Kapitel Nr.
Kapitel 06.01

Wie eine Gruppe Bauern ein starkes savoyisches Heer bezwang

Am Mittwoch vor Weihnachten 1388, am «Mannenmittwoch», retteten die Visper, tatkräftig unterstützt von Landleuten, das Oberwallis für immer vor den Savoyern. Mit Überraschungstaktik, besserer Geländekenntnis und dank eiskaltem Wetter konnten die Einheimischen den in jeder Beziehung hoch überlegenen Eindringling auf einer schwer zu begehenden, unebenen und völlig vereisten Talebene besiegen und in die Flucht schlagen.

Lange vorher hatten die Savoyer den westlichen Teil des Landes am Rotten unter ihre Fittiche gebracht. Sie hatten wiederholt versucht, auch den oberen Teil des Wallis zu erobern, um sich damit ebenfalls den Simplonpass freizuhalten, sei es für die Kriegsführung oder den Handelsverkehr.

Der völlig überraschende Sieg in der Talebene nordwestlich der Siedlung Visp gegen einen zahlenmässig und hinsichtlich Ausrüstung übermächtigen Gegner brach endgültig die Macht Savoyens im Oberwallis. Die Schlacht von Visp sollte eine bedeutende geschichtliche Wende in der staatsrechtlichen Entwicklung der alten Landschaft Wallis einleiten; sie bahnte «die Freiheit und Unabhängigkeit des gesamten Walliserlandes» an und stellte diese dauernd sicher, wie Dionys Imesch, damals Präsident des Geschichtsforschenden Vereins Oberwallis, 1938 urteilte.

Dieser Sieg einer wenig kriegserfahrenen, aber entschlossenen, freiheitsliebenden Mannschaft, der es gelang, den Mythos der Unbesiegbarkeit eines überheblichen Ritterhaufens zu zerstören, war entscheidend für die Geschicke des Landes, ein Markstein in der Walliser Geschichte. Staatsarchivar Bernhard Truffer bezeichnete die Visper Schlacht als «das letzte Glied in einer langen Kette kriegerischer Auseinandersetzungen im Ringen um die Herrschaft über das bischöfliche Wallis im ausgehenden 14. Jahrhundert».

Schlachtszene 1388, 1988 von einem Visper Schüler gezeichnet.

© Thomas Sarbach

Wie kam es zur Schlacht?

Vorausgegangen waren der Aufruhr der Oberwalliser Gemeinden gegen die bischöflichen Beamten und die Grafen de Compey-Biandrate (1378) nach dem Bischofsmord von Seta (1375), der offene gemeinsame Aufstand von Landvolk und einheimischem Adel gegen Bischof Eduard von Savoyen (1384), die darauffolgende kriegerische Strafexpedition des Savoyers Amadeus VII. gegen Sitten und die Niederlage der Zenden. [Siehe auch Kapitel 05.09 «Abrechnung mit dem Visper Adel nach Wahl von savoyischem Bischof».]

2019 fand im Rahmen der Mannenmittwochfeier eine Ausstellung mit Bildern der Maturaarbeit von Michelle Gattlen zur Schlacht von 1388 statt.

Foto © Peter Salzmann

Der Marsch auf Visp begann im Herbst

1384 hatte Graf Amadeus VII. von Savoyen, der schon zuvor über das Unterwallis unterhalb der Morse gebot, beschlossen, das Land von dort aufwärts bis Leuk zu erobern und die Leute zu zwingen, ihn als Herrn anzuerkennen und ihm zu schwören. Zudem setzte er 1386 den strengen Ritter Rudolf, Sohn des gleichnamigen Grafen von Greyerz, darüber als Landvogt ein und beschloss gleichzeitig, das restliche Oberwallis mit den widerspenstigen Gemeinden zu unterwerfen. Von Greyerz war mit dem berüchtigten Anton von Turn und mit dem Sittener Bischof Humbert von Billens verwandt. Die vier oberen Zenden weigerten sich, Humbert als Bischof und Landesherrn anzuerkennen, weil er ein Lehensmann des Grafen von Savoyen war, und wandten sich deshalb an den Papst.

