Früher floss die Vispa breit aus dem Tal heraus und beanspruchte das Territorium zwischen den Hügeln von Visp bis hinüber zum Fuss des «Bärgji».
Um nicht bei jeder Überschwemmung Schaden zu erleiden, errichteten die Visper im 16. Jahrhundert eine feste Wehrmauer von der Schützenlaube bis zur Landbrücke hinab. Diese «Müra» steht noch; nach ihr war auch ein Restaurant benannt. Um 1600 müssen die Fluten die Landbrücke weggerissen haben, denn sie sollte wieder «uffgericht» werden. Das grosse Hochwasser von 1633 riss gegen 200 Klafter der erwähnten Mauer weg und die Landbrücke stürzte ein.
Verlegung des Vispa-Betts
Schon 1849 wollte man das Vispa-Bett verlegen: Am 21. Juni fand eine allgemeine Versammlung der Bewohner von Vispbach statt. Nach dem Ausbruch der Vispa beim Kalkofen galt es Massnahmen zu treffen, um das Übriggebliebene zu schützen und das tote Wasser so weit wie möglich aus der Burgschaft zu verdrängen. Erstmals war die Verlegung des Vispa-Betts Thema.
Vispa – so weit wie möglich von der Burgschaft entfernt
1859 zog man in Erwägung, die Vispa oberhalb der Landbrücke zu korrigieren. Man sah die Notwendigkeit, die Vispa dort einzudämmen. Das Trassee der Visp-Zermatt-Bahn gab es ja noch nicht.
Am 12. März 1859 schlug der Visper Präfekt im Hinblick auf die massive Verlegung des Vispa-Betts die planmässige Dämmung der Vispa vor, jedenfalls unter der Brücke. Gerade für Letzteres trat man am 18. September 1860 ein, da die Vispa Tage zuvor wieder einmal eingebrochen war. Nun sollte die Kantonsregierung für einen Plan und die Wahl eines Flussbetts unter der Brücke behilflich sein.
1862 verlangte man deshalb, die Sporen oberhalb der Landbrücke allesamt wieder herzustellen. Ferner sollte südlich der Landbrücke von der Mauer an bis an die Schützenlaube die Dammmauer um 1½ Schuh durch eine gepflasterte Mauer erhöht werden.
Nach dem Motto «Fern vom Gschütz gibt alte Krieger», wollte man der Kantonsregierung zeitig vorschlagen, einen Plan zur Vispa-Korrektur oberhalb der Landbrücke zu erstellen mit dem Wunsch, den Fluss so weit wie möglich von der Burgschaft entfernt, das heisst an den westlichen Bärgjiwald, zu drücken.
Gemeinde nahm Vispa-Korrektion in Angriff
Nachdem die Gemeinde 1866 entschieden hatte, an der Rottenkorrektion teilzunehmen, fasste sie einen ähnlichen Beschluss für die Vispa. Bund und Kanton leisteten Beiträge.
Im Rahmen der Rottenkorrektion wurde man am 3. Februar 1868 bei der Regierung vorstellig, damit bei der Planung die Vispa so weit wie möglich von der Burgschaft entfernt gelegt werde.
Noch im gleichen Jahr erlebte Visp eines seiner Hochwasser, die dem Ort bedeutenden Schaden brachten.
1874 nahm sich die Gemeinde vor, diese Vispa-Korrektion, sämtliche Arbeiten, welche die Verlegung des Flussbetts bedingte – Kanal-, Land-, Maurer- und Pfahlarbeiten –, selbst zu verwirklichen. Am 23./24. Dezember 1874 wurden an einer Versteigerung sämtliche Arbeiten an Einwohner vergeben.
Die Kosten wurden mit 120 000 Franken veranschlagt. Bis zum 1. Januar 1876 wollte man diese Arbeiten bis zur unteren Mühle vollendet haben.
Subventionierte Vispa-Korrektion
1860 erhielt die Gemeinde Visp vom Staat für die Korrektion des Vispa-Betts von der Landbrücke bis zur Mündung vor dem Rotten 3 000 Franken.
Vispa-Bett nach Osten verlegt
Bis 1875 hatte sich die Vispa bei der Landbrücke nach Westen gewandt und war bis in den Schwarzen Graben dem Berg entlang geflossen und von dort in nördlicher Richtung in den Rotten.
