Kapitel Nr.
Kapitel 07.03

Der Sieg von Planta brachte den Oberwallisern 1475 das Unterwallis

Die Bündnispolitik des Herzogtums Burgund unter Karl dem Kühnen klemmte die sieben Zenden des Wallis von zwei Seiten ein. Das Herzogtum Savoyen drohte im Westen der Morge, des Flusses wenige Kilometer westlich von Sitten, der im Mittelalter die Grenze zum savoyischen Unterwallis bildete. Das Verhältnis zu Savoyen, das während Jahrhunderten das Unterwallis unter seiner Herrschaft gehabt hatte, war angespannt; die beiden Nachbarn machten sich gegenseitig Gebiete streitig und misstrauten sich. Im Osten war das Herzogtum Mailand, das den Burgundern Söldner schickte, die über den Grossen St. Bernhard gingen. Als die Beziehungen zwischen Savoyen und Mailand 1468 durch eine Heirat weiter gefestigt wurden, 1473 von Karl dem Kühnen angeworbene italienische Söldner in grosser Zahl Savoyen durchquerten und Savoyen ein Wirtschaftsembargo gegen die Eidgenossenschaft erliess, nachdem es sich durch eine Heirat mit Burgund verbunden hatte, waren die Schweizer verunsichert.

Die Schlacht auf der Planta in Sitten (1475). Nach dieser Schlacht eroberten die sieben oberen Zenden das gesamte Unterwallis unterhalb von Sitten, befreiten es vom jahrhundertelangen Joch der Savoyer und machten es sich untertan bis 1798. Im Jahr 1536 dehnten die sieben Zenden ihr Untertanengebiet bis nach Evian hinunter aus, gaben dieses Gebiet, das heute zu Frankreich gehört, allerdings schon 1569 wieder zurück.

Darstellung aus Gerold Edlibach, Zürcher- und Schweizerchronik 1469–1476, Zentralbibliothek Zürich, abgebildet bei Fibicher

Auf der Planta griff man zu den Waffen

Während der Burgunderkriege (1474–1477), am 13. November 1475, trafen vor den Toren der Stadt Sitten die sieben Walliser Zenden, Bischof Walter Supersaxo und eidgenössische Verbündete auf ein grosses Heer Savoyens. Die Auseinandersetzung ging als Schlacht auf der Planta in Sitten in die Geschichte ein. Die Walliser siegten.

Die Folgen waren für das Herzogtum Savoyen verheerend: In den Tagen nach der Schlacht eroberten die Walliser mit ihrem Bischof Walter Supersaxo das ganze Unterwallis bis Saint-Maurice von den Grafen von Savoyen zurück und besetzten den strategisch wichtigen Grossen St. Bernhardpass. Widerstand gab es kaum.

Sie zerstörten die Schlösser Conthey, Saillon und Saxon und zwangen Martigny zur Kapitulation und zum Treueschwur gegenüber dem Bischof von Sitten. Am 1. Dezember vermittelten Bern und Freiburg einen Waffenstillstand mit der Herzogin Yolanda von Savoyen.

Nach dem Rückzug der Oberwalliser blieb das Gebiet für längere Zeit sich selbst überlassen. Erst nach der Schlacht von Grandson am 2. März 1476 zogen die Oberwalliser wieder bis nach Saint-Maurice und forderten von den Einwohnern den Treueeid gegenüber dem Bischof. Bern übergab zwei Wochen später Saint-Maurice, das ihm Savoyen verpfändet hatte, dem Landeshauptmann des Wallis und einer Abteilung Soldaten, der militia sancti Theoduli, zuhanden des Bischofs und der Landschaft Wallis.

Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen fanden Friedensverhandlungen statt. Da die Walliser auf ihren Eroberungen beharrten und auch der Bischof sich weigerte, die eroberten Gebiete an Savoyen zurückzugeben, Savoyen aber nicht bereit war, seine Interessen aufzugeben, wurde bloss ein Waffenstillstand vereinbart, der allerdings mehrfach verlängert wurde, letztmals bis zum 29. September 1478.

Der militärische Erfolg auf der Planta hatte zur Folge, dass die Bischöfe des Wallis und die Zenden in den folgenden Jahrzehnten eine aggressive Expansionspolitik betrieben.

Die Ausdehnung des Herzogtums Savoyen im Jahr 1475, als die Schlacht auf der Planta in Sitten stattfand: Die sieben Walliser Zenden, Bischof Walter Supersaxo und eidgenössische Verbündete trafen auf ein grosses Heer Savoyens und besiegten es.

© Marco Zanoli 2018, Sidonius, CC BY-SA 4.0

Unterwallis den Grafen von Savoyen entrissen

Um die Sache im Sinne der Walliser zu entscheiden und den Status des eroberten Landes durch einen Rechtsakt endgültig festzulegen, beschlossen Bischof Walter Supersaxo und die Abgesandten der Zenden am 31. Dezember 1477 auf dem Weihnachtslandrat die Einverleibung des eroberten Gebiets als Untertanengebiet des Wallis.

