Kapitel Nr.
Kapitel 07
Zeithorizont
1389–1500

Unterwallis von Savoyen frei, dem Oberwallis untertan

Nach der Schlacht bei Visp von 1388, bei der die Savoyer unterlagen, war die Angst vor diesen im Wallis nicht mehr so gross. Dennoch blieb das Verhältnis zu Savoyen angespannt. Während der Burgunderkriege (1474–1477) kam es am 13. November 1475 auf der Planta in Sitten zur entscheidenden kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Savoyen und den sieben Zenden des Wallis. Dank der Hilfe von Truppen aus Bern, Freiburg und Solothurn konnten die Walliser mit ihrem Bischof Walter II. Supersaxo das savoyische Heer vernichtend schlagen. Die siegreichen Oberwalliser nahmen in diesem Zug 17 Burgen ein, die sie ganz oder teilweise zerstörten; sogar die Passhöhe des Grossen St. Bernhard besetzten sie. Sie verfolgten die Flüchtenden bis nach Saint-Maurice hinunter; aus der Verfolgung wurde eine Eroberungsexpedition. Sie drängten die unliebsamen «Nachbarn» endgültig bis über den Genfersee hinaus zurück. Zwar versuchte die Gräfin von Savoyen noch, die verlorenen Besitzungen zurückzuerhalten. Vergeblich: Nach dem Tod ihres Verbündeten Karls des Kühnen blieb die Macht bei den Wallisern. Am Landrat von Weihnachten 1477, zwei Jahre nach der Schlacht, beschlossen der Bischof und die Abgeordneten des Landes, das ganze bisher savoyische Unterwallis bis Saint-Maurice zu annektieren. Trotz der Befreiung von der jahrhundertelangen Herrschaft der Savoyer blieb das Unterwallis untertan: Das Gebiet unterhalb von Sitten bis zum Genfersee war nun Untertanenland der sieben oberen Zenden. Der Zenden Visp gehörte auch zu den Vögten des Unterwallis, wie dies bereits seit Jahrzehnten in Lötschen-Gesteln der Fall war. Die Zenden stellten im Turnus Vögte, Beamte, die hier für die Verwaltung zuständig waren, Recht sprachen, die sich auch gerne als Herren aufspielten und den Tribut und die Huldigung der Untertanen entgegennahmen. Für die Erfüllung seiner Regierungsaufgaben erhielt der Vogt eine beachtliche Besoldung, ergänzt durch Naturalien aus dem Untertanenland, oft willkürlich eingezogene Bussen und Strafgelder, womit sich einige Vögte verhasst machten. Es gab acht begehrte Ämter für das Unterwallis und für Lötschen zu verteilen. Dieses Privileg kam fast immer den gleichen Patrizierfamilien zu – Vetternwirtschaft des ausgehenden Mittelalters im höchsten Grad. Innerhalb der Zenden setzte es dann zumeist unter den Honoratioren oft heftige Auseinandersetzungen um die Nominierung ab. Der Kandidat musste die Mehrheit der Zenden hinter sich haben. Später sollten die Zenden ihr Gebiet im Unterwallis noch weiter ausdehnen und weit über das Chablais, ja sogar über Evian hinaus Ländereien erobern, um 1536 die grösste Ausdehnung zu erreichen. 33 Jahre später zogen sie sich auf die noch heute gültigen Grenzen zurück. Die sieben oberen Zenden behielten ihr Privileg während mehr als 300 Jahren bis zur französischen Revolution. Erst dann sollten die Unterwalliser das Joch der oberen Zenden abschütteln, kurz nachdem sich die Lötscher freigekauft hatten.

Im 15. Jahrhundert regierten im Wallis zwei Landeshauptmänner, die aus Visp stammten oder dort lebten und wirkten: in der ersten Jahrhunderthälfte Heinzmann von Silenen, einer der ersten Landeshauptmänner überhaupt und der erste Visper in diesem höchsten weltlichen Amt. Am Ende des Jahrhunderts, als sich mit Supersaxo und Schiner schon die beiden Exponenten der Walliser Politik des frühen 16. Jahrhunderts etablierten, war es Georg Majoris. Aus dem Visper Zweig der Urner Familie von Silenen stammte der Bischof Jost von Silenen, der im Val d’Ossola glücklos Krieg führte und dann abgesetzt wurde und in Frankreich starb.