Abweichend vom bisherigen Flusslauf hob man von der Landbrücke weg ein neues Flussbett aus jenem Boden, den Rotten und Vispa während Jahrhunderten angeschwemmt hatten, und leitete die Vispa so direkt in den Rotten. Der Fluss wurde vom bisherigen breiten und unansehnlichen, bei Hochwasser fast mehrarmigen «Delta» im Schwarzen Graben um fast 90 Grad in den begradigten und befestigten Mündungsfluss von heute verlegt. Dabei begann man zuunterst bei der Mündung in den Rotten und schritt in gerader Linie Richtung Landbrücke voran. Dem Flussbett wurde eine grössere Breite gegeben. Gleichzeitig verbesserte man die grosse Mauer, «d’Müra», das «Einfallstor» der Vispa beim Marktplatz. Die grosse Mauer wurde mit einer Vorwehre, Steinwuhren und Pfählen von zuoberst der Sage bis zum Brückenstutz geschützt. Damit wurde Maurermeister Poldini beauftragt.
Der Aushub, Kies oder Schwemmsand (Litta), wurde zu Dämmen aufgeschichtet, die eine leichte Trockenmauer schützte. Nach Vollendung der Dammarbeiten pflanzte man die grösstenteils heute noch stehenden Pappeln. Mit Beschluss vom 26. Hornung 1875 hatte der Staatsrat die Gemeinden nämlich verpflichtet, an den Ufern des Rottens und der Seitenbäche ununterbrochene, regelmässige Baumpflanzungen vorzunehmen, wobei dem nur wenige Oberwalliser Gemeinden nachkamen. Da das Tal des Rottens stark dem Ost- und dem Westwind ausgesetzt ist, wollte man diesen einen Windfang entgegensetzen.

Wie auf dem Plan festgehalten, hob man zwischen 1875 und 1878 von der Landbrücke weg ein neues Flussbett für die Vispa aus: Sie wurde um fast 90 Grad umgelenkt, in den begradigten und befestigten Mündungsfluss von heute verlegt und direkt in den Rotten geleitet. Zudem verbesserte man die grosse Mauer, «d’Müra». Vorher war der Fluss bei der Landbrücke westwärts und bis in den Schwarzen Graben dem Berg entlang geflossen.
Aus Adolphe de Salis, Das Schweizerische Wasserbauwesen, Organisation, Leistungen und Bausysteme, Bern 1883
Neues Vispa-Bett brachte nutzbaren Boden
Dank dem neuen, zwischen 1875 und 1878 gradlinig eingedämmten und mit Pappeln verstärkten Seitenast der Vispa entstand von der Landbrücke aus entlang dem nach Norden ausgerichteten Hang und der Grosseye eine grosse, nun landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Diese vergrösserte den Burgerboden bedeutend, auch wenn ein Teil davon zum Erstellen des Trassees der kurz darauf gebauten Simplon-Bahnlinie beansprucht wurde.
Flözholz wurde versteigert
Flözholz führte die hoch gehende Vispa immer wieder. 1859 wurde dieses Holz versteigert. Der Ansteigerer musste es sammeln und auftischen. Die Hälfte davon fiel der Munizipalität zu, die andere dem Ansteigerer. Bei der Versteigerung wurde das Flözholz für 17.50 Franken und zehn Mass Wein dem Präsidenten Franz Indermatten zugesprochen.

Auf einer Flugaufnahme von 1930 fliesst die begradigte Vispa in ihrem neuen Flussbett geradeaus durch die Ebene nördlich von Visp Richtung Rhonemündung. Sporen, die ins Flussbett greifen, dienen dem Hochwasserschutz.
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf unbekannt, Hs_1458-GK-B000-1931-0049, Public Domain Mark
Wässerwasser aus der Vispa
Der Visper Grund benötigte Wässerwasser, damit etwas gedeihen konnte. Aus diesem Grund wurde 1880 die Erstellung des eigens zur Bewässerung benötigten Kanals oberhalb der Landbrücke in Versteigerung gesetzt. Die Urversammlung hiess eine Korrektion oberhalb der Brücke bis zum Pulverturm gut. Die Gemeinde Visp nahm sich vor, längs des alten Vispa-Betts im Schwarzen Graben und an den neuen Dämmen Pappelbäume zu pflanzen, um den starken Wind in dieser Gegend zu hemmen.
