Mit Lötschberg-Basistunnel der NEAT nun auch Verkehrsdrehscheibe
Mehrere Ereignisse brachten Visp gleich auf verschiedenen Ebenen markant voran. Genau 100 Jahre nach der Ankunft der Lonza, die den Übergang vom Bauerndorf zum Industriestandort in die Wege geleitet hatte, machte der Tunneldurchschlag der NEAT bei St. German Visp zur Drehscheibe des Bahnverkehrs im Wallis. Dass Visp mit dem Lötschberg-Basistunnel zu einem der zehn bedeutendsten Umsteigebahnhöfe der Schweiz wurde, setzte einen modernen Bahnhof voraus.
Im Dezember 2007 eröffneten sich dank der NEAT für das ganze Oberwallis – für Visp im Besonderen – neue, vielversprechende Perspektiven. Der neue Bahnknotenpunkt an der Neuen Alpen-Transversale, einer internationalen Linie, nahm an diesem Tag seinen Betrieb auf und war nun der bedeutendste Bahnhof des ganzen Wallis. Das System des öffentlichen Verkehrs im Oberwallis wurde nachhaltig verändert. Visp wurde zusammen mit Bern, Basel und Zürich zum Vollknoten. Nach der Inbetriebnahme des Tunnels, der Basisstrecke Frutigen–Visp, war Visp Umsteigebahnhof für das Oberwallis, Anschluss-Bahnhof für die südlichen Vispertäler. Die Fahrzeit Bern-Visp lag nun knapp unter einer Stunde, nicht einmal mehr die Hälfte der bisherigen Fahrzeit in die Bundesstadt.
Eröffnung des NEAT-Lötschberg-Basistunnels
Das Jahrhundertprojekt Lötschberg-Basistunnel war nach achtjähriger Bauzeit termingerecht vollendet. Die Erstellerin BLS Alp Transit AG übergab das Bauwerk Mitte Juni 2007 in einem feierlichen Akt beim Nordportal in Frutigen dem Bund als Besteller, der es wiederum der BLS AG zum Betrieb übergab. 1 200 geladene Gäste aus dem In- und Ausland, darunter mehrere Verkehrsminister, wohnten diesem historischen Moment für die Schweizer Verkehrspolitik bei. Der Lötschberg-Basistunnel war Teil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale NEAT, die zum Ziel hatte, den alpenquerenden Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Was lag da näher, als den Basistunnel mit einem italienischen Güterzug zu eröffnen? Unter Licht- und Soundeffekten durchbrach der 1 300 Tonnen schwere Güterzug das Papier, welches die Oströhre des Nordportals verschloss. Ein sichtlich stolzer Bundesrat Moritz Leuenberger, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, stieg zusammen mit Peter Teuscher, Direktor der Erstellerin BLS Alp Transit AG, und Mathias Tromp, Direktor der Betreiberin BLS AG, aus der Lok.
Bei der anschliessenden Übergabe des Lötschberg-Basistunnels überreichte Peter Teuscher Bundesrat Moritz Leuenberger ein Schienenstück als Symbol für die freie Fahrt im Nord-Süd-Verkehr in Europa. «1998 versprachen wir dem Schweizer Stimmvolk, dass der Tunnel 2007 in Betrieb geht. Wir haben Wort gehalten, darauf sind wir stolz», betonte Teuscher. Im Anschluss an die Übergabe erfolgte die Segnung des Bauwerks durch Bischof Norbert Brunner vom Bistum Sitten und Synodalratspräsident Samuel Lutz von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn.
Leuenberger: Verkehrspolitik als Klimapolitik
Als gelungene Überraschung war dem einfahrenden Sonderzug, der die Gäste durch den Tunnel brachte, eine Lötschberg-Eröffnungslok vorgespannt. Dies war das Geschenk der SBB AG an die beiden Unternehmen BLS AG und BLS Alp Transit AG. Die Festgesellschaft fuhr danach zur Nothaltestelle Ferden, die mitten im Tunnel liegt, rund 1 000 Meter tief im Berg.
In Visp fand in einem grossen Festzelt auf dem Schulhausplatz der eigentliche Festakt mit Reden des deutschen Verkehrsministers Wolfgang Tiefensee, des italienischen Infrastrukturministers Antonio di Pietro und von Bundesrat Moritz Leuenberger statt.
