Besondere Bedeutung hatte Visp als Ausgangspunkt zu den Visper Tälern und zu den Pässen, welche diese Täler mit dem Süden verbinden. Von der Burg auf dem Gräfinbiel, den man als ältesten Ortsteil bezeichnen kann, konnte man sowohl die Talstrasse, die noch über die heutige St. Martinistrasse am Blauen Stein vorbeiführte, als auch die Brücke über die Vispa kontrollieren.
Die Alpenübergänge im Bereich der Visper Täler scheinen schon früh begangen worden zu sein. Wichtiger als der Verkehr mit der Innerschweiz dürfte für die Gemeinden unserer Gegend der rege Verkehr mit Oberitalien gewesen sein. Im Zenden Visp waren vor allem die Pässe des Saastals wichtig.
Antrona-Pass für Visp bedeutsam
Bereits im 12. Jahrhundert, vermutlich noch früher, ging man den Weg über Stalden und das Saastal und erreichte nach 11 bis 12 Stunden das erste italienische Dorf Macugnaga, das bereits im Jahr 999 Erwähnung gefunden hatte. Unterwegs dienten oft ein paar über die Schlucht geworfene Baumstämme als Brücken. (1825 zählte ein Reisender am Weg nach Macugnaga nicht weniger als 125 Kreuze.) Für Visp war vor allem der Verkehr über den Antrona-Pass bedeutsam. Dieser Pass (2 844 Meter über Meer) wurde vorwiegend im 12. und 13. Jahrhundert begangen, ist aber auf den Karten des 16. Jahrhunderts immer noch eingetragen. Eine 1963 auf diesem Pass gefundene römische Münze, die zwischen 324 und 333 nach Christus geschlagen wurde, deutet auf eine frühere Begehung. 1267 wird der Antrona-Pass in einem Vertrag zwischen den Bischöfen von Sitten und Novara erwähnt.
Die Parallelverbindung nach Süden stellte der Monte Moro-Pass (2 862 Meter über Meer) dar. Sowohl die Weganlage aus der Römerzeit als auch die Bezeichnung selbst sprechen für eine alte, damals bedeutende Nord-Süd-Verbindung. Trassee-Spuren lassen annehmen, dass der Pass schon vor den Walser-Wanderungen ausgebaut wurde. Urkunden von 1250 zeugen von der Benutzung des Passes, der früher vor allem dem Warentransport diente und für die italienische Briefpost benützt wurde. Die Visper holten in früheren Jahrhunderten über diesen Weg das Salz. Sie hatten auf dem gepflästerten Weg, der längst zerfallen und verödet ist, das Vieh auf die Märkte von Macugnaga getrieben.
Zwei Wege von Visp über die Vispertal-Pässe
Bis wohl ins 12. Jahrhundert führten offenbar zwei Wege von Visp in die Vispertäler, weil in Stalden noch keine Brücke im Tal unten die Verbindung in die Seitentäler sicherstellte. So hatten die unwegsamen Schluchten der Vispa bei der Chinegga bewirkt, dass der Weg von Visp ins Saastal ehemals über Visperterminen–Gspon nach Saas-Grund führte. Erst in der Zeit um 1300 wurde der Talweg von Stalden über Eisten wichtiger.
Auch der Zugang zum südlichen Teil des Nikolaitals führte aus topografischen Gründen noch nicht über Stalden, sondern von Visp über Zeneggen, Törbel, Embd, St. Niklaus nach Zermatt. Damit war der Transitverkehr über die Pässe Antrona, Monte Moro und St. Theodul auf der Matterseite nicht von grosser Bedeutung.
Zollbefreiung und Verträge zugunsten der Visper Märkte
Sobald die Saaser Pässe im 13. Jahrhundert in den Einflussbereich der Grafen de Biandrate gelangten, nahm der Passverkehr zu. Die Verträge, die zwischen dem Wallis und Novara oder Mailand abgeschlossen wurden (1267, 1291, 1298, 1300), förderten den regen Verkehr über den Monte Moro- und den Antrona-Pass. So wurden die beiden Pässe zur Ankurbelung des Verkehrs 1267 von Zollabgaben befreit, was sich sowohl für Visp als auch für das ganze Saastal vorteilhaft auswirkte.
