Kapitel Nr.
Kapitel 15.03

Erste Rottenkorrektion – ein Werk öffentlichen Nutzens, welches Entwicklung ermöglichte

Verschiedene Gründe führten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur verhältnismässig spät eintretenden wirtschaftlichen Entwicklung im Wallis. Der erste entscheidende Schritt in diese Richtung wurde mit dem Beginn der Korrektion des Rottenlaufs getan. Die Eindämmung des Rottens war eines der grossen Pionierwerke des 19. Jahrhunderts. Bis dahin hatte sich der Fluss seinen Weg in der gesamten Talebene selbst gesucht. So wurde er als ein Fluss beschrieben «der bald sich wie ein Bach herabstürzt, bald über die ganze Breite des Tales ergiesst, seinen Lauf und sein Bett von Fall zu Fall wechselt, seine Wasser und seine Steine sukzessive über das ganze Tal wälzt, das er so verwüstet».

Der Kanton hatte beschlossen, die Korrektion des Rottens und der Seitenbäche durchzuführen, darunter auch die Vispa auf den letzten 400 Metern vor ihrer Mündung in den Rotten; 1863 wurden die Arbeiten aufgenommen. Auf seinem Gemälde hielt der Walliser Kunstmaler Raphael Ritz die Arbeiten in Raron fest, mit Blick auf das Bortelhorn. Raphael Ritz, Rottenkorrektion bei Raron, 1888, Öl auf Leinwand, 88,5 mal 137,5 Zentimeter.

© Walliser Kunstmuseum, Sitten, Ankauf 1947, Inv. BA 330, Foto Michel Martinez

Rotten und Zuflüsse eindämmen

Die erste systematische Rottenkorrektion wurde zwischen 1863 und 1878 bzw. 1890/1894 durchgeführt. Mit der Korrektion wurden der Rotten und seine Zuflüsse – darunter die Vispa als grösster – eingedämmt, ihr Lauf reguliert und die Ebene weitgehend urbar gemacht. Das Konzept der ersten Rottenkorrektion beinhaltete zwei parallel verlaufende, aufgeschüttete Dämme, die dem Fluss ein neues Bett und teilweise auch einen neuen Verlauf vorgaben.

Die Sanierung bestand vor allem im Durchstechen einiger Kurven des alten Flusslaufs, in der Errichtung von Hochwasserdämmen, in der Vertiefung des Flussbetts und in der Verbauung der Seitenflüsse, vor allem des Unterlaufs der Vispa. Zudem wurden Schutzmassnahmen für Wildbäche und Bergwälder ergriffen.

Dem Fluss Grenzen setzen, aus dem Elend herauskommen

1812 hatte Hildebrand Schiner von der Rottenebene als einer weiten, grossen Ebene gesprochen, die sehr fruchtbar sein könnte, wenn sich die Bodenbesitzer bemühen würden, ihre feuchten Grundstücke zu entsumpfen. Viele einheimische und fremde Beobachter sahen, dass eine Eindämmung des Flusses unabdingbare Voraussetzung war, um das Wallis aus seinem Elend zu reissen. Godefroy Engelmann, ein berühmter Alpenlithograph, formulierte dies 1827 so: «Dieser Kanton wird nie Entwicklung, nie Salubrité (Gesundheit), nie Landwirtschaft haben, solange man den Verwüstungen des Flusses keine Grenzen setzt.»

Zunächst ohne Visp

Kurz vor dem Dezember-Landrat 1824 schlug die Rhonekommission dem Staatsrat ein Projekt zur Eindämmung des Rottens zwischen der Massa und der Leukerbrücke vor. Dieses Projekt sollte die Regierung noch während Jahrzehnten beschäftigen. Der Landrat sprach sich nämlich anfänglich nur dort für eine staatliche Mitfinanzierung aus, wo der Fluss unmittelbar an die Hauptstrasse grenzte und die Korrektion zur Strassensicherung notwendig war. Und auf dem gesamten Territorium von Visp grenzte der Rotten nirgends an die Hauptstrasse. Also blieb Visp aussen vor. 