Moritz Leuenberger betonte in seiner Rede, dass eine nachhaltige Verkehrspolitik der Wille des Volks sei. «Die Schweiz wollte nicht zu einem Strassenkorridor für 40-Tönner werden, sondern entschied sich für Eisenbahntunnel. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben sich nie beirren lassen. Dieser Tunnel ist der Beweis dafür: Der Wille des Volkes kann wirklich Berge versetzen.» Die Verlagerung sei auch Klimapolitik. Jeder Lastwagen, der auf die Schiene wechsle, helfe den Co2-Ausstoss zu senken. Die Schweiz leiste mit der NEAT zudem einen Beitrag an das neue Europa, das durch Infrastrukturen zusammenwachse und Berge und Meere überwinde, sagte er weiter.
Mit einem grossen Fest, das zwei Tage dauerte und den Namen Visp durch die Medien in die ganze Schweiz und noch etwas darüber hinaus trug, das zugleich beste Werbung für das Tourismusland Wallis darstellte, wurde die Eröffnung gebührend gefeiert.
Industrie-Zentrum nun auch Verkehrsdrehscheibe
Es wurde geschätzt, dass künftig jährlich bis gegen vier Millionen Ein-, Aus- und vor allem Umsteigende die neue Infrastruktur bevölkern werden. In der Folge wurden diese Erwartungen noch übertroffen. All dies verdankte Visp seiner dafür vorzüglichen Lage; es wurde nun plötzlich zur Drehscheibe des gesamten öffentlichen Verkehrs des Oberwallis. Mit der neuen Bahnverbindung über die Lötschberg-Basislinie rückte das Oberwallis über Visp in Pendlerdistanz zu Spiez, Thun und der Bundesstadt, was für Studierende und Arbeitnehmende attraktiv ist und dem deutschsprachigen Kantonsteil neue Perspektiven eröffnete. Gleichzeitig stieg das Potenzial von Visp, aber auch des übrigen Oberwallis als Wohngebiet für die Region Bern, insbesondere natürlich für Walliserinnen und Walliser, die nicht mehr wegziehen mussten oder nun wieder zurückwandern konnten. Mit der kürzeren Verbindung zu Bern erwuchsen dem Oberwallis auch neue Chancen als Naherholungsgebiet für den Raum Bern, was die Position der Tourismusdestinationen stärken konnte. Dank stündlichem Halt von Zügen und Postautos nach allen Destinationen kamen auch bedeutend mehr Touristen. Zudem war der Ort nun als Industriestandort bedeutend besser erschlossen, in einer Region mit mehr als 12 000 Einwohnern.
Tourismusverantwortliche begeistert
Als sich das Jahr 2008 dem Ende zuneigte, stellte man mit Genugtuung fest, dass der NEAT-Tunnel die Erwartungen an die neue Bahnverbindung erfüllte. Der seit einem Jahr offene Basistunnel erwies sich für das ganze Oberwallis als Segen für die Wirtschaft im Allgemeinen und den Tourismus im Besonderen.
Die Tourismusverantwortlichen des Kantons äusserten sich begeistert. Zermatt und Saas-Fee hatten besonders profitiert, aber auch das Goms, die Aletsch-Region, das Lötschental und Leukerbad. Der Verkauf von Ski-Saisonabonnementen an Personen ausserhalb des Kantons war am Steigen. Die SBB bestätigten, dass der neue Tunnel für diesen Boom verantwortlich war. An manchen Wochenenden im Winter seien bis zu 20 zusätzliche Züge pro Tag eingesetzt worden. Die MGB hatte im ersten Halbjahr einen Passagierzuwachs von nicht weniger als 22 Prozent erlebt. Im zweiten Halbjahr habe sich diese Aufwärtsbewegung fortgesetzt.
Pendeln und Einkaufstourismus
Dass da auch etwas für das Visper Gastgewerbe und den Handel abfiel, konnte jedermann selbst feststellen. Die Bahnhofstrasse war bedeutend belebter als in früheren Zeiten.
