Historischer Moment für Visp: 1998 wurde nach jahrelanger Blockade gebaut
Mit einer symbolischen Sprengung – ausgelöst vom zuständigen Staatsrat Jean-Jacques Rey-Bellet – erfolgte am 2. März 1998, 11 Uhr, der Start der Bohrarbeiten am Sondierstollen, der vom Staldbach aus zwei Kilometer weit in östlicher Richtung führen sollte. Das war ein historischer Moment für Visp. Mit grosser Erleichterung, ja schon fast ungläubig, nahmen die meisten Visperinnen und Visper zur Kenntnis, dass nach bald einem Vierteljahrhundert Variantenstreit endlich gehandelt wurde. Bis zum definitiven Entscheid musste man sich aber noch ein halbes Jahr gedulden. Erst dann sollte feststehen, ob sich der Berg im Feetschuggen für die Realisierung dieses Jahrhundertwerks eignen würde. Er eignete sich tatsächlich dafür!
Nach Jahren war dies nun ein erster Lichtblick, war man doch der Realisierung der A9 im Raum Visp um ein gutes Stück näher gekommen. Dies, obwohl damit noch nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt waren. Eventuelle geologische Probleme wurden nämlich im westlichen Teil dieses Bergdurchschnitts erwartet, wobei man sich diesbezüglich an zuständiger Stelle eher optimistisch gab.
25 Zuständige einstimmig für Süden
In Visp, in der Matterhornstube des Restaurants La Poste, wurde der einstimmige Entscheid der 25 Mitglieder des «Comité de pilotage» am 26. November 1998 durch Olivier Michaud, den Direktor des Bundesamts für Strassen, bekanntgegeben: Das Gremium hatte festgestellt, dass die geologischen und bautechnischen Voraussetzungen für die Realisierung der Variante Süd im Raum Visp günstiger waren als vorerst angenommen, kurz, dass diese Linienführung machbar sei. Im Variantenvergleich habe diese weitaus am besten abgeschnitten. Das Comité habe daher dem Bundesamt und dem Walliser Staatsrat beantragt, hier die Arbeit am Generellen Projekt und am Umweltverträglichkeitsbericht ohne Verzug weiterführen und zum Abschluss bringen zu lassen.
Die Variante Süd stelle eine zweckmässige Autobahnerschliessung der Agglomeration Visp und der Vispertäler sicher. Sie stütze die angestrebte regionale Entwicklung und löse die Umfahrungsprobleme ohne grössere negative Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung und die natürlichen Lebensräume.
Gleichzeitig empfahl das Gremium, die drei übrigen geprüften Varianten – alle im Norden – nicht mehr weiter zu verfolgen. Es bestehe kaum Zweifel darüber, dass sich der Bundesrat diesen Anträgen anschliessen werde, erst recht, nachdem Bundesrat Moritz Leuenberger erst zwei Tage zuvor für die – sistierten – Arbeiten am Tunnel in Gamsen grünes Licht gegeben habe.
Ende des Variantenstreits: Umfahrung weitgehend im Berg
Zwei Tage später machte der Walliser Staatsrat den Beschluss des Bundesrats zu seinem. Damit fand ein über Jahrzehnte dauernder unseliger, dem Oberwallis alles andere als zuträglicher Variantenstreit endlich ein Ende. Im Raum Visp würde die Autobahn im Süden der Siedlung und weitgehend im Berg geführt werden.
Jede andere Variante hätte am Punkt, wo die Talebene von Westen her gesehen am engsten ist, grosse Teile des bereits kargen Bodens beansprucht, und zwar dort, wo bereits die Lonza, der bedeutendste Arbeitgeber des Oberwallis, breit etabliert war.

Was für ein mächtiges Bauwerk ein Autobahntunnel ist, zeigt der Grössenvergleich mit dem Mann, der hier am 26. Februar 2009 am Portal Ost des im Rohbau erstellten Tunnels Eyholz der A9 steht. Bis der Tunnel betriebsbereit ist, dauert es Jahre.
© Kanton Wallis, Dienststelle für Nationalstrassenbau (DNSB)
Gemeinde Visp sagte Ja
Anlässlich der kantonalen Vernehmlassung 1999 beschrieb das zuständige Bundesamt das Vorhaben: «Von der Gesamtlänge des Autobahnabschnittes von 8 800 m liegen ca. 80 % im Tunnel. Die Trassierung verläuft westlich von Visp entlang der SBB, führt anschliessend mit einer zweiten Röhre dem bestehenden Vispertaltunnel entlang, quert das Vispertal mit einer Doppelbrücke im Raum Staldbach und führt anschliessend in einem Bogen bis zum Halbanschluss Visp Ost. Die Variante verfügt über drei Anschlüsse: Visp West, die Verzweigung Vispertäler und Visp Ost.»
