Rottenebene entsumpft: Voraussetzung für Entwicklung
Ein Vierteljahrhundert nach den verlorenen Kämpfen gegen die Franzosen hatte sich die Visper Bevölkerung von den enormen Schäden einigermassen erholt und die Burgschaft teilweise wieder bewohnbar gemacht. Der Boden in der Talebene aber blieb unfruchtbar. Die Burger wussten nicht, wie sie den Folgen der immer wieder auftretenden Überschwemmungen beikommen sollten. Hildebrand Schiner hatte schon 1812 die Ansicht geäussert, die grosse und weite Rottenebene könnte sehr fruchtbar sein, wenn sich die Bodenbesitzer bemühen würden, ihre allzu feuchten Grundstücke zu entfeuchten. Zugunsten der Burger sei hier gesagt, dass sie sich weiss Gott immer wieder bemüht hatten, die Entsumpfung in die Wege zu leiten. Das Wissen dafür war aber bei ihnen einfach nicht vorhanden. Als anfangs der 20er-Jahre des 19. Jahrhunderts das Leben in Visp langsam unerträglich wurde, beauftragte die Burgerschaft eine Kommission damit, die Situation in der Ebene, die der Siedlung nördlich und östlich vorgelagert war, zu analysieren. Deren Bericht, der auch den kantonalen Stellen zugeleitet wurde, endete mit einem alarmierenden Appell an die noch junge Kantonsregierung: «Väter des Vaterlandes, in einem Teil desselben lebt eine ziemliche Anzahl Menschen, deren ehemals fruchtbarer Boden ungeachtet aller Anstrengungen zwischen den zwei wütenden Gewässern (Rotten und Vispa) dem gänzlichen Untergang sich naht und samt seiner Nachkommenschaft in tiefes Elend versetzt wird. Auch wir gehören dem Vaterland an; wir bitten um euere Hilfe!» Der Staat reagierte und sprach einen Beitrag für die Entsumpfung dieser Gebiete. Daraufhin reichte die Kommission das Programm ein, welches sie erarbeitet hatte. Doch Kantonsingenieur Ignaz Venetz, der ganz nahe bei Visp aufgewachsen war, taxierte dieses als nicht brauchbar. Er reichte seinerseits eine Variante der Entsumpfung ein und fügte gleich eine Offerte bei. Die Eingabe überzeugte die Burger, sodass Ingenieur Venetz den Auftrag erhielt, das Überschwemmungsgebiet beachtlichen Ausmasses in den sechs Jahren zwischen 1826 und 1832 zu entsumpfen: Venetz legte die Ebene zwischen Vispa und Rotten bis zu den Seewjinen hinauf trocken. Er schaffte dies parallel zur Neuanlage des Trassees der Kantonsstrasse im selben Gebiet bis Eyholz. Spitzfindige Besserwisser im Burgerrat zeigten sich jedoch vom Gebotenen nicht beeindruckt, sodass der Fachmann die Burgschaft mit einem unguten Gefühl verliess. Der Landrat (Grossrat) des Kantons Wallis indessen war mit den Grundideen von Venetz völlig einverstanden und erklärte diese als vorbildlich, ein Kompliment also für Venetz, der hier bedeutende Vorarbeit leistete. Dass Jahrzehnte später die Eisenbahn von Westen her ins Oberwallis vordringen konnte, wäre ohne vorausgegangene Entsumpfung der Ebene in Visp und die Eindämmung des Rottens unmöglich gewesen.
Es gibt wohl kein Jahrzehnt in der neueren Geschichte des Wallis, das politisch so bewegt war wie jenes von 1839 bis 1849. Da lösten einander drei verschiedene Regimes und nicht weniger als drei Verfassungen ab. Sie zeugen von den Kämpfen, die das Land zwischen Furka und Genfersee erschütterten und wiederholt bis an den Rand des Abgrunds führten. Die Zeit war geprägt von verschiedenen Gegensätzen: zwischen Ober- und Unterwallisern vor allem, zwischen Burgern und Einwohnern beziehungsweise Hintersässen, zwischen Vertretern verschiedener politischer Färbungen – liberalen, radikalen, konservativen –, zwischen Anhängern der Aristokratie und zwischen Kirche und Staat. Auf Gemeindeebene gab es erste Schritte in Richtung Munizipalgemeinde.