Und die Kehrseite der Medaille? Die Bewegung in umgekehrter Richtung? Das Pendeln zur Arbeit oder zum Studium in Richtung Bern war für einige Alltag geworden; Pendler wurden immer zahlreicher. Die kurze Fahrzeit verfehlte ihre Anziehungskraft nicht. Und der Abfluss von Käuferpotenzial? Berns neues Einkaufszentrum Westside und Thun deckten das Oberwallis mit Werbung ein. Sie dürften damit am ehesten Käuferkreise erreicht haben, die bisher in Sitten oder Siders anzutreffen waren – alles in allem eine erfreuliche Bilanz, die durch die optimistischen Meldungen aus der Lonza noch verstärkt wurden.
Die «grosse NEAT» wurde nicht gebaut!
Anfangs 1988 war Visp im Zusammenhang mit der grossen internationalen Verkehrspolitik plötzlich ins Blickfeld der Presse geraten. Die Gemeinde wurde unversehens mit einer wichtigen Rolle bedacht: Visp sollte nämlich Ausgangspunkt von zwei der damals wohl längsten Eisenbahntunnels durch die Alpen werden, sofern der Bund und die angrenzenden Länder dieser finanziell günstigsten Variante einer Eisenbahn-Transversale den Vorzug gaben, nämlich derjenigen durch den Lötschberg und durch den Simplon. Der «Visper Anzeiger» vom 19. Februar 1988 titelte: «Bei NEAT 1 wäre Visp Ausgangspunkt von 75 Kilometer Tunnel geworden.»
Insgesamt waren fünf Varianten erarbeitet worden. Der Vergleich zeigte, dass die Lötschberg-Simplon-Variante mit Gesamtkosten von circa 9 Milliarden Franken am günstigsten zu stehen gekommen wäre. Davon hätte die Schweiz 6,4 Milliarden Franken berappen müssen. Die Variante Splügen I hätte 13,9 Milliarden Franken gekostet, davon 3,9 Milliarden Franken für die Schweiz, Splügen II 17,7 Milliarden Franken (8,4 Milliarden Franken für die Schweiz), die Variante Ypsilon 19,6 Milliarden Franken (15,1 Milliarden Franken für die Schweiz) und Gotthard 12 Milliarden Franken (11,1 Milliarden Franken für die Schweiz). Für die Lötschberg-Simplon-Variante waren zwei Basistunnel notwendig: der eine, 38,2 Kilometer lang, zwischen Kin (in der Nähe von Spiez) und Visp. Hier wäre das Südportal circa 3 Kilometer südlich der Siedlung vorgesehen gewesen. Der andere, 35,4 Kilometer lang, zwischen Visp und Domodossola, hätte aber schon unterhalb des Feetschuggens angefangen. Dazu wäre ein neuer Bahnhof mit Güterterminal in Visp notwendig geworden. Baubeginn wäre Mitte 1993 gewesen. Die Arbeiten hätten 13 Jahre beansprucht und 2006 hätten die Tunnel in Betrieb genommen werden können. Auch was die Bauzeit anbelangt, wäre die Variante weitaus am schnellsten gebaut gewesen.
Nun, gebaut wurde diese «grosse NEAT» nie. Dafür sorgten die Interessen der verschiedenen übrigen Regionen und sicher spielten auch lokale Interessen eine Rolle.
Am 12. April 1995 genehmigte dann der Bundesrat das Vorprojekt der Lötschberg-Basislinie, Abschnitt Basistunnel zwischen Frutigen und Steg. Im Herbst darauf wurden die Pläne öffentlich aufgelegt und die benötigten Landflächen und die Bauwerke ausgesteckt.
Eine Konzession, die Papier blieb
Ein Jahrhundert früher, am 12. Dezember 1891, schlug der Bundesrat der Bundesversammlung vor, den Herren Desgouttes, Lommel, Pumpin und Herzog, alle in Bern, die Konzession für eine Normalspurbahn Frutigen–Visp über Leuk zu erteilen.
Die Baukosten waren mit 45 Millionen Franken veranschlagt. Für den Tunnel allein wurde für eine 6,85 Kilometer lange Strecke mit Kosten von 16 1⁄2 Millionen Franken gerechnet. Es blieb aber bei dieser bewilligten Konzession.
Immer weniger Schnellzughalte in Visp
Visp hatte in den Jahrzehnten zuvor praktisch um jeden Schnellzughalt kämpfen müssen. Nur sehr wenige der entsprechenden Begehren fanden Gehör. Dabei ging es in erster Linie um die Verbindungen zum Weltkurort Zermatt. Während Jahrzehnten hatten Bahngäste vom Westen kommend bis nach Brig fahren müssen, um nach Zermatt zu gelangen; dabei hätte ein Schnellzughalt von nur zwei Minuten in Visp zu gewissen Tageszeiten Zeitgewinne von bis zu 80 Minuten für die Fahrgäste gebracht.
