Das Oberwallis fürchtete um die Selbstständigkeit in der neuen Helvetischen Republik unter Frankreichs Fittichen und trauerte der alten Ordnung nach; es war zum bewaffneten Widerstand bereit. Im Mai 1798 und im Mai 1799 standen die Oberwalliser gegen die neue Ordnung auf. Ihre erste Erhebung gegen die Franzosen brach im Mai 1798 los; in der ersten Pfynschlacht wurden sie am 17. Mai 1798 von den Franzosen geschlagen. Der Aufstand der Oberwalliser ist nachvollziehbar und begreiflich, er erwies sich aber als unklug angesichts der klaren Übermacht der Franzosen in der weitgehend besetzten übrigen Schweiz.
Zenden Visp distanzierte sich vom Aufstand
Die Rebellion von 1798 begann im Goms, wobei sich die Zenden Visp und Siders und die Stadt Sitten von diesem Aufstand distanzierten.
Die Aufständischen zogen das Rhonetal hinab. Am 9. Mai war die Zahl der Rebellen auf 6 000 angestiegen. Sie stiessen zunächst auf wenig Widerstand und eroberten nacheinander Siders und Sitten. Als sie ins Unterwallis einmarschierten, forderten sie die Bevölkerung in den Dörfern auf, gemeinsam mit ihnen im Namen des katholischen Glaubens gegen die französische Invasion zu kämpfen. Massgebend für den Aufstand der Oberwalliser vom Mai 1798 waren also emotionale, religiöse Motive.
Zenden Visp im Dilemma
Am 3. Mai 1798 beschloss der Zenden Visp mit grosser Mehrheit, nicht an einer Landsgemeinde teilzunehmen, die von Gommer Aufständischen unter der Führung von Sebastian Weger organisiert wurde. Der Zenden sah sich schliesslich gezwungen, den Aufständischen beizutreten. Einige Personen waren aber eher eifrige Anhänger einer friedlichen Lösung gewesen.
Oberwalliser chancenlos
Mangourit flüchtete, sorgte aber für den Einmarsch französischer Truppen unter General Jean-Thomas-Guillaume Lorge. Am 17. Mai 1798 standen dem 5 000 Mann starken französischen Heer unter General Lorge bei der Morge circa 3 000 Oberwalliser gegenüber, die sich dort verschanzt hatten. Sie standen unter dem Kommando von Moritz Perrig aus Brig und Ferdinand Venetz aus Gampel.
Die Franzosen stoppten die angriffigen Deutschsprachigen und warfen sie zurück. Nach vier Stunden Kampf mussten die Oberwalliser der Übermacht des Feindes weichen; sie sahen sich zur Kapitulation gezwungen, nachdem viele von ihnen gefallen waren. Vorerst zogen sich die Verbliebenen nach Sitten zurück und hissten dort die weisse Flagge. Nichtsdestotrotz kam es in Sitten zu einer blutigen Auseinandersetzung, bei der die Oberwalliser den Kürzeren zogen. Die entfesselten französischen Soldaten plünderten und verwüsteten die Stadt Sitten und die umliegenden Dörfer. Sie eroberten Siders und Leuk und verfolgten die Oberwalliser über Visp hinaus bis nach Brig. Und sie zündeten viele umliegende Häuser an.
Kapitulation im Visper Rathaus
Am 18. Mai 1798 hielten französische Soldaten vor dem Eingang des Visper Rathauses Wache. Drinnen diktierte General Lorge den Oberwallisern die Bedingungen für die Kapitulation.
Die dort gegebenen Unterschriften besiegelten den Untergang der alten Herrschaft. Nachdem die Oberwalliser während mehr als 400 Jahren das Lötschental und während gut 300 Jahren das Unterwallis als Untergebene hatten, fielen sie nun selbst wieder in die Unfreiheit.
Die Uniform der Visper Tambouren und Pfeifer
Die Uniform von Graf Eugen de Courten diente als Vorbild für jene der Visper Tambouren und Pfeifer. De Courten (1771–1839) diente im Regiment der Familie, das sein Grossvater Jean-Etienne 1690 gegründet hatte und das in Frankreich, Sardinien und schliesslich in England diente. Im Mai 1798 übernahm er das Kommando der Oberwalliser Aufständischen, die zu den Waffen griffen, um «die gefährdete Religion», ihre Autonomie und ihre Vorstellung von der Demokratie zu verteidigen. Dann wurde er Generalberater im «Département du Simplon».
