Kapitel Nr.
Kapitel 20.04

Neue Pfarrkirche musste dreimal grösser sein

In den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts drängte sich eine Erweiterung der Visper Pfarrkirche St. Martin auf. Die aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammende schöne alte Kirche war für die Bedürfnisse der Pfarrei zu klein geworden. Angesichts der wachsenden Zahl der Pfarrkinder genügten die circa 300 Plätze des alten Kirchenschiffs nicht mehr.

Die Gebäude um den Martiniplatz vor der Umgestaltung von dessen Umgebung. Das Kirchenschiff ist kurz, über dem Chor ragt ein Spitztürmchen gegen den Himmel. Der Chor wurde abgerissen und man errichtete zwei Seitenschiffe und einen neuen Chor über der Bruderklaus-Kapelle.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Ernst Meyer, Hs_1360-0017 CC BY-SA 4.0

Die Altstadt von Visp, bevor der Martiniplatz umgestaltet wurde.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Ernst Meyer, Hs_1360-0017 CC BY-SA 4.0

Umgestaltung der bisherigen in die neue Kirche

Im Rahmen der Gebäude, die sie umgaben, stellte die damalige St. Martinskirche ein wahres Kleinod dar. Dazu trugen ihre reizvollen barocken Torbogen im Osten und Nordosten bei, ihre Umfriedungsmauer, ihr schlanker Chor und vor allem ihre elegante Vorhalle italienischer Prägung im Westen. Letztere wurde auch in den Neubau von 1953/55 übernommen. Die Kirche wirkte weniger durch ihre fast bescheidenen architektonischen Details als vielmehr durch eine sympathische Schlichtheit und Homogenität des Gesamten, wie sie so mancher alten Walliser Kirche eigen waren oder noch sind.

Es stellte eine komplexe Aufgabe dar, die Kirche auf die dreifache Platzzahl zu vergrössern und die darunter zu liegen kommende Bruder-Klaus-Kapelle mit nahezu 300 Plätzen zu bauen, besonders weil das alte Schiff und die Vorhalle bewahrt werden mussten. Es galt, eine Verbindung zwischen der Architektur des bestehenden Baus und neuzeitlichen Bauformen zu finden.

Auch wenn die Architektur der damaligen Zeit im Wallis nicht die hohen Töne der benachbarten Länder anschlug, welche stets um einige Jahrzehnte vorauseilten, so wollte man doch die charakteristischen Baudenkmäler der damaligen Zeit nicht missen. Diese standen in ihrer Ursprünglichkeit, der Geradheit des Ausdrucks, in ihrer Harmonie mit der Umgebung den Bauten des Auslands nicht nach. Die Architektur musste zwar mit einfacheren Mitteln auskommen, doch unterschieden sie sich durch ihre Erhabenheit von den Profanbauten. Solche Qualitäten, welche die Gesinnung ihrer Erbauer bekundeten und über alle Stilepochen hinweg Geltung haben, geboten es, dass diese Bauten auch in der Mitte des 20. Jahrhunderts geachtet und geschützt wurden.

Aus dieser Einstellung heraus reifte beim Architekten und bei der Baukommission der Entschluss, den Turm, wie er 1897 definitiv erstellt wurde, und das alte Schiff mit der beschwingten Vorhalle stehen zu lassen und die Erweiterung über den alten Chor vorzunehmen.

1948 wurde die gesamte Liegenschaft «Rathaus» dem Erdboden gleichgemacht, um der Erweiterung der St. Martinskirche Platz zu machen.

Der Martiniplatz ungefähr 1952, vor seiner Neugestaltung. Das alte Rathaus ist bereits abgerissen. Noch stehen die nach Osten ausgerichtete Treppe zur Kirche und zum Friedhof, der Treppenaufgang von Norden her sowie ein paar Ruinen. Der Blick auf das Burgener-Haus ist frei.

Aus Titelseiten des Walliser Boten 1870–1990

Dreimal grösser musste sie sein

Die alte Kirche, die annähernd 300 Plätze aufwies, sollte auf 900 Plätze erweitert werden. Die beschränkte Länge, welche im Osten durch die Strasse am Rathaus einerseits und anderseits durch das alte Schiff gegeben war, sowie die Übernahme der relativ geringen alten Schiffbreite führten zwangsläufig zur Anlage eines Querschiffs, um die vorgegebene Platzzahl unterzubringen.