Eine zweite Rhonekommission, der auch Ingenieur Venetz angehörte, legte 1829 ein vollständiges Korrektionsprojekt für die Strecke Saint-Maurice und den Genfersee vor, doch gab es auch hier Schwierigkeiten bei der Realisierung.

Visp und Baltschieder leisteten Pionierarbeit

Bereits 1825 hatten sich die Visper und die Baltschiedner auf ihrem Territorium ans Werk gemacht und Vorarbeit für die spätere erste Rottenkorrektion geleistetet.

Doch wieder traten der Rotten und auch die Vispa massiv aus ihrem Bett, rissen Gebäude und Boden mit sich fort und überschütteten Wiesen und Felder mit Sand, Gestein und Holz. So schwer die Bevölkerung von diesen wiederholten Verwüstungen betroffen war, hatte sie «mit Hilfe des Allmächtigen, dank der Unterstützung der Eidgenossenschaft, der Anleitung kluger Staatsmänner, der Tätigkeit erfahrener Bürger und mittels Beschränkung selbst notwendiger Auslagen dieses Ungemach einigermassen überstanden».

Die Rottenkorrektion war nun dringend notwendig geworden, wollte man den Anschluss an die benachbarten Kantone und Länder nicht verpassen und sich die Zukunft nicht endgültig verbauen.

Kantonales Gesetz über die Dämmung des Rottens

Im Dezember 1832 berichtete der Staatsrat ausführlich über die Eindämmung in der Talebene und betonte, dass nur eine systematische, planmässige Eindämmung des Flusses erfolgversprechend sei; damit könne ungeheuer viel fruchtbarer Boden gewonnen werden. Doch dürfe die Arbeit nicht wie bis anhin den Gemeinden überlassen werden. Der Staat müsse die Leitung des Werks übernehmen und im Einvernehmen mit den Gemeinden planen. Ein Gesetzesentwurf in diesem Sinn sei in Vorbereitung.

Der Landrat erklärte sich mit den Grundideen des Berichts völlig einverstanden und erkannte darin «le fruit de profondes méditations et une longue expérience», ein Kompliment, das zweifellos Kantonsingenieur Ignaz Venetz galt, der hier tatsächlich bedeutende Vorarbeit geleistet hatte. Am 23. Mai 1833 wurde das Gesetz über die Dämmung des Rottens, der Ströme und Bäche sowie die Austrocknung der Sümpfe vom Landrat verabschiedet. Die Ausführung wurde aber erst eine Generation später ernsthaft in Angriff genommen.

Die Karte von 1842 zeigt Visp mit Vispa und Rotten und den Überschwemmungsgebieten in der Ebene noch vor der ersten Rottenkorrektion, die um 1863 begann. Der Rotten war noch nicht begradigt, das Bahntrassee noch nicht vorhanden. Aus der Darstellung geht hervor, wie die Vispa nach dem Weiler Ennet Brücke noch klar dem Hohberg entlang in den Schwarzen Graben floss, um dort in den Rotten zu münden. Die Flusskorrektion sollte auch eine massive Änderung des Vispa-Betts zur Folge haben.

© Swisstopo 1842

Korrektion des Rottens nahm Form an

Bereits 1857 hatte der Rotten die ganze Talebene überschwemmt und als 1860 Rotten und Vispa einmal mehr über die Ufer traten, läuteten in Sitten beim Bau- und Flussdepartement die Glocken. Hatte man zuvor im Wallis im Wasserbau erst zaghaft und schrittweise etwas unternommen, musste man nun ernsthaft an die schon lange ersehnte Rottenkorrektion denken. Erstmals konnte auch der neue Bundesstaat miteinbezogen werden. Erst die Anwendung von Art. 21 der Bundesverfassung und die damit verbundenen Subventionen aus Bern in der Höhe von 2,6 Millionen Franken machten es möglich, dass die Rottenkorrektion markant fortschritt.