Oberwalliser Anführer festgenommen
Nebst anderen Soldaten wurde auch Ferdinand Venetz von den Franzosen gefangen genommen. Während die Soldaten Anfang Juni auf freien Fuss gesetzt wurden, sollten laut einer Proklamation von General Schauenburg die Anstifter und Häupter des Aufstands von einem Kriegsgericht abgeurteilt werden. Zu diesem Zweck wurden insgesamt 61 Mann von Sitten und Chillon ins Gefängnis von Bern überführt. Wohl auf Fürsprache des helvetischen Direktoriums liess Schauenburg in Bern Gnade walten und schenkte am 27. Juni 43 Gefangenen und am 30. Juni 15 anderen die Freiheit. Ferdinand Venetz, Sebastian Weger und Jaquet von Brämis konnten erst Ende August in die Heimat zurückkehren. Aber auch nach seiner Entlassung wurde Venetz nebst vielen anderen «Unbeugsamen» von den fremden Herrschern streng überwacht.
Zu all dem wurde dem Oberwallis eine Kriegsentschädigung von 600 000 Livres aufgebrummt. Nun mussten die Oberwalliser «unten durch». Es wurde das helvetische Regime eingeführt. Man setzte den Unterwalliser Charles Emanuel de Rivaz als Regierungsstatthalter ein, dieser übte sein Amt aber als vernünftiger, auf Ausgleich bedachter Vertreter der neuen Herren aus.
General der Siegermacht wandte sich versöhnlich an Bevölkerung
Am 6. Juni 1798, also kurz nach der ersten Schlacht, die er gewonnen hatte, richtete der französische General Lorge eine Proklamation an die Bevölkerung des Oberwallis: «Ich musste gegen euch Krieg führen. Dieser Sieg lastet schwer auf meinem Herzen. Die Ruhe, die Stille, werden wieder in eure Gemarkungen einkehren, trotz des französischen Bluts an den Felsen, in den Gewässern, an den Stadtmauern von Sitten (das immer noch zum Oberwallis gehörte), all das ist vergeben, alles ist vergessen. Das Gesetz allerdings wird sich über die Kriegstreiber und euere Schmerzen aussprechen.
Zu euch: Ihr werdet euch nur mehr mit eueren Mitteln zu befassen haben, mit der Sorge um euer Wohlbefinden. Wenn ihr wollt, dass dieses von Dauer sein wird, seid einig unter euch, erstickt den früheren Hass und sorgt dafür, dass Einzelinteressen nicht über diejenige der Allgemeinheit gesetzt werden.
Trotzt vor allem den Priestern. Sie sind es, die unsere Rache hervorgerufen haben, die euch euer sanftes Wohlwollen entrissen haben, euren Vater, eure Kinder, eure verweinten Frauen. Sie sind es, die eure Täler mit Tränen und Blut getränkt haben. Verjagt diese Männer aus eurer Brust, rottet sie aus, ohne Gnade! Es gibt aber auch gute Priester, die geachtet werden. Diejenigen, die sich damit zufriedengeben, euch die Hilfe zu geben, die ihre Verpflichtungen euch gegenüber umfassen, die euch in eurem Trübsal Trost geben, euch in eurer Gebrechlichkeit stützen und die nicht den Familienfrieden stören, die ihr respektieren, ja ihnen treu bleiben müsst. Fordert die Intriganten jeglicher Art heraus, vor allem die, die euch täuschen, welche die Worte wie Heimat und Freiheit in den Mund nehmen und die den kurz zuvor bekannt gegebenen Prinzipien diametral entgegenstehen. Urteilt über Männer erst, traut ihnen erst, wenn ihr sie genau kennengelernt habt.
Ich werde weggehen und falls ich je wiederkommen werde, an der Spitze der Soldaten der Republik, dann wird es sein, um euere Wohnungen, eure Unabhängigkeit zu schützen. Adieu, gute Walliser, seid glücklich, das ist mein sehnlichster Wunsch.»
