Es ist kaum zu glauben, dass eine Mini-Gemeinde wie Albenried auf 1 093 Meter Höhe, auf halber Strecke nach Zeneggen und Bürchen, unter widrigen Umständen ein halbes Jahrtausend lang selbstständig überleben konnte. Erst im 19. Jahrhundert stiess es zu Visp.

Die Gemeinde Albenried aus dem 13. Jahrhundert dehnte sich im Westen von Visp auf einem stark bewaldeten Plateau über dem Hohberg und dem Grauberg sehr breit aus. Schon seit Jahrhunderten bestand Albenried aus zwei sehr kleinen Siedlungen, der kleineren Albe – näher bei Visp – und dem Ried, näher bei Bürchen gelegen. Zusammen bildeten sie ein flächenmässig ausgedehntes, bevölkerungsmässig jedoch sehr kleines Gemeinwesen, das 1817 in der Burgergemeinde Visp aufging.
© Silvia Salzmann
Seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen
In einer Urkunde vom 17. Januar 1299 wird der «Albun Walt» erwähnt. Es handelt sich dabei um den grossen, dunklen Forst, der südlich des Rottens von der Talsohle bis zum Berg hinauf reicht, zwischen dem Eingang ins Vispertal und der engen Schlucht des Laubbachs gegenüber dem Dorf Raron.
Nur wenige kleine Siedlungen unterbrachen (und unterbrechen) den weiten Wald. Es sind dies «Spitzbiel», «Rittergut», «Ried» oder «Albenried» und schliesslich die Albe, welche dem Geschlecht der In Albon den Namen gegeben hat.
Ein de Biandrate als Zeuge
Die ältesten bekannten Bewohner der Siedlung «in der Albe» sind in einer Urkunde erwähnt, die am 25. Oktober 1305 in Visp ausgestellt wurde. Die drei Brüder Johann der Ältere, Peter und Johann der Jüngere, Söhne des verstorbenen Anselm ab Albuna, kauften an diesem Tag die Hälfte einer Wiese gelegen «zen Toufengraben», mit Scheune und Wasserrecht aus einem Brunnen, dazu einen Wald, oberhalb des «Ried» gelegen und «Bosgotgarto» genannt, sowie alle Thelen und Lärchen unterhalb des Riedbachs. Von Interesse ist, wer Zeugen dieses Kaufs waren: Walter, Pfarrer von Chouson (St. Niklaus), Johann, Sohn des Nikolaus de Albuna und – man höre und staune: Jocelmus de Biandrate, Meier von Visp. Ob diese drei Brüder oder ihr Vater die direkten Vorfahren der In Albon waren, lässt sich nicht mehr feststellen.
Tausch in der Oberen Albe
Am 9. Mai 1413 tätigte zu Visp, wie es im Archiv der Familie de Preux steht, Peter, Sohn des Johannes Waltheri, in der Albun, einen Tausch mit seinem Neffen Peter Salzmann. Dieser Tausch betraf Güter, gelegen «zem Alben Brunnen» und in der oberen Albe.
Gasthaus beim Albenwald
Am Fuss des Albenwaldes, im Goler, führte Johannes In Albon von 1433 bis 1451 ein Gasthaus.
Riedertal wechselte Besitzer
Am 4. Mai 1457 trat Anton Sterren von Ried den Kindern des Martin Gattlen seine Rechte im ganzen Berg, genannt das Riedertal, ab.
Familie In Albon von Albenried
Der Ursprung des Geschlechts In Albon wird in der Albe vermutet. Ihr Stammsitz, das Gut «Alben», ist im grossen Wald zwischen Visp und Bürchen gelegen. Die Familie In Albon stellte mit Walter einen Helden und nicht weniger als drei Landeshauptmänner zu verschiedenen Zeiten; sie gehörte zu den bedeutendsten Familien des Zenden Visp.
1419 tat sich Walter als Anführer der Visper Hilfstruppen in der siegreichen Schlacht bei Ulrichen gegen die bernischen Angreifer hervor. Als Anerkennung wurde ihm erlaubt, einen der beiden Visper Löwen ins Familienwappen zu übernehmen. Sein Sohn Johannes ging als Pilger nach Jerusalem und dessen Sohn Peter war am Ende des 15. Jahrhunderts Grosskastlan des Zenden Visp. Peter In Albon, der später das Amt eines Bannerherrn wohl in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts innhatte, wohnte noch in der Alba, damals Gemeinde Albenried.
