Kapitel Nr.
Kapitel 18.13

Arbeiten am Rotten nach 1920er-Hochwasser

Der Rotten hatte seit ehedem einen sehr unregelmässigen Lauf. Er änderte sein Bett mancherorts fast von Jahr zu Jahr. Landwirte hatten daher oft den Verleider. Sie fragten sich, ob sie ihre Äcker oder Binen in der Ebene überhaupt noch bebauen sollten, weil sie stets damit rechnen mussten, dass der Fluss alles wieder zerstörte. 

So vermerkte 1913 ein aufmerksamer Beobachter: man könne die alten Flussläufe oft weit abseits vom aktuellen Rottenbett verfolgen. Weil das Flussbett nicht genügend Abfluss gewährte, waren Überschwemmungen namentlich bei Gewittern häufig. 

Das entfesselte Element wütete am fürchterlichsten im Herbstmonat des Jahres 1860, als die ganze Rottenebene von Brig bis Martigny ein einziges weites Meer zu bilden schien. Von den 21 Brücken hatte der Rotten nur eine einzige stehen lassen. Der Schaden war enorm. Dieses verheerende Ereignis gab dann den entscheidenden Anstoss, den urgewaltigen Walliser Strom auf einer Länge von 100 Kilometern auf beiden Seiten gleichzeitig einzudämmen. 

Der Strom sollte, sobald er den Niederwasserstand überstieg, durch zwei zurückgestellte Hauptdämme aufgefangen werden. Sporen – Stösse, Querwehren, Querwuhren – sollten das Wasser gegen die Flussmitte abdrängen und durch Sandansammlung in den Zwischenräumen die Dämme verstärken.

Keine zwei Jahre nach den sintflutartigen Regenfällen vom 23. September 1920 brach am 30. August 1922 der östliche Vispadamm. Die reissende Vispa und der Rottu überfluteten den Grossgrund mit den Kleegärten, wo allerdings ausser dem Stall der fux campagna noch kein anderes Gebäude stand. Auch die Fabrikanlagen wurden teilweise eingeschwemmt. Aus den Kleegärten und den Weidlösern wurde ein See.

Fotograf unbekannt, zVg/Elisabeth Bittel

Dämme verstärkt

Nachdem die Gemeinden Lalden und Baltschieder infolge der Dammbrüche bei den letzten Hochwasserkatastrophen von 1920 und 1922 die Dämme auf der ganzen Linie erhöht und verstärkt hatten, entstand dadurch eine erhöhte Gefahr für Visp. Auch hatten die Erfahrungen der vergangenen Jahre zur Genüge gezeigt, dass die Verbauungsmassnahmen mit geringeren Kosten durchgeführt werden konnten als die Ausbesserung der Schäden, welche durch eine Hochwasserkatastrophe entstanden waren.

Lonza und Entsumpfungsanlage gefährdet

In Visp war man sich bewusst, dass ein Hochwassereinbruch die gesamte Entsumpfungsanlage zerstören konnte; dies gefährdete die Fabrikanlage der Lonza in ihrer Existenz. Demzufolge begriff man, wie angezeigt eine solide Verbauung der Rottendämme war. 
Gleich bei Beginn der Amtsperiode hatte der Rat sich mit dieser Frage befasst und der Urversammlung Kenntnis gegeben vom Projekt, das mit dem Kanton zusammen aufgestellt worden war, und die notwendigen Kredite gesprochen. Seither war die Arbeit an die Herren Unternehmer Bodenmüller und Mathier übergeben worden. Bereits war das erste Teilstück beendet.

Am 6. Juli 1925 wurde mit Vertretern des Kantons eine Besichtigung des Stands der Rottendammarbeiten vorgenommen. Dabei stellte Staatsrat Delacoste es der Gemeinde anheim, die Weiterführung zu beschliessen und ein diesbezügliches Begehren zu stellen. 

Der Rat zog dann in Erwägung, im folgenden Jahr die zwei Teilstücke in Angriff zu nehmen, war sich aber bewusst, dass bei einem neuen Konkurrenzausschreiben höhere Eingaben zu befürchten waren. So beschloss er, dem Staat zu beantragen, den Unternehmern Bodenmüller und Mathier die Arbeiten an beiden Teilstücken zu gleichen Bedingungen zu übergeben. 