Zeugen dafür sind die verschiedenen Jahrmärkte, insbesondere der St. Lorenzmarkt (10. August), für den die Wegzölle sogar während zwei Wochen vorgesehen waren (1314). In Visp wurden nicht nur Märkte abgehalten, sondern auch Susten gebaut.
1403 trafen sich 29 Vertreter des Val Anzasca und fünf aus dem Saastal und vereinbarten, die Strasse über den Monte Moro stets in gutem Zustand zu halten, wobei alle, die an der Strasse von Visp als Ausgangspunkt bis Piedimulera wohnten, zum Unterhalt verpflichtet wurden. Ein ähnliches Abkommen betraf 1415 auch den Antrona-Pass. Dies verlieh den Routen neuen Auftrieb und brachte natürlich auch Visp wieder zusätzlichen Transitverkehr.
Als der Theodul-Pass noch begangen war
Anders verlief die Entwicklung am Theodul-Pass im Mattertal zwischen Zermatt und dem Aostatal. Im Hochmittelalter wurde der Weg von Zermatt aus nach dem Theodul neu aufgebaut. Besonders zwischen 1200 und 1400 exportierten die Aostataler oft Lebensmittel ins Wallis. Im Passgebiet des Theodul sollen sogar einige Häuser gestanden haben.
Aus einer Urkunde von 1291 geht hervor, dass das Gletschergebiet zwischen Zermatt und Macugnaga in dieser Zeit begehbar war. Auch ist dort festgehalten, dass man einander das Vieh nicht abtreiben solle, was darauf hinweist, dass die Pässe in diesen Tälern damals schneefrei waren.
Den Protokollen des Walliser Landrats vom 2./3. November 1564 und vom Mai 1565 kann entnommen werden, dass die Zermatter mit etwa 20 Maultieren über den Theodul-Pass ins Aostatal gezogen waren, um Wein und andere Waren einzukaufen. Zermatt war ein wichtiger Etappenort und Handelsplatz für diesen Handelsverkehr.
Aufgrund des Baus der Simplonstrasse verlor der Theodul-Pass seine Bedeutung als Handelsweg. Es ist bezeichnend, dass die Bevölkerungszahl von Zermatt von 600 im Jahr 1798 auf 330 im Jahr 1815 sank. Das Klima veränderte sich rasch. Es wurde zusehends kälter und um 1855 waren die Gletscher um Zermatt am weitesten vorgestossen. Die karge Landwirtschaft allein konnte nicht mehr alle Bewohner ernähren; ein bedeutender Teil der Bevölkerung musste auswandern.
Frankreichs Messen brachten Transit-Verdienst
Auch der Handel über den Simplon blühte. So wurden zwischen 1271 und 1273 verschiedene Verträge zwischen dem Wallis und den Mailänder Kaufleuten abgeschlossen. Zahlreiche Urkunden zeugen von Susten, Zoll, Ballenführern und Ballenteilern.
Gegen Ende des 12. Jahrhunderts deuten Urkunden erstmals auf ein reges Verkehrsaufkommen über den Simplon und das Wallis hin. Unter anderem aufgrund der sehr aktiven Handelsmessen in verschiedenen französischen Städten gab es einigen Verkehr über den Simplonpass; verantwortlich dafür war vorwiegend die Mailänder Kaufmannschaft. In der Champagne wurden vermehrt auch Waren aus dem Orient angeboten, die grösstenteils von Venedig über Mailand und den Simplonpass kamen.
Initianten aus Wirtschaft und Politik nahmen einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und den zielgerichteten Strassen- und Brückenbau, auf die Erschliessung der Alpenstrasse und vieles mehr, damit Handelshemmnisse auf dem Weg zu den Messen weggeräumt und Handelsvorteile möglichst gewinnbringend ausgeschöpft werden konnten.
Auch das Wallis, eigentlicher Transitraum, dessen Bevölkerung mit dem Unterhalt der Routen und der Abwicklung der Transporte Verdienst erwerben konnte, profitierte davon.
Handelsweg über den Bistinen-Pass und das Nanztal?