Wohl der talentierteste unter den Nachkommen war der Jurist Simon In Albon, der sich aufgrund seiner Intelligenz schon in jungen Jahren für Spitzenposten geradezu aufdrängte. Mit 26 Jahren war er 1518 Walliser Landeshauptmann. Ganz und gar nicht das Heu auf der gleichen Bühne hatte er mit dem Fürstbischof, dem späteren Kardinal Matthäus Schiner. Sein Vater, auch er Jurist, wurde von Schiner sogar mit dem Kirchenbann belegt. [Siehe auch Kapitel 08.03 «Simon In Albon: der Visper Landeshauptmann, der dem Kardinal die Stirn bot».]
Föhren vom Albenwald für Oberhüsern
1588 musste Peter Schuomacher an die Burgerversammlung gelangen, um die Föhren zum Bau eines Hauses in Oberhüsern zu erhalten. Nach Bescheid des Baumwärters durfte er sie im Albenwald schlagen. Die Burgerversammlung von 1600 gestand den Burgern pro Jahr zwölf «Stöck» Brennholz zu. Für Bauholz war eine besondere Bewilligung des Rats erforderlich, um die auch häufig nachgesucht wurde. Bei den zwölf Stöck Holz blieb es offenbar lange, denn die Statuten von 1727 gestanden den Burgern ebenfalls Brennholz und Baulatten zu. Es war dies das Losholz (Theilholz), das den Burgern noch heute alljährlich durch Losziehen zugesprochen wird. Die Abgabe von Losholz war – und ist – besonderen Bedingungen unterworfen. Nach stets in Kraft befindlicher Regel darf es nicht verkauft oder Fremden übergeben werden.
Visper erwarben Gut im Albenried
Die Brüder Johann und Peter Binder kauften am 16. November 1656 Stadelrechte im Albenried für 17 Pfund.
Rebberg «zu den Wannen»
Bartholomäus Zurkirchen, Schuster von Zeneggen, verkaufte am 27. Januar 1664 dem Johann, Sohn des verstorbenen Johann Im Eich von Albenried, einen Weinberg am Ort «in den Wannen» zu Zeneggen zu einem Preis von neun Pfund.

Die Kapelle von Albenried trägt als Baujahr die Jahrzahl 1688. 1958 wurde sie nach einer fachkundigen Restauration unter Denkmalschutz gestellt. Der Barockaltar zeigt auf einem Ölgemälde das Martyrium des heiligen Sebastian, dem die Kapelle geweiht ist. Auf dem Dach steht ein offenes Tuffstein-Türmchen.
© Peter Salzmann
Sebastianskapelle unter Denkmalschutz
Die Kapelle, welche die Geteilen von Albenried errichteten, trägt als Baujahr die Jahrzahl 1688. Laut den Visitationsakten von 1754 besass die Kapelle ein Vermögen von 70 Pfund; 1821 war dieses auf 93 Pfund angewachsen.
Der Barock-Altar zeigt in der Mitte auf einem Ölgemälde das Martyrium des heiligen Sebastian, dem die Kapelle geweiht ist. An den gewundenen Altarsäulen stehen Katharina von Alexandrien mit zerbrochenem Rad und Schwert und auf der rechten Seite Katharina von Siena mit Buch und Palme. Den Altarabschluss bildet eine gekrönte Madonnenfigur mit dem Kind auf dem Arm. Chor und Schiff sind durch ein schönes Holzgitter getrennt, ergänzt durch ein eindrückliches Kreuz. Eine erste Restauration erfuhr die Kapelle 1874/75, eine zweite 1899. 1958 wurde sie nach einer weiteren fachkundigen Restauration unter Denkmalschutz gestellt. Seither erneuerte man noch einmal den äusseren und inneren Verputz. In der Kapelle werden jährlich zwei Stiftmessen gehalten.
Albenrieder Präsident ehelichte Visperin
Johann Anton Lochmatter (1725–1781) ehelichte am 27. Januar 1755 die Visperin Anna Maria Katharina Ruppen. Er war Vorsteher und Präsident von Albenried und Burgerfähnrich von Visp.
Albenried am «Walliser See»?
Nach einer Sage soll das ganze Wallis in früherer Zeit einen See gebildet haben. So seien zum Beispiel die Fischer mit ihren Booten von Albenried zur anderen Talseite hinüber gerudert und hätten diese im Fischersbiel oberhalb des heutigen Ausserberg angebunden. Der Name Fischersbiel existiert dort noch heute – aber eben, so erzählt es die Sage!
Zahlungsunfähige Gemeinde
1810 wurde im Burgerrat von Visp beschlossen, die ehemalige Gemeinde Albenried, die sich vom Franzoseneinfall offensichtlich nicht erholte, solle sich wieder aufrichten und auch ihren Anteil an den Zenden-Beschwerden (Beiträge) entrichten, die seit dem Krieg der Burgerschaft Visp zur Last gefallen waren.