Die Schutzarbeiten an der Baltschiederbrücke waren mit Kosten von 140 000 Franken veranschlagt. Dafür musste bei der Bank in Brig ein Kredit von 50 000 Franken zu einem Zins von 6 1⁄4 Prozent aufgenommen werden. Der Gemeinderat setzte die Lonza-Direktion von all diesen vorgesehenen Massnahmen am Rotten in Kenntnis und wies darauf hin, dass die Interessen des Industriewerks stets im Vordergrund standen.

Vispa-Korrektion von der Landbrücke aufwärts

Am 15. März 1925 stellte der Gemeinderat fest, dass sich der Lauf der Vispa von Jahr zu Jahr verschlechterte, dies aufgrund der Bildung von kehrförmigen Windungen. Am linken, westlichen Ufer wurde ein kultiviertes Bodenstück nach dem anderen weggespült und auch das rechte Ufer stand in Gefahr. Das Flussbett wurde immer mehr mit Kies und Geröll aufgefüllt, sodass nun eine Korrektur von der Landbrücke aufwärts dringend notwendig war. 

So beschloss der Gemeinderat hierfür einstimmig einen Kredit von 8 000 Franken. Vom Kanton wurde eine Subventionierung zu 55 Prozent erwartet.

Bundesrat inspizierte Rottenkorrektion

1932 besichtigte Bundesrat Meyer in Begleitung von Gemeindepräsident Anthamatten den Stand der Arbeiten bei der zweiten Rottenkorrektion in Visp. 

Bei der zweiten Rottenkorrektion von 1930/32 war gegenüber dem Lonza-Areal auf der Höhe der nachmaligen Sackfabrik die Korrektion auf einer Länge von 240 Metern nicht ausgeführt worden, in der Hoffnung, dass sich die Sache von selbst korrigieren werde. 

Dies erfüllte sich nicht. Das Flussbett erhöhte sich dort zwischen 1929 und 1947 um 30 bis 35 Zentimeter. So musste die unterlassene Arbeit nachgeholt werden. Der Rotten werde auch in Zukunft näher beobachtet werden müssen, wurde gefolgert, dasselbe unterhalb der Baltschiederbrücke, und zwar sowohl wegen des Rottens selbst als auch wegen der Vispa, weil auch deren Bett sich nach demjenigen des Rottens richtete.
Die Niederschlagsmenge, berechnet auf das Einzugsgebiet des Flusses, war schon früher auf 400 Kubikmeter pro Sekunde angesetzt worden. Neu wurde dieses Fassungsvermögen der Vispa auf 500 Kubikmeter pro Sekunde heraufgesetzt. 

Es stellte sich die Frage, ob durch Ausbaggerung die Sohle vertieft oder gar der Damm erhöht werden sollte, da ohne gleichzeitige Senkung des Rottenbetts das Ausbaggern der Vispa in kurzer Zeit wieder nutzlos würde. 

So konnte der Kanton im Einverständnis mit den Bundesstellen den Damm um 50 Zentimeter erhöhen. Dabei sollte das rechte Ufer mit einem Beton-Damm mit Steinverkleidung auf der inneren Seite versehen werden. 

1950 wurde die Dammerhöhung auf der linken Seite in Angriff genommen. Nach Abzug der Subventionen verblieben noch rund 175 000 Franken an Kosten zu begleichen. Diese wurden zu 60 Prozent von der Lonza und 40 Prozent von der Gemeinde übernommen. 

Die Verlegung des Mühlenwuhrs erwies sich als notwendig, weil der Damm im Moment des Hochwassers undicht war und verdichtet werden musste.

Dammsprengung erwogen

Am 24. September 1948 fand in Visp unter Beteiligung aller involvierten Stellen eine Sitzung betreffend Massnahmen zur Verhütung künftiger Hochwasserschäden statt.

Am 4. September sei man mit Glück um bedeutende Hochwasserschäden herumgekommen; es müssten aber daraus Konsequenzen gezogen werden. Eine Begehung habe gezeigt, dass es an den Dämmen schwache Punkte gab. 

