Kapitel Nr.
Kapitel 11.02

Joseph Anton Blatter von Visp, der letzte Walliser Fürstbischof

Mit der Einverleibung des Wallis in die Helvetische Republik, welche Napoleon am 22. März 1798 verfügt hatte, gab es auch eine neue Verfassung für das Wallis. Diese wurde am 10. April – also knapp drei Wochen später – den Gemeindeversammlungen vorgelegt, welche zustimmten.

Der Visper Joseph Anton Blatter, letzter Walliser Fürstbischof, konnte wohl sein geistliches Amt behalten, nicht aber seine politische Macht.

Bischof verzichtete auf Macht, die er nicht mehr hatte

Als im Februar und März 1798 die neue «helvetische» Verfassung für das Wallis zur Diskussion stand, wollten weite Kreise die fremde Einmischung in die Angelegenheiten des Wallis nicht hinnehmen, hegten religiöse Bedenken und sahen sich in ihren alten Freiheiten bedroht.

Bischof Blatter hatte sich schon zu Beginn der Wirren für die Annahme der Verfassung eingesetzt. Er erklärte persönlich alle Opfer zu bringen, auf die letzten Hoheitsrechte – die er kaum mehr besass – zu verzichten und dem Loskauf der Lehen kein Hindernis entgegenzusetzen.

Joseph Anton Blatter aus Visp war 1790–1807 Bischof von Sitten.

Porträt von 1796 im bischöflichen Palais in Sitten, abgebildet in Jossen 1972

Verzicht auf weltliche Macht, die seit 1634 verloren war

Anfangs Mai 1798 verzichtete Blatter vor der Tagsatzung in Aarau auf die weltliche Herrschaft über das Land Wallis und auf den Titel «Graf und Präfekt des Wallis». Blatter war der 73. und letzte Fürstbischof von Sitten. Er galt als umsichtiger Verwalter und Vermittler

Der Walliser Fürstbischof verlor weltliche Macht und Titel 1798 endgültig, nachdem er während genau 799 Jahren Fürst des Heiligen Römischen Reiches, Graf und Präfekt des Wallis mit den Rechten eines Souveräns gewesen war. Faktisch war diese Herrschaft jedoch schon 160 Jahre zuvor, mit der Entmachtung von 1634, verloren gegangen.

Flucht des Bischofs ins Ausland

Blatter selbst flüchtete im Mai 1799, nach der Niederlage der Oberwalliser in der Schlacht am Pfynwald, nach Novara ins Exil und kam erst im Juni 1800 zurück. Wieder im Wallis, bemühte er sich um Ausgleich mit der französischen Besatzungsmacht.

Rückkehr infrage gestellt

Als Vorsteher des Klerus, der er blieb, hatte der Bischof immer noch eine ungeheure Macht in einem Land, in dem das Volk in seiner Unwissenheit der moralische Sklave der Priester war. Der helvetische Kommissär Franz Samuel Wild stellte deshalb die radikale Frage: «Ist ein Bischof im Kanton Wallis unbedingt notwendig? Und wenn der Bischof notwendig ist, darf man den heutigen Bischof ohne Gefahr zurückkehren lassen?» Die Machtbefugnis dieses Vorgesetzten der Priester werde vor allem gefährlich, wenn besonders hervorstechende Eigenschaften die Leidenschaften antreiben würden oder wenn mittelmässige Geistesgaben die Leidenschaften durch Vermittler leiten und sie zusätzlich schüren würden. Allgemein sage man, diese schienen beim gegenwärtigen Bischof an erster Stelle von seiner Köchin (!) geführt und diese durch ihren Bruder, den Domherrn Andres, der als gefährlich angesehen werde. Dieser habe seinen Vorgesetzten zu allerlei falschen Entschlüssen bewegt.

Bischof Blatter bot 1805 seinen Rücktritt an, doch lehnte Rom ab.

Mitglied einer mächtigen Visper Familie

Bischof Joseph Anton Blatter kam aus Visp, wo er 1745 geboren wurde. Er war der Sohn von Johann Arnold Blatter und Anna Maria, Tochter des Landeshauptmanns Johann Fabian Schiner von Ernen. Nachdem er das Briger und das Sittener Kollegium besucht hatte, studierte Joseph Anton Philosophie und Theologie in Lyon und Wien. 1769, im Jahr seiner Priesterweihe, wurde er Domherr in Sitten. Seine Wahl zum Bischof erfolgte 1790.