Mitte der 80er-Jahre wurde der Taktfahrplan eingeführt und eine ganze Anzahl Schnellzughalte wurden gestrichen, auch in Visp. Der Bahnhof Visp war nun hinsichtlich der Zughalte demjenigen von Leuk-Susten gleichgestellt – trotz seinen über 6 000 Einwohnern, trotz seinen mehr als 6 000 Arbeitsplätzen und trotz dem touristischen Einzugsgebiet des Saas- und Mattertals mit Stationen wie Zermatt, Saas-Fee und Grächen. Es waren noch keine 15 Jahre her, da hatten fast alle Schnellzüge in Visp gehalten.
Als 1989 beschlossen wurde, neben dem Gotthard auch einen Basistunnel durch den Lötschberg zu bauen, sah es eine Zeit lang danach aus, dass alle Varianten mit Ausnahme der sogenannten Mundbachvariante dem Bahnhof Visp einfach nur mehr durchfahrende Züge bescheren würden.
Als der Fahrplanentwurf 1997–1999 vorlag, fanden sich darin kaum mehr Schnellzüge, die in Visp hielten. Der grosse Teil der bisherigen Schnellzüge sollte in Regionalzüge umgewandelt werden, in «Bummler» mit Halt an allen Stationen. Mit wenigen Ausnahmen, die kaum der Rede wert waren, sollten nach diesem Entwurf in Visp nur noch die Züge halten, die auch an allen anderen Stationen hielten. Es war dies ein weiterer Schritt in Richtung Zentralisierung der Dienstleistungen von PTT und SBB. Sollten regionale Zentren wie Visp mit den umliegenden Gemeinden längerfristig nicht zur Bedeutungslosigkeit absinken, mussten sie derartigen Bestrebungen rechtzeitig entgegentreten.
Obwohl die SBB in den Jahren zuvor stetig bestrebt gewesen war, die Schnellzughalte in Visp zu reduzieren, gab es Leute, die davon träumten, dass die NEAT-Züge eines Tages auch in Visp hielten – zu Recht, wie sich schliesslich zeigen sollte.
Noch vor der Jahrtausendwende brachte der Fahrplan 1999/2000 für den Bahnhof Visp bedeutende und vielfältige Verbesserungen: 18 zusätzliche Schnellzughalte, dies acht Jahre vor der Inbetriebnahme der NEAT!
Von Brig im Tunnel nach Zermatt?
Mit der Linienführung Frutigen–St. German war der längst fällige Umsteigebahnhof Visp endlich gegeben. In den Jahren davor hatte man bei den Verkehrsverantwortlichen langsam realistischer zu denken begonnen.
Lobbyisten aus benachbarten Zentren hatten das wohl nicht erwartet. Das war nun ganz und gar nicht nach dem Gusto von Planern östlich von Visp. Noch als das Projekt bereits akzeptiert war, kam von dort noch ein «Querschläger»; anders kann man es nicht nennen. Gemäss dieser Idee hätte der Tunnel im Tal des Rottens in Brig enden sollen und von dort hätten die Gäste in einem noch zu planenden und zu bauenden Tunnel quer durch die Vispertäler nach Zermatt geführt werden sollen – alles über Brig und ohne Halt in Visp. Die hirnverbrannte Idee wurde rasch beerdigt.
Varianten auf Walliser Seite
1993 war das Trassee des künftigen NEAT-Tunnels auf Berner Seite bereits festgelegt, auf Walliser Seite gab es noch drei Varianten der Linienführung. Je nach Variante hätte der Basistunnel zwischen 31,5 und 41,4 Kilometer lang werden können.
Diese Varianten führten nach Steg, Raron Ost und Mundbach, wobei der Autoverlad, der damals noch unvermeidlich schien, und der Anschluss Richtung Sitten sowohl in der Variante Mundbach als auch bei Raron Ost enthalten war.
