Nach mehrmaligem Nationenwechsel nun Schweizer
Das Wallis erlebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie die Schweiz und Europa eine stürmische Zeit. Die Französische Revolution hatte die bisherige Ordnung und die jahrhundertealten Grenzen über den Haufen geworfen. Zwischen 1798 und 1848 vollzog sich der Übergang von der alten Eidgenossenschaft der dreizehn Orte mit ihren zugewandten Orten wie dem Wallis und den Untertanengebieten zum modernen Bundesstaat Schweiz. Das politische Geschehen im Wallis am Ende des 18. Jahrhunderts, als sich die Walliser den Franzosen entgegenstellten, war schliesslich ein Bestandteil der grossräumigen politischen Ereignisse dieser Zeit.
Die Behauptung, das Wallis sei abgeschieden, entsprach für einmal nicht der Realität. Nach der Jahrhundertwende wechselte es seine staatsrechtliche Form in kurzer Zeit gleich mehrmals. Die Bevölkerung erlebte innert weniger Jahre fünf Staatsangehörigkeiten, das Wallis gehörte verschiedenen «Nationen» an: Bis 1798 war es ein zugewandter Ort der Eidgenossenschaft mit dem Untertanenland «Unterwallis» gewesen, dann wurde es – absolut unfreiwillig – Teil der Helvetischen Republik, anschliessend ein unabhängiger Staat, eine «unteilbare Republik», die allerdings ein Satellitenstaat Frankreichs war (1802–1810), und schliesslich Teil von Frankreich als Département du Simplon (1810–1813), in dem es auch einen «Canton de Viège» mit einem «Maire» gab. Von diesem wurde viel verlangt, seien es Unterkünfte für Soldaten, Angaben für Statistiken, Auskünfte über Gesinnung, Talente und Fähigkeiten der vornehmen jungen Personen mit Potenzial für öffentliche Ämter, über die Lese- und Schreibkompetenzen der «Maires», über auswärts Erwerbstätige, über das Vorhandensein einer Feuerspritze, über die Anzahl Pferde in der Gemeinde und zudem sollte er die Gemeindekasse aushändigen samt «Acten, Pacten, Contracten und Obligationsbriefen». Nach der Niederlage der Franzosen besetzten die Österreicher das Wallis, das von Dezember 1813 bis 1815 einer Übergangsregierung unterstand. Es herrschten Anarchie, wirtschaftliche und soziale Krisen, bis das Wallis 1815 endgültig ein Kanton der Schweiz wurde – als zwanzigster einer der letzten, die beitraten. Ob die Bevölkerung sich immer bewusst war, wohin sie gehörte? Immerhin fasste der Grundgedanke der Aufklärung, die Gleichberechtigung der Menschen, auch im Wallis Fuss, das so zu einer wesentlichen politischen Errungenschaft gelangte, die inzwischen selbstverständlich ist.
Gravierende Auswirkungen für die Oberwalliser Zenden hatte die Aufhebung des Untertanenverhältnisses zum Unterwallis; dieses war nun frei. Allerdings wurde das Recht so ausgestaltet, dass das Oberwallis politisch weiterhin an der Macht blieb. Noch lange musste sich das Unterwallis von den Oberwalliser Zenden ungerecht behandelt fühlen. Die Familien, die bisher an der Macht gewesen waren, konnten sich in ihrer vorteilhaften Position halten.
Ortsintern bestanden nach der Entstehung des Bundesstaats während Jahrzehnten Differenzen zwischen der Visper Burgerschaft, die bis anhin allein geherrscht hatte, und der Munizipalgemeinde, welche das Bundesgesetz neu geschaffen hatte.
Das zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, als das Wallis noch immer die Folgen des Franzoseneinfalls verarbeiten musste, war auch geprägt von einer Hungersnot. Diese war die mittelbare Folge eines Vulkanausbruchs 1815 in Indonesien, welcher der Welt zwei Schlechtwetterjahre mit Missernten, Ernteverlust, Teuerung und hohen Nahrungsmittelpreisen bescherte. Nicht zuletzt diese Hungerjahre dürften dazu beigetragen haben, dass die Gemeinde Albenried, die ein halbes Jahrtausend lang selbstständig überlebt hatte, 1817 zu Visp stiess.