1888 beschloss der Gemeinderat die Vollendung des Steine-Setzens auf dem rechten, dem östlichen Ufer der Vispa bis auf die Höhe der Rasenkante. Diese Arbeit hatte nach Ermessen der Verwaltung – Präsident Jodok Burgener, Schreiber Cäsar Clemenz – innerhalb mehrerer Jahre zu geschehen. Die Eindämmung des rechten, östlichen Vispa-Ufers mit einer massiven Mauer aus Quadersteinen erfolgte jedoch erst in den Jahren 1949 bis 1951. Für das linke Ufer geschah dies erst sieben Jahre später.
Inzwischen floss auch die Vispa in dem für sie neu gegrabenen Flussbett. Nun wurde die Strasse nach Baltschieder auf den kräftigen rechtsufrigen Vispa-Damm verlegt. Um das eventuell immer noch durch den Damm drückende Wasser abzufangen, nahm man 1902 die Erstellung eines Kanals längs dieser Strasse in Angriff.
Verbindung mit Bau des Eisenbahndamms
Die Korrektion am rechten Ufer von der Landbrücke taleinwärts führte 1886 die Visp-Zermatt-Bahngesellschaft aus, als sie den Eisenbahndamm anlegte. Diese Arbeit hatte die angenehme Folge, dass die Gemeinde Visp zu einem ausgeebneten Terrain kam, was ihr 20 Jahre später erlaubte, hier den Schulhausplatz anzulegen.
Weil sich das Flussbett durch Geschiebeablagerungen ständig und stetig erhöhte, waren die Dämme jeweils entsprechend aufzumauern. Bei den Korrektionsarbeiten von 1958 am linken Vispa-Ufer sah man deutlich, dass der Damm seit 1875 zweimal um einen halben Meter erhöht worden war.
Sprengung des Damms vermieden
Höchste Gefahr für Visp bestand beim Hochwasser vom 4. September 1948. In einer Krisensitzung auf dem rechten Damm erwogen Lonza-Direktion und Gemeinderat angesichts der Bedrohung für das Werk sogar die Sprengung des linken Damms zwischen Eisenbahnbrücke und Einmündung in den Rotten. In der Folge arbeitete das kantonale Baudepartement ein grosszügiges Projekt für die Korrektion der Vispa aus. Ein Teil dieser Arbeiten, etwa die Aufstockung der rechtsufrigen Dammmauer von der Landbrücke bis zum Rotten, erfolgte 1949 und 1950.
Als die neue Landbrücke stand, liess sich auch die Korrektion des linken Ufers zwischen Landbrücke und Eisenbahnbrücke vollenden.
An den Kosten von 527 899.75 Franken beteiligten sich neben Bund, Kanton und Gemeinde auch die Lonzawerke, die Bundesbahn und die Visp-Zermatt-Bahn.
Die Gesamtkorrektion der Vispa wurde damals als währschafte und vorbildliche Arbeit betrachtet. Die Durchflussmöglichkeiten bei der Landbrücke waren nun genügend ausgeweitet.
Allerdings kam auch Kritik an der teuren Korrektion auf. Diese hätte sich erübrigt, hiess es, zu einem Zeitpunkt, als die «Grande Dixence» zuhinterst im Mattertal einen Teil der Vispa durch einen Stollen ableite, das Wasser der Saaser Vispa im Mattmark-Staubecken gesammelt werde und messbar und nützlich zum Abfluss komme.
Dem wurde entgegengehalten, in den Vispertälern mit ihrem enormen Einzugsgebiet und den überall aufgetürmten Moränen könne es immer wieder wolkenbruchartige Niederschläge geben. Weder ein Stollen noch ein Stausee könnten ein Geschiebe von unberechenbarem Ausmass aufnehmen; es würde folglich seinen natürlichen Weg nehmen. Die Hochwasser von 1987, 1993, 2000 und 2002 sollten diese Befürchtungen vollauf bestätigen: Visp ging jedes Mal haarscharf an einer Überschwemmung mit katastrophalen Folgen vorbei.
Vom Nutzen des Vispa-Wassers
Von alters her betrieb das Wasser der Vispa auch in Visp Sägewerke und Mühlen. Aufgrund seines Ursprungs im Ablagerungsgestein (Sediment) führt es wertvolle mineralische Stoffe und gilt somit als Naturdünger.