Da im Fall einer Überschwemmung sehr grosse Werte gefährdet wären und eine Sprengung des hinteren Vispa-Damms, von der so viel gesprochen wurde, nicht infrage komme, müssten unverzüglich Massnahmen ins Auge gefasst werden, um drohendes Unheil zu vermeiden. Es seien Uferschutzarbeiten nicht nur an der Vispa, sondern auch am Rotten in Aussicht zu nehmen.

Der Kanton machte darauf aufmerksam, dass eine Dammsprengung im Fall höchster Gefahr nicht stattfinden dürfe, ohne das Baudepartement hierüber einzuvernehmen. Eine derartige Massnahme wäre zu folgenschwer und müsste reiflich erwogen werden. 

Eine erste Sicherungsarbeit sei die vorgeschlagene Umleitung des Mühlenwuhrs, ein Projekt, das aber nicht in den Uferschutz aufgenommen werden könne.

Der Kanton erklärte sich bereit, für die notwendigen Korrektionsarbeiten an beiden Flüssen Studien aufzunehmen. Bund und Kanton würden je 25 Prozent zahlen. Auch Lonza, SBB, VZ und andere würden herangezogen. 

Ob deswegen die verlangte Weiterführung der Rottenkorrektion von der Baltschiedner Brücke abwärts vorzunehmen sei, werde geprüft. Die beidseitige Auffüllung sollte vermieden werden, weil dadurch die Aufnahmefähigkeit des Flussbetts im Moment des Hochwasssers verringert würde.

Gefahr für SBB

Die SBB liess verlauten, die Eisenbahnbrücke stelle für die Bahn eine grosse Gefahr dar, weil die Flusssohle seit dem Jahr 1920 um 65 Zentimeter gestiegen sei. Es frage sich, ob der höhere Stand des Rottens oder die Auffüllung der Vispa daran schuld sei. 

Es sei die Frage zu prüfen, ob die Brücke bei Hochwasser eventuell gehoben werden sollte. Das Höherstellen der Bahnbrücke sei kein leichtes Unterfangen. Die SBB werde sich jedenfalls damit befassen. Die Lonza würde das Geld dafür vorstrecken.

Die Gemeinde ihrerseits erklärte sich bereit, im Einverständnis mit dem Kanton den Mühlenwuhr unterhalb der Bahnbrücke nach dem Mischikanal umzuleiten. Die Lonza AG äusserte den Wunsch, man möge doch noch im folgenden Winter mit den Dammschutzarbeiten beginnen.

Visp zahlte 78 700 Franken an Rottenkorrektion

Das kantonale Baudepartement unterbreitete der Gemeinde Visp 1934 die Abrechnung der Rottenkorrektion im Raum Visp. Die Abrechnung belief sich auf 580 000 Franken. Davon hatte die Gemeinde Visp 78 730 Franken zu tragen. 

Im Ganzen kostete die zweite Rottenkorrektion 90 Millionen Franken; der Bund übernahm einen Drittel. Gleichzeitig mit der Rottenkorrektion wurde die ganze Talsohle mit einem Netz von über 200 Kilometern Entwässerungsgräben und Entsumpfungskanälen durchzogen. Darauf verzogen sich die Mückenschwärme grösstenteils und das Gequake der Frösche verstummte mehr oder weniger. 

Visper und Baltschiedner waren diesbezüglich schon vor der allgemeinen Flusskorrektion von sich aus am Werk gewesen und hatten so Pionierarbeit geleistet.

Doppelspur Visp-Brig

Der Gemeinderat genehmigte am 14. September 1914 die Pläne zu den Kunstbauten für das Doppel-Geleise der SBB zwischen Visp und Brig. 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, wurde die zweite Spur der Bahnlinie Visp–Brig eröffnet.

Uneinig wegen Gamsa-Wasser

An einer Sitzung von Vertretern der Gemeinden Glis, Eyholz, Visperterminen und Visp, an der gestützt auf die Vereinbarung vom 27. April 1854 das Wasser der Gamsa zugeteilt werden sollte, konnte auch noch 1920 keine Einigung erzielt werden.

Kartoffeln gratis an Hochwassergeschädigte

Das Hochwasser von 1922 hatte für einige Visper Familien einschneidende Folgen. So beschloss der Gemeinderat am 11. Oktober, die eingetroffenen Kartoffeln gratis an die bedürftigen Wassergeschädigten aufzuteilen. 