Ansonsten werde die Burgerschaft wegen der Alben und dem Albenried eine andere Einrichtung treffen und sich der Beschwerde auf andere Weise entledigen.
Hungersnot zwang Albenrieder zur Fusion
Eine geradezu katastrophale Wetterlage während des ganzen Sommers 1816 führte in der ganzen Schweiz zu einer schrecklichen Hungersnot, von der man auch in Visp und Umgebung nicht verschont blieb. Es herrschte Mangel an allem und so dürften die Bewohner der beiden kleinen Weiler Albe und Ried Anschluss an eine grössere Gemeinschaft gesucht haben. Sie fanden diesen logischerweise in Visp, von wo aus sie in früheren Zeiten auch immer wieder zu Arbeiten beigezogen worden waren, etwa bei Holzlieferungen für die Landbrücke. 1817 sollte es zur Fusion mit Visp kommen.
Burgerschaft Visp übernahm den «Zwerg»
Der Grosse Rat stimmte der Übernahme der Mini-Gemeinde durch die Burgerschaft Visp, die ja damals am Ort noch das Sagen hatte, offenbar problemlos zu. Am 28. Januar 1817 traf sich der Visper Burgerrat zu einer ausserordentlichen Sitzung. Er nahm zur Kenntnis, dass sich die Gemeinde Albenried auflöste. Ihre Abgaben und verfallende Kosten würden auf Rechnung der Gemeinde (damals Burgerschaft) Vispach gehen. Die Albenrieder sollten dann als Einwohner von Vispach angesehen werden und in das Burgerhaus die Hälfte dessen bezahlen, was ein Einwohner bezahlte, nämlich 50 Batzen, folglich eine «Tessel» anschaffen.
Später musste der Burgerrat zur Kenntnis nehmen, dass der Grosse Rat den Betrag, den die Albenrieder jährlich in den Burgerseckel zu entrichten hatten, auf 40 Batzen reduziert hatte.
Auf Antrag von Hauptmann Hans Josef Indermatten setzte der Rat die Bedingungen für die Erlangung des Burgerrechts für die Albenrieder fest: 300 Batzen kostete dies, im Heiratsfall mussten bei männlichen Nachkommen noch 200 Batzen nachgeschossen werden. Dazu kam der Trüch für Burger und Frauen. Der Rat stimmte zu.
Loskauf von der Kaplanei Visp
Als die Albenrieder 1849 ihre Gilt von der Kaplanei Visp loskauften, gingen diese jährlichen Einkommen verloren. Die Burgerschaft musste fortan selbst für die Entlöhnung des Kaplans und des Rektors aufkommen.

Der «Schatz» von Albenried, der Siedlung auf dem erhöhten Plateau im Westen von Visp, die 1817 zur Burgerschaft stiess. Die dreiundzwanzig italienischen und spanischen Silbermünzen aus der Zeit zwischen 1620 und 1773 stammen aus einem Haus in Albenried. Sie wurden 1951 vom Cabinet cantonal de Numismatique in Sion erworben.
© Kantonsmuseen Wallis, Sitten, Foto Jean Yves Glassey
Schlittelweg als Fortsetzung des Schleifs
Gelegentlich wurde das Holz durch die «Schleife» bis zu einer gewissen Stelle «gefeldert». Anschliessend mussten die Stämme von dort auf einem Schlittelweg weiterbefördert werden. Es galt, solche Schlittelwege nach Bedarf zu erstellen. So wurde der Waldweg vom Albenried bis zum Bärenschleif 1890 auf einer Länge von 1 100 Metern und 6 Fuss Breite versteigerungsweise zu 40 Rappen pro Längsmeter übergeben. Dieser Schlittelweg im Albenwald hin zur Hellela mass nach seiner Vollendung 1 180 Meter und kostete samt Sprengarbeiten total 564 Franken. Fachleute waren des Lobes voll.
Frühjahrsschnee und Wirbelsturm
Beim grossen Schneefall im Frühjahr 1918 wurden im Albenwald nicht weniger als 253 und im «Dählenwald» 25 Bäume umgerissen.
Ein Wirbelsturm vermochte im Jahr darauf ganze Waldpartien umzubrechen oder zu entwurzeln. Ein umgemähter Baum riss andere mit, es kam zu einer eigentlichen Kettenreaktion. Eine grosse Zahl Stämme wurden im Engiboden umgeworfen. Infolge starker Regengüsse bestand Gefahr, dass nördlich der unteren Albe Rutschgebiete entstanden. Man beschloss, unverzüglich Schutzmassnahmen zu treffen.
