» auch national beachtet

Kapitel Nr.
Kapitel 23
Zeithorizont
1973–1997

Visp erhielt einen Gemeinde-Anzeiger

Kapitel Nr.
Kapitel 23.11