Er beschloss auch, die Frachtspesen beim schweizerischen Eisenbahndepartement zurückzufordern. Man wolle dem Staat für die eingegangenen Rechnungen für die Verpflegung der Wasserwehrmannschaften 2/3 belasten, da dies dem Verhältnis der auswärtigen Mannschaften entspreche.

Neu: Wasserwehr!

Am 12. August 1923 schuf die Visper Ortsfeuerwehr innerhalb ihrer Reihen eine spezialisierte Wasserwehr.

Neue Laldnerbrücke

1925 erhielt auch Lalden eine neue Rottenbrücke, an deren Kosten sich Visp mit 15 Prozent beteiligte.

Eyholzer Boden für SBB

Die Burgerschaft Eyholz stimmte 1925 einer Expropriation durch die Schweizerischen Bundesbahnen zu. Für die Überhöhung des Rottendamms wurden Böden im alten Rottenbett enteignet.

Die Entleerung des Stausees

Der Gemeinderat verlangte 1925 bezüglich Verbauung am Mattmarksee eine Expertise. Diese Angelegenheit konnte nämlich für die Gemeinde Visp von grösster Tragweite sein – einerseits, weil die Schaffung eines Staubeckens eine Neubelebung der Industrie bewirken konnte, anderseits, weil eine katastrophale Entleerung des Stausees für die Gemeinde Visp wie für die meisten Gemeinden des Saastals den sicheren Ruin bedeutet hätte.

Bahn hatte Einfluss auf Schiessbetrieb

Ab 1893 stand direkt anschliessend an die Schützenlaube ein neuer Schiessstand mit vier Scheibenlägern zur Verfügung. 1907 kostete der Ausbau von vier auf zehn Läger auf dem westlichen Rand des Schützengartens 10 000 Franken.

Die Einführung der «Munition 1911» erforderte 1919 einen kostspieligen Umbau. Um 1930 wurde die Visp-Zermatt-Bahn elektrifiziert. Das hatte zur Folge, dass das kantonale Militärdepartement am 10. Januar 1930 jeden Schiessbetrieb untersagte. Es musste ein neuer Stand her. Man fand ihn im Kehr südlich des Friedhofs. Die Scheibenanlage zuunterst des Rebbergs Schlüsselacker gehörte weiterhin der Zunft.

«Badtola» – erstes Schwimmbad von Visp

Im Gebiet des Vispa-Sands hatten früher Läufe der Vispa tiefe Rinnsale und Mulden ausgespült. Eine besonders weite Mulde wurde von der Visper Jugend zum Baden benutzt und erhielt deshalb die Bezeichnung «Badtola». 1927 wurde verfügt, dass für den Martinimarkt die sogenannte Badtola zu säubern und zur Aufstellung des Kleinviehs herzurichten sei.

Gleich vier Hochwasser Ende des 20. Jahrhunderts

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts glaubte man, den Lauf der Flüsse im Raume Visp im Griff zu haben, nachdem zuvor nur gerade 1920, 1922 und 1948 Hochwasser registriert worden war.

Und dazwischen, 1930 bis 1960, waren in einer zweiten Rottenkorrektion erst noch die Flüsse vollständig vom umliegenden Schwemmland getrennt und ins eigene Bett zurückgedrängt worden. Umso überraschter, ja enttäuschter war man, als es ab 1987 in kurzer Folge 1993, 2000 und 2002 Hochwasser gab, das – nicht in Visp – erheblichen Schaden anrichtete. 

Wenn man – auch in Visp – nicht mehr gutzumachende Schäden verhindern wollte, drängte sich nun die 3. Rottenkorrektion gebieterisch auf. In diese war in allererster Priorität auch die Vispa einzubeziehen.

Weitere Inhalte des Kapitels 18, 1908–1925

Am neuen Industrieort formierten sich politische Parteien

Kapitel Nr.
Kapitel 18
Zeithorizont
1908–1925

Visper im Walliser Staatsrat

Kapitel Nr.
Kapitel 18.08

Ein Pflanzgarten zur Baumaufzucht

Kapitel Nr.
Kapitel 18.20