Die Verlängerung der hochgelegenen Kirche ergab an der Strasse einen Chorabschluss von 20 Meter Höhe. Dieser bot eine willkommene Gelegenheit zu einer Unterkirche, der Bruder-Klaus-Kapelle, mit Eingang vom Martiniplatz her.

Es gibt Beispiele von Kirchenbauten, in denen jede Epoche in ihrer «Sprache» weiter gebaut hat. Im Fall der St. Martinskirche waren zwei Drittel der Gesamtanlage neu, sodass es folgerichtig war, diesen neuen Teil nach aktuellem Empfinden zu bauen. Die Zäsur des Querschiffs, welche den alten vom neuen Teil trennt, gestattete dies in besonders klarer Weise.

Wie im Äusseren wurde auch im Innenraum zugunsten eines einheitlichen Bildes die Gewölbe des alten Teils in den neuen überführt.

Die Achtung vor der charaktervollen alten Architektur und der Wunsch nach Einordnung des Neuen in die schöne Platzanlage verlangten eine diskrete Anwendung der neuen Formen.

So sah es in der Mitte des 20. Jahrhunderts im Innern der zweiten St. Martinskirche aus, die ziemlich genau 300 Jahre zuvor erstellt worden war. Sie vermochte etwa 300 Kirchgängerinnen und Kirchgängern einen Sitzplatz anzubieten. Beim Um- und Ausbau in der ersten Hälfte der Fünfzigerjahre blieb der westliche Teil mit den drei Schiffsjochen erhalten. Der Chor hingegen, auf der Höhe des heutigen Kreuzgangs, musste weichen.

Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Alex Gertschen

Das Innere der St. Martinskirche vor dem Neubau Mitte der 50er-Jahre.

Fotograf unbekannt, zVg

Der Kirchenbau, der zwei Jahre dauerte

Im Mai 1953 beschloss der Kirchenrat unter Pfarrer Leander Stoffel den Bau der neuen Kirche nach Plänen des Zürcher Architekten Dr. Ferdinand Pfammatter.

Nachdem das Zendenhaus und das alte Gemeindehaus der neuen Kirche Platz gemacht hatten, erfolgte im darauffolgenden August der erste Spatenstich auf dem Bauplatz der neuen Kirche. Am Patronatsfest von Mitte November legte Bischof Nestor Adam den Grundstein. Zwischen 1953 und 1955 wurde die St. Martinskirche, wie sie heute noch dasteht, erbaut und erweitert. Bischof Adam nahm dann auch die feierliche Einsegnung vor.

Im Beisein von Volk und Behörden segnete Bischof Nestor Adam 1953 die Grundsteinplatte der neuen Pfarrkirche ein. Ganz rechts oben Burgermeister Ernest Bodenmüller mit Bruder Alex, dann Rektor Franziskus Lehner, Pfarrer Leander Stoffel (verdeckt), Gemeindepräsident Adolf Fux, rechts vom Bischof Coiffeurmeister Armando Lisi, rechts des Pfeilers, mit Brille, der nachmalige Domherr Josef Sarbach und Vikar Josef Schwick.

Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Christian Fux

Erweiterungsbau der Pfarrkirche.

Fotograf unbekannt, aus dem Fundus der ehemaligen Druckerei Mengis.

Bau der vergrösserten Kirche St. Martin Mitte der Fünfzigerjahre.

Fotograf unbekannt, aus dem Fundus der ehemaligen Druckerei Mengis

Glasmalerei mit Betonverglasung

Ein Bijou der neuen Kirche stellte die Glasmalerei im Querschnitt, im Chor und in der Kapelle dar. Die angewandte Technik der Betonverglasung hat gegenüber der Bleirutenfassung den Vorteil, dass sehr dicke Gläser verwendet werden können, die mit dem verbindenden Beton die Festigkeit einer Mauer haben.

Bei der künstlerischen Gestaltung der