NEAT: statt bei Mundbach bei Visp
Am 25. März 1994 präsentierten BLS und SBB die Vorprojekte für die Alp-Transitstrecke. Gemäss diesen konnten die Kosten der Lötschberg-Route mit 4,2 Milliarden Franken nur eingehalten werden, wenn der Basistunnel um sechs Kilometer gekürzt wurde. Das bedinge, dass das Südportal bereits in Raron Ost an der Grenze zu Baltschieder und Visp zu stehen kam, statt dass es bis zum Mundbach durchgezogen wurde, wie es das Projekt eigentlich vorsah. Der «Tages-Anzeiger» nannte dies einen Etappierungstrick.Der Bundesrat wollte Ende 1994 über Linienführung und etwaige Etappierungen entscheiden. An den Hauptbaustellen sollte dann ab 1996 gearbeitet werden.

Dieses «Zeitdokument» mit den eindrücklichen Massen von fast 3,5 auf 5,5 Metern schuf die Visper Künstlerin Maria Ceppi (*1963) 2002–2006. Die Arbeit besteht aus Wollstickereien, die auf 40 Paneele gespannt sind. Das Kunstmuseum Wallis in Sitten kaufte das Werk 2006 mit Unterstützung des Organisationskomitees 100 Jahre Simplontunnel und der BLS.
Kantonsmuseen Wallis, Sitten, Inv. BA 2872, Foto Michel Martinez. © Maria Ceppi
90 Prozent der Visper Stimmen für NEAT-Finanzierung
Am 29. November 1998, bei der Volksabstimmung über die Finanzierung der NEAT (FinöV, Finanzierung des öffentlichen Verkehrs), gingen in Visp nur enttäuschende 31 Prozent der Stimmberechtigten an die Urne. Mit 1 216 Ja gegen 142 Nein sprachen sich also 90 Prozent der Abstimmenden für die Finanzierung der künftigen Basistunnelverbindung aus. Das Oberwallis stimmte mit 73,61 Prozent dafür.
Ohne diese massive Zustimmung im oberen Kantonsteil hätte im Wallis das Nein obsiegt, was schwerwiegende Auswirkungen für den Kanton gehabt hätte. Das Wallis brauchte diese NEAT, wenn seine Zukunft nicht in der Isolation sein sollte. Ohne Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) hätte es keine Alpentransversale gegeben. Der Lötschberg-Basistunnel wurde nun also gebaut.
Mit einem Kostenaufwand von 13,5 Milliarden Franken sollte der Gotthard-Ast voll ausgebaut werden, der Lötschberg-Ast hingegen nur einspurig.
Logischer Grundsatzentscheid
Schon vor der erfolgreichen NEAT-Abstimmung stand fest, dass Visp künftig Umsteige-Bahnhof für die Fahrgäste aus der übrigen Schweiz in Richtung Vispertäler sein würde. Man hatte eingesehen, dass es nutzlos war, im Mittelland und in der Westschweiz hier drei und dort vier Minuten herauszuholen und dafür hunderte Millionen Franken auszugeben, um diesen Gewinn durch die bisherigen Umwege gleich mehrfach wieder einzubüssen.
Für den dafür notwendigen Ausbau des Bahnhofs Visp war im Sommer 1999 ein Wettbewerb durchgeführt worden. Dessen Resultate blieben der Bevölkerung bis dato vorenthalten. Warum? Weil man die Briger nicht unnötig provozieren wollte, denn ihrem Bahnhof drohte ein Aderlass. Der Grundsatzentscheid, sämtliche Züge in Visp wie in Brig halten zu lassen, war damals längst getroffen.
Bohrbeginn beim Jahrhundertwerk für Visp
Der 2. Oktober 2000 ist ein historisches Datum in der Geschichte des Oberwallis und derjenigen von Visp: An diesem Montag begann um 15 Uhr die gewaltige 142 Meter lange Tunnel-Bohrmaschine an der Feldenbrust des Lötschbergs zu kratzen. Der Bau des Lötschberg-Basistunnels für die NEAT, 34,6 Kilometer lang, hatte begonnen. Es konkretisierte sich, woran man hier noch wenige Jahre zuvor nicht geglaubt hatte.

Alles Bisherige – Bahnhofgebäude, Perron und technische Infrastruktur des Bahnhofs Visp – vermochte den Ansprüchen der neuen «Gare» nicht mehr zu genügen. Hier das halb abgerissene Bahnhofgebäude von 1914/1915 im Jahr 2005, zwei Jahre vor Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs. Während dreieinhalb Jahren wurde gebaut, wobei der Bahnbetrieb unvermindert aufrechterhalten werden musste.