So wurden die Hochwasser von 1860 zum Ausgangspunkt für die zusammenhängende Planung dieser bedeutenden Flusskorrektion. Früher waren eben sämtliche auszuführenden Eindämmungsarbeiten zulasten der an den Fluss angrenzenden Gemeinden gefallen. Visp wurde so immer gleich zweimal zur Kasse gebeten.

An seiner November-Sitzung von 1860 billigte der Walliser Grosse Rat einhellig den Bericht der Rottenkommission, um dann wie ein verschwenderischer Sohn mit einer dringenden Bitte um finanzielle Hilfe an Mutter Helvetia zu gelangen, damit er die Schäden beheben konnte, die der Fluss verursacht hatte.

Korrektionsplan mit auswärtiger Hilfe

Ein Gremium, das im Dezember unter Beizug von General Dufour ernannt wurde, empfahl der Eidgenossenschaft auf der Grundlage des Rapports von Daniel Chantro die Korrektion des Rottens. Es folgte ein dreijähriger Schriftwechsel zwischen Wallis und Berne fédérale, weil die Sicherheit der Bevölkerung ein rasches Vorgehen verlangte.

Die Experten des Bundes, der St.Galler Chefingenieur Hartmann und der Genfer Kantonsingenieur Blotnitzki, erstellten ihren Korrektionsplan. Mit diesem erklärten sich die Walliser Ingenieure Venetz und Chappuis einverstanden, nachdem sie einige Ergänzungen vorgenommen hatten.

1862 erklärte der Grosse Rat die Eindämmung des Rottens und der Seitenbäche, darunter natürlich nicht zuletzt der Vispa, zur Staatsaufgabe und die entsprechenden Bauten zu Werken öffentlichen Nutzens. Er fasste einen grundsätzlichen Beschluss zur diesbezüglichen Kostenverteilung.

Die Gemeinden konnten ihre Beiträge auch mit Baumaterial (Holz, Steine) und mit anderen Leistungen (Gmeiwärch) abgelten.

Arbeit mit Pickel und Schaufel

Am 19. Januar 1863 lag die Botschaft des Bundesrats zur Rottenkorrektion vor. Im Jahr 1863 nahmen dann die Gemeinden das für damalige Verhältnisse gigantische Werk mit Zuversicht in Angriff. Die Arbeiten im ganzen Kanton waren mit 8 Millionen Franken veranschlagt worden, was für das finanzschwache Land eine enorme Belastung war. Es gelang dem Kanton, zusammen mit dem Bund, Finanzen für die Korrektur der Flüsse und Bäche lockerzumachen.

Als mit der Eindämmung des Rottens begonnen wurde, gab es noch keine entsprechenden Maschinen. Dieses grossartige Werk wurde mit Pickeln, Reisteisen, Schaufeln und Schubkarren ausgeführt. Man «amputierte» die Nebenarme des Flusses und verkürzte seinen Lauf, um seine Transportkraft zu erhöhen, verstärkte die Ufer durch Erddämme und trieb steinerne Sporne ins Flussbett vor, um das feste Land gegen Hochwasser zu sichern und die Strömung des Niederwassers zu beschleunigen. Die Arbeiten konnten binnen 12 (!) Jahren erledigt werden.

Dank dieser ersten Rottenkorrektion konnten nun zusätzlich auch die Eyen im Westen von Visp entsumpft und urbar gemacht werden. Die Mündung der Vispa in den Rotten wurde vom Schwarzen Graben weiter östlich in das heutige Bett verlegt. [Siehe auch Kapitel 15.04 «Die Korrektion der Vispa, eine solide und vorbildliche Arbeit».]