Den Oberwallisern hielt er den Spiegel vor: «Unglückliche Oberwalliser, in welchen Abgrund haben eure Geistlichen, eure Oligarchen, eure herrschende Schicht euch gestürzt. Wie viele Male hat der Resident der französischen Republik versucht, die Gefahr des Krieges abzuhalten von den Dächern eurer Heime. Er hörte ihnen mit Interesse zu, gab sich brüderlich und sprach mit euch wie ein Vater. Wofür habt ihr gekämpft? Für eure Religion? Wie ist sie angegriffen worden. Noch heute sind eure Kirchen offen. Für eure Freiheit? Ihr könnt euch dieser nie erfreuen. Es waren immer die Priester und die Intriganten, Ränkeschmiede, die gut lebten von eurer Arbeit, die sich an eurer Misere labten, die sich an eurer Leichtgläubigkeit freuten.»
Visp war kleiner als Visperterminen
1798, also zu Beginn der Helvetik, wurde im Wallis erstmals eine amtliche Volkszählung durchgeführt. Dabei verblüffte, dass damals noch sehr abgeschnittene Bergdörfer mehr Einwohner hatten als Talgemeinden wie Visp.
Die bevölkerungsreichste Gemeinde des Oberwallis war damals Leuk mit 740 Einwohnern, gefolgt von Naters mit 700, Zermatt mit 600, Brig mit 468, Mund mit 451, Visperterminen mit 450, St. Niklaus mit 450, Visp mit 412, Glis mit 370, Raron mit 360, Törbel mit 350, Bürchen mit 302, Zeneggen mit 170, Eyholz mit 130, Gampel lediglich mit 212 und Steg gar nur mit 122 Einwohnern.
Letzte Zendenversammlung vor Franzoseneinfall
Am 7. April 1798 fand in Sitten die provisorische Versammlung der Delegierten aller Walliser Zenden statt. Der aus dem Saastal gekommene Visper Moritz Zurbriggen präsidierte sie. Den Zenden vertrat Anton Burgener (1750–1802), ein weiterer Visper.
Gehemmte Entwicklung
Ph. Nortmann stellte 1798 fest, dass im Wallis «fast alles noch so ist, wie es vor drei und mehr Jahrhunderten noch war».
Periodische Naturkatastrophen, ungünstige Topografie – was besonders für Visp zutraf –, geografische Abgeschiedenheit, fehlender Unternehmergeist, Religion und Kirche hemmten die Entwicklung oder wirkten eher konservierend auf das Wirtschaftsdenken.
Zenden Visp wollte Verantwortliche für Kriegskosten haftbar machen
Am 1. Oktober 1798 beschloss das Direktorium der Helvetik in Bern Untersuchungen gegen die Urheber des Aufstands des östlichen Wallis – dies im Hinblick auf die Rückzahlung der Kriegskosten und der Summe, die von der siegreichen französischen Armee verlangt wurde. Die bedeutenden Kriegskosten aus der ersten Niederlage der Oberwalliser gegen die Franzosen vom Frühjahr 1798 mussten unter die Zenden aufgeteilt werden. Die Antwort des Zenden Visp vom 29. Oktober lautete, man müsse vor allem festlegen, welche Bezirke am meisten Verantwortung trügen. Die weniger Verantwortlichen sollten die anderen dafür haftbar machen.
Auch Bewohner mussten Kriegsschulden berappen
Nachdem die Franzosen 1798 brandstiftend und mordend herumgezogen waren, mussten auch die Visper dem Kaiser Soldaten stellen, die dann – begreiflicherweise – nicht mehr alle heimkehren konnten. Weil die Burgerschaft die ihnen auferlegten Kriegsschulden nicht allein bezahlen konnte, wurden auch die Bewohner direkt dazu beigezogen.
Steuern an die Franzosen und Zwangsaushebungen
Nach diesem unglücklichen Ausgang des ersten Aufstands wurden im Wallis die neuen helvetischen Behörden installiert. Diese machten sich mit Steuern und Zwangsaushebungen für die französische Armee bald verhasst. Nachdem das Wallis in 12 Bezirke eingeteilt war, verliessen es die französischen Truppen am 9. Juni 1798. Fortan herrschten dort politische Unfähigkeit und Rücksichtslosigkeit. Die neue Steuergesetzgebung, die neuen Gesetze zur Organisation des Militärs und auch der eingeforderte Eid auf die Verfassung der Helvetik führten zu erneutem Widerstand bei den Wallisern, sodass es schon Ende April 1799 – wiederum vom Goms aus – zu einem zweiten Aufstand und missglückten Feldzug kam, wobei man vergebens auf Hilfe vom Osten her aus dem Berner Oberland, aus der Urschweiz und gar vom österreichischen Kaiser hoffte.