Savoyens Statthalter Rudolf IV. von Greyerz aber war entschlossen, den Widerstand der vier oberen Zenden mit Waffengewalt zu brechen. Er sammelte im Spätherbst 1388 in Sitten zahlreiche Streitkräfte aus Saanen (400 Mann) und Greyerz, aus Freiburg und dem Waadtland, aus der Dauphiné und aus Savoyen. Sie zogen das Land aufwärts.

Feind lagerte vor Visp

Kurz vor Weihnachten 1388 lagerten die Savoyer bezeichnenderweise vor Visp mit dem Ziel, die Simplonstrasse einzunehmen und die Entscheidung zu erreichen. Scheinbar war hier ein Bollwerk des Widerstands, das genommen werden musste. Hier bezogen sie Lager und wollten vorerst die Oberwalliser zwingen, kampflos dem Haus Savoyen zu huldigen und den Grafen als ihren Herrn anzuerkennen. Doch Visp war auf der Hut.

Fünf Kilometer weiter östlich stand ein praktisch unüberwindbares, für damalige Verhältnisse geradezu gigantisches Hindernis: eine Talsperre. Es war die Landmauer von Gamsen, die mehr als 30 Jahre zuvor mit dem Ziel erstellt worden war, potenzielle Eroberungsgelüste von Westen her, konkret von den Savoyern, im Keim zu ersticken.

Kaum dokumentierte Entscheidungsschlacht

Kaum zu glauben, aber zum historischen Sieg gegen das übermächtige Savoyen, zu dem für die Zukunft des Oberwallis, ja sogar des ganzen Wallis so bedeutenden Visper Ereignis, sind die Quellen dürftig. Zwar wurde über diesen Waffengang einiges geschrieben und es gibt mündlich Überliefertes: Erfundenes, Erdichtetes, Glorifizierendes, aber es gibt sehr wenig Konkretes, auch wenn Jahrestage gefeiert werden. Und fast nichts gibt es über den Verlauf der kurzen Schlacht.

Ausgehend von den meist knappen zeitgenössischen schriftlichen Quellen und der im Lauf der Zeit mit viel Fantasie ausgeschmückten mündlichen Überlieferung bemühten sich die Forscher, der historischen Wahrheit möglichst nahezukommen.

An dieser Stelle sei die Darstellung des renommierten Oberwalliser Historikers, Prälat Dionys Imesch zitiert; er schilderte den Verlauf des Kriegsgeschehens in der bitteren Kälte in den Tagen vor Weihnachten 1388 sehr anschaulich und trug seine Darstellung als offizieller Festredner an der 550-Jahr-Feier 1938 in Visp vor. Damals, als man sich patriotisch auf den nahenden und nicht mehr zu verhindernden Zweiten Weltkrieg einstellte, wurde diese Erinnerungsfeier mit grossem Pomp auf kantonaler Ebene begangen. Imesch: «Um die Mitte Dezember rückte das Heer sengend und brennend das Tal hinauf: nirgends stiess es auf ernsten Widerstand; die Bewohner des Tales hatten sich meistens in die Berge geflüchtet. Wie ein alter Chronist meldet, langten die Savoyer am 20. Dezember, einem Sonntag, abends vor Visp an. Hier in Visp hatte sich eine kleine Schar aus den oberen Zenden gesammelt. Sie wollten weitere Hilfskräfte abwarten. Darum verlangten sie, als der Feind am Sonntagabend sie zur Übergabe aufforderte, eine Bedenkzeit von drei Tagen. Die Savoyer gewährten ihnen diese Frist, weil sie sich ohnehin eines leichten Sieges sicher wähnten.»

«Fieberhafte Vorbereitung auf den Kampf»

Dionys Imesch fuhr fort: «In Visp aber benützte man diese Zeit zu fieberhafter Vorbereitung auf den Kampf; das Tal hinein und das Land hinauf wurden Eilboten abgesandt, den letzten Mann zur Hilfe aufzubieten. In hellen Scharen folgten sie dem Rufe und erreichten in aller Stille ihren Bestimmungsort. In der Burgschaft wurden alle möglichen Waffen gerüstet, Fusseisen wurden hergestellt und starke Eisnägel gespitzt. Schneidende Eisengeräte wurden an starke Karren und Schlitten befestigt, diese selbst mit wuchtigen Steinen beschwert und als eigentliche Schlachtwagen bereitgestellt. In der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch wurde das Wasser überall in der Burgschaft ausgeleitet, das in der Winterkälte gefror und Strassen und Wege ungangbar machte.»