Am 18. März 1999 nahm die Gemeinde Visp zu den Auflageplänen 1:5 000 Stellung. Sie erachtete das Projekt im Grundsatz als zweckmässig. Aufgrund der Dringlichkeit des Vorhabens unterstützte sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten dessen rasche Realisierung.
Ab 29. November 1999 lag dann endlich das Projekt 1:1 000 der Umfahrung Visp Süd auf. Was viele schon nicht mehr zu glauben gewagt hatten, wurde nun doch endlich Realität. Das projektierte Werk war im Gelände ausgesteckt. Der Ausbau der A9 Visp Süd sollte in zwei Etappen erfolgen. Die erste sollte 2006 beendet, die zweite bis 2009 in Betrieb sein.
Erneute Verzögerung, diesmal im Westen
Erneut gab es eine Verzögerung, diesmal im Westen von Visp, wo die IG Raron-Visp Süd und die Umweltleute die Autobahn im Turtig sahen und in ihren diesbezüglichen Bemühungen von einer Petition von Rarnern, insbesondere St. Germanern unterstützt wurden, die ihre Wohnqualität durch die Nordvariante beeinträchtigt sahen.
Die Visper beschäftigte dann vor allem, dass aufgrund dieser erneuten Verzögerungen im Teilstück Visp West-Visp Ost nicht das Geringste gebaut wurde, bevor die Linienführung zwischen Raron und Visp feststand, ja, dass man bezüglich Termin gar das Schlimmste befürchten musste.
Wann würde die Durchfahrt Visp wohl endlich vom Transitverkehr entlastet? Leider musste man sich diese Frage immer wieder stellen. 2004 wie einmal versprochen? Wohl kaum. Eingeweihte Kreise sprachen sogar von 2010 oder gar 2011, einspurig. Man fand, dies wäre schlimm und für Visp, ja für das ganze Oberwallis, eine unannehmbare Zumutung.
Grünes Licht für A9 Visp Süd
Der Bundesrat genehmigte im Juni 1999 das generelle Projekt der A9-Teilstrecke Visp West–Visp Ost (Südumfahrung). So konnte das Ausführungsprojekt ausgearbeitet werden.
Die grundsätzlich vierspurige Südumfahrung von Visp, die in einer ersten Etappe nur zweispurig ausgeführt werden sollte, bestand aus einer offenen Strecke mit dem Anschluss Visp West, aus dem bereits in Betrieb stehenden Vispertaltunnel und dem künftigen Tunnel Schwarzer Graben/Chatzuhüs, aus einem kurzen Zwischenstück im Vispertal mit einem Halbanschluss aus dem Tunnel Staldbach/Grosshüs und einem Dreiviertel-Anschluss Visp Ost.
Die Umfahrung ist insgesamt 8,8 Kilometer lang, davon verlaufen rund 7 Kilometer in Tunneln, von diesen etwa 2,4 Kilometer im bestehenden Vispertaltunnel und der Rest in neuen Tunneln.
Die Kosten wurden auf 742,5 Millionen Franken veranschlagt. Sie lagen damit in der gleichen Grössenordnung wie das vom Bundesrat 1988 genehmigte generelle Projekt, welches dann aber in der weiteren Bearbeitung an technischen Problemen bei der Querung der Rhone und des Fabrikgeländes Lonza gescheitert war.
Das Ausführungsprojekt der Südumfahrung Visp durch die A9 sollte im Herbst 1999 öffentlich aufgelegt werden. Bereits war der Pilotstollen im Bau; mit seiner Erstellung wurde vorzeitig begonnen, nicht zuletzt, um die Kosten der Südumfahrung möglichst genau abschätzen zu können. Dank dem Stollen konnte auch festgestellt werden, dass die geologischen Verhältnisse besser waren als die Prognose.
Damit rückte eine durchgehende Autobahnverbindung durch diesen Engpass des Oberwallis bis zum Jahr 2005 in Reichweite. Doch es sollte noch mindestens zwei Jahrzehnte länger dauern.