Oberster Kriegsrat der Oberwalliser
Am 25. April 1799 war die Streitmacht der Oberwalliser in Leuk versammelt. Hier wurde nun der Plan des Feldzugs festgelegt und das Heer organisiert. Ein oberster Kriegsrat, an dessen Spitze der Zendenhauptmann Leopold de Sepibus von Mörel stand, leitete das Ganze. Weitere Mitglieder waren alt Landvogt Franz Taffiner für das Goms, alt Ammann Franz Perrig für Brig, alt Grosskastlan Anton Bartholomäus Lochmatter für Visp, Kastlan Brunner für Leuk und alt Grosskastlan Peter-Joseph de Chastonay für Siders. Zum Befehlshaber oder General sämtlicher Mannschaften wurde Moritz Perrig von Brig und zu dessen Adjutanten Ferdinand Venetz gewählt; beide hatten die Oberwalliser bei der Morge kommandiert.
So verloren die Oberwalliser die entscheidende Schlacht
Der günstigste Augenblick für den Kampf schien nun gekommen: In der Nacht vom 21. auf den 22. Mai gaben die Sturmglocken das Zeichen zum Aufbruch. Ungefähr 200 Mann von Mörel und Brig rückten sofort nach Visp aus, wo auch 200 Mann von Leuk und den Gemeinden Törbel, Visperterminen und Eischoll eintrafen.
Nach kurzer Beratung wurde der Krieg gegen die Franzosen beschlossen, in der Überzeugung, für «die heilige Religion und die alte Freiheit» in Kampf und Tod zu gehen. Die waffenfähige Mannschaft, das heisst jeder waffenfähige Oberwalliser im Alter von 15 bis 56 Jahren, aller fünf Zenden wurde aufgeboten. Die Truppe marschierte das Land hinunter.
In Brig, Visp und besonders Leuk versuchten einzelne sonst einflussreiche Personen vom kühnen Unterfangen abzuraten. Das Volk aber wollte nicht auf diese wohlgemeinten Ratschläge hören, es nahm diese Mahner vielmehr als Franzosenfreunde gefangen. Dabei kam es zu bedauerlichen Auftritten und Beschimpfungen. Alle Verdächtigen, etwa 50 an der Zahl, wurden streng bewacht, gefesselt und gebunden. Vorerst wurden sie nach Raron, dann nach Naters verlegt und anschliessend den Österreichern übergeben.
Franzosen verfolgten Oberwalliser bis Visp
Am 27./28. Mai 1799 kam es im Pfynwald zu den blutigen Kämpfen, bei denen die französischen Truppen den Oberwalliser Widerstand niederschlugen.
Nach diesem Ereignis verschob sich die Frontlinie immer weiter hinauf Richtung Oberwallis. Nach dem erzwungenen Rückzug aus dem Pfynwald sammelten sich am 29. Mai 1799 circa 300 Mann aus dem Oberwallis unter der Führung von Bartholomäus Walther, um sich dem Ansturm der Franzosen entgegenzustellen.
Aber schon bevor es zu Auseinandersetzungen kam, eilten sie – die Nutzlosigkeit ihres Unterfangens einsehend – direkt nach Visp. Sie warfen hier die Landbücke ab, errichteten Schanzen und erwarteten die feindlichen Franzosen; Verstärkung erhielten sie von anderen Flüchtlingen, die aus dem Westen kamen. Noch gleichentags rückten die Franzosen sengend und brennend das Tal des Rottens herauf. Dabei trafen sie alle Ortschaften in der Ebene wie ausgestorben an. Die Bewohner hatten ihr Hab und Gut zurückgelassen und waren in die Berge geflohen.
Gefecht bei der Visper Landbrücke
In Visp kam es bei einbrechender Nacht zu einem erbitterten Gefecht an der Landbrücke. Da die Brücke nun fehlte, ritt eine Abteilung Husaren der Franzosen – mit je einem Infanteristen hinter sich auf dem Pferd – schon in der Grosseye, nahe der Einmündung der Vispa in den Rotten, durch den Fluss. So fielen sie den Oberwallisern in den Rücken, bevor sich diese dessen gewahr wurden. Nun war kein Widerstand mehr möglich. Wer vor dieser gewaltigen Übermacht nicht floh, wurde erbarmungslos niedergeschlachtet. Die Oberwalliser mussten sich von den hoch überlegenen Eroberern endgültig geschlagen geben.
