28. Mai 1799, der schlimmste Tag in der Visper Geschichte
Die Französische Revolution von 1789 fand zumindest im unteren Wallis rasch ein starkes Echo. Lange genug hatte nämlich die Bevölkerung zwischen der Morse unterhalb von Sitten und dem Genfersee unter dem Joch der Mitbürger aus den sieben oberen Zenden zu leiden gehabt, insgesamt mehr als 300 Jahre. Die sieben oberen Zenden des Wallis gerieten deshalb immer mehr unter Druck; anfangs 1798 sahen sie sich schliesslich gezwungen, ihren Untertanen im Unterwallis dieselben Rechte einzuräumen, die den Oberwallisern schon seit 1475 zustanden. Paris hatte das Wallis jedoch schon der Helvetik zugeschlagen. Denn als die Franzosen ihre neuen Errungenschaften vorerst auf die benachbarten Länder auszudehnen begannen, war bald auch die in der Tagsatzung organisierte Schweiz an der Reihe – und damit das Wallis. Das Vorgehen der Truppen Napoleons war brutal. 1798 fielen die Franzosen in die Waadt ein und befreiten sie als Untertanin von Bern. In Bern und in den Waldstätten schlugen sie den Widerstand der Schweizer nieder und richteten viel Unheil an. 1798 brach das Staatsgefüge der alten Eidgenossenschaft zusammen. Die Franzosen schufen die Helvetische Republik und diktierten der Schweiz eine neue Verfassung, die Helvetik. Am 22. März 1798 wurde auch das Wallis der Helvetischen Republik einverleibt und am 10. April desselben Jahres nahm das Volk die Helvetische Verfassung an; wie auf Befehl stimmten die Walliser der neuen Verfassung zu, auch wenn diese den Interessen von Kirche und Klerus ganz und gar nicht entsprach. Als einer der 18 Kantone wurde das Wallis in 12 Distrikte aufgeteilt. Im Oberwallis waren dies: Aernen (Ernen), Brieg, Vischbach (Visp, Viège), Stalden und Leuk (Loëche). Die oberen Zenden entschlossen sich nun, die Freiheit zu behalten und dafür zu kämpfen – offenbar ohne zu überlegen, mit wem sie es zu tun bekommen würden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Franzosen im Unterwallis nämlich bereits Truppen in beachtlicher Stärke bereitgestellt und in der Schweiz nicht weniger als 72 000 Mann stationiert. Die Walliser wären also gewarnt gewesen, wenn sie es hätten hören wollen. Die Oberwalliser ihrerseits wollten sich mit den neuen Vorschriften ganz und gar nicht abfinden; sie trauerten der alten Ordnung nach und waren zum bewaffneten Widerstand bereit. Innerhalb eines Jahres zogen sie gleich zweimal gegen die französische Übermacht in den Kampf. Die von der Zahl und von der Ausrüstung her hoch überlegene welsche «Maschinerie» setzte sich durch: Zweimal rückten die Franzosen nach abgewehrtem Walliser Angriff plündernd und mordend den Rotten aufwärts, sodass das Land Ende 1799 zerstört am Boden lag. Die Oberwalliser Heerführer hatten die Stärke ihrer Truppen masslos überschätzt und den Gegner in jeder Beziehung unterschätzt. Während es nach der ersten Niederlage bei hohen Finanzlasten und Zwangsrekrutierung in den Dörfern blieb, nahmen die Sieger ein Jahr später keine Rücksicht mehr. Gerade in Visp fochten die Oberwalliser Ende Mai 1799 ihren letzten Kampf, bevor auch hier alles niedergemetzelt, geplündert und zerstört wurde. Das waren die schlimmsten Tage, die das Dorf je erlebt hatte. Aufseiten der Oberwalliser gab es über 400 Todesopfer zu beklagen. Die Eroberer blieben noch über Monate, teilweise sogar Jahre, und liessen sich von den nun verarmten Dorfbewohnern aushalten. Nachdem die französischen Truppen ihr Zerstörungswerk im Wallis beendet hatten, sandte das Direktorium der Helvetik den Berner Franz Samuel Wild als Kommissär an den Rhonestrand. Wo nötig leistete er mit seinen Helfern die dringend benötigte erste Hilfe; dies war in praktisch allen Bereichen des öffentlichen Lebens der Fall. Seine pointierten und gleichzeitig mitfühlenden Berichte geben Einblick in die damalige Gesellschaft des Wallis.