Dabei berief sich Bischof Supersaxo auf die sogenannte «Carolina», die neben seiner geistlichen Macht auch seine weltlichen Rechte und ausgedehnten Besitz legitimierte; dieses Dokument sollte beweisen, dass seinerzeit Karl der Grosse und Bischof Theodul dem Fürstbischof des Wallis die Grafschaft Wallis als Lehen übergeben hatten. Allerdings war dieses Dokument eine Fälschung, die der Bischof hatte anfertigen lassen, um die Eroberung des Unterwallis zu legitimieren.

Das Unterwallis kam vom Regen in die Traufe; es blieb Untertanenland. Hatte bisher Savoyen die Herrschaft ausgeübt, waren es fortan die Walliser. So blieb es bis zur französischen Revolution, mehr als 300 Jahre.

Nach der Schlacht von Planta war das Unterwallis – bis zur Ankunft der französischen Truppen nach der französischen Revolution – Untertanengebiet des Wallis der sieben Zenden.

© Peter Salzmann nach Fibicher

Zurückerobert, was vor langer Zeit verloren ging

Bischof Supersaxo wurde zum Landesherrn in den neu erworbenen Gebieten. Diese Einverleibung des Unterwallis wurde ein Versuch zur Sicherung des eroberten Landes. Für die sieben Zenden war das Unterwallis nicht erobert, sondern wiedergewonnen worden. Das eroberte Gebiet hatten die Herzöge von Savoyen der Kirche von Sitten und der Landschaft Wallis vor langer Zeit weggenommen und bis zum Kampf auf der Planta von 1475 in Besitz gehabt.

Aus savoyischer Sicht zählte aber das Unterwallis zum Stammland des Herzogtums, hatte es doch während der vergangenen 500 Jahre zu Savoyen gehört. Während langer Zeit war es Savoyen immer wieder gelungen, eigene Kandidaten auf den Bischofsstuhl zu bringen, beginnend mit Aymon und endend mit Eduard von Savoyen, der von 1375 bis 1386 als Bischof im Wallis regierte.

Das änderte mit Bischof Walter Supersaxo aus Ernen, der ab 1457 Bischof war. Ihm gelang es also 1477, seinen Anspruch auf die landesfürstliche Macht im Unterwallis gegen Savoyen durchzusetzen – dies mit Unterstützung der Landschaft Wallis, das heisst der sieben Zenden. Er festigte so auch seine Macht im Innern. Als erster Walliser Bischof begann Walter Supersaxo 1479 eigene Münzen zu schlagen. Nach seinem Tod 1482 teilten sich seine beiden Söhne das Erbe.

Das Wappen des Hauses Savoyen, unter dessen Fittichen das Wallis unterhalb von Sitten während Jahrhunderten war. 1475 wurden die Savoyer aber durch die Oberwalliser, zu denen damals auch Siders und Sitten gehörten, bei der Schlacht von Sitten für immer an ihre Grenzen verwiesen. Bekanntlich wurden die Unterwalliser dabei nicht frei, sondern gerieten wieder für mehr als 300 Jahre unter die «Obhut» der sieben oberen Zenden. 

Zenden wollten Souveränität

1435 hatte der Bischof den Landleuten die Teilnahme an der Verwaltung des Landes und die Ernennung der Beamten gewähren müssen. Jeder Zenden war ausserdem befugt, seinen Meier oder Kastlan selber zu wählen. Gleichzeitig erwarben die Landleute Rechte und Privilegien und verteidigten diese – notfalls auch mit Gewalt – gegen ihren eigenen Landesherrn. Die bischöfliche Politik fand immer dann Unterstützung, wenn sie gegen Savoyen gerichtet war.

Mit dem Versuch des Wallis, unabhängig von Savoyen zu werden, verband sich auch der Wille, vom Bischof als Landesherrn loszukommen. Mit der Entwicklung der Zenden-Souveränität wuchsen die Ansprüche der Untertanen auf Unabhängigkeit vom Landesherrn. Wenn zeitweise die Politik von Bischof und Landleuten übereinstimmte, änderte das nichts an diesen Ansprüchen. Die einmal begonnene Entwicklung lief auf die völlige Souveränität der Zenden hinaus.

Söldnerpensionen und Friedensgelder für Zenden

Zu den Aufgaben des Zendenrats gehörte auch, die jährliche Zendenrechnung abzunehmen. Die hauptsächlichen Einnahmen des Zenden bestanden aus den Pensionen für die Söldnerdienste und den Friedensgeldern, welche der Papst, der König von Frankreich, die Herzöge von Mailand oder Savoyen oder andere Herren beziehungsweise Herrschaften dem Land Wallis jeweils ausbezahlten. 1536 bis 1539 zum Beispiel erhielt jeder Zenden durchschnittlich 170 Kronen französische Pension.