Nicht weniger als 20 Tote wurden auf Walliser Seite gezählt, unter ihnen auch der wackere, aber verwegene Führer Bartholomäus Walther. Von Husaren verfolgt, sprang er in einen Garten, lehnte sich an eine Mauer und verteidigte sich heldenhaft gegen die feindliche Übermacht. Alle Aufforderungen, sich zu ergeben, soll er zurückgewiesen haben und schliesslich sterbend vom Pferd gesunken sein, mit dem Ruf «es lebe die alte Freiheit».
Auch der Visper Johann Peter Joseph Clemenz vermochte sich zuerst in Sicherheit zu bringen. [Siehe auch Kapitel 11.05 «Wie der Vater von Joseph Anton Clemenz die Schlacht von 1799 überlebte».]
Visp geplündert und verwüstet
Die Franzosen setzten ihre Plünderungen in Visp fort; sie stahlen, was sie konnten, und brannten den Ort nieder.
Der Anblick von Visp sei entsetzlich, lautete der Bericht der Kommissäre, «alle Häuser verwüstet, die Thüren eingeschlagen, die Schränke erbrochen, die Fenster zertrümmert, die Gerätschaften verdorben». Die in Visp eingetroffenen Kommissäre Buxtorf und Domherr Charles-Emanuel de Rivaz machten dem französischen General Charles-Antoine-Dominique Xaintrailles, der im Mai 1799 mit äusserster Härte den Oberwalliser Aufstand unterdrückte und das Land besetzte, hierüber Vorstellungen. Dieser ging darauf überhaupt nicht ein. Im Gegenteil, er behandelte die beiden Walliser Gesandten mit impertinenter Grobheit. Zu allem Überfluss liess er die Unterwalliser Bataillone die Landbrücke nicht überschreiten, damit die Franzosen und Waadtländer allein und ungestört plündern konnten und dies auch nach Herzenslust taten.
Kapelle bei Visper Landbrücke zerstört
Vermutlich wurde am 29. Mai 1799 auch die Kapelle bei der Visper Landbrücke vernichtet, als die Brücke beim Kampf der Oberwalliser gegen die Franzosen ein Raub der Flammen wurde.
Pfarrer F. J. Venetz bezeichnete sie in seinem Bericht von 1821 an den Bischof als «völlig zerstört» und hielt weiter fest: «Das Fundum wurde der Burgerkirche verleibt».
Spittel machte Schmiede Platz
Das erste Haus an der Strasse «Ennet der Brücke» beherbergte um 1800 ein Spittel.
Am Ende des 13. Jahrhunderts war dieses auf Initiative des Bischofs Bonifaz eingerichtet worden, allerdings vorwiegend für Pilger.
Burger Peter Ruppen betrieb 1688 im Spittel sein Gasthaus für die müden Reisenden. Später richtete Hufschmied und Wagnermeister Meinrad Zryd dort seine Werkstatt ein. Sein Nachfolger war Meinrad Bodenmüller. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Druckerei.
Vergebliches Warten auf die Österreicher
1799 führten die Franzosen an der Grimsel Krieg gegen die Österreicher, am 15. August 1799 auf der Grimsel-Passhöhe. Die Auseinandersetzung wurde zu einem Desaster für die Österreicher, die 150 Tote und vier Gefangene zu beklagen hatten.
Kommissär sandte Schreckensbild nach Bern
Franz Samuel Wild schrieb am 30. August 1799 nach Bern: «Die Oberwalliser kehren in Scharen nach dem zweiten Aufstand zurück. Aber sie finden nur mehr eine Wüste, weder Türen noch Fenster noch Hausrat noch Werkzeuge für die Landwirtschaft. Nichts – mit einem Wort – als vier Mauern dort, wo die Dörfer nicht in Asche verwandelt worden sind. Stellt euch die Frauen vor und die armseligen Kinder. Das Herz bricht mir beim Unglück dieser Leute und ich sehe es als meine Pflicht an, Euch anzuflehen bei allem, was die Barmherzigkeit erwecken kann. Kümmert Euch darum!» [Siehe auch Kapitel 11.08 «Der helvetische Kommissär Wild schuf Basis für Wiederaufbau, auch in Visp».]
