Die Pfarrei Visp soll neben Glis und Leuk zu den ältesten Pfarreien im Oberwallis gehören. Schriftlich erwähnt wird sie erst 1214. Auch wenn sich ihr Entstehen urkundlich nicht mehr nachweisen lässt, dürfte sie aber in frühere Jahrhunderte zurückreichen: Louis Carlen datiert die Gründung der Pfarrei Visp ins 8. oder 9. Jahrhundert; für ihn verharrt die Frühgeschichte im Dunkeln. Anderen Autoren zufolge geht sie eher auf das 10. oder 11. Jahrhundert zurück.
Altersbestimmung dank dem heiligen Martin
Als Hinweis auf ein hohes Alter der Pfarrei Visp gilt, dass die Kirche dem fränkischen Bischof Martin von Tours geweiht wurde. Dass Visp zu den ältesten Pfarreien im Oberwallis gehörte, beschreibt Domherr Dionys Imesch, der Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts die Geschichte der Pfarrei Visp verfasste; er veröffentlichte sie im Pfarrblatt, das ab 1926 zweimal monatlich erschien. 2014, anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums ihrer ersten Erwähnung, gab die Pfarrei Visp ihre von Domherr Imesch verfasste Geschichte nochmals als Broschüre heraus. Das Entstehen der Pfarrei Visp lasse sich urkundlich nicht nachweisen, hielt Imesch fest, sie reiche aber wohl ins 10. oder 11. Jahrhundert zurück. Für Iso Müller ist ein höheres Alter der Grosspfarrei Visp offenbar auch nicht gänzlich ausgeschlossen: «10./11. Jh. (8./9. Jh.)».
In einer Urkunde aus dem Jahr 1226 wird ein Matheus, «capellanus et rector ecclesiarum de Uespia», ein Kaplan und Rektor der Kirche von Visp, erwähnt.
Sarazenen im Wallis?
Im 10. Jahrhundert drangen «Sarazenen», also muslimische Einwanderer, in den Alpenraum ein, von 920 an auch ins Wallis. 940 sollen sie das Kloster Saint-Maurice geplündert und zeitweise die Alpenübergänge kontrolliert haben. In der zweiten Jahrhunderthälfte verstummen die Berichte über ihre Attacken.
Zwei Kirchen in Visp
Umstritten ist, ob am Anfang die St. Martinskirche oder eine Marienkirche (untere Kirche) gebaut wurde. Die Fundamente der unteren Kirche werden ins 10. Jahrhundert datiert.
Iso Müller neigt dazu, in der St. Martinskirche das erste Zentrum einer früheren Grosspfarrei Visp zu sehen, bis sie dann durch die Burgerkirche in den Hintergrund gestellt wurde, um viel später, mit dem Neubau von 1655, wieder an erster Stelle zu stehen.
Wo Pfarrei, da Siedlung
Olivier Mermod hielt fest, dass es dort, wo Pfarreien bestanden, auch Siedlungen beziehungsweise Dörfer geben musste. Ortschaften und Pfarreien wie Visp könnten schon um 700/800 bestanden haben und im Wallis soll es bereits Ende des 6. Jahrhunderts ein erstes Netz von Pfarreien gegeben haben. Eine solche Siedlung dürfte wohl auch das spätere Visp auf seinen drei erhöhten Felsvorsprüngen gewesen sein. Wie sonst hätte es eine der ältesten Oberwalliser Pfarreien sein können, wenn es nicht über eine entsprechende Bevölkerungszahl verfügte.
Mit der Einwanderung der Burgunder und später der Alemannen waren neue Dörfer entstanden. Die Zunahme der Bevölkerung hatte die Entstehung eines verhältnismässig engen Netzes ländlicher bäuerlicher Siedlungen begünstigt. Im Allgemeinen waren die Dörfer zwar klein und hatten zumeist bloss den Charakter von Weilern.