Friedensvereinbarung unterschiedlich ausgelegt

In diesen denkwürdigen Tagen waren es die Spitzen der Ortschaft Visp, die den Fehdehandschuh der Savoyer aufnahmen und zur Tat schritten. Es waren dies vor allem Johannes III. Werra und Johannes Ulrici. Entschlossen, in den eigenen Mauern mit den letzten Spuren einer Sippe aufzuräumen, die dem gegnerischen Lager verbunden war, verfügte Werra am 6. Dezember 1388 – zwei Wochen vor der Schlacht und unterstützt von seiner Gefolgschaft – kurzerhand die Beschlagnahmung der Gilte, die den Erben der Gräfin Biandrate gehörte, zugunsten der Burgerschaft Visp. Innert weniger Tage sollte sich erweisen, wie sehr das Dorf Visp dieser Mittel bedurfte. Sie ermöglichten die Vorbereitung des Waffengangs vom 23. Dezember 1388 und den wehrhaften Widerstand. 

In Visp sammelten sich die Walliser aus allen Tälern. Sie wagten es jedoch nicht, das übermächtige welsche Kriegsvolk anzugreifen. So vereinbarten sie mit dem Feind, wie erwähnt, einen knapp befristeten Frieden. Dieser galt bis Sonnenaufgang des folgenden Tages: Mittwoch, 23. Dezember, am Tag vor Weihnachten.

Der ausgehandelte Friede wurde aber offenbar von den beiden Parteien verschieden ausgelegt. Die Oberwalliser unter dem Kommando des ersten Landeshauptmanns Simon ab Wyler aus dem Mittelgoms waren der Meinung, die Sonne bringe den Tagesanfang mit den anschliessenden Feindseligkeiten. Die Savoyer und ihre Verbündeten waren ihrerseits der Auffassung, der Friede gelte, bis die Sonne das Land überscheine.

Michelle Gattlen malte für ihre Maturaarbeit diese Schlachtszene vom Mannenmittwoch. Das Bild wurde 2019 anlässlich der Gedenkfeier im La Poste ausgestellt.

Foto © Peter Salzmann

Völlig überraschte Feinde

Gemäss der Darstellung von Imesch lagen die Welschen in jener Nacht sorglos in ihren Zelten, Ställen oder Speichern und blieben ohne Wache. Einzig die Verstärkung aus Saanen blieb wachsam und entfachte Feuer, um der grossen Kälte zu begegnen. Die Vorsicht der Saaner war den einheimischen Spähern nicht entgangen; gegen diese hätten die Oberwalliser riskiert, grossen Schaden davonzutragen. Sie beschlossen daher, stattdessen frühmorgens andere feindliche Truppen, die sorglosen und hochmütigen Welschen, anzugreifen.

Heimlich zogen sie aus der Burgschaft aus, stiessen Sparren an Scheunen und Ställe und verrammelten die Türen, hinter denen die Welschen ermüdet im Schlaf lagen. Dann legten sie Feuer und verbrannten die ahnungslosen Feinde, die sich so kaum wehren konnten, bei lebendigem Leib. Und wenn einer dennoch irgendwo herausspringen konnte, wurde er im nächsten Augenblick erstochen. Es fielen ihnen so viele Welsche zum Opfer, dass deren Zahl nicht geschätzt werden konnte.

Die Streitscharen der Walliser hieben mit ihren Streitkolben und Schwertern auf die Gegner ein, die auf dem eisglatten Boden keinen festen Stand hatten. Das Ringen war kurz, aber blutig. Bald lag eine grosse Zahl der Feinde erschlagen auf dem Schlachtfeld, besonders adelige Herren. Einem Saaner Bericht ist zu entnehmen, dass wohl der grössere Teil durch den völlig überraschenden Angriff in die Flucht getrieben wurde. Der feindliche Anführer, der stolze Graf von Greyerz, verdankte seine Rettung nur der Tapferkeit seiner Untertanen von Saanen und Greyerz, welche die Brücke über die Vispa mit ihren Leibern deckten.