Als sich Citoyen Barberin anfangs 1800 zuhanden der Grafschaft Neuchâtel nach der Situation und den Schäden erkundigte, welche der Franzoseneinfall verursacht hatte, gab ihm der Visper Burgermeister folgenden Bescheid: «Visp hat zwei verbrannte Häuser, das Rathaus und dasjenige von Baptiste Viotti, das Häuschen von Charles Viotti wurde eingeschwemmt.
Kriegsgreuel: Zwischen Turtig, Visp und Eyholz kam kein einziges Haus ohne Schaden davon. Zerschlagene oder wegtransportierte Türen, eingeschlagene Fenster, aufgerissene Böden, umgestürzte Öfen, Feuerstellen und Kamine zerschlagen, die Wohnungen zerstört. Visp zählte zuvor 90 Feuer (Haushaltungen) und 250 bis 350 Einwohner, hat heute nur mehr 60 Feuer und 213 Einwohner. Es ist unmöglich, hier eine Unterkunft zu finden; auch nach Lebensmitteln sucht man in Visp vergebens. Dies hält alle Herren, Arbeiter und Handwerker fern von Visp.»
Nach den Plünderungen der französischen Truppen im Wallis lag das Rhonetal nach den Worten eines Abgesandten der Regierung im Jahr 1800 in unbeschreiblichem Elend: «… ein Haufen von Leichen, verbrannten Dörfern, rauchenden Trümmern. Im oberen Teil war alles geraubt, alles zerstört, Fenster, Türen, Böden, sogar die Dächer, gestürzte Mauern, Trümmerhaufen überall und die Menschen, die noch lebten, verstarben fast des Hungers.» Franzosen wie Österreicher hatten beide gleich furchtbar gewütet. Eine beträchtliche Zahl von Männern, Frauen und Kindern waren umgekommen.
Verwüstung im Innern der St. Martinskirche
Grossen Schaden durch die Franzosen erlitt auch die innere Ausstattung der Visper Pfarrkirche. Die Soldaten räumten mit Paramenten, Kelchen und kirchlichen Gebrauchsgegenständen früherer Zeiten gründlich auf. Ein düsteres Bild bitterer Not entwarf Pfarrer de Courten, der 1802 das Inventar der Sakristei aufnahm. Vorhanden waren einige wenige Messgewänder, die zum Teil noch der Waldbrüderei, der unteren Kirche oder der Kapelle in der Rytti gehörten, 2 bis 3 Alben, höchstens 3 gute Altartücher, 3 oder 4 Korporalia, 5 bis 6 Purifikatoria, 3 Kelche, kein Tabernakel, kein Taufstein, keine Ampel, keine Laterne, keine Piris für das heilige Öl, keine guten Kanontafeln, kein gutes Messbuch, kein guter Stuhl, keine gute Bank im Chor, eine blaue, entlehnte Fahne, ein entlehntes Kreuz, keine Monstranz, kein Himmel (Baldachin), kein Fahnenschaft, kein Reliquarium und so weiter. Erst 1845 wurden die Schäden vollumfänglich behoben.
Geld für Loskauf der Lötschentaler fiel an Franzosen
Zum Diebesgut der Truppen gehörten zum Beispiel 1 050 Kronen, mit denen sich die Lötschentaler 1790 von der seit dem Trinkelstierkrieg (1550) bestehenden Herrschaft der Visper und Saaser sehr spät losgekauft hatten – und dennoch etwas voreilig, wie sich zeigen sollte. Die Franzosen stellten nämlich auch die Lötschentaler gleich, ohne ihnen jedoch das in Visp gestohlene Geld für den Loskauf zurückzuerstatten. Im Gegenteil: Sie nahmen ihnen selbst das, was sie noch besassen.
Aus der Gefangenschaft zurück
Der Citoyen Lang, Unterpräfekt von Visp, war 1799 während des Aufstands von Sebastian Wegener gefangen genommen worden. Der Bürger Lochmatter freute sich dann an Allerheiligen 1799 über dessen glückliche Rückkehr nach Visp.
Visper Hauptmann in Almagell erschossen
Hauptmann Rubin aus Visp, der sich beim Einmarsch der Franzosen 1799 ins Saastal geflüchtet hatte und wegen seines Greisenalters den Haltruf der Franzosen nicht hörte, fand seinen Tod in Almagell. Er wurde von einer Kugel rücklings durchbohrt.