Gleichzeitig legte man das Sumpfgebiet mittels Kanälen trocken und wandelte es in Kulturland um. In Visp war dies unter der Leitung von Ingenieur Ignaz Venetz ein halbes Jahrhundert zuvor zwischen Landbrücke und den Seewjinen geschehen. Für einmal hatten die Visper, zwar der Not gehorchend, die Nase vorn gehabt. [Siehe auch Kapitel 13.01 «Kantonsingenieur Ignaz Venetz legte den Visper Grund trocken».]

Gegen «Ausgüsse» von Rotten und Vispa gesichert

Präfekt Adolf Burgener wandte sich am 25. April 1860 in einem Brief an die Kantonsregierung in Sitten: «... wage den Antrag zu stellen, dass die Regierung dafür wirken möge, die Gemeinden Visp und Baltschieder des näheren zu bewachen, dass ihre Lage durch wohl überlegte Pläne gegen zukünftige Ausgüsse der Rhone und der Vispa gesichert und so dem Landmann eine bessere Zukunft ermöglicht werde.»

Steine für die Rottenkorrektion

1867 fasste auch der Visper Gemeinderat einen Beschluss zur ersten Rottenkorrektion. Das entscheidende Protokoll des Gemeinderats lautete: Die Rhonekorrektion soll jetzt gemäss kantonalen und eidgenössischen Vorschlägen ernstlich angegangen werden. Die hiezu erforderten Steine möchte man von Tscherey und Lalden erhalten.

Diese Luftaufnahme des Rottens beim östlichen Ende der Lonza von 1931 zeigt, wie der Fluss mit Sporen korrigiert wurde, die in den Fluss hineinragten.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf unbekannt, Hs_1458-GK-B000-1931-0007, Public Domain Mark

Weitreichende Hypothek für Rottenkorrektion

Die Finanzlage der Gemeinde Visp war aufgrund der Reparaturkosten nach den Überschwemmungen derart schlecht, dass man das bis dahin freigehaltene Pfarreivermögen neu besteuern musste. Auch die Burgerkasse war alles andere als prallvoll gefüllt.

Am 3. Juli 1866 beschloss der Gemeinderat, sich betreffend einer Hypothek für ihre Anleihe zwecks Anteil an der Rottenkorrektion mit der Burgerschaft in Verbindung zu setzen. Ein Jahr später wurde die Angelegenheit spruchreif. Die Gemeinde beschloss, dafür folgende Güter in Hypothek zu geben: die unverteilten Eyen von der Burgergasse abwärts bis an die Vispa, den Burgerwald von der alten Strasse bis zum Riederweg und an die Rarner Grenze bis an die Alben-Geteilen.

Offenbar hatte man mit den Burgern nicht allzu klar gesprochen, denn diese stellten verwundert fest: Der Munizipalrat beschliesst Burgerwälder, also Eigentum der Burger, in Pfand zu geben. Die Kantonsregierung erklärte sich aber am 28. Dezember 1867 mit dieser Hypothek einverstanden.

Aus Angst vor den Kosten hatte die Burgerversammlung von 1866 den Beitrag an die erste Rottenkorrektion abgelehnt. Die Urversammlung der Munizipalgemeinde hingegen stimmte dem Werk zu.

Als 1875 auch mit der Korrektion der Vispa begonnen werden konnte und 1876 die Bahn von Westen her Visp erreichte, besserte sich auch die materielle Lage der Munizipalgemeinde etwas. Dennoch handelte der Gemeinderat vor allem in den 20 darauffolgenden Jahren bei den Ausgaben überaus vorsichtig.

Feuerprobe bei Hochwasser

Kaum waren die Arbeiten für die erste Rottenkorrektion aufgenommen worden, brach 1868 ein Hochwasser mit wohl einmaliger Kraft und Gewalt über das Gebiet herein, ein Unwetter, das auch in der übrigen Schweiz sehr grossen Schaden anrichtete. Diese Überschwemmung war ein Prüfstein für die bereits ausgeführten Korrektionsarbeiten; insgesamt hielten die Vorrichtungen der Flut recht gut stand. [Siehe auch Kapitel 15.02 «Hochwasser: häufige Überschwemmungen verhinderten Ausdehnung der Siedlung Visp».]

