Kapitel Nr.
Kapitel 11.04

Wie der Vater von Joseph Anton Clemenz die Schlacht von 1799 überlebte

1798 musste sich Johann Peter Joseph Clemenz, Vater des späteren Politikers Joseph Anton Clemenz, beim Ausbruch des Kriegs im Wallis mit seinen Mitbürgern am Feldzug ins Unterwallis beteiligen. Viele seiner Kameraden fielen neben ihm auf dem Schlachtfeld. Er hatte das Glück, unversehrt in sein Heimatdorf zurückzukehren.

Im Jahr darauf, 1799, brach der Krieg gegen die Franzosen mit neuer Wucht und Härte aus, als diese ins Oberwallis einfielen. Auch Johann Peter musste nochmals zu den Waffen greifen, um sein Vaterland gegen die anstürmenden Franzosen, Waadtländer und «erzteuren» Brüder des Unterwallis zu verteidigen.

Als Hauptmann einer Kompanie stand er vier Wochen lang im Lager im Pfynwald, wo er an den fast täglich stattfindenden Gefechten teilnahm. Ende Mai 1799 unterlagen die Oberwalliser dem Feind: Über 300 blieben auf dem Schlachtfeld liegen. Stalden allein verlor 29 Mann.

Clemenz konnte sich selber retten. Vom Lager von Pfyn aus unternahm er die Flucht auf der Heerstrasse, gedeckt durch eine kleine Hinterwacht von österreichischen Husaren, die in der Folge Hunderten von Wallisern das Leben retteten.

Von beiden Seiten der Strasse fielen jedoch immer wieder Flintenschüsse der Franzosen auf die Fliehenden und etliche wurden getroffen.

Die «Baumgärten» in Visp, wo die Franzosen 1799 den Eggerberger Josef Ignaz Gutheil töteten. Johann Peter Joseph Clemenz, Vater des späteren Politikers Joseph Anton Clemenz, entkam den Franzosen; er verliess Visp Richtung Brig. Ausschnitt aus dem Stich von Merian aus dem Jahr 1642.

Foto des Originaldrucks, Peter Salzmann

Flucht vor den Invasoren

In Visp angelangt, fand Clemenz die Burgschaft praktisch menschenleer vor. Angesichts der drohenden Gefahr traf er sofort Anstalten, seine Handelswaren und Kreditbücher in Sicherheit zu bringen. Doch er fand keine Zeit mehr dafür, denn der Feind hatte Visp erreicht. Der Gommer Walter, Anführer eines Haufens Oberwalliser, nahm Posten bei der Landbrücke, um den einbrechenden Feind von dort aus zu bekämpfen. Der Widerstand dauerte nicht lange: Ein Detachement Husaren der Franzosen überquerte weiter westlich verblüffend leicht die Vispa und fiel Walthers Trüppchen in den Rücken.

In Visp war kein Verbleiben

Da wollte Clemenz die Flucht in Richtung Brig fortsetzen. Aber kaum war er zu Pferd, hörte er bereits den Feind in seinem Rücken. Er machte kehrt und statt Richtung Brig sprengte er mit seinem Pferd in die Wichelgasse, um möglichst bald den höher gelegenen Thelwald zu erreichen. Als er beim kleinen Brücklein an der Wichelgasse war, wurde sein Pferd von einem Schuss getroffen und brach zusammen. Er selbst liess sich fallen, als wäre er getroffen worden.

Sein erster Blick galt dem Brand seines eigenen Wohnhauses und seiner gesamten Habe. Wenige Jahre zuvor hatte er seine Liegenschaften veräussert, um mit dem Erlös Handel zu treiben. In wenigen Augenblicken sah er sein kleines Vermögen vernichtet. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich die Augen auszuweinen. Überall sah er in der Burgschaft das Bild der Zerstörung. Balken krachten, Fenster klirrten; der Wut des Feindes waren keine Grenzen gesetzt.

Er bekam noch mit, wie in der Nähe der Anführer Walther durch einen Säbelhieb eines Husaren getroffen wurde. Clemenz flüchtete sich hinter den Zaun in der sogenannten «Gebreite», von wo aus er hinter Bäumen und Sträuchern durcheilend zuerst den Wald und dann die Wasserleite beim Schlegel erreichte. Dort ruhte er sich aus, um neue Kräfte für die Flucht zu schöpfen. Von diesem erhöhten Ruhepunkt aus hatte er den Blick auf Visp und musste ohnmächtig dem Einzug des Feindes in seinen Heimatort Vispbach zusehen.