Eine Handvoll Dokumente zeugen von der Schlacht

Als 50 Jahre später, 1988, die Feier zum 600. Jahrestag der Schlacht von Visp anstand, wollte man es genauer wissen: Das Organisationskomitee beauftragte den besten Kenner der mittelalterlichen Geschichte des Wallis, den damaligen Kantonsarchivar Dr. Bernhard Truffer, zum runden Jahrestag einen umfassenden, klärenden Bericht für eine Gedenkschrift zu erarbeiten. Truffer schickte voraus, dass die Quellen diesbezüglich alles andere als ergiebig seien. Überraschend, wenn man bedenkt, dass 16 Jahre früher die Resultate einer Untersuchung darüber veröffentlicht wurden, wem um 1350 die Böden und Liegenschaften in Visp gehörten: dem Bischof, dem Domkapitel, dem Adel oder freien Bauern, dies in Prozentzahlen ausgedrückt.

Truffer vermochte herzlich wenig ausfindig zu machen und musste stets die Frage stellen: Was ist Sage, was ist Geschichte?

Es gibt mindestens fünf knapp gehaltene, aber zuverlässige Quellen, die Hinweise auf die Schlacht geben. Und damit hat man offenbar schon mehr Gewissheit, als in der übrigen Schweiz für einzelne bedeutend bekanntere Schlachten aus dem Hochmittelalter vorhanden sind. Die Schlacht bei Visp ist kein Mythos. Tatsache ist, dass der siegreiche Kampf der Oberwalliser am Mittwoch vor Weihnachten 1388 bei Visp stattfand. In Savoyen fand der missglückte Visper Zug verständlicherweise keine Erwähnung.

Als wohl ältesten Hinweis nannte Truffer eine Urkunde, die am 3. Januar 1389 in Sitten abgefasst wurde, also knapp 10 Tage nach der Schlacht: Francesia, Witwe des Jean du Treuil, behielt sich das Recht der 40-tägigen Bedenkfrist vor, ehe sie das Erbe ihres Gatten antreten wollte. Sie hatte soeben erfahren, dass dieser im Heer des Bischofs Humbert von Sitten ums Leben gekommen war. In den lateinisch abgefassten «Briger Annalen» steht sachlich und trocken: «1388, am 20. Dezember, fand in Visp jene grausame Schlacht zwischen dem Grafen von Savoyen und den Oberwalliser Landleuten statt. Die Leuker und die von dort abwärts waren vom Grafen gezwungen worden, mit ihm die Waffen gegen die oberen Zenden zu ergreifen.» Aus der in der Mitte des 14. Jahrhunderts begonnenen Chronik geht hervor, dass die Siedlung Visp vom Kriegsgeschehen verschont blieb. Die Schlacht wickelte sich nicht im Dorf, sondern unten in der Talebene ab.

Das Visper Gelöbnis von 1388

Einen weiteren Beleg enthält das Jahrzeitbuch von Ernen, das im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts, gut 40 Jahre nach der Schlacht von Visp, begonnen wurde. Es berichtet vom Gelöbnis der siegreichen Oberwalliser, den Tag der Schlacht inskünftig als Gedenkfeiertag zu begehen: «Der Mittwoch unmittelbar vor Weihnachten ist Feiertag aufgrund des 1388 in Visp gemachten Gelöbnisses.» Auf lateinisch: «Feria quarta proxima ante festum nativitatis est festum ex voto facto in Vespia 1388», wobei die Jahrzahl später eingefügt worden sein soll. [Siehe auch Kapitel 06.03 «Jahrestag der Schlacht am ‘Mannenmittwoch’, Blauer Stein als Denkmal».]

Chronik aus der Sicht der Besiegten

Einzig die «Obersiebenthaler Chronik» enthält einen eigenständigen Bericht zum Schlachtverlauf, allerdings aus der Sicht der Besiegten geschrieben, gut 60 Jahre nach dem Geschehen. Schwerpunkt dieses Schriftstücks ist der «glorreiche», durch Truppen aus dem Saanenland gesicherte Rückzug der fliehenden Angreifer. In manchem bestätigt diese Chronik aus dem Saanenland die mündliche Überlieferung, insbesondere was den Überraschungsangriff in der Morgenfrühe und den Brand der Scheunen und Stadel betrifft, in denen die Savoyer schliefen. Sie berichtet aber auch von der Heimkehr der geflüchteten Saaner und erwähnt die Landbrücke.