Denkmal von Hans Loretan
1975 schuf der Bildhauer Hans Loretan bei der Landbrücke (an der Ostseite des Flusses) auf einem granitenen Gedenkbrunnen das Standbild des wehrhaften Soldaten. Das Denkmal soll an das grausame Geschehen von 1799 erinnern.
Visper nochmals zur Kasse gebeten
Nach der Brandschatzung nahmen viele Franzosen Lager in Visp und die Dorfbevölkerung musste sie versorgen. Die Burgschaft war in der Folge Ausgangspunkt für weitere «Saubannerzüge» in die nähere und weitere Umgebung. Visp wurde so beim Rückzug nochmals zur Kasse gebeten. So erlebte der Ort gleich mehrmals Plünderungen, falls dies überhaupt noch möglich war, und erlitt erhebliche zusätzliche Verluste.
Schliesslich wirkten die mehrfach gebeutelten Visper, soweit sie noch da waren, in ihren weitgehend zerstörten Behausungen ausgepresst, gedemütigt und hoffnungslos. Im Krieg gegen die einmarschierenden Franzosen hatte Visp nicht nur im Mai 1799, sondern auch noch lange danach mehr als alle anderen Orte schwer zu leiden.
Auch sonst bekam man zu spüren, dass man sich jetzt in französischer Hand befand. So wurde Burgermeister Donat Andenmatten gezwungen, sich fortan «Maire de Viège» zu nennen.
416 Oberwalliser fielen den Franzosen zum Opfer
Nach vier Monaten waren die Franzosen völlig Herren des Landes. Die Not und das Elend der Bevölkerung waren unbeschreiblich. Unter General Xaintrailles drangen die Eroberer bis ins hinterste Tal vor, um auch hier ihr verheerendes Zerstörungswerk zu vollenden.
Es mussten Kriegssteuern entrichtet werden. Die Saaser sollten 5 200 Kronen aufbringen, welche aus Mangel an Geld zum Teil mit kostbaren Kelchen und Kriegsgeräten bezahlt wurden. Zermatt bezahlte 2 600 Kronen, Visperterminen 7 422 Kronen.
Gesamthaft fielen in den Schlachten von 1798 und 1799 416 Oberwalliser, die mit Namen verzeichnet sind. Die Zahl der Toten von Visp ist mit 11, jene von Stalden mit 29 und jene von St. Niklaus mit 26 angegeben. Andere Berichte gehen von 500 Oberwalliser Todesopfern aus.
Militärstrasse durch das Wallis
Mit einem Vertrag vom 19. August 1798 wurde der Grossmacht Frankreich eine Militärstrasse durch das Wallis zugestanden. Wie diejenige über den Simplon wurde sie vom erfahrenen französischen Strassenplaner Nicolas Céard entworfen. Insgesamt waren 35 Kilometer neue Strasse vorgesehen, davon 5,2 Kilometer zwischen Visp und Brig und 10,4 Kilometer zwischen Visp und Siders. Für den Bau waren Gesamtkosten von 1,6 Millionen Franken budgetiert.

Napoleons Überschreitung des Grossen Sankt Bernhard: links auf einem Pferd, wie sich der Herrscher darstellen liess, rechts auf einem Maultier, was eher den Tatsachen entsprach.
© Jacques-Louis David, 1800, Bonaparte franchissant les Alpes au St. Bernard, Version Schloss Malmaison; Hippolyte Delaroche, 1850 Paris, Napoléon Bonaparte franchissant les Alpes au col du Grand-Saint-Bernard en 1800, Huile sur toile Paris, musée du Louvre
Napoleon wollte über den Simplon, um jeden Preis
Im Mai 1800 hatte Napoleon – oder seine Generäle – mit 60 000 Mann den Grossen St. Bernhard überquert. Im September befahl der grosse Feldherr, die Strasse über den Simplon zu bauen «pour faire passer le canon». Dies widersprach aber dem Frieden, den er mit Österreich geschlossen hatte, und der damit garantierten Neutralität der Helvetischen Republik.
Fachleute fanden, Napoleon habe die strategische Bedeutung des Simplons wohl überschätzt.
Napoleons Neuerungen
Napoleons Regime sind auch Errungenschaften zu verdanken wie das metrische System und die einheitliche Währung: 100 centimes = 1 franc. Vorbei waren also die Zeiten mit dem Durcheinander von Kreuzern, Batzen, Gros(s), Kart, Pfennigen und (Mörser) Pfunden. Ein Klafter aber blieb ein Klafter.