Frühere Zivilisationen waren auf dasselbe angewiesen wie unsere heutige: Wasservorkommen, Nahrungsressourcen wie Wälder oder Äcker, sonnige Lagen, Orte, die Schutz vor Naturgefahren und vor Feinden versprachen; die ältesten Teile unserer Dörfer sind deshalb oft am besten gegen Lawinen und dergleichen geschützt. Mit der Hanglage der Siedlung, die meistens gewählt wurde, verhinderte man auch, dass leichter zu bearbeitendes und bewässerbares Kulturland geschmälert wurde. Bei der Anlage der Dörfer wurden die Gegebenheiten des Klimas und des Bodens ausgenützt.
Dokument aus dem 9. Jahrhundert
Der älteste erhaltene Band in der Bibliothek des Domkapitels von Sitten stammt aus der Mitte des 9. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine Abschrift einer bedeutenden kirchlichen Rechtssammlung.
Eine frühe, gewaltige Grosspfarrei
Die Grosspfarrei Visp umfasste ein gewaltiges Pfarrgebiet: Anfänglich gehörte praktisch der ganze heutige Zenden Visp mit Ausnahme von Visperterminen zur Pfarrei. Der Zehntbezirk, wie der Zenden auch genannt wurde, der Pfarrei Visp umfasste ursprünglich nicht nur das äussere Vispertal von Stalden und Umgebung, das Saastal und das früher bewohnte Nanztal, sondern auf der rechten Rhoneseite auch die Talschaft Baltschieder und er erstreckte sich östlich bis Lalden. Nicht dazu gehörten das heutige Nikolaital und der oberste Teil von Visperterminen, das heutige Dorf.
Das Domkapitel von Sitten hatte das Patronatsrecht über Visp inne. Der Dekan von Valeria übte die Kollatur aus, das heisst er konnte den Domherren geeignete Kandidaten für die Pfarrwahl von Visp vorschlagen, worauf die Domherren die Wahl vollzogen. Aus dem Patronatsrecht des Domkapitels erklärt sich auch die Zehntenpflicht der Pfarrei Visp gegenüber dem Domkapitel. Gemäss einem Dokument vom 11. Oktober 1224 waren alle Untertanen beziehungsweise Pfarrkinder auch noch dem Bischof Landrich zinspflichtig.
Weitläufige und deshalb teure Grosspfarrei Visp
Die grosse Ausdehnung der Pfarrei erforderte für die seelsorgerische Arbeit eine Mehrzahl an Geistlichen. In einem Vertrag vom 31. Januar 1431 wurde der Pfarrer von Visp – wohl nicht zum ersten Mal – verpflichtet, für Visp und für dessen Filialkirchen drei Kapläne zu halten und diese aus seinen Einkünften zu entlöhnen. In den oft weit entlegenen Dörfern liess der Pfarrer von Visp die Seelsorge durch verschiedene Hilfsgeistliche ausüben. Diese nahmen allmählich ihren ständigen Sitz in den betreffenden Orten und erhielten eigene Pfründen. So entstanden mit der Zeit überall eigene Pfarreien.
Auch die Besoldung des Sigristen, der Unterhalt der Kirchen, das ewige Licht und das Almosen (zweimal in der Woche) mussten aus den Zehnten und Eingängen der Pfründen bestritten werden.
Nach einem Rodel vom 18. Juni 1324 betrugen die Totaleinkünfte der Pfarrei Visp aus Gefällen von Zehnten, Gilten und Opfern: 546 Fischel Korn, 4 Fischel Weizen, 62 Sester Wein, ½ Sester Öl und 9 Pfund an Geld. In Visp gab es zu diesem Zeitpunkt sieben Altaristen-Pfründen, die aus frommen Stiftungen entstanden waren.
Domschule seit dem 9. Jahrhundert
Nicht zuletzt um die Erziehung und Heranbildung des klerikalen Nachwuchses zu sichern, führte die Diözese in Sitten spätestens ab dem 9. Jahrhundert eine eigene Domschule. Strebsame Jünglinge – wohl grossmehrheitlich aus den herrschenden Familien – konnten sich dort wissenschaftliche Bildung holen.
Frühe Macht des Bistums
Wohl machte der letzte König von Hochburgund im Jahr 999 das Land von der Furka bis Saint-Maurice dem Bischof von Sitten zum Geschenk, mit aller weltlichen und religiösen Macht, aber faktisch dürfte der gnädige Herr wohl schon einige Zeit davor das Sagen gehabt haben.