Clemenz flüchtete ostwärts über die «Visperi»-Wasserleite nach dem Brigerberg, um sich von dort aus nach Italien abzusetzen. 

In Ried nahm ihn Kastlan Moritz Luggen auf. Weil jedoch das Gerücht umging, der Feind werde wohl noch am gleichen Abend in Brig einrücken, sah Clemenz davon ab sich auszuruhen und machte sich wieder auf den Weg. Auf der Höhe des Brigerbergs fand er in einer Scheune ein Nachtlager. Er war überzeugt, die Franzosen würden in der Nacht nicht auf diese Bergeshöhe kommen, wenn sie am gleichen Abend Brig erobern wollten.

Bald war er nicht mehr allein: Andere Oberwalliser, wie er auf der Flucht vor den Invasoren, gesellten sich zu ihm. Nach den vielen anstrengenden Tagen schliefen sie ein. Bürger Martig, ebenfalls aus Visp, sollte Wache stehen, aber der Schlaf übermannte ihn.

Gefangennahme durch die Franzosen

Plötzlich erwachten alle vom Waffengeklirr des Feindes, der schon vor der Türe stand. Die Walliser sahen sich von den Franzosen umgeben; sie wurden gefangen genommen und gebunden nach Brig hinuntergeführt. Eskortiert und immer wieder Misshandlungen ausgesetzt, erreichten sie Brig, wo sie der dort etablierte General Xaintrailles nach einer Strafpredigt überraschend in die Freiheit entliess.

Tod in den Visper Baumgärten

Auch der Eggerberger Josef Ignaz Gutheil soll in den Visper Baumgärten ums Leben gekommen sein. Die raubenden und mordenden Franzosen spalteten ihm mit einer Hellebarde den Kopf.

Die Clemenz, die Abgottspon hiessen

Die Familie Clemenz war um das Jahr 1728 herum nach Visp gekommen, wo sich unter anderem Peter Clemenz zusammen mit seiner Gattin niederliess.

In früheren Jahrhunderten war die Familie in Staldenried unter dem Namen Abgottspon bekannt gewesen. Als sich dieses Geschlecht im Lauf der Zeit stark ausbreitete, erwies es sich als notwendig, den verschiedenen Familienmitgliedern Beinamen zu geben, um sie voneinander unterscheiden zu können. Einer der Abkömmlinge der Abgottspon, im Kleeboden wohnhaft, erhielt den Beinamen Clemenz, der später dauerhaft als Familienname anerkannt wurde.

Peter Joseph Clemenz betrieb eine kleine Wirtschaft

Der einzige Erbe des Peter Clemenz, der 1733 als Burger in die Burgerschaft Visp aufgenommen wurde, hiess Peter Joseph. Er verheiratete sich mit Anna Maria Brunner von Eischoll, mit der er zwei Kinder hatte: Johann Peter und Katharina, die später Joseph Anton Bilgischer, einen Bürger von Vispach, heiratete.

Peter Joseph, dessen Enkel der spätere Politiker Joseph Anton war, betrieb eine kleine Wirtschaft. Als er im November 1778 starb, hinterliess er seinen beiden Kindern das geringe Vermögen von 2 000 Mörsiger Pfund; er war schuldenfrei.

So verlor Johann Peter den Vater allzu früh. Seine verwitwete Mutter ging am 1. März 1783 eine zweite Ehe mit dem Visper Bürger Johann Baptist Viotti ein. Sie war in der Folge nicht sehr darum besorgt, ihrem Sohn eine gute Erziehung angedeihen zu lassen. Johann Peter blieb denn auch sich selbst überlassen und wusste sich mit seinem kleinen Vermögen nicht zu helfen. Er musste sich darauf beschränken, die damals unbedeutende Bürgerschule zu besuchen, wo er lesen und schreiben lernte. 1796 begann er einen kleinen Handel mit Tüchern und anderen Waren.