© Silvia Salzmann
Quartier musste neuem Bahnhof weichen
Ende 2001 bewilligte das Bundesamt für Verkehr einen Kredit von 1,5 Millionen Franken für die Planung des neuen Bahnhofs von Visp. Ab dem 27. November 2002 stand fest, dass für die Realisierung des Vollknotens Visp eine Neugestaltung des Bahnhofs erforderlich war; es lag ein bereinigtes, finanzierbares Vorprojekt vor. In vier Jahren sollte ein völlig neuer Bahnhof entstehen. Dieses Gemeinschaftswerk der Schweizerischen Bundesbahn, der Matterhorn Gotthard Bahn, der Gemeinde Visp und der Postautodienste umfasste im Wesentlichen den Bau eines vierten Gleises der Schweizerischen Bundesbahn südlich der bestehenden Anlagen, den Neubau der Bahn-Infrastruktur der Matterhorn Gotthard Bahn, den Neubau eines Aufnahme- und Dienstleistungsgebäudes und eines neuen Busterminals für die Postautodienste. Das bestehende Bahnhof-Parking sollte um 160 Plätze erweitert werden.
Das Projekt bedingte für 2003 den Abbruch des bestehenden Bahnhofgebäudes, des Bahnhofbuffets sowie weiterer Gebäude.
Unglaublich: «NEAT» sollte plötzlich in Brig wenden
Im Juni 2004 machte das Oberwallis und besonders Visp einen bangen Moment durch. Im Osten (Brig) ballten sich schwere Gewitterwolken in Form von Resolutionen zusammen. Die eine befasste sich mit dem Bahnhof Visp. Sie war von CVP-Leuten und Radikalen des Mittelwallis, aber auch von CVP-Grossräten des Bezirks Brig unterschrieben und verlangte nicht mehr und nicht weniger als den Verzicht auf die Visper «Spitzkehre» und damit die radikale Redimensionierung des vorgesehenen Vollknotens, die Abwicklung des ab 2007 anfallenden Verkehrs durch den Basistunnel über den Bahnhof Brig, wodurch angeblich 20 bis 25 Millionen Franken eingespart werden konnten, sowie das Vorziehen des direkten Anschlusses über den Westast Ferden-Steg. Nach einer deutlichen Standpauke von Ständerat Rolf Escher (Brig) an die Adresse seiner Briger Parteifreunde in den Medien wurde aber die sogenannte «Bahnhofresolution» zurückgezogen. Die Initiative hätte bei Annahme auf keinen Fall ihre Begehren erfüllt; es wäre aber für das ganze Oberwallis und dessen Tourismus grosser Schaden entstanden.
Die Visper hatten durchaus Verständnis dafür, dass die Briger ob der Linienführung nicht gerade erfreut waren und sich entsprechend äusserten. Nicht einverstanden waren sie aber mit den regelrechten Hasstiraden, die über sie hereinbrachen. Die Hoffnung bestand, dass nun überall die Vernunft einkehrte, dass in der Oberwalliser Talebene das Kriegsbeil begraben wurde und man künftig zum allgemeinen Wohl besser zusammenarbeitete, denn die NEAT war ja bereits im Bau.
Vier Spuren zwischen Visp und St. German und eine neue Brücke
Nach der Eröffnung des NEAT-Tunnels durch den Lötschberg benötigte die SBB zwischen Visp und St. German ein viertes Gleis, um die künftige Trassee-Kapazität auf der Zufahrt zum Lötschberg-Basis-Tunnel sicherzustellen. Im östlichen Teil dient der Ausbau zudem dem Gleisanschluss der Debrunner-Acifer und des neuen Güter-Terminals Bockbart der Matterhorn Gotthard Bahn.
Die totale Länge des neuen vierten Gleises beträgt 3,3 Kilometer. In diesem Projekt-Perimeter befindet sich vor der Einfahrt in den Bahnhof Visp als markantes Bauwerk die zusätzliche Bahnbrücke über die Vispa. Sie trägt das vierte Gleis sowie ein Meterspurgleis der MGB und verläuft parallel zu den bestehenden Vispa-Bahnbrücken. Um das Durchflussprofil zu gewährleisten, liegt die Untersicht der neuen Brücke 10 Zentimeter höher als jene der bestehenden Brücken.