Visp an Jahrhundertwende in desolatem Zustand
Der Kommissär Franz Samuel Wild, der für das Wallis zuständig war, machte das Direktorium der Helvetik in Bern am 6. Juli 1799 in einem erschütternden Bericht auf die Lage aufmerksam und bat um Hilfe für das gebeutelte Oberwallis. Wenn man die gefangenen Aufständischen aus dem Oberwallis heimkehren lassen wolle, wäre der Augenblick günstig, weil sonst nicht genügend Hände für die Ernte verfügbar seien und zwischen Pfyn und Naters ein Teil des Getreides verlorengehe.
Wie Visp waren viele Orte gebrandschatzt, ausgeraubt und von den meisten Einwohnern verlassen worden. Es zeichnete sich eine grausame Hungersnot ab, die im Winter noch härter zu werden drohte. Dies umso mehr, als die französischen Besetzungstruppen und die fremden Heere die wenigen verfügbaren Lebensmittel noch raubten, um selbst zu überleben.
Im Oberwallis – und in Visp nicht am wenigsten – herrschte im Winter 1799/1800 wegen den verheerenden Kriegseinwirkungen, der Besetzung, der Plünderung und den Requisitionen (Beschlagnahmungen) ein unermessliches Elend. Das Getreide auf den Feldern wartete aufs Einbringen. In der noch verbliebenen Bevölkerung fehlte es an menschlichen Kräften, aber auch an Geräten und Karren, um diese einzubringen.
Das 19. Jahrhundert begann mit den schrecklichen Folgen der zwei kurz aufeinanderfolgenden Aufstände der Walliser gegen die Horden der französischen Revolution. Die französischen Generäle und die Soldateska hatten unbeschreibliches Elend ins Wallis gebracht und das Land weitgehend ruiniert. Unmittelbar nach dem Raubzug der französischen Invasoren verwüsteten zudem andere fremde (österreichische) Kriegsheere, was es im Oberwallis überhaupt noch zu verwüsten gab.
Bevölkerung bezahlte für stümperhafte Aufstände
Wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit in der Schweiz nicht weniger als 72 000 französische Soldaten gezählt wurden, so erscheinen die Oberwalliser Aufstände von 1798 und 1799 als wenig überlegt, schlecht vorbereitet und stümperhaft. Die Verantwortlichen hatten bestimmt in Kenntnis der zahlenmässigen, aber auch kriegerischen Überlegenheit des Gegners gehandelt. Aus dem Debakel vom Jahr zuvor hatten sie nichts gelernt oder nichts lernen wollen, was katastrophale Folgen haben sollte. Die Folgen mussten die Oberwalliser Soldaten an der Front und schliesslich die ganze Bevölkerung bitter bezahlen, viele von ihnen mit ihrem Leben.
Franzoseneinfall wirkte noch lange nach
Vom Einfall der Franzosen 1799 erholte sich das Wallis sehr lange nicht. Ein Hinweis darauf ist die Bevölkerungszahl. Zählte man im Jahr 1780 90 000 Einwohnerinnen und Einwohner, so waren es 100 Jahre später immer noch gleich viele.
Überhöhung des Geschehnisses an der 100-Jahr-Pfynfeier
Die Pfynfeier von 1899, an welcher der Klerus stark vertreten war, führte zu einer Überhöhung des Ereignisses und liess die Oberwalliser Toten vom Ende des 18. Jahrhunderts zu Märtyrern werden. Die militärische Niederlage wurde zu einem moralischen Sieg der Nation beziehungsweise des Oberwallis.
Es ging nicht so sehr um historische Wahrheit, sondern darum, ein historisches Ereignis derart herzurichten, dass es, wie der «Walliser Bote» schrieb, als Transportmittel einer spezifischen Ideologie dienen konnte. Der Krieg wurde zum heiligen Krieg. Die Feier hatte zum Ziel, ein heroisches Geschichtsbild zu festigen, den Katholisch-Konservativen aus der Defensive herauszuhelfen, Probleme der Gegenwart zu verdrängen und Fremdes vom Wallis fernzuhalten. Die angemahnte Fremdenfeindlichkeit erhielt durch die Anrufung der Ahnen eine Überhöhung, die politisch benutzt werden konnte.