Sekundarschule, Turnhalle, Spital: bedeutende Schritte in die Zukunft
Es waren noch keine 20 Jahre vergangen, seit die Lonzawerke in Visp ihre Zelte aufgeschlagen und den Betrieb aufgenommen hatten. Da gelangte der soeben neu gewählte Visper Gemeinderat unter der Leitung von Gemeindepräsident Lot Wyer zur Überzeugung, dass bezüglich Entwicklung des Dorfs nicht mehr von der Hand in den Mund gelebt werden durfte. Was einige Leute bereits während geraumer Zeit beschäftigt hatte, wurde nun unmittelbar nach Beginn der neuen Amtsperiode 1925–1928 Tatsache: Ein Entwicklungsplan wurde bei Fachleuten in Auftrag gegeben und zusammen mit diesen realisiert. Dieses sehr anspruchsvolle Unternehmen, das auch eine erste Bauordnung umfasste, darf wohl als die bis dahin grösste, Weitsicht und viel Mut erheischende Leistung der Visper Regierung betrachtet werden, wobei das Vorgehen angesichts der raschen Entwicklung von Industrie und Siedlung auch einer Notwendigkeit entsprach: Die Bautätigkeit am Ort hatte merklich zugenommen und ein wirtschaftlicher Aufschwung hatte stattgefunden, seit die Lonza in Visp produzierte. Aufgabe einer richtig verstandenen Ortsplanung sei sparsames Haushalten mit dem vorhandenen Boden und die Erhaltung und Förderung eines gesunden Lebens im Rahmen einer kleinen Gemeinschaft, betonten die Fachleute.
Das Potenzial der Arbeitsplätze, welche die Lonza zur Verfügung stellte, konnten die Einheimischen nicht optimal nutzen, denn ein schwerwiegendes Manko am Ort selbst verhinderte dies: Mit Ausnahme von ein paar wenigen Privilegierten, die sich den Besuch des Kollegiums in Brig und weiterführende Studien leisten konnten, fehlte es ganz einfach an der notwendigen Bildung der Werktätigen, um in den Industriewerken Anspruchsvolleres als Hilfsarbeiten auszuführen. Erst Ende der 20er-Jahre wurden in der Lonza vereinzelt Lehrlinge in den mechanischen Berufen angestellt – anfänglich zwei.
Für eine Sekundarschule, die Abhilfe geschaffen hätte, gab es im Wallis schon seit 1910 eine Rechtsgrundlage. Dennoch mussten fortschrittlich gesinnte Bürger während Jahrzehnten gegen Windmühlen kämpfen, bevor dieses Erfolg verheissende Bildungsangebot endlich eingeführt wurde. Die Mehrheit folgte nach wie vor Leuten, die kein Interesse an vermehrter Bildung des Volks bekundeten, und solchen, die das Heil für alle Zukunft in der Landwirtschaft sahen, welche Selbstversorgung ermöglichte. Noch 1931, als die Fortschrittlichen an der Urversammlung einen ersten konkreten Vorschlag für die Einführung der Sekundarschule einbrachten, wurde die Neuerung abqualifiziert: «Die Sekundarschule ist nicht für unsereiner. Diese Erfahrung nützt der Landwirtschaft nichts. Er ist dann zu gescheit zum Bauern.» Die Initianten liessen aber nicht locker. Steter Tropfen höhlt den Stein. Dies verfehlte seine Wirkung auch beim Gemeinderat nicht. Er unterbreitete nämlich der Urnenabstimmung von 1935 die Einführung einer Sekundarschule – der ersten im Oberwallis. Von den 388 Stimmenden sagten 296 oder 76,3 Prozent Ja. Dass sie auch gleich dem Bau einer Turnhalle zustimmten, zeigt, dass die Wende zum Fortschritt definitiv erfolgt war. Das war ein Fest wert, auch wenn man mit einem etwas mulmigen Gefühl zur Kenntnis nehmen musste, dass gleichzeitig die Sekundarschule Thalwil im Kanton Zürich bereits ihr 100-jähriges Bestehen feiern durfte. Derart gross war der Rückstand der Bildung im Wallis gegenüber der übrigen Schweiz geworden.
Daneben hatte sich im Schulwesen einiges getan: Kurz vor der Landwirtschaftlichen Schule (1920) konnte in Visp die erste Berufsschule des Oberwallis (1919) eröffnet werden. Für die jungen Frauen, die bis in die Sechzigerjahre von der Sekundarschule ausgeschlossen blieben, gab es ab 1924 die industriell-hauswirtschaftliche Fortbildungsschule, die «Haushaltungsschule», geführt von Ursulinen-Schwestern aus Brig.
1935 wurde die Turnhalle gebaut, 1937/38 der Schulhausplatz angelegt. Das Spital wurde eröffnet und entwickelte sich zum Bezirksspital mit Pflegeschule.
Trotz schweren Krisen in den Dreissigerjahren mit hoher Arbeitslosigkeit und während des Zweiten Weltkriegs wurden allmählich Strassen in die umliegenden Gemeinden angelegt.