Kapitel Nr.
Kapitel 02.03

Ein Friedhof in Visp, angeblich aus der Burgunderzeit

Um 313 war die Zeit der Christenverfolgung vorbei; fortan konnten die Christen ihren Glauben frei bekennen. Das Christentum verbreitete sich über die Strukturen des Römischen Reichs. Es gelangte wohl auf den bestehenden grossen Verkehrswegen von Oberitalien in den Alpenraum.

Im Wallis erfolgte die Christianisierung im 4. Jahrhundert von Octodurus, dem heutigen Martigny aus. Eine Inschrift in Sitten aus dem Jahr 377 ist der älteste Nachweis dieses Glaubens.

An einer Kirchenversammlung im Jahr 381, dem Konzil von Aquileja, zwischen Venedig und Triest gelegen, nahm ein gewisser Theodul, Bischof von Octodurus, heute Martigny, teil. Mit ihm wird das Bistum im Wallis erstmals genannt.

Ein erstes Zeugnis der Christianisierung des Wallis: Rechts oben auf dieser Marmortafel – sie ist im Rathaus von Sitten zu sehen – befindet sich die älteste christliche Inschrift der Schweiz.

© Thomas Andenmatten

Christus-Monogramm von 377

Im Rathaus der Stadt Sitten hängt eine Gedenktafel, die der Statthalter Pontius Asclepiodotus im Jahr 377 nach Christus an einem öffentlichen Gebäude der Gemeinde hatte anbringen lassen. Das Christus-Monogramm rechts von der Inschrift lässt darauf schliessen, dass das Christentum gegen Ende des 4. Jahrhunderts im Wallis angekommen war.

Detail mit dem Christuszeichen auf der Marmortafel im Sittener Rathaus.

© Thomas Andenmatten

Der Kult des heiligen Mauritius

Theodul, der vermutlich einer kleinen Christengemeinde vorstand, begründete in Acaunum, später Saint-Maurice, den Kult des Mauritius und seiner Gefährten der Thebäischen Legion. Diese sollen um das Jahr 300 herum wegen ihres Glaubens hingerichtet worden sein, so zumindest stellt es ein Passionsbericht von 440 dar. Die römische Legion von christlichen, aus dem ägyptischen Thebais rekrutierten Soldaten soll den Märtyrertod bei Acaunum erlitten haben. Dort stiess der Walliser Bischof 380 auf ihre Gebeine und liess sie bestatten. Heute wird die Geschichte der thebäischen Legion bezweifelt.

Triptychon des Heiligen Theodul, des ersten bekannten Bischofs des Wallis, von Hans Bock dem Älteren (1550–1642), 1596. Links der heilige Theodul, der Ende des 4. Jahrhunderts die Gebeine der Märtyrer der Thebäischen Legion entdeckt haben soll. In der Mitte übergibt Karl der Grosse dem Theodul das Schwert als Zeichen der weltlichen Macht. Ölgemälde auf Holz, Länge 166,5 Zentimeter, Höhe 79,5 Zentimeter. Geschichtsmuseum Wallis, Hinterlegung, MV 12982.

© Kantonsmuseen Wallis, Sitten. Foto: Jean Yves Glassey

Theodul, Theodor, Joder

Auch in der Sage lebt der heilige Theodul, auch Theodor oder Joder genannt, weiter: Besonders beliebt sind die Legenden vom Weinwunder und die Glockensage. Diese lebt in unseren Tagen auf der Weinetikette der Terbiner St. Jodernkellerei weiter.

Trotz St. Theodul huldigten Walliser Göttern

Obwohl das Christentum von 380 an römische Staatsreligion war, hielten vermutlich die meisten «Walliser» nach wie vor an den alten, gallo-römischen Göttern fest. Das ländliche Wallis war also noch Missionsgebiet, der hl. Theodul sein Missionar. So soll sich der Bischof von Lyon Mitte des 5. Jahrhunderts erstaunt gezeigt haben, dass es im Wallis noch Heiden gab. Das Christentum setzte sich allmählich durch.

Burgunder gründeten Abtei Saint-Maurice

Um 443 siedelte der römische Feldherr Flavius Aetius an der Nordflanke Italiens, also vor allem im heutigen Aostatal, die Burgunder an. Nach dem Tod des Aetius 454 endete die römische Herrschaft in Gallien.

Die Burgunder drangen über den Grossen St. Bernhard ins Wallis vor und nahmen 455 und 457 davon Besitz. Das Wallis, das noch um 400 ein Verwaltungsbezirk des Römischen Reichs war, unterwarf sich 457 aus freiem Willen den Burgunderkönigen; es wurde dem burgundischen Königreich eingegliedert.

Bei der Ausdehnung ihrer Herrschaft stiessen die Burgunder bis nach Leuk vor. Es scheint, dass im Raum oberhalb des Pfynwalds keine bedeutenden burgundischen Siedlungen entstanden.

515 gründete der burgundische Prinz Sigismund die Abtei Saint-Maurice und beschenkte sie mit Ländereien. Das einflussreiche Kloster steigerte die aussergewöhnliche und dauerhafte Strahlkraft des Mauritius-Kults.

Burgunder-Friedhof in Visp

Abgesehen davon blieben die Burgunder ohne ausgeprägten Einfluss. Einzig bei Visp soll es einen Friedhof aus der Zeit der Burgunder gegeben haben; davon berichtet Louis Carlen. Funde aus dieser Anlage sollen 1920 an das Schweizerische Landesmuseum gelangt sein.