Aus den dürftigen schriftlichen Quellen lässt sich nur wenig schliessen. Mit Sicherheit kann man lediglich annehmen, dass die Oberwalliser am Mittwoch vor Weihnachten 1388 (es war der 23. Dezember) in Visp einen überraschenden Sieg erfochten. Im Heer der völlig überraschten Gegner gab es viele Tote, aber doch nicht 4 000, wie behauptet wurde. Die meisten dürften – irritiert – doch wohl die Flucht ergriffen haben.

Übertriebene Zahlen

Die überlieferten Zahlen – es ist von 8 000 Mann bei den savoyischen Truppen und von 4 000 Gefallenen die Rede – sind wohl in Zweifel zu ziehen. Visp dürfte in der Zeit der Schlacht zwischen 200 und 300 Einwohner gezählt haben, die übrigen Dörfer im Zenden eher noch weniger. Wozu wären dann Savoyens Truppen mit 8 000 Mann angerückt? Der Feind wäre um ein Mehrfaches zahlreicher gewesen, bedeutend erfahrener in Kriegen und bestimmt viel besser ausgerüstet. Die Zahlen sind wohl masslos übertrieben.
Der Grund für den ungeahnten Erfolg der Visper war zweifellos das Überraschungsmoment, das bei grosser Kälte und den offensichtlich ermüdeten Greyerzern, Waadtländern, Simmentalern und Chablaisans vollauf zum Tragen kam. Der grösste Teil der Feinde wird rechtzeitig die Flucht ergriffen haben, um ihr Leben zu retten.  

Zeitzeugen erinnerten sich an 1388

Am nächsten liegt gemäss Truffer ein Dokument vom 5. November 1437 im Gemeindearchiv von Ausserberg; es berichtet von einem in Baltschieder aufgenommenen Zeugenverhör über Grenzstreitigkeiten. Mehrere ältere Männer, die dort als Zeugen auftraten, sagten unter Eid aus, dass sie sich sehr gut an die Schlacht von Visp erinnerten, die 49 Jahre zuvor stattgefunden hatte.

Es waren dies: Jannin und Lorenz am Treyen von Baltschieder, Berdscho Gyschig, Wirt in Siders, Peter Gutheil von Eggen und Thomas zer Berenbrechen. Der greise Lorenz am Treyen führte aus, dass er nach der Schlacht von Visp 1388 im Sommer Hirt des Martin von Baltschieder war und dessen Vieh, gegen 50 Stück, in den «Tschongen» im wilden Baltschiedertal weidete.

«Erster Walliser Landeshauptmann»

Die savoyischen Truppen wurden, wie erwähnt, nicht vom Savoyer Grafen persönlich, sondern von seinem Landvogt im Wallis, Ritter Rudolf von Greyerz, angeführt. Die Oberwalliser Verteidiger soll der Gommer Simon Murmann ab Wyler dirigiert haben, der erste Landeshauptmann, der eine wichtige Rolle im Kampf gegen Savoyen spielte.

Das Amt des Landeshauptmanns hatte – wie schon der Name andeutet – ursprünglich militärischen Charakter. Es entstand im 14. Jahrhundert, als die deutschsprachigen Zenden mit Savoyen fast dauernd im Krieg lagen. Die deutschsprachigen Zenden ernannten Simon ab Wyler 1388 zum capitaneus Allemanorum, Hauptmann und Anführer. Als solcher hielt er am 15. Januar 1388 in Brig mit den Boten von Goms, Mörel, Brig, Visp und Raron – Leuk war bereits von den Savoyern erobert – einen Ratstag ab.

Zusammen mit seinem Landsmann Johann in der Lowjenen soll er in savoyische Kriegsgefangenschaft geraten sein. Gemäss Sigmund Furrer berieten sich am 19. und 20. April 1389 die Zenden Visp, Raron und Goms in Brig darüber, wie man diese beiden Helden für das Vaterland befreien könnte. Schliesslich kauften sie die beiden los. Im November 1390 war Murmann wieder in der Heimat, in Münster. Simon Murmanns Verdienste wurden am Walliser Landtag vom 30. Juli 1392 in Leuk öffentlich anerkannt. Als Geschenk «für seine Dienste und Mühen, für die grossen Beschwerden, die er für Nutzen und die Ehre der Zenden erduldet hatte», erhielt er Einkünfte in Geschinen.

