Kapitel Nr.
Kapitel 24.03

Bisher verlachte Südvariante der Umfahrung Visp plötzlich ernst genommen

Kurz vor Weihnachten 1996 waren sich dann plötzlich alle einig: Die A9 sollte im Raum Visp im Süden durchführen.

Wer die Entwicklung der Dinge in dieser letzten Phase des jahrelangen Variantenstreits über die Linienführung der A9 im Raum Visp verfolgte, konnte erahnen, was die Dreierdelegation des Staatsrats – Bornet, Sierro und Schnyder – zusammen mit Vertretern des Baudepartements in Visp verkünden würde. So war es keine Überraschung mehr, dass der Staatsrat dem Bundesrat noch im alten Jahr beantragte, für die Variante Süd so rasch wie möglich ein generelles Projekt und ein Ausführungsprojekt ausarbeiten zu lassen – aufgrund des Entscheids, der von allen Parteien und interessierten Kreisen mitgetragen wurde.

Olivier Michaud, Direktor des Bundesamts für Strassen (ASTRA), gab am 26. November 1998 in Visp den Entscheid des «Comité de pilotage» bekannt: die Voraussetzungen für die Südvariante waren gut.

© Walliser Bote

Keine Flussunterquerungen, kein Störfallrisiko mit Chemie

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung drängte sich die Variante A9 Süd auf. Sie schloss unter beinahe sämtlichen betrachteten Aspekten besser ab als die Variante Nord A. Sehr viel spreche für die Süd-Variante, hiess es nun: Sie entspreche den wichtigsten interkantonalen Verkehrsströmen, sie verursache dreieinhalbmal weniger Aushub und viermal weniger Bauverkehr, es gebe keine Flussunterquerungen und kein Störfallrisiko mit der Chemie.

Auf lokaler Ebene durften sich die Oppositionsparteien, die FDP und vor allem die SP, über diese Entwicklung freuen. Alle waren sich einig, auch diejenigen, die bis dahin hartnäckig am Norden festgehalten hatten. Vergessen war der unselige Variantenstreit. Der Bau der Autobahn, auf den man nun schon seit Jahren gewartet hatte, schien endlich Tatsache zu werden.

Die Freude war jedoch erneut von kurzer Dauer. Noch Mitte 1997 – also mehr als ein halbes Jahr nach der Eröffnung des Entscheids zugunsten der Süd-Variante – herrschte von Sitten her Funkstille und in Visp soll sogar eine neue Nord-Variante eingegeben worden sein, die ihrerseits bedeutend günstiger zu stehen gekommen wäre als die praktisch bereits bewilligte im Süden. Man müsse daher neu überprüfen ... Wer konnte es da dem Volk verargen, wenn es den Glauben an die Behörde verlor. Süd oder Nord, jetzt duldete das Ganze keinen Aufschub mehr.

Vispertaltunnel durchstochen

Zu Beginn des Jahres 1997 erfolgte der Durchstich des Tunnels in die Vispertäler.

Zürcher SVP wollte nochmals Kosten überprüfen

Ende Juni 1997 verschaffte sich der Staatsrat bei Bundesrat Leuenberger einen durchschlagenden Erfolg: Autobahn vierspurig bis Brig, in Visp im Süden. Beginn der Arbeiten: sofort!

Aber es kann der Brävste nicht in Frieden leben, wenn ... Der Zürcher SVP-Politiker Max Binder verlangte erneut eine Überprüfung der Kosten – dies, nachdem man natürlich in Zürich seine Schäfchen im Trockenen hatte. Es hiess aber auch, Binder habe im Auftrag von versteckten Visper Heckenschützen gehandelt, welche der Südumfahrung nach wie vor übel gesinnt waren.

Sondierstollen schon in Auftrag gegeben

Der Staatsrat liess sich jedoch nicht beeindrucken: «Der Ende Juni in Bern zustande gekommene Entscheid ist sachlich richtig und voll im Sinne der Geschäftsprüfungskommission». Der Sondierstollen Visp Süd sei bereits in Auftrag gegeben. Nur wenn der «Feetschugge» aus Piora-Gestein bestünde, müsste man erneut über die Bücher gehen (er war es nicht!). Bis zu diesem Resultat sollte nun endlich Ruhe herrschen.

Autobahn für die Olympischen Spiele?

Plötzlich konnte es sogar dem Walliser Staatsrat nicht mehr schnell genug gehen. Anfangs 1998 prophezeite Staatsrat Jean-Jacques Rey-Bellet, dass die Autobahn im Oberwallis bis im Jahr 2004 fertiggestellt sein würde. Hier war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Das Wallis bewarb sich gleichzeitig um die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2006 und wollte daher gute Verkehrswege anbieten. Die Abstimmung ging bekanntlich zugunsten von Turin aus.

Bei der Bevölkerung wuchs der Zweifel. Erst das Anbohren des Feetschuggens hätte diesen zerstreuen können.

Ohne Optimismus geht nichts

Bundesrat Moritz Leuenberger sprach am 24. April 1998 an der Generalversammlung der VOV in Brig auch von der A9-Umfahrung von Visp und hielt fest: «Die Arbeiten am Sondierstollen im Staldbach haben begonnen. Es sollte möglich sein, das Generelle Projekt vor dem Sommer 1999 zur Genehmigung zu unterbreiten. Wir werden uns bemühen, dass – wenn 2006 im Wallis die Olympischen Spiele stattfinden – mindestens zwei Spuren der Umfahrung von Visp befahren werden können.» Am Bundesrat sollte es also nicht fehlen.

Planungsdebakel! Selbsterkenntnis?

Der Briger Ingenieur Paul Schmidhalter fasste im Februar 1998 die Auseinandersetzungen um das «generelle Projekt A9, Umfahrung Visp» wie folgt zusammen: «Dank der IG Autobahn fallen wir nach 15 Jahren und einem Planungsdebakel im Wert von 30 Millionen Franken zurück zum Start.»

«Südumfahrung Visp hat Priorität»

Der Kanton schrieb im Juli 2004 in seinem A9-Informationsblatt: «Diese Teilstrecke hat aufgrund der vielen Staus erste Priorität für den Autobahnbau im Oberwallis. Der Stau muss endlich weg: Verschiedene Arbeitsausschreibungen sind bereits erfolgt. Die Realisierung dieser Investitionen wurde durch Einsprachen im Rahmen der Arbeitsvergabe verzögert.»