Kapitel Nr.
Kapitel 11.07

Paris wollte «à tout prix» den famosen Visper Kristall

Der spätere Walliser Landeshauptmann Anton de Augustini, der 1798 in Bern die Verhandlungen über den Beitritt des Wallis zur Helvetischen Republik führte, schlug am 19. März 1798 vor, dass das Wallis dem französischen Gesandten Michel Mangourit seine Anerkennung bezeugen solle. Bereits etwas früher soll die Dompartei Mangourit eine superbe antike Goldschmiedearbeit geschenkt haben.

Kein persönliches Geschenk

Zwei Tage später, am 21. März, unterstützten eine Reihe Landräte General Nucé, der in die gleiche Kerbe schlug, als er empfahl, Mangourit den Kristallblock zu schenken, der sich in Visp befand, zusammen mit einigen raren Gegenständen aus Silber. Aber dieser Bergkristall solle nicht ein persönliches Geschenk für Mangourit sein. Gleich mehrere Abgeordnete waren der Ansicht, man möge Mangourit den Kristallblock schenken, der sich im Rathaus von Visp befand – ein Stück Wallis.

Der «Napoleonquarz» ist der grösste bekannte Einzelkristall in den Alpen. Das Musée d'Histoire Naturelle de Paris hat ihn dem Musée des Cristaux in Chamonix ausgeliehen, wo diese Aufnahme 2011 entstand. Entdeckt wurde der Kristall 1754 in der Gegend von Fiesch; die Walliser schenkten ihn 1798 zu Ehren der Revolution der französischen Republik. Ob es einen Zusammenhang mit dem Kristall von Visp gibt, der den Franzosen im gleichen Jahr geschenkt wurde, ob allenfalls Viège und Fiesch verwechselt wurden, lässt sich nicht mehr feststellen.

© Peter Salzmann

Minister kümmerte sich um Bergkristall

Mangourit hatte offenbar bereits Kenntnis von der Existenz des Kristalls; vielleicht hatte ihn ein Landrat darüber informiert. In einer Depesche vom 30. März schrieb er von Bern aus an Talleyrand in Paris: «Betreffend Kunst habe ich einen Bergkristall von 15 quintaus von ausserordentlicher Klarheit im Oberwallis entdeckt.» Er wollte sich dafür einsetzen, dass der Kristall Frankreich zum Geschenk gemacht wurde, sofern man den Transport bezahlte.

Talleyrand antwortete Mangourit am 12. April und beauftragte ihn, die Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Er habe dann darüber zu befinden, was diesbezüglich geschehen solle. Der Minister zeigte sich überzeugt, dass dieser Block das naturgeschichtliche Museum von Frankreich bereichern werde. Dieses Stück werde in Paris fachgerecht bearbeitet und danach könne es in der Hauptstadt der Grande Nation glanzvoll figurieren.

In einem Brief in anderer Sache an Lecarlier schrieb Talleyrand gleichentags in einem Post scriptum: «Bevor Sie das Wallis verlassen, wollen Sie doch alle Vorkehrungen treffen, um Paris dieses famose Kristall, das ihm von den Leuten des Wallis angeboten wurde, zukommen zu lassen. Bedanken Sie sich bei ihrem Direktor.» Von Bern aus wurde dem Minister noch am 21. April versichert: «Wir werden den Bergkristall haben.»

Brillanter Ort für Kristallblock

Dann hörte man einen Monat lang nichts mehr von diesem Kristall. Schliesslich veröffentlichten die beiden französischen Zeitungen «L’Ami des lois» und «Le Moniteur Universel» in ihren Ausgaben vom 13. Juni einen nicht datierten, an Mangourit adressierten Brief des Zenden Visp mit dem Inhalt:
«Es befindet sich hier bei uns ein Kristallblock, der durch seine Grösse einen brillanten Ort verdient.»

Kristall im Pariser Museum

1806 schrieb Joseph Eschassériaux, Frankreichs Résident im Wallis in einem Brief: «Dieses Land hat dem Musée de Paris den grössten Kristall geschenkt, den man bisher gesehen hat, aus dem Bezirk Visp.»

Es wurde auch berichtet, die Franzosen hätten sich in Visp im Burgerhaus des Silbergeschirrs und der Becher bemächtigt, um sie mit dem übrigen Bankgut und der Landeskasse nach Frankreich zu verschleppen. Beim triumphalen Einzug Napoleons in Paris seien diese dem Volk als Paradestücke gezeigt und nachträglich im Louvre ausgestellt worden.

Wer war schliesslich Empfänger des Kristalls?

Die beiden Pyramiden-Kristalle wurden wohl in Visp abgeholt – nicht gestohlen –, kamen jedoch nicht wie vorgesehen im naturhistorischen Museum in Paris an. Das soll der Direktor des Mineralogie-Laboratoriums, 61 rue de Buffon, bestätigt haben. Wohin es das kostbare Gut schliesslich verschlug, konnte nicht mehr ermittelt werden.

Bleibende Erinnerung

Josef Kenzelmann aus Zeneggen kämpfte 1798 mit den Walliser Patrioten in der Schlacht im Pfynwald gegen die Franzosen. Dabei wurde er von einer feindlichen Kugel getroffen, die er bis zu seinem Tod 1843, also 45 Jahre, in seinem Körper trug.

Warum Visper Burger aus Goldbechern trinken

Wenn beim Visper Burgertrüch heute jeweils die goldenen Becher ausgeteilt werden, welche die Teilnehmer bei ihrer Einburgerung eingebracht haben, fragt man sich, was dieser Becher von beachtlichem materiellem Wert eigentlich für eine Bedeutung hat.

Den Brauch, beim Burgertrüch aus Goldbechern zu trinken, führt man auf die Plünderungen der Franzosen von 1798 zurück.

Ab 1807 mussten die Neuburger  als Nebenbelastung die silbernen Löffel, Zinngeschirr, Kerzenstöcke, Tischtücher und Trinkgläser ersetzen, die dann mit der Zeit wieder komplett waren. Damals kam man auf die Idee mit den Goldbechern.

«Neutrale» Schuhe

Vor 1800 gab es keine unterschiedlichen Schuhe für den linken und den rechten Fuss.