Der «Mühle/Sage-Wuhr», der mehr als 100 Jahre diente
1850 beschloss die Burgerversammlung, die Arbeiten zur Abführung von Vispa-Wasser durch den Mühlenwuhr auszuschreiben. Das Devis (den Kostenvoranschlag) der Arbeiten für den Abfluss des Filtrationswassers der Vispa hatte Ingenieur de Torrenté erstellt. An der Burgerratssitzung vom 18. März 1850 gab Burgermeister Johann Lang Kenntnis vom Devis für den zu öffnenden «Mühle/Sage-Wuhr-Canal», der auf der Höhe von Hohbrunnen aus der Vispa hergeleitet wurde. Ulrich Meyer, Müller und Pfister (Bäcker), erklärte sich bereit, freiwillig 35 Klafter vom Kirschbaum auf eigene Kosten einzusetzen. Die Bedingungen für die Öffnung des Kanals lauteten, das Devis solle streng eingehalten werden, der letzte Absteigerer solle Bürgschaft leisten, die Versteigerung erfolge tags darauf, am St. Josefstag nach der Vesperzeit.
Der Burgerrat beschloss am 30. Januar 1854, den Sägemattenwuhr wegen nun zu tiefer Lage zu reparieren, da die Sägeräder nur noch sehr langsam liefen und die Anlage daher bald unbrauchbar werde. Bäcker Ulrich Meyer behauptete, die Burgerschaft sei verpflichtet, beim Aufräumen des Sägewerks einen Drittel der Kosten zu tragen. Der Burgerrat verneinte dies, sprach ihm dafür jedoch einen Taler zu.
Auf der Durchreise in Visp notiert
Ein Reisender, der mit Familie nach Stalden wollte, beschrieb in der Mitte des 19. Jahrhunderts die «Passage» im Bezirkshauptort wie folgt: «Nachdem wir für die Kleinen etwas Gutes eingekauft hatten, brachen wir auf. Es fing bald zu dämmern an. Beim Durchschreiten des oberen Stadtteils überkam mich eine schwermütige Sehnsucht.
War es das unvergleichliche Abendrot, welches über den weissen Gipfeln des Balfrin verglühte, als letzter Abschiedsgruss des sterbenden Lichtes, war es die historische Vergangenheit der Vespia Nobilis, deren letzte Zeugen selbst den Stempel der Vergangenheit an sich tragen, welches diese Stimmung in mir wachrief? Ich weiss es nicht.
Zuerst führte der Weg zwischen saftigen Wiesen, unter fruchtbeladenen Bäumen dahin und bog hierauf rechts ab in reich behangenes Rebgelände hinein.
Zu unserer Rechten überstürzten sich die schäumenden Wellen der hochgehenden Vispa. Wir konnten ihr drohendes Wellenspiel der stark vorrückenden Abenddämmerung wegen nur mehr in allgemeinen, verschwommenen Umrissen beobachten.»
Keine Vorzugsbehandlung für Grosseye
Am 23. April 1864 lehnte der Visper Gemeinderat die Einsprache der Geteilen der Grosseye aufgrund der bisherigen Besteuerung ab; er sprach ihnen keine privilegierte Stellung zu. Begründet war ihr Begehren wahrscheinlich dadurch, dass die Vispa nach wie vor – noch bis 1875 – ziemlich breit in den Rotten mündete.
Visp exponiert zwischen Vispa und Rotten
Visp stellt einen Sonderfall dar, denn hier kommt Wasser aus vielen Gletschern in den beiden grössten Walliser Flüssen zusammen. Entsprechend gross war früher die Überschwemmungsgefahr. Die Ausdehnung der Siedlung ins Tal hinaus war praktisch unmöglich. Hinzu kamen noch die strengen Winter, die mit Lawinenniedergängen in den Bergtälern bestes Kulturland mit Schutt und Dreck übersäten. Über Jahrhunderte haben der Rotten und in Visp zusätzlich die Vispa immer wieder die Ebene überschwemmt, Kulturen und Früchte der Selbstversorger und Gebäude beschädigt oder gar zerstört.
Lange fehlte auch das technische Wissen, um dem Rotten Einhalt bieten zu können. Allein im 19. Jahrhundert überschwemmten Rotten bzw. Vispa zehn Mal weite Gebiete in der Ebene. Wann immer die Flüsse Hochwasser führten, schwollen ihre Fluten an und traten über die Ufer. Wenn das Wasser abgelaufen war, blieben Tümpel und Moraste zurück. Die zahlreichen Arme der Flüsse umschlossen so nichts als Sumpf und Heide.