Leiden unter den Franzosen

Als er nach dem kurzen, aber zerstörerischen Krieg 1799 wieder in Visp eintraf, fand er sein Haus bis auf die Fundamente niedergebrannt. Da sein kleines Vermögen aus Waren und Kreditbüchern bestand, hatte diese Zerstörung für ihn drückende Armut zur Folge. Auf den Waren war er dem Haus Iselin in Basel noch 50 Louis d’Or schuldig geblieben, dem Haus Spengler in Vivis (Vevey) 25 Louis d’Or. Die beiden Gläubiger erliessen ihm die geschuldeten Summen, ohne darum gebeten worden zu sein. Dank diesen grosszügigen Schenkungen konnte er sein Soll und Haben ausgeglichen gestalten: Er hatte kein Vermögen mehr, aber auch keine Schulden. Und er war in einem Alter, in dem man die Flinte noch nicht ins Korn wirft.

Joseph Anton, der Sohn der Karriere machte

Am 8. April 1802 verheiratete sich Johann Peter mit Genoveva Fux, der Tochter des Visper Burgers und Grosskastlans Peter Nicolaus Fux. Dieser Ehe entsprossen zwei Kinder, Joseph und eine Tochter, die bereits nach wenigen Lebensjahren starb. Als Clemenz seine Ehefrau schon 1804 verlor, riet ihm die Lage seines Haushalts zu einer zweiten Ehe. Diese ging er ein halbes Jahr später mit Magdalena Ruppen, Tochter des Kastlans Jakob Ruppen und der Annamaria Pfammatter, ein. Das Paar hatte acht Kinder, unter ihnen Maria Magdalena Josefa, die 1838 Dr. med. Johann Christian Weissen heiratete.

Als zweiter Sohn wurde am 29. Januar 1810 Joseph Anton geboren, der später als herausragender Politiker, Richter und Hotelier Karriere machen sollte. [Siehe auch Kapitel 15.05 «Clemenz, der vielseitigste Oberwalliser Politiker des 19. Jahrhunderts».]

Burgermeister und erfolgreicher Gastwirt

Johann Peter Clemenz versah in der Burgerschaft Vispach mehrmals das Amt des Burgermeisters.

Seine Hauptbeschäftigung war der Ackerbau; auf diesem Gebiet zeichnete er sich vor den übrigen Mitbürgern aus. Sein Verdienst ist die Urbarmachung des Grosseyen-Bodens fast 50 Jahre vor der ersten Rotten- und Vispa-Korrektion. Er gehörte zu den initiativen Männern, die Ende der 20er-Jahre unter der Führung von Ingenieur Ignaz Venetz die Trockenlegung der Morastgegend von Visp förderten.

Da Clemenz noch in der Blüte seiner Jahre stand, sah er sich nach einem anderen Erwerb um. Er entschied sich für die Restauration und eröffnete eine Wirtschaft. Weil damals häufig Truppen durchs Land zogen, versprach er sich davon einen guten Verdienst. Prompt gelang es ihm, mit dieser intensiven Tätigkeit ein ordentliches Vermögen zusammenzutragen. 1832 überliess er die Wirtschaft seinem Sohn Franz und beschäftigte sich fortan nur noch mit der Besorgung seiner Güter. Johann Peter erlag 1843 im Alter von 69 Jahren einer schmerzhaften, langwierigen Krankheit.

Grosszügige Bildspende

Die begüterte Maria Josepha Zurkirchen, Witwe des Johann Lochmatter, bedachte in ihrem Testament vom 11. Februar 1814 die Gotteshäuser von Visp, die im unglücklichen Kriegsjahr 1799 durch den Einfall der Franzosen schwere Schäden erlitten hatten.

In der unteren Kirche stiftete sie am Hauptaltar ein Flachbild, «auf dem die heiligen drei Könige abgemahlt seyen». In der St. Martinskirche sollten «nur der Althar auf der Weiberseiten und andere Bilder gemalt werden, unter anderem auf der linken Seite jenes der heiligen Magdalena mit dem Todtenkopf».
Falls dies nicht möglich sei, sollten die 200 Pfund anderen guten Werken zugutekommen. Offenbar galt ihr Interesse an diesen Heiligenbildern dem Maler Jakob Oberdorfer, der im gleichen Jahr in Visp starb. Es sind keine Bilder von ihm bekannt.

25 Pfund erhielt die sogenannte Waldbruderkapelle. Vermutlich war das die später aufgehobene Kapelle im Felsen im Westen unterhalb der St. Martinskirche.

Die Kapelle von Albenried, das damals noch für kurze Zeit eine eigene Gemeinde war, erhielt 25 Pfund, damit man einen Kelch kaufen konnte.