Feuerspritze für Albenried
Am 20. Januar 1863 beschloss die Munizipalgemeinde, eine kleine, tragbare Feuerspritze anzuschaffen, die im Albenried bereitgestellt werden sollte.
Feuer in der Albe
Bei der Feuersbrunst vom 26. Juli 1924 in der unteren Albe fielen sechs «Firsten», darunter fünf Wohnungen, den Flammen zum Opfer. Die Schadensumme belief sich auf 74 000 Franken.
An seiner Sitzung vom 28. Juli 1924 befasste sich der Visper Gemeinderat mit der Brandkatastrophe in der unteren Albe. Weil die Geschädigten ausnahmslos bedürftige Familien waren, wurde beschlossen eine Kollekte einzuleiten und hierzu die Bewilligung beim Hohen Staatsrat einzuholen.
Die Durchführung der Kollekte wurde einer Kommission übertragen. Sie bestand aus Präsident Carlo Anthamatten, den Gemeinderäten Josef Ambiel und Alex Mengis, Feuerwehrkommandant Josef Bittel und Hans Meyer als Aktuar. Das Vorgehen sollte mit der Sammlung für Arbaz abgestimmt werden.
Bereits ein Vierteljahrhundert zuvor, am 7. März 1899, hatte in Albenried ein Brand acht Häuser und 18 Ställe und Scheunen zerstört, mehrere Familien hatten ihr Dach verloren. Fünf Jahre später sollte es in Bürchen brennen.
Strasse zur Alba – bis Bürchen?
An einer gemeinsamen Sitzung von Gemeinderat und Burgerrat am 23. April 1925, bei der eine künftige Strasse von Visp nach Bürchen zur Diskussion stand, machten die Burger die Erstellung eines Waldwegs von Visp zum Albenwald zu ihrem Anliegen. Sie erinnerten daran, dass es zur rationellen Bewirtschaftung der Wälder notwendig sei, diese Waldstrasse nach dem Albenwald zu erstellen, mit Kosteneinschränkung. In diesem Sinn empfahlen sie das Begehren der Urversammlung zur Annahme.
Der Gemeinderat begrüsste die Initiative des Burgerrats zur Erstellung dieser Strasse. Er wollte aber dahin wirken, dass einerseits die Reben in den Schlüsselackern sowie die Güter in der Albe und im Ried eine richtige Zufahrtsstrasse erhielten. Ferner sollten richtige Verbindungswege nach Bürchen, eventuell nach Unterbäch und Eischoll, und auf der anderen Seite nach Zeneggen angeschlossen werden können. [Siehe Kapitel 19.02 «Endlich Strassen nach Bürchen, Zeneggen und Visperterminen».]
Mehr Wald verlangte mehr Lagerplätze
1935 kaufte die Burgerschaft bei der Albenkapelle von der Erbengemeinschaft Maria Andenmatten des Donat rund 20 000 Quadratmeter Wald und bezahlte dafür 2 371 Franken. Diese Ausdehnung der eigenen Waldfläche erheischte aber auch Lagerplätze zum Aufschichten des Holzes. 1937 kaufte die Burgerschaft in Eyholz beim Lengacher-Schleif direkt an der Landstrasse einen Holzlagerplatz für 20 Rappen pro Quadratmeter. 1938 wurde in der Ebene östlich der Ortschaft Visp, im «Mischi», eine Parzelle von circa 2 200 Quadratmeter zu 65 Rappen der Quadratmeter erworben.
Neuer Waldweg für 220 000 Franken
Im Gebiet Totenstein-Engiboden-Ried wurde 1951 ein neuer Waldweg erstellt. Die Totalkosten dieses Wegs im Engiboden beliefen sich auf 100 000 Franken. Sie wurden vom Bund mit 20 Prozent und vom Staat mit 40 Prozent subventioniert. Die restlichen 40 000 Franken musste die Burgerschaft übernehmen.
1957 wurde die zweite Etappe des Engibodenwegs durch die Burgerschaft beschlossen. Dieser neue Weg zweigte im Engiboden vom bereits bestehenden Weg ab und führte in westlicher Richtung zurück zur Bärengrube. Der Waldweg Engiboden-Albenwald kostete rund 120 000 Franken, wovon 52 800 Franken zulasten der Burgerschaft gingen.
Melioration in Albe und Albenried
1978 wurde der Ausbau der Flurstrasse Obere Albe–Untere Albe beschlossen. Deren Gesamtlänge betrug 745 Meter, bei einer Strassenbreite von 3 Metern.