Genau lässt sich die Zeit der Entstehung des Fremdenspitals von Visp, der Herberge für arme Reisende, nicht feststellen. Die Institution dürfte aber bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückgehen, auf einen gewissen Theodul Lambien, Burger von Visp. Aus besonderem Erbarmen mit armen Reisenden und Pilgern bestimmte er testamentarisch ein Haus mit einigen dazugehörenden Gütern für die unentgeltliche Beherbergung bedürftiger Reisender und schuf als Grundlage dafür eine Stiftung. Lambien vermochte keinen gleichgesinnten Nachfolger aufzubauen. Nach etlichen Jahren wurden sämtliche Liegenschaften der Stiftung für 1760 Walliser Pfund verkauft. Die Zinsen des Erlöses kamen im Sinne des Gründers den Armen zugute.

Der Stich von Samuel Prout/R. Brandart aus dem Jahr 1829 (Format: 15,2 mal 9,7 Zentimeter). Das Alte Spittel in der Mitte und das Haus links der Spittelgasse sind sehr getreu wiedergegeben. Der Turmschaft ist jedoch perspektivisch unrealistisch und schmaler als in Wirklichkeit. Am Fuss der Turmkuppel führte eine luftige Galerie rings um den Turm. Der Bau des Turms erfolgte wahrscheinlich gleichzeitig mit der Kirche (1650 bis 1655).
Aus Bittel 1930
Burgener reanimierte die Stiftung «Altes Spittel»
Im 18. Jahrhundert fasste Franz Joseph Burgener, zu diesem Zeitpunkt Landeshauptmann des Wallis, den Plan, die alte Stiftung neu aufleben zu lassen. Im Einverständnis mit Bischof Johann Josef Blatter und dem Landvogt Josef Zurkirchen, dem Verwalter des alten Spitalfundus, kaufte er 1751 das Haus, das einst dem Kastlan Joseph Bartholomäus Sterren gehört hatte, für 475 Pfund vom Schmiedemeister Josef Prinz, um hier ein «Spittel» einzurichten. Er liess es für die Aufnahme armer Reisender und Pilger einrichten. Auch wies er der neuen Stiftung bedeutende Einkünfte aus seinem eigenen Vermögen zu. Als Besitzer traten von diesem Moment an Burgener und das Rektorat der Pfarrei je zur Hälfte als Eigner in Erscheinung.
Spittel im Haus des Landeshauptmanns
Die Liegenschaft nördlich des Pfarrhauses, auf der nun ein Spittel geführt wurde, hatte der spätere Landeshauptmann Johann In Albon 1569 erworben. Sie erstreckte sich bis an die Vispa, die damals noch nahe der Siedlung vorbeifloss. Neben den von Wasserkraft der Vispa angetriebenen Rädern standen eine Mühle und eine Säge und auch eine Pfisterei (Bäckerei), es gab Gärten und schliesslich am Fels im Süden einen grösseren Bauplatz. Das dreistöckige Gebäude, das In Albon 1584 erbaute, ist auf felsigem Boden erstellt. Es trägt auf dem Zwischengeschoss ein Walmdach. Auf der Nordseite bildet ein Rundbogenportal aus Tuff den Eingang. Markante Merkmale darüber sind sogenannte Pechnasen-Erker mit Schlüsselloch-Scharten. Die Räumlichkeiten im zweiten Geschoss sind von der Spittelgasse her durch den Nebeneingang erreichbar. 1601 hatte In Albon den Bau noch erweitert. Heute sind dort die Burger untergebracht.
Familie Burgener blieb zuständig
Nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gründers im Stiftungsakt von 1751 bleibt die Verwaltung des Spitals bei der Familie Burgener, die den Pächter oder «Spittler» ernennt, monatlich einmal das Haus besichtigt und die Kapitalien und Güter verwaltet.
Der «Spittler» war verpflichtet, den Spittel reinlich zu halten, während der Winterzeit die Stube geziemend zu heizen, in der Nacht Männer und Frauen sorgfältig abzusondern und kranken Armen die nötigen Dienste zu leisten.
1755 stellte Burgener den Antrag, das Spittel solle von der Burgerschaft übernommen werden. Der Handel ging jedoch unter den Tisch. Die Burger lehnten es ab, das Spittel und die «Bschwardt» desselben zu übernehmen.
Noch anfangs der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das gesamte Vermögen des Spitals auf circa 35 000 Franken geschätzt.
Damals betreute hier Maria Perren als letzte «Spittlerin» Berufsleute und Wandergesellen und bot ihnen Lager und Verköstigung. Sie starb 1937.
Für Wanderer und Durchreisende
Theoretisch stand das Spittel noch bis 1965 armen Wanderern und Durchreisenden offen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entsprach es nicht mehr den Bedürfnissen von Kranken, Armen oder Durchreisenden. Nur eine Wohnung im Süden wurde vermietet. Letztmals wurde das «Alte Spittel» 1969 einer grösseren Renovation unterzogen.
Es wurde alsdann zum Internat der Heilpädagogischen Schule Oberwallis umgebaut. Dann folgte die Nutzung als Büroräumlichkeit für andere soziale Institutionen. Seit Oktober 1971 befindet sich hier das örtliche Jugendzentrum (JZ) im obersten Geschoss, während im untersten seit rund einem halben Jahrhundert das Vereinslokal des Katholischen Turnvereins (KTV) besteht.
Bis 2016 gehörte dieses stattliche, repräsentative Gebäude je zur Hälfte der Stiftung der Familie Burgener und der Rektoratspfründe; im südlichen, oberen Teil des Alten Spittels waren denn auch während langer Zeit die Rektoren der Pfarrei zu Hause, bevor sie ins Pfarrhaus wechselten. Seit 2018 ist es das «Haus der Visper Burger». [Siehe auch Kapitel 25.08 «Noch mehr Burgerboden für das Gewerbe».]
Staatsrat Thomas Burgener war 250 Jahre später noch «Stifter»
Die Bestimmung betreffend die Familie Burgener sollte noch Folgen haben, wenn auch erst im 21. Jahrhundert. Sie betraf den damals für das Gesundheits- und Spitalwesen zuständigen Staatsrat Thomas Burgener aus Visp. Ihm nicht besonders gut gesinnte Leute ausserhalb von Visp verlangten von ihm, als Nachfahre des Spitalgründers Franz Joseph Burgener wegen Unverträglichkeit in Sachen Spitalplanung in den Ausstand zu treten. Selbstverständlich kam der Gesundheitsminister dieser Aufforderung nicht nach.
Druckerei im Alten Spittel
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrieb Rektor Josef Sterren im Erdgeschoss des Spittels die erste kleine Druckerei in Visp.
Kompetenzbereinigung bei den Gesundheitsberufen
Das Gesundheitswesen befand sich 1635 auch in Sitten noch in bescheidenen Anfängen. Das zeigte sich in Spannungen zwischen Ärzten, Scherern, Apothekern, Quacksalbern und Krämern. So wurde den Scherern verboten, Medizin zu verabreichen. Ärzte beklagten sich, weil der Apotheker in ihre Profession hineingreife. Der Burgermeister verbot dem Apotheker ohne Ordonnanz des Doktors irgendeinen Trank auszugeben. Der Apotheker seinerseits beschwerte sich, dass zu viele Krämer in der Stadt Spezereien, Zucker, Gift und andere «pharmazey» zu seinem Nachteil verkauften.
Kaufmann und Gastwirt
Im 18. Jahrhundert war Joseph Augustin Riand aus Savoyen als Kaufmann und Gastwirt in Visp genehm.