Offenbar wurden beim Erstellen der ersten Etappe des heutigen Friedhofs im Kehr Überreste von Waffen gefunden, die auf einen burgundischen Friedhof aus den ersten 500 Jahren nach Christus hindeuten.

Die Bestattungsriten bei den Burgundern und später bei den Franken veränderten sich mit dem Christentum. So hielt zum Beispiel die Körperbestattung in Einzelgräbern Einzug und die Gräber wurden systematisch nach Westen und Osten ausgerichtet.

Wie das Gebiet des heutigen Visp damals bewohnt war, wie die Menschen lebten, wer das Sagen hatte, darüber gibt es keine Klarheit.

Marc-Rodolphe Sauter (1950) geht davon aus, dass es in Visp oder seiner Umgebung einen burgundischen Friedhof gab. Tatsächlich verfügt das Nationalmuseum über zwei Schwerter, drei Scramasax, drei Lanzen, zwei Schildumbos und zwei Gürtelplatten, die von dort stammen. Wurfaxt (Franziska) aus Metall, Eisen. Sie gehört zum frühmittelalterlichen Waffenfund aus Visp, den das Nationalmuseum aus einer Privatsammlung gekauft hat.

© Nationalmuseum Zürich

Beil beziehungsweise Schlichtaxt, aus Metall, Eisen. Es gehört zum frühmittelalterlichen Waffenfund aus Visp im Nationalmuseum.

© Nationalmuseum Zürich

Weidenblattförmige Lanzenspitze aus dem Frühmittelalter, die in Visp gefunden wurde.

© Nationalmuseum Zürich

Eisenschwert aus dem frühmittelalterlichen Waffenfund aus Visp, der heute dem Nationalmuseum im Zürich gehört.

© Nationalmuseum Zürich

Weiteres Beispiel der frühmittelalterlichen Waffenfunde aus Visp: Schildbuckel aus Metall, Eisen.

© Nationalmuseum Zürich

Gräber aus verschiedenen Zeiten

Beim heutigen Friedhof im Kehr des Talwegs sowie beim Schönbiel, wo die Hübschburg gestanden haben soll, machte man Gräber aus der Halstatt-Zeit (800 bis 400 vor Christus) aus und später auch Zeugen aus der Burgunderzeit.

Pocken-Epidemie

Um 570 nach Christus wurde das Wallis von einer Pocken-Epidemie («Blattern») heimgesucht.

Dem Frankenreich einverleibt

Nach ihrem Sieg über den letzten Burgunderkönig im Jahr 534 beherrschten die Franken das Wallis. Damit fiel auch das Wallis unter fränkische Verwaltung; es wurde den fränkischen Königreichen einverleibt und bildete darin einen eigenen Verwaltungskreis, den Walliser Gau.

Wie Sitten Hauptstadt wurde

Wiederholte Überschwemmungen des Rottens und der Dranse sowie andere Faktoren sollen den Bischof kurz vor 585 bewogen haben, seinen Sitz von Octodurus nach Sedunum, heute Sitten, zu verlegen. Die Verlegung des Bischofsitzes wird vor allem mit der Befestigung der Stadt Sitten und dem Felsen von Valeria begründet. Diese boten damals einen ganz anderen Schutz als Octodurum an der Strasse zum Grossen St. Bernhard, über den die Langobarden 583 plündernd und sengend eingebrochen waren.

Damit stieg Sitten zur neuen Hauptstadt auf und wurde eine wichtige Stätte der Christianisierung des Wallis.

Kampf um Kirche und Kloster

20 Jahre bevor der Sitz des Bistums im Jahr 585 nach Sitten verlegt wurde, residierte in Martigny Bischof Agricola. In einer Nacht des Jahres 565 wurde er von Mönchen des Klosters Saint-Maurice überfallen. Als das Volk ihn zu schützen versuchte, kam es zu einem blutigen Kampf um die Kirche des Bischofs. Dieses Ereignis ist ein Zeugnis früher Auseinandersetzungen zwischen Kurie und Kloster im Wallis.

Verzögerte Oberwalliser Christianisierung

Vom bischöflichen Sitz aus breitete sich das Christentum im ganzen Tal des Rottens aus. Pfarreien, die in den Siedlungen entstanden, bestanden im Oberwallis bereits in merowingisch-karolingischer Zeit (500–800). Ende des 6. Jahrhunderts gab es ein erstes Netz von Pfarreien, zu denen im Oberwallis Glis gehört haben soll.

Die christliche Kultur drang vorerst wohl über Visp bis nach Naters und Mörel hinauf, stoppte aber zunächst am Deischberg. Wegen dieses Hindernisses hiess das Goms noch bis anfangs des 16. Jahrhunderts «oberhalb des Deisch Berg». Das Goms wurde erst später christianisiert. Ungefähr im 10. Jahrhundert dürfte die Christianisierung des Wallis abgeschlossen gewesen sein.

Gründung des Hochburgund

Im 9. Jahrhundert zerfiel das fränkische Reich in drei Teile. Das Wallis fiel dem Mittelreich zu, das aus einem schmalen Streifen zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer bestand. Aus einem Teil gründete Rudolf I. im Jahr 888 das Königreich Hochburgund. Dieses umfasste unter anderem die Grafschaft Wallis.

Weitere Inhalte des Kapitels 2, 1–998 n. Chr.

Römer, Burgunder, Franken und die Alemannen, die blieben

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Kapitel 02
Zeithorizont
1–998 n. Chr.