Visp als Teil des bischöflichen Herrschaftsgebiets dem Rotten entlang
Unmittelbar vor der ersten Jahrtausendwende erhielt das Wallis einen regierenden Fürsten. Rudolf III., der letzte Burgunderkönig, gab Hugo, dem Bischof von Sitten, im Jahr 999 die Grafschaft Wallis zu Lehen. Der König hatte überall, nicht nur im Wallis, einen schweren Stand gegenüber dem machthungrigen Adel. Deshalb erhob er zur Festigung seiner Macht Bischöfe zu weltlichen Fürsten. Diese konnten nämlich keine Familien und damit auch keine Dynastien begründen. Damals reichte das Wallis bis zum Fluss Morge hinunter. Kaiser Konrad II. ernannte den Bischof zum Grafen und dann gar zum Reichsfürsten. So übte der Bischof im Tal des Rottens und in dessen Seitentälern auch die höchste weltliche Macht aus. Wer hatte zuvor in den Dörfern des Wallis das Sagen gehabt? Vermutlich auch der gnädige Herr, vor allem dank der Pfarreien. Der Bischof dürfte das Weltliche bereits über die Kanzeln gelenkt haben, als ihn noch niemand damit beauftragt hatte; im Territorium des Bistums nahm er grossen Einfluss auf Rechtsprechung, Verwaltung und Politik. In der Pfarrei wirkten vermutlich auch praktisch die einzigen Leute, die des Lesens und Schreibens kundig waren und damit bedeutenden Einfluss auf die Bevölkerung nehmen konnten. Auf diese Weise gab es eine gewisse Ordnung im Zusammenleben der Leute, die dauernd ums Überleben kämpfen mussten. Wie sich im Lauf der Zeit zeigen sollte, wurde diese Ballung der Macht zu stark; die Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten verlief vor allem zu Lasten der Religion. In Visp – 1140 soll Graf Johann von Visp dem Bischof von Sitten gehuldigt haben – wurden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nun auch grössere Gebäude an markanten Stellen errichtet, zum Teil wahrscheinlich noch früher; einzelne prägen noch heute das Bild der Burgschaft. Zunächst sind die sakralen Bauten zu nennen: die beiden Kirchen auf den höchsten Felsvorsprüngen des Ortes, die das Städtchen bekanntlich noch heute besitzt. Zuerst wurde wohl die «untere Kirche» auf dem Gräfinbiel errichtet; sie hiess anfänglich Marienkirche, Dreikönigskirche und Burgerkirche, denn später wurde sie während Jahrhunderten von der Burgerschaft erhalten und betreut, seit 1935 nennt man sie einfach «untere Kirche». Ebenfalls im 12. Jahrhundert wurde auf dem dritten Felsvorsprung in Richtung Vispa der Aushub für das Fundament des ersten Profanbaus von allgemeinem Interesse in Angriff genommen; Bauherr war ebenfalls der Bischof. Diesmal erstellte er in seiner Funktion als Landesfürst ein Regierungsgebäude für seine Beamten, den Meierturm, wie der stattliche Bau genannt wurde; heute würde man dieses Dienstgebäude Rathaus nennen. Es waren Beamte weltlichen Standes, die den Meierturm in einer der Funktionen Viztum, Meier, Weibel und Mechtral benutzten. Während gut 350 Jahren sollten sie von dort aus die Abgaben zugunsten des bischöflichen Fürstgrafen eintreiben. Daneben verfügten sie auch über niedergerichtliche Kompetenzen. Später wurde der Meierturm auch Lochmatter-Turm genannt, weil ihn vorübergehend eine Familie dieses Namens bewohnte. Der Meierturm ging schliesslich in private Hände über, nachdem der Zenden 1544 am Martiniplatz sein Rathaus erhalten hatte.