Denn schon ein halbes Jahrtausend zuvor hatte der Bischof von Sitten begonnen, sein Bistum auf das gesamte Tal auszudehnen. So war die Kirche die einzige organisierte Institution in diesem Land, in dem die Bewohner als Kleinstbauern überlebten, als Analphabeten, die nicht in der Lage waren, sich zu gemeinsam vertretenen Interessen zusammenzufinden.
Als Gewährsmann des Bischofs wird der Priester die Pfarrkinder wohl auch bei ihren Alltagssorgen beraten oder sogar geleitet haben. Daneben aber gab es die lokalen und regionalen Adeligen, von denen die wenigsten Verständnis für die Nöte der Bevölkerung aufbrachten.
[Siehe auch Kapitel 04.06 «Die Mutterkirche der Grosspfarrei des Zenden Visp».]
Die Grosspfarrei Visp verkleinerte sich
In dieser Grosspfarrei konnten sich mit der Zeit zuerst die weiter entfernten Gebiete als Pfarreien verselbständigen. Erst allmählich machten sich auch weitere Filialkirchen selbstständig:
1221: Eggerberg wird der Pfarrei Naters zugeteilt, dafür Terbinen zu Visp transferiert
1272: St. Niklaus; Zermatt löste sich 1280, Täsch 1430 von St. Niklaus
1535: Stalden
1655: Saas-Grund
1715: Visperterminen
1750: Grächen
1754: Zeneggen
1916: Unterstalden
1923: Gründen
1965: Lalden
Pfarreien wurden verschoben wie Schachfiguren
Lange vor 1200 soll das Tal der Matter Vispa von der Pfarrei Visp abgetrennt und zum selbstständigen Pfarrsprengel erhoben worden sein. Der Zehntenbezirk der Pfarrkirche Visp umfasste ursprünglich nicht nur die Vispertäler und das früher bewohnte Nanztal, sondern auch die rechte Rottenseite mit Baltschieder und Lalden, jedoch ohne Eggerberg und Finnen.
Dass Visperterminen und das obere Nanztal – bis dahin der Pfarrei Naters angeschlossen – vom Bistum noch vor 1221 der Pfarrei Visp zugeordnet wurden, ist nachvollziehbar, weniger, dass im Abtausch Eggen, Bodmen und Finnen, also das heutige Eggerberg, nach Naters kirchengenössig wurden. Die Eggerberger, die dazu nicht befragt worden waren, hatten während Jahrhunderten die Folgen dieser Kompensation zu tragen. Während ihr Weg zur Kirche nach Visp lediglich circa eine halbe Stunde betragen hatte, erforderte er über Lalden und Brigerbad neu etwa 2 1⁄2 Stunden.
Zum alten Zenden Naters gehörten auch Eyholz und die heutigen Gemeinden Randa und Täsch, was in der heutigen Wahrnehmung alles andere als selbstverständlich ist. In Verbindung zur Mutterpfarrei verblieben nach wie vor die Ortschaften Grächen, Embd und St. Niklaus.
Pilgerreisen nach Rom und Jerusalem
Seit der ersten Jahrtausendwende nach Christi Geburt, in der Endzeitängste aufkamen, stieg das Interesse an Pilgerfahrten sprunghaft an. Wichtigste Ziele waren mit Abstand Rom und das Heilige Grab in Jerusalem. Als Gegenleistung für den Bussakt der oft langwierigen, beschwerlichen und gefährlichen Pilgerreise erwartete man im Bedarfsfall die Heilung, zumindest aber einen Ablass, also die Erlösung von den Sünden.
Erster Kreuzzug ins Heilige Land
Von 1096 bis 1099 fand der erste Kreuzzug ins Heilige Land statt. Er endete mit der Eroberung Jerusalems 1099. Unter den Teilnehmern waren auch Oberwalliser.
Gleichzeitig, also schon vor bald tausend Jahren, gab es in deutschen Städten Judenpogrome.
Zweimal im Jahr gebadet
Um 1080 wurde bei den Benediktinern an zwei bis fünf Terminen pro Jahr gebadet.