Erleichterte Enteignung

Ein Jahr später kam der Gedanke auf, man hätte die Rotteneindämmung einer privaten Gesellschaft übergeben sollen. Dieser wäre dann als Entschädigung ein Teil des erschlossenen Landes zugefallen. Doch die Bewohner hingen zu sehr an der heimatlichen Scholle, als dass sie sich so leicht von ihr losgesagt hätten.

Die erste Rottenkorrektion ging nicht über die Bühne, ohne auf den Widerstand der betroffenen Eigentümer zu stossen, dies vor allem im Unterwallis. Anfangs 1874 schuf der Grosse Rat die Voraussetzungen, um der Rottenkorrektion, diesem wichtigen Werk, unverzüglich vollumfänglich zur Realisierung zu verhelfen. Auf der Grundlage des Gesetzes über die Eindämmung des Rottens und die Entsumpfung der Ebene wurde erklärt, die Arbeiten seien von öffentlichem Nutzen. Damit war eine erleichterte Enteignung für die Errichtung der Dämme und der dazu notwendigen Strassen möglich.

Rottenkorrektion kostete 7,5 Millionen Franken

1875 waren die Hauptarbeiten der ersten Rotteneindämmung beendet. Sie kosteten insgesamt 7 502 700 Franken. Diese wurden wie folgt aufgeschlüsselt: Eidgenossenschaft 2 493 800 Franken, Kanton Wallis 853 400 Franken, 56 interessierte Gemeinden 4 155 500 Franken.

Insgesamt beliefen sich die Kosten für die bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausgeführten Arbeiten der ersten Rottenkorrektion auf über 10 Millionen Franken.

Mit diesen Korrektionsarbeiten wurde die gefährlichste Naturbedrohung des Kantons, welche der Rotten mit seinen Zuflüssen zweifellos während Jahrhunderten dargestellt hatte, wesentlich entschärft; es wurde eine merkliche Besserung festgestellt. 1877 war der Fluss von der Saltina bis an den Genfersee mehr oder weniger gebändigt.

Aufgrund der anstehenden Verlegung des Bahntrassees im Tal war dem Rotten Vorrang gegeben worden. Die Verlegung des Flussbetts der Vispa und ihre Eindämmung erfolgten dann zwischen 1875 und 1878.

Unentbehrlicher Grossgrundkanal brauchte Jahrzehnte

Nach Beendigung der ersten Rottenkorrektion machte sich in der Talebene eine grosse Enttäuschung breit. Die Kronen der Dämme von Rotten und Vispa waren nämlich gegenüber dem Umfeld erhöht worden. Das erlaubte zwar, den freien Abfluss der kleinen Gewässer aus den Siedlungen, von den Hängen und Ebenen zu verhindern, aber trotz umfangreicher Arbeiten blieb die Rottenebene versumpft und noch kaum nutzbar. Nach der ersten Rhonekorrektion bedurfte es der schrittweisen Entsumpfung der Ebene bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dieser Plan von 1890 für die Entwässerung der Talebene bei Visp zeigt neben Rhone und Vispa blau die Kanäle, die bereits bestanden, und rot jene, die noch angelegt werden mussten. 1893 wurde ein Kanal angelegt, der unter der Vispa hindurchführte.

Erschienen in Fibicher.

Entwässerung wurde weitergeführt

Das kantonale Baudepartement entwickelte 1873 ein beachtliches Entwässerungsprojekt. Auf der ganzen Ebene des Kantons wurden acht Sammelbecken mit Haupt- und Nebenkanälen ausgeschieden. Als Grundlage eines Sanierungskonzepts diente der heutige Grossgrund- oder Schnidrigen-Kanal für die Gebiete Eyholz-Visp und Raron-Gampel. Zwischen dem Ursprung in Eyholz und der Einmündung bei Schnidrigen/Gampel sollte auf einer Länge von rund 12 Kilometern der Höhenunterschied zwischen der Talebene und dem Rotten angeglichen werden.