Die neue Brücke weist eine Länge von 54 Metern und eine Breite von 13,5 Metern auf. Das vierte Gleis ging 2016 in Betrieb. Wegen den strengen Auflagen betreffend Hochwasser durfte im Flussbett nur während den Wintermonaten gearbeitet werden.
Vollausbau noch offen
Der Lötschberg-Basistunnel ist ausgelastet. Er ist nur zu rund 40 Prozent zweispurig befahrbar. Auf einer Länge von 14 Kilometern ist eine zweite Röhre zwar ausgebrochen, aber nicht für den Bahnbetrieb ausgerüstet. Weitere sieben Kilometer müssten noch ausgebrochen werden, damit die Züge den Tunnel durchgängig auf zwei Spuren befahren könnten. 2019 gab das Parlament grünes Licht für den teilweisen Ausbau des Basistunnels und erteilte der BLS den Auftrag, die bereits bestehende Rohbauröhre zwischen Ferden und Mitholz bahntechnisch auszubauen. Über einen Vollausbau hat das Parlament noch nicht entschieden.
Bahnhof-Unterführung Nord blieb vier Meter breit
Im Rahmen des Baubudgets sollte beim Neubau des Bahnhofs Visp die bestehende Unterführung vom Bahnhofplatz bis zum letzten Perron-Aufgang Nord von 4 auf 7,5 Meter Breite ausgebaut werden. Die Kosten für die Verbreiterung des verbleibenden Teilstücks von 18 Meter Länge im Norden hätte die Gemeinde zu tragen gehabt. Angesichts der hohen Kosten von rund 700 000 Franken beschloss der Gemeinderat, auf die Verbreiterung zu verzichten. Dennoch erwies sich später, dass das etwas kurzfristig gedacht war.
Weniger Übernachtungen
Im Jahr 2010 zählte man im Visper Tourismus 35 008 Übernachtungen. Das waren 1 526 weniger als im Jahr zuvor. Sollte hier der Fremdenverkehr zu einer «quantité négligeable» werden?
Das Ende des Bahnhofbuffets
Am 1. Juni 1998 hatte das Visper Bahnhofbuffet seine Pforten geschlossen. Ein Zettel hinter dem Glas der Eingangstüren klärte auf, dass das Lokal wegen Betriebsübernahme vorübergehend geschlossen bleibe. Zwei Jahre später hatte sich an diesem Zustand nichts geändert.
Konnte sich Visp das leisten, am Umsteigebahnhof für die Bahn nach Zermatt, für den Postautoverkehr nach Saas-Fee und in ein halbes Dutzend umliegende Gemeinden? Angesichts der vielen Leute, die den nun zahlreicheren Schnellzügen entstiegen, die vielleicht nicht sofort Anschluss hatten, die vielleicht gerne sitzend, in der Wärme rasteten, sich etwas genehmigen wollten. Das war nun nicht mehr möglich, weil das Buffet von Visp für immer geschlossen blieb.
Während mehr als hundert Jahren hatte es nicht nur den Fahrgästen gedient, sondern war auch ein begehrter Mittelpunkt im gesellschaftlichen Leben der Ortschaft gewesen, ein Treffpunkt, der besonders für Nachtschwärmer auch nach der Polizeistunde in den übrigen Wirtschaften eine willkommene Verlängerung des Abends bot.
Das galt sowohl für das erste Buffet südlich der BVZ-Linie, mit dem Asphaltboden in der zweiten Klasse, als auch für das spätere an der SBB-Bahnlinie. Die Pächter Guillaume Pfefferlé, sein Schwiegersohn Alex Bodenmüller und schliesslich Bruno Zenklusen und Louis Doser hatten daraus auch ein beliebtes Speiserestaurant gemacht.
Das Visper Buffet war kein Einzelfall; in dieser Zeit schlossen nämlich eine ganze Reihe weiterer Bahnhofrestaurants auch in bedeutend grösseren Städten. Als sogar der grosse Umsteigebahnhof Brig sein Buffet von bedeutender Grösse am Perron 1 zumachte, war klar: diese Art Restaurant hatte ausgedient, weil es die längeren Umsteigezeiten einfach nicht mehr gab.