Kapitel Nr.
Kapitel 20
Zeithorizont
1945–1960

Neues Rathaus und vergrösserte St. Martinskirche

Nach dem Krieg entschieden sich die Visper für einen politischen Neuanfang mit Führungswechsel: Der Schriftsteller Adolf Fux errang mit seinen Demokraten als erster und bisher auch einziger Oppositioneller die Mehrheit und übernahm das Präsidium der Gemeinde. Die abgewählte konservative Regierung mit Alex Mengis an der Spitze stattete eine Bilanz über die bisherige Gemeindearbeit ab und orientierte über den aktuellen Stand der Geschäfte: Die Gemeinde war nahezu schuldenfrei – ohne Absicht; zwar hatte es in den Jahren zuvor Bedürfnisse und Projekte gegeben, aber die erforderlichen Arbeitskräfte hatten gefehlt, ebenso das notwendige Baumaterial und schliesslich die Subventionen. Auf die neue Regierung warteten zwei der bedeutendsten Bauaufgaben, welche die Gemeinde je zu bewältigen hatte, das neue Rathaus und die Pfarrkirche. Beide Projekte waren bereits eingefädelt.

In den ersten Nachkriegsjahren herrschte in der Gemeinde keineswegs Aufbruchstimmung. Die Arbeitslosigkeit war 1948 noch beachtlich. Um ihr entgegenzuwirken, bot die Gemeinde beim Abbruch des Rathauses und bei Korrektionsarbeiten am linken Vispa-Damm Arbeit an. Wegen der Vergrösserung der Kirche musste das über 400-jährige bisherige Rathaus weichen. Weil aber dort noch Schulen untergebracht waren, musste man dafür vorgängig Ersatz finden. Zwischen 1953 und 1955 wurde die St. Martinskirche, wie sie heute noch dasteht, unter Einbezug der bisherigen Kirche erbaut und von 300 auf 900 Sitzplätze erweitert. Der Architekt war Ferdinand Pfammatter, ein Zürcher Kirchenbaumeister mit Walliser Wurzeln. Das neue Gemeindehaus entstand nordöstlich vom Standort des bisherigen; Architekten waren die Siderser Marco und Donat Burgener mit Visper Abstammung; sie nahmen 1953 auch die westliche Erweiterung des Spitals Sta. Maria in Angriff. Mit dem neuen Rathaus und der bedeutend vergrösserten Pfarrkirche erfuhr die Umgebung des Martiniplatzes in den 50er-Jahren merkliche Änderungen.

Die Bevölkerung nahm stetig zu, es herrschte Wohnungsnot trotz verstärktem Wohnungsbau. Die neuen Lonzahäuser in der Litterna wurden mit Wasser und Kanalisation versorgt. Noch 1951 regte an der Urversammlung jemand an, die Duschen in der Turnhalle nach einem gewissen Stundenplan der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Das Bad im Haushalt war noch keine Selbstverständlichkeit; 1960 waren im Wallis gemäss Volkszählung erst 55 Prozent der Wohnungen mit Bad oder Dusche versehen. Aber nach und nach hielt doch ein gewisser Komfort Einzug.

Man legte neue Strassen an und versah sie mit Namen. An zwei Standorten, in Visp und Brig, wurden auf Boden der Gemeinden Gewerbeschulhäuser gebaut, wobei die Gemeinden auch einen Teil der Baukosten bestritten.

Die Eröffnung von neuen Geschäften und das Angebot von Veranstaltungen zeugen davon, dass es einen gesteigerten Konsum gab; Migros eröffnete einen ihrer Selbstbedienungsläden und konkurrenzierte die bisherigen Lebensmittelgeschäfte. Es kam Freude an Freizeitaktivitäten auf, nicht zuletzt angeregt durch Mitarbeitende der Lonza, die nicht selten aus der Deutschschweiz ins Oberwallis gezogen waren und mithalfen, die erforderlichen Anlagen zu schaffen, damals mit viel Fronarbeit. Visp erhielt eine Kunsteisbahn (1956), wo sich die legendäre Visper Eishockeymannschaft bis zum Schweizermeister (1962) emporspielte, ein Schwimmbad (1958) und einen Sportplatz mit einer 400-Meter-Aschenrundbahn, der ersten im Wallis (1958).

Die Entwicklung im Verkehr, die Verknappung des Bodens, die bautechnischen Fortschritte, die gesundheits- und feuerpolizeilichen Vorschriften und andere sich aufdrängende Überlegungen veranlassten die Gemeinde Ende der 50er-Jahre, die Visper Bauordnung neu zu studieren und diese schliesslich anzupassen: Am 27. März 1960 verabschiedete die Visper Urversammlung nach 34 Jahren ein neues Baureglement.