Ob Peter von Raron (1325–1413) im Kampf in Visp eine Rolle spielte – er wird in den Jahren 1384–1388 als oberster Feldhauptmann der Oberwalliser Truppen und Anführer der Walliser Zenden im Kampf gegen die Savoyer und deren Bischof im Wallis Eduard genannt – ist angesichts des überrannten Raron und der Flucht der Rarner nach Visp fraglich.

Kampf von Mann zu Mann

Noch bis ins 15. Jahrhundert hinein waren die Soldaten mit Lanzen, Speeren, Hellebarden, Morgensternen, Streitäxten und Armbrüsten ausgerüstet.

Nach der Erfindung des Schiesspulvers kamen auf den Kriegsschauplätzen vermehrt Gewehr, Pistole und Kanone zur Anwendung. Im 14. Jahrhundert wurden pulvergetriebene Handfeuerwaffen erfunden. Die knappen Darstellungen lassen den Schluss zu, dass solche Waffen an der Schlacht bei Visp noch nicht in Gebrauch waren.

Letzter Eroberungsplan Savoyens

Graf Amadeus VII., der am verunglückten Visper Feldzug selbst nicht teilgenommen hatte, rüstete zwar 1391, also drei Jahre nach Visp, nochmals zu einer Heerfahrt ins Rhonetal. Diesmal schien ihm der Sieg sicher, hatte er sich doch zuvor die Unterstützung Berns gesichert und auch Mailands Stille «erkauft». Aber noch vor dem Abmarsch des Heers starb der Graf im Alter von erst 31 Jahren bei einem Reitunfall auf der Jagd, sodass der Feldzug vertagt werden musste. In der Folge nahm seine Mutter, Gräfin Bonne de Bourbon, aus königlich französischem Haus stammend, die Zügel der Regierung in die Hand.

Bedingungsloser Friede für Visp

Mit grossem Zeremoniell schlossen am 24. November 1392 in Sitten die Gemeinden des Wallis und die savoyische Gräfin und Regentin Frieden – einer der wichtigsten Tage in der Geschichte des Landes Wallis. Bonne de Bourbon, die im Namen ihres unmündigen Enkels Amadeus VIII. regierte, war an der Fortsetzung des Kriegs im Wallis kaum interessiert. Sie hatte schon im Mai den Auftrag gegeben, mit den Wallisern zu verhandeln.

Der Friedensschluss war wohl die logische, aber nicht selbstverständliche Folge der Schlacht bei Visp vier Jahre zuvor, die mit einer empfindlichen Niederlage der Savoyer geendet hatte. Auch die Oberwalliser – von Mailand im Stich gelassen und von Bern bedroht – waren kriegsmüde und liessen sich zu Friedensverhandlungen herbei, die schliesslich zu einem glücklichen Abschluss gelangten.

Da sie noch nie bezwungen worden waren, war der Friede für die vier oberen Zenden – darunter Visp – bedingungslos. Die drei unteren Zenden Leuk, Siders und Sitten wurden zu einer hohen Kriegskontribution verdonnert.

Die Gräfin von Savoyen anerkannte ihrerseits die Morge bei Conthey als Landesgrenze. Das Schisma der katholischen Kirche spielte hier eine bedeutende Rolle: Die Gräfin liess Bischof Humbert von Billens fallen, der dem Papst von Avignon wohlgesinnt war, und ebnete damit dem römisch gesinnten Wilhelm von Raron – Sohn des erwähnten Peter von Raron – den Weg nach Sitten zum ersten Walliser Bischof deutscher Sprache.

Mit der Schlacht von Visp begann 1388 eine neue Ära der Walliser Geschichte: Es entwickelte sich eine unabhängige Zenden-Demokratie, vorerst noch unter bischöflicher Oberhoheit.

Es sollte dies der letzte Versuch Savoyens sein, auch den deutschsprachigen Wallisern seinen Willen aufzuzwingen. Der Achtungserfolg gab dem Selbstbewusstsein der Visper, aber auch demjenigen der anderen freien Gemeinden, Auftrieb und ermunterte sie zu noch mehr Zusammenhalt.