Vater bei Explosion getötet

Johann Arnold Blatter, der Vater des letzten Fürstbischofs Joseph Anton Blatter, wurde im Januar 1747 durch die Explosion eines Pulvervorrats in seinem Haus in Visp getötet. Damals war Joseph Anton Blatter erst zwei Jahre alt.

Nicht zu lange predigen

Im Hirtenbrief von 1794 verordnete Bischof Blatter: «... damit sich niemand entschuldigen könne und in der Kirche langweile, solle der Priester nicht über eine Dreiviertelstunde predigen.»

Doktor der Theologie

1742 promovierte der Visper Johann Peter Zurbriggen zum Doktor der Theologie.

Klarissen und Trappisten in Visp aufgenommen

In den Jahren 1792–94 nahm Blatter Geistliche und Laien auf, die aus Frankreich emigriert waren. Darunter waren ein Trappisten- und ein Klarissenkonvent. Sieben Klarissinnen, die aus ihrem Kloster in Orbe vertrieben wurden, fanden 1793 Aufnahme in Visp, im Vaterhaus von Joseph Anton Blatter.

Der «Heilige»

Am 19. März 1807 beschloss Bischof Blatter sein frommes und wohltätiges Leben in Sitten. Der Hingeschiedene wurde auch «der Heilige» genannt.

Findelkind beschäftigte Burgerschaft

Am 29. November 1802 stellte der Vizepräsident des Zenden Lang dem Staatsrat die Frage, wer nach Gesetz für das in der Nacht vom 2./3. November auf dem Pfarrhof von Pfarrer de Courten ausgesetzte Kind zu sorgen habe, und stellte gleichzeitig Rechnung für die bisher aufgelaufenen Kosten für das Findelkind.

De Courten Pfarrer von Visp, als die Franzosen kamen

Dr. Adrian Josef Moritz de Courten amtete als Pfarrer von Visp, als die Franzosen 1799 einfielen. Er wurde 1750 in Siders geboren, studierte in Dillingen und wurde zum Doktor der Theologie und beider Rechte promoviert. De Courten war Pfarrer von Unterbäch und Ernen. 1779 trat er ins Domkapitel ein, wurde 1784 Generalvikar und war Kandidat für das Bischofsamt.

Als 1790 der Visper Joseph Anton Blatter zum Bischof gewählt wurde, verliess de Courten schon tags darauf das Domkapitel. Man nimmt an, dass er verstimmt war, weil man nicht ihm, dem Doktor der Theologie und beider Rechte, die Bischofswürde übertragen hatte.

Im August 1791 wurde er Pfarrer von Visp, wo er bis 1820 ausharrte, abgesehen von einer Zwischenphase von 1799 bis 1802, als er widerwillig als Pfarrer von Salgesch amtete. 1802 wurde de Courten zum zweiten Mal Pfarrer von Visp, wo er von 1809 bis zum Tod am 13. Mai 1820 Supervigilant des Dekanats Visp verblieb.

19 Feiertage aufgehoben

Am 6. Juni 1798 verfügte Bischof Blatter per Hirtenbrief die Aufhebung folgender Feiertage:

  • Januar: St. Fabian und St. Sebastian, St. Karl,
  • Februar: St. Mathias,
  • März: Osterdienstag,
  • Mai: St. Philipp und St. Jakob, Kreuzerhebung, Pfingstdienstag,
  • Juli: Besuch der Jungfrau, St. Jakob,
  • August: St. Lorenz, St. Bartholomäus,
  • September: St. Mathias, St. Michael,
  • Oktober: St. Simon,
  • November: Die sieben Freuden Marias, St. Andrea,
  • Dezember: St. Barbara, St. Thomas, St. Johannes, Evangelist, St. Innozenz.

Zurkirchen beerbten Bischof Blatter

Am 18. Dezember 1823 erfolgte in Visp die Verteilung der Kapitalien, Forderungen und Esswaren aus der Erbmasse des Bischofs Joseph Anton Blatter unter den Angehörigen der Familie Zurkirchen in Visp, Siders und Sitten.