Zwischen 1875 und 1882, als im Süden das Trassee für die Bahn geäufnet wurde, entstand zwischen der Grosseye und Niedergesteln bereits ein Teil des Kanals. Die übrige Arbeit des gross angelegten Projekts verzögerte sich gegenüber der ursprünglichen Absicht erheblich. Im Visper Grossgrund wurde 1891 ein bescheiden zu nennender Entwässerungskanal angelegt, der in zwei Röhren unter der Vispa durchgeführt und bei der unteren Baltschiederbrücke in den Rotten geleitet wurde. Auch Ergänzungsarbeiten dazu brachten in den folgenden Jahren kein zufriedenstellendes Ergebnis.

Anschlussprojekt «Rauchenstein» im 20. Jahrhundert

Es dauerte ein Vierteljahrhundert, bis Ingenieur Rauchenstein ein Projekt präsentierte, das in den Grundzügen der schon 1873 skizzierten Idee entsprach. Es bestand im Wesentlichen aus einem Hauptkanal zwischen Eyholz und Schnidrigen mit einem leistungsfähigen Durchlass unter der Vispa kurz vor deren Einmündung. Der Kanal erhielt eine Transportkapazität von 1,2 bis 7 Kubikmeter pro Sekunde. Um Letzteres zu ermöglichen, musste der bereits bestehende Schnidrigen-Kanal ausgebaut werden. Die Entwässerung der Ebene sollte durch sekundäre Zuleitkanäle ausgeweitet werden.

Gewinn von Kulturland und Voraussetzung für Bahn

Vor bald 150 Jahren war die Talebene von Visp, wo sich heute das Städtchen ausdehnt, wo der Bahnhof und die Werkanlagen der Lonza stehen, noch mit Bachläufen, Kiesbänken und viel Buschwerk überdeckt gewesen.

Für die Burgerschaft Visp brachte die erste Rottenkorrektion bedeutende zusätzliche landwirtschaftliche Flächen in der Gosseye, der Wehreya, kurz: in «Visp West». Die Talebene konnte vorerst landwirtschaftlich und später zusehends durch Gewerbe und Industrie genutzt werden. Das Projekt war auch die Voraussetzung für die Bahn im Tal, zunächst für das Anhäufen des Eisenbahn-Trassees und für das Eintreffen des ersten Zugs im Jahr 1876.

Die Bahn war ihrerseits eine absolute Notwendigkeit, damit sich später Industrie wie die Lonza AG niederlassen konnte, welche endlich besseren Verdienst im Dorf und in der Umgebung ermöglichte. Bedingung für das Funktionieren des Werks war das wilde und bis dahin fast nur als schädlich erlebte Wasser der Vispa, die vom Saastal her den Strom über Ackersand lieferte.

Zweite und dritte Rottenkorrektion

Eine zweite Rottenkorrektion wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgenommen. Das Problem, das bei bedeutenden Hochwassern immer wieder entstand, konnte bis anfangs des 21. Jahrhunderts noch nicht mit Sicherheit gelöst werden. So entschloss sich der Staatsrat um diese Zeit zu einer dritten Korrektion. Deren Aufgabe war es – wenigstens im Raum Visp –, bei einem Jahrtausend-Hochwasser Bevölkerung, Siedlung und Industrie mit Sicherheit zu schützen.

Fischereirechte im Rotten von Raron bis Naters

Die Burgerschaft Visp bestand darauf, die Fischereirechte von der Brücke Raron bis zur Brücke nach Naters zu besitzen, als der Staat 1868 die Einschreibung der mutmasslichen Fischereirechte im Rottenbett verlangte.