Visp kam als Endpunkt der Transporte durch das Wallis eine zentrale Rolle zu. Der Ort war Weggabelung für weitere Etappen nach Laquin und Antrona. Es ist daher denkbar, dass der Weg vom Simplon her bereits 1235 als Abzweigung über den Bistinen-Pass und das Gebidem direkt nach Visp führte. Der Standort des Hospizes in Campisch, errichtet 1235, weist darauf hin, dass sich der Verkehr an dieser Stelle verzweigte. Dies geht aus einem Vertrag zwischen dem Bischof von Sitten und Prokuratoren der mailändischen Kaufleute vom 20. Juli 1321 hervor.
Im Mittelalter scheint dem Bistinen-Pass grössere Bedeutung zugekommen zu sein, als allgemein angenommen wird. Gemäss Peter von Roten soll es im 13. und 14. Jahrhundert im Nanztal elf sesshafte Familien gegeben haben, gegenüber 23 im Dorf Visperterminen. Die Nanztaler sollen überdies im Durchschnitt über ein höheres Vermögen verfügt haben als die Terbiner. Dieser Besitz könnte auf die Transporte zwischen Visp und dem Bistinen-Pass zurückzuführen sein.
Zur Zeit der Grafen Biandrate und auch später wurden über diesen Weg Salz und andere Güter aus Italien auf Saumtieren geführt, um Naters und Brig zu umgehen und umgekehrt Getreide nach dem Simplongebiet zu führen.
Der «Bietschistafel» im Nanztal soll Umschlagplatz und zugleich Rastplatz gewesen sein. Im Weiler Niederhüsern unterhalb Visperterminen steht gegenüber der Kapelle noch die alte Suste. Dieser Handelsweg hatte aber nur vorübergehende Bedeutung.
Gegenüber Pässen wie dem Monte Moro, dem Antrona und dem Gries im Goms hatte der Simplon auch den Vorteil der niedrigeren Passhöhe (2000 Meter über Meer).
Freies Geleit für Mailänder
Von 1271 bis 1273 wurde zwischen dem Bischof von Sitten und den Händlern von Mailand und Pistorien ein Transitvertrag abgeschlossen. Darin boten die Händler dem Bischof pro Ballen Tuch ein gewisses Entgelt. Dafür gewährte ihnen der Bischof auf seinem Territorium freies Geleit. Im Vertrag wurde auch Vespia als bedeutender Etappenhalt auf Walliser Gebiet genannt.
1271 begann übrigens der Venezianer Marco Polo seine erste Reise nach China.
«Geleit» sicherte Verkehrswege und Einkommen
Weil immer wieder Wegelagerer die Strassen unsicher machten, waren Begleiteskorten notwendig. Gemäss den Landrechten wurde ein Wegelagerer mit 60 Goldpfund gebüsst. Wenn man dieser Bösewichte habhaft wurde, gab es kein «Pardon»; wenn sie nachts die Strassen unsicher machten, hatten sie gar ihr Leben verwirkt.
Bei der Ausübung des Geleitrechts wurde ein grosser Teil der lokalen Bevölkerung durch die Transportorganisationen verpflichtet. Visp war Ausgangspunkt für Eskortenmänner und Pferde sowie Station für den Aufenthalt der «Karawanen». Die Abgaben für das Geleit waren oft höher als für den Zoll, somit stellte es eine willkommene Einnahmequelle für den Ort dar.
Das Geleit war ein wichtiges Instrument der mittelalterlichen Verkehrspolitik im Wallis. Das diesbezügliche Regal gewährleistete die Sicherheit für die Transporte, die Kaufleute, die Reisenden und die Verkehrswege. Es war verbunden mit dem Zollregal und im Besitz des Landesbischofs. Auf der Route im Tal des Rottens fielen in Susten, Brig, Visp, Leuk, Siders, Sitten und dem damals noch savoyischen Martigny Zölle an.
Das Geleitregal, das dem Bischof von Sitten für den oberen Landesteil bereits 1217 und 1220 zukam – die früheste Erwähnung dieses Rechts im Gebiet der heutigen Schweiz –, gewährleistete die Verkehrssicherheit. Im späten Mittelalter bemühten sich zunehmend auch Landrat und Zenden um die verkehrspolitischen Belange.