Nächster Akt der Autobahn-Tragödie: Einsprachen
Anfangs 1999 hatte man im Oberwallis nach fast 30-jähriger Planerei aufgeatmet: Endlich war im Raum Visp für die Durchfahrt der A9 eine Lösung gefunden worden: im Süden, dies mit dem Segen der Bundesstellen. Speditive Behandlung des Projekts durch die Regierung war zugesagt.
Die Einsprachen folgten postwendend. Und damit begann ein neuer Leidensweg in der Visper Autobahn-Tragödie. Nachdem im Unterwallis wirklich alles gebaut war und nun auch im Oberwallis die Planung anderer Teilabschnitte zügig voranging und sogar gebaut wurde oder fertig gebaut war, anderes in Angriff genommen wurde, herrschte in dem Teilstück des Oberwallis, das am dringendsten hätte gebaut werden müssen, wieder Funkstille – während gut zweieinhalb Jahren. Dabei waren die Tunnelpartie und das Zwischenstück im Süden praktisch nicht umstritten.
Circa 100 der 120 Einsprachen betrafen den westlichen Anfang des Teilstücks Visp West–Visp Ost beim Vollanschluss Visp West, westlich der ARA. Man liess sich Zeit – einmal mehr.
An Neujahr 2002 stellte man in Visp betrübt fest, dass die schleppende Planung der vergangenen 30 Jahre wieder Einzug gehalten hatte. Mehr als fünf Jahre nach dem vermeintlich historischen Entscheid waren nicht nur im Teilstück Visp West–Visp Ost noch kein einziger Meter Autobahn gebaut und kein genehmigtes Projekt vorhanden, es waren nicht einmal die seit Dezember 1999 hängigen Einsprachen behandelt.
Erneut: Staatsrat hat «endgültig entschieden»
Nach langer, sehr langer Geduldsprobe – im Fall der Südumfahrung von Visp waren seit der öffentlichen Auflage des Projekts fast dreieinhalb Jahre vergangen – fällte der Staatsrat am 6. April 2002 gleich zwei wichtige Entscheide: Er genehmigte endlich die Südumfahrung von Visp gesamthaft und bestätigte anhand eines Gutachtens Bovy für die Teilstrecke Steg–Visp die sogenannte amtliche Nordvariante. Einstimmig entschied er für die Autobahn im Raum Visp, Umfahrung im Süden und Zufahrt von Raron her dem Bahngeleise entlang. Vorgängig hatte er die erforderlichen Korrekturen und Antworten eingebracht.
Er hatte unter anderem den Wünschen der Gemeinde Baltschieder um Absenkung des Anschlusses bei der ARA Visp und Versetzung der Brücke entsprochen. Dennoch sprach die Gemeinde in der Folge erneut ein und mit ihr eine ganze Reihe von Privatpersonen. Diese wollten offenbar eine Verschiebung des Anschlusses in den Süden, direkt an den Tunnel, erreichen. Aber auch wenn alles wie am Schnürchen laufen und endlich nirgends mehr Zeit vergeudet würde, rechnete der Staatsrat selbst, dass im günstigsten Fall 2009 oder eher 2010 das erste Auto durch den Feetschuggen fahren würde. So schien es für die A9 im Süden von Visp keine Probleme mehr zu geben.
Der Stau blieb
Dabei blieb in Visp ein riesiges Problem weiterhin bestehen, das von Tag zu Tag grösser wurde und – was zu befürchten war –, in nächster Zeit zu einer völlig unhaltbaren Situation führen würde: der Stau durch das Ortsinnere von Visp. Im Herbst 2002 ergab sich eine verworrene Situation, die mittelfristig wenig Gutes versprach. Sollte das Oberwallis, seine Wirtschaft, der Tourismus, seine Umwelt, auf nicht absehbare Zeit weiterhin unter dieser unhaltbaren und immer noch schlimmer werdenden Verkehrslage zu leiden haben?
Mit den Einsprachen war wieder die gesamte Strecke Visp West–Visp Ost blockiert, konnte kein Federstrich erfolgen, geschweige denn eine Schaufel an die Hand genommen werden. Denn das Departement war offensichtlich nicht in der Lage, die Einsprachen speditiv zu behandeln.