Landrecht

Die Eroberung des Unterwallis 1475, dessen Einrichtung als Untertanenland und andere Gründe stellten Bischof und Landrat vor neue Aufgaben: Ein zuvor eingebrachtes Landrecht trat in den Hintergrund und erlangte wahrscheinlich überhaupt nie Geltung. So war die Schaffung eines neuen einheitlichen Landrechts eine Notwendigkeit. Das sollte auch Bischof Matthäus Schiner nicht verborgen bleiben, der dafür eine Kommission einsetzte.

Bischof Hildebrand von Riedmatten, mit Lizenziat der Rechte an der Sorbonne in Paris, schuf dann 1597 ein neues Landrecht, das während mehr als zwei Jahrhunderten das Rechtsleben im Land bestimmte.

Die ersten Kastlane von Visp im 15. Jahrhundert

1410: Petrus de Platea

1417: Johannes de Bunda

1418: Johann Roten

1423: Heinzmann von Silenen

1428: Johann de Platea

1431: Heinzmann von Silenen

1432: Johannes de Bunda

1443: Heinzmann von Silenen

1449: Juon Werra

Junker und Wirt

Ein Sohn Theoduls zu Rotten – Jens, der den Junker-Titel trug – führte um 1470 in Visp eine Wirtschaft. 1473 und 1477 war er sogar Kastlan von Visp.

Visper an der Schlacht bei Murten

Zusammen mit den übrigen Orten des Wallis schloss Visp am 11. August 1417 zum besseren Schutz gegen Witschard von Raron mit Luzern, Uri und Unterwalden ein Burg- und Landrecht ab.

Als Karl von Burgund die Eidgenossenschaft mit Krieg überzog, stellten sich die Walliser an deren Seite. So befanden sich unter den 8 000 Mann, welche den Eidgenossen zur Befreiung des Städtchens Murten zu Hilfe eilten, auch Visper.

Wappenscheibe in der französischen Kirche in Murten.

© Peter Salzmann

Schlacht im Nanztal gegen Langobarden

In seinem Beitrag «Die Burgschaft Visp» hielt Adolf Fux fest, dass im Sommer 1476 rund 3 000 aus der Lombardei stammende Krieger über den Simplon zogen, um in Murten Karl den Kühnen zu unterstützen und selbst reiche Beute zu machen. Ein Teil dieser Langobarden drang von Italien her durch das Nanztal vor, wo sich ihnen die Walliser, darunter auch Visper, entgegenstellten und sie vollständig aufrieben. Der Kampfplatz, auf dem viele Langobarden ihr Leben lassen mussten, heisst noch heute «Todtenboden».

Visper Ansprüche im Nanztal

Am 1. August 1486 fiel ein Streit im Nanztal zugunsten der Visper aus. Es hatte Grenzstreitigkeiten in den Nanzalpen gegeben, und zwar zwischen den Nidersten-Alpen, die den Gamsern gehört haben sollen, und den Bistinen-Alpen der Visper. Strittige Gebiete waren die Hermettja, die Niiwa unter der Hermettja und der Beptiniwald. Da beide Parteien auf das strittige Gebiet Anspruch erhoben, wurde zur Entscheidung der Angelegenheit ein Schiedsgericht bestellt. Da aber die Visper schon seit Menschengedenken in «friedlichem Besitz» der Hermettja und der Niiwa gewesen waren, fiel der Entscheid zu ihren Gunsten aus.

Anton Werra, der savoyenfeindliche Visper

1449 war Juon Werra Kastlan von Visp und vertrat seinen Zenden auch im Landrat. Ein Jahr später nahm er zusammen mit anderen Vertretern des Visper Adels am «Consilium generale» teil. Zusammen mit Hans Gottefredi, Heintzmand von Silinon (Heinzmann von Silenen), Philipp de Platea, Stephan und Symon Uldrici und einigen anderen handelte er am 29. April 1451 für die Gemeinde Visp und traf für diese eine Vereinbarung mit seinen Neffen: Junker Johannes und Anton Werra verpflichteten sich dabei zur Bezahlung eines jährlichen Zinses von 40 Solidi und gaben die Garantie auf alle ihre in Visp gelegenen Güter – Äcker, Wohnhäuser, andere Gebäude, bebaute und unbebaute Grundstücke und so weiter.

Das damalige Geschehen muss auch bei seinem damals 8-jährigen Sohn Anton II. unauslöschliche Erinnerungen hinterlassen haben, zumal sein Vater kraft seiner machtvollen Stellung in Visp an der Vorbereitung und Durchführung des Waffengangs gegen Savoyen ohne Zweifel massgeblich beteiligt war. Dies dürfte den später bei Anton immer wieder hervortretenden antisavoyischen Affekt erklären.