Das Kantonsgericht, dem dieses Teilstück unterbreitet wurde, verweigerte Einsprachen die aufschiebende Wirkung und entschied so, dass das Projekt Grosshüs–Ausfahrt Taltunnel Nord planerisch in Angriff genommen werden konnte. Die Einsprechenden aber hatten 30 Tage Zeit, diesen Entscheid beim Bundesgericht anzufechten.
Schuldenbremse als Bremse für A9
Nun kam eine weitere Hiobsbotschaft, die seit Längerem befürchtet worden war und wegen deren schlimmen Konsequenzen sich die Oberwalliser selber an der Nase nehmen mussten. Ein Artikel im «Touring» zeigte das Problem auf: Der Bund musste aufgrund der ein Jahr zuvor durch das Volk beschlossenen Schuldenbremse plötzlich sparen. Der Nationalstrassenbau und sogar deren Unterhalt machten da keine Ausnahme. Bewilligte Strecken wie Siders–Leuk und Leuk–Gampel waren davon betroffen. Von Visp war noch nicht einmal die Rede.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Gelder für die Planung waren davon nicht betroffen. Die «Vereinigung Oberwalliser Verkehr und Tourismus» (VOV) forderte Staatsrat und Parlament auf, alles zu unternehmen, damit wenigstens hier vorwärts gemacht werden konnte, um bereit zu sein, wenn eines Tages die Gelder wieder normal flossen. Zudem war nun hinlänglich bekannt, dass der Bereich Visp bei der Realisierung absoluten Vorrang haben musste.
Erschwerend für Visp und damit wieder für das ganze Oberwallis kam hinzu, dass die endlich vorgesehene provisorische Entlastungsstrasse von der Brigerbadner Brücke bis zur Baltschieder-Brücke in Lalden und Baltschieder wieder eine Reihe von Einsprachen ausgelöst hatte. Wenn man sich bewusst war, dass die dafür notwendige neue Brücke von Baltschieder nach Visp wegen dem Wasserstand des Rottens nur in den Wintermonaten gebaut werden konnte, war leicht auszurechnen, dass dies erst 2003/2004 der Fall sein würde.
Kaum auszudenken, was die Anwohner der Durchfahrt Visp erwartete, wenn schon im zu Ende gegangenen Sommer der Durchgangsverkehr auf dem Simplonpass um 250 Prozent zugenommen hatte. Zudem waren die Mehrheit der Fahrzeuge grosse Brummer.
40-Tönner durch Visp
Mit der Freigabe des Simplonpasses für 40-Tönner im Jahr 2000 – mit dem Einverständnis des Kantons – erschwerten sich die Verkehrsverhältnisse in Visp zusätzlich. Es lag auf der Hand, dass der Simplon als Umfahrungsstrasse für den Grossen St. Bernhard und den Gotthard in den Stosszeiten immer attraktiver wurde, zum Leidwesen der Visper an der Kantonsstrasse.
Warum eine Autobahn?
1999 veröffentlichte das kantonale Baudepartement Gründe für eine Autobahn: «Die Verlagerung des Verkehrs von den Hauptstrassen auf die Autobahn erhöht die Verkehrssicherheit. 70 Prozent der Unfälle mit Sachschaden geschehen innerorts. Das grösste Verkehrsrisiko besteht jedoch auf den Hauptstrassen ausserorts. Autobahnen gewähren eine höhere Verkehrssicherheit als andere Strassen, weil sie kreuzungsfrei und richtungsgetrennt sind und die Kurven grosse Radien haben.»
Gemeinderat für Nordvariante Raron
Im Vernehmlassungsverfahren zum «Prüfungsberichts der Zweckmässigkeit einer Studie für eine Variante Süd der A9 in Raron» vom 13. Juli 2001 des Plandossiers «Machbarkeitsstudie 1:5 000», den der Staatsrat dem Ingenieurbüro Transportplan in Auftrag gegeben hatte, zeigte sich der Gemeinderat davon überzeugt, dass für die Gemeinde Visp eine optimierte Amtsvariante im Norden die bessere Lösung darstellte als eine der vorgestellten optimierten Südvarianten.
Einweihung Gamsen–Grosshüs ohne Freude
Als am 23. Oktober 2002 das erste vollendete Teilstück der Autobahn im Oberwallis Gamsen–Grosshüs feierlich eingeweiht wurde, vermochte hierüber keine Freude aufzukommen, im Gegenteil. Heiliger Zorn herrschte vor, denn im strategisch wichtigsten Bereich, im Raum Visp, hatte man sich in den Monaten zuvor wieder um ein bedeutendes Stück von der Realisierung entfernt. Das war bedenklich und die Situation bewog die VOV, im Namen des deutschsprachigen Kantonsteils in aller Form zu protestieren und bei der Kantonsregierung eine klare Antwort auf die Frage zu verlangen, was diesbezüglich seit dem vergangenen 6. April geschehen sei und was vorgekehrt werde.
Die endlose und ziellose Planerei, der unsägliche Variantenstreit, das sture Beharren auf unhaltbaren Positionen hatte die Leute im ganzen Oberwallis wirtschaftlich schon zuviel gekostet, als dass es in diesem Rhythmus hätte weitergehen dürfen. Jetzt musste eine Entlastung her, hiess es. Alle interessierten Kreise im Oberwallis sollten gemeinsam in Sitten vorstellig werden. Man befinde sich in einem Ausnahmezustand, der sich täglich verschlimmere. Und ein solcher erfordere ebensolche Massnahmen. Sofort. Denn der Krug – am Brunnen – sei längst zerbrochen. In Visp stehe man vor einem Verkehrskollaps.
Bundesgelder drohten zu fehlen
Ende 2002 stand die Autobahn im Raum Visp einmal mehr im Mittelpunkt des Geschehens. Statt dem sofortigen Beginn der Arbeiten im Süden hagelte es erneut Einsprachen – diesmal von Baltschieder her.
Und es drohte, dass die Bundesgelder eines Tages nicht mehr in genügender Menge vorhanden waren. Im April 2003 bescherte die A9 der Bevölkerung von Visp erneut ein Wechselbad der Gefühle, weil Bern die für das Wallis reservierten A9-Gelder plötzlich nach Zürich transferierte. Die Mittel wurden eben dort eingesetzt, wo der Verkehr noch bedeutender und der Bedarf noch dringender war, vor allem dort, wo man bereit war, die Gelder zu verbauen.
Dann kam aber doch von Bern die erlösende Meldung, dass für die Detailplanung und zum Bau der vier Tunnel im Süden von Visp grünes Licht erteilt worden sei. Staatsrat Rey-Bellet liess verlauten: «In allen vorstellbaren Fällen wird die A9-Umfahrung von Visp vorrangig und mit genügend (finanziellen) Mitteln ausgestattet sein.» Kaum ein halbes Jahr später verzögerte sich der Nationalstrassenbau, nicht nur im Wallis, erneut; die angespannte Situation der Bundesfinanzen sorgte dafür.
Im Herbst 2004 dann wieder ein Lichtblick. Nach beendigter Projektierung werde im Süden sofort mit dem Bau begonnen, hiess es. Das Geld dafür werde vorhanden sein; das Bundesamt für Strassen habe es für diesen Fall ausdrücklich zugesagt.
2004: Spatenstich für Tunnel Eyholz im Staldbach
Am 16. Dezember 2004 erfolgte der Spatenstich für den Tunnel Eyholz im Staldbach – mit markanter Vorgeschichte. Am Tag des Spatenstichs stellte man fest, dass 10 720 Tage seit der ersten Projektgenehmigung durch den Bundesrat am 11. August 1975 verstrichen waren, wobei die Strecke damals rechts des Rottens und südlich von Lalden verlaufen sollte. Nach mehr als 28 Jahren Planungszeit hatte Bundesrat Moritz Leuenberger am 10. März 2003 die definitive Genehmigung des Projekts erteilt.
Ab 2005 wurde an der Südumfahrung von Visp gebaut. 2009 sollte gemäss dem zuständigen Staatsrat Jean-Jacques Rey-Bellet die Tunnelröhre als zweispurige Umfahrung von Visp eröffnet werden. Der 4,2 Kilometer lange Eyholztunnel wurde im April 2018 eröffnet. Es handelt sich um den längsten Tunnel der A9. Zwischen dem Eyholztunnel im Osten und dem Vispertaltunnel im Westen überquert die Autobahn die Vispa auf den zwei parallelen Staldbachbrücken.
Die Umfahrung von Visp hat wie erwähnt drei Anschlusswerke, das ausgedehnte Verzweigungssystem «Visp West» im Gebiet Schwarzer Graben, «Visp Süd» an der Vispertalstrasse mit unterirdischen Verzweigungskavernen sowie «Visp Ost» im Gebiet von Brig-Glis.
A9 in Visp – für die Grosskinder?
Bei der Einweihung der ersten, vorläufig nutzlosen drei Kilometer Autobahn Visp Ost (Grosshüs) bis Gamsen, die Ende 2002 dem Verkehr übergeben wurden, verwies der Vizedirektor des Bundesamtes für Strassen (ASTRA), Willy Burgunder, auf die besonders auch für den Autobahnbau im Wallis möglichen Konsequenzen und stellte eine düstere Prognose, als er sagte: «Wenn ich von Gamsen in Richtung Westen schaue, werde ich wohl frühestens mit meinen Grosskindern in Visp nicht mehr im Stau stehen. Vielleicht auch erst mit meinen Urgrosskindern.»
Wieder eine falsche Prognose
Bei seinem Referat an der Generalversammlung der VOV vom 23. April 2004 nannte der Direktor des Bundesamts für Strassen, Dr. Rudolf Dieterle, für die Aufnahme des Betriebs der Südumfahrung Visp die Jahre 2009 beziehungsweise 2012.
A9-Südumfahrung Visp auf der Zielgeraden
Die letzte Phase der Bauarbeiten an der Autobahn A9-Südumfahrung von Visp begann im Herbst 2019 mit den Umbauarbeiten am bestehenden Vispertaltunnel: Dieser soll zum «Tunnel Visp» ausgebaut und bis 2026 schrittweise in Betrieb genommen werden.
Die zuständigen Stellen für den Nationalstrassenbau A9 – Staatsrat Jacques Melly und Martin Hutter, Chef des Amts für Nationalstrassenbau – konnten berichten, dass man bei der Südumfahrung Visp die letzte Bauphase begonnen habe. Man befinde sich auf der Zielgeraden. Wenn nichts Unerwartetes passiere, sollte man ab 2022 von Brig bis Visp West durchgehend auf der Autobahn fahren können. Ab Mitte 2024 dürfte dies auch in der Gegenrichtung möglich sein.
Der bisherige Hauptstrassentunnel zwischen dem Rhone- und dem Vispertal wurde dafür ab dem 7. Oktober 2019 bis Mitte 2024 für jeglichen Verkehr gesperrt. Er wurde planmässig in die A9-Südumfahrung Visp integriert und bildet künftig die 2,4 Kilometer lange Südröhre des Tunnels Visp (TUVI) zwischen dem Schwarzen Graben im Rhonetal und den Staldbach-Brücken mit einer unterirdischen Ausfahrt in die Vispertäler. Für den Bau dieser Ausfahrt wurde im Vispertaltunnel eine 240 Meter lange Verzweigungskaverne mit einer Ausbruchsfläche von bis zu 300 Quadratmetern erstellt. Die Aufweitung des Tunnelprofils erfolgte sprengtechnisch. Neben dem Bau dieser Kaverne waren Sanierungsmassnahmen an der Fahrbahn und die Erneuerung der Bankette (Trottoirs) einschliesslich der Strassenentwässerung notwendig. Mit der Fertigstellung der Notausgänge zur Nordröhre des Tunnels Visp und dem Umbau der Tunnellüftung sowie dem Einbau der neuen Betriebs- und Sicherheitsausrüstung (BSA) wird die Tunnelsicherheit dem heutigen Stand der Technik entsprechen.
Durchgangsverkehr: Entlastungsmassnahmen für Visp
Zur Verringerung der durch die Sperrung verursachten Staugefahr in Visp wurden verkehrstechnische Massnahmen vorgesehen, die sich bei der vorangegangenen Sperrung des Vispertaltunnels zwischen 2015 und 2017 bereits bewährt hatten. Der 2018 in Betrieb genommene Tunnel Eyholz sollte die Verkehrssituation zusätzlich entlasten.
Vor der ersten Schliessung hatte man befürchtet, dass sich der tägliche Talstrassenverkehr von einem Tag auf den anderen von 6 100 auf 9 200 Fahrzeuge erhöhen würde. An Spitzentagen war die Durchfahrt von mehr als 20 000 Fahrzeugen zu ertragen; der Verkehr wälzte sich immer langsamer, immer mehr Lärm und Schmutz erzeugend, durch bewohnte Gebiete.
Eine Entlastung für das Zentrum von Visp hatte man sich auch von der inzwischen gut funktionierenden Umfahrung Lalden–Baltschieder versprochen, welche bis zur «blauen Brücke» von Brigerbad ausgebaut worden war. Die Verantwortlichen der A9 hatten allerhand unternommen, um die Erschwernisse auf ein Minimum zu reduzieren. Dank der Massnahmen sollten an normalen Wochentagen kaum zusätzliche Schwierigkeiten auftauchen.
Und was konnte man im Frühjahr 2017 nach anderthalb Jahren angenehm überrascht und erleichtert feststellen? Ausgenommen an den Wochenenden hielt sich der Mehrverkehr an der Landbrücke in erträglichem Ausmass. Das erhoffte man sich daher auch diesmal, 2019–2024. Die zahlreichen Massnahmen, die auch diesmal vorgekehrt wurden, und die Tatsache, dass im Süden zwischen Hohfluh und Grosshüs jetzt auch die künftige A9 befahrbar war, trug bestimmt ihren Teil zu einer positiven Perspektive bei. Und die Verkehrsteilnehmenden wurden aufgerufen, angesichts der künftigen Vorteile durch die Fertigstellung der Autobahn im Raum Visp einmal mehr Geduld zu üben und starke Nerven zu zeigen.
Nordröhre des Tunnels Visp eröffnet
Am 23. September 2022 wurde die 2 690 Meter lange Nordröhre des Tunnels Visp (TUVI) offiziell eröffnet. Sie ist Bestandteil der Südumfahrung von Visp, welche zwischen 2024 und 2026 in beide Richtungen vollendet sein sollte. Mit der Inbetriebnahme des Tunnels Visp und des Überwurftunnels wurde ein wichtiges Etappenziel der Autobahn A9 im Oberwallis erreicht.
Es wurden insgesamt 350 Mio. Franken investiert, einschliesslich der Betriebs- und Sicherheitsausrüstung. Diese Investitionen erlauben nun eine vollständige Autobahnumfahrung von Visp – von Brig-Glis her in Richtung Unterwallis sowie aus dem Saas- und dem Mattertal. Damit konnten die Ortschaft Eyholz und gewisse Quartiere von Visp von einem Teil des Durchgangsverkehrs entlastet werden.
Erste Autobahn Milano–Chiasso vor 100 Jahren
Ziemlich genau 100 Jahre nach der Eröffnung der ersten Autobahn der Welt, die 1924 unweit vom Oberwallis entfernt, zwischen Mailand und Chiasso, gebaut worden war, dürfte die Nationalstrasse A9 das Lonzastädtchen und damit die Lonzawerke umfahren.
Mehr als zwei Milliarden für 31 Kilometer
Die Kosten sind inzwischen ins Unermessliche gewachsen. Die rund 2,27 Milliarden Franken teuren 31 Kilometer Oberwalliser Autobahn werden zu 96% vom Bund und zu 4% vom Kanton Wallis berappt. Dass die Bundesstellen trotzdem die Geduld aufbrachten und an der Südumfahrung festhielten, muss ihnen hoch angerechnet werden. Visp erhält direkte Anschlüsse an die Autobahn, wird aber als Siedlung von dieser zwischen Schwarzem Graben und Grosshüs ob Eyholz in keiner Weise belastet. Das hier besonders schmale Band zwischen den beiden Gebirgsketten kann so vollumfänglich der Entwicklung von Visp dienen – ein unschätzbarer Vorteil.
Visp einmal beendet, bleiben Raron, Gampel und der Pfynwald
Und wenn die Umfahrung Visp im Süden endlich in Betrieb gehen wird, heisst das noch lange nicht, dass die A9 im ganzen Oberwallis befahrbar sein wird. Jahre wird der Bau bei der Unterführung beim Bahnhof Raron noch beanspruchen. Der Riedberg-Hang bei Gampel wird seit Jahren überwacht. An der Oberfläche des Hangs und im Talgrund sind Verformungen feststellbar. Diese haben zu vereinzelten Rissen in Gebäuden und Bauwerken geführt. Hier gehen die Bauarbeiten nach wie vor nur schleppend voran.
Schliesslich sind während der öffentlichen Planauflage des Ausführungsprojekts der Teilstrecke Siders Ost–Leuk-Susten Ost bis Ende September 2017 nicht weniger als 92 Einsprachen eingegangen. Insgesamt dürfte der Autobahnbau im Oberwallis mehr als 60 Jahre beanspruchen.
Nach Jahren der Hochkonjunktur mit einer wohl einmaligen Fülle von öffentlichen Bauten vor allem für den Verkehr wird dies in Visp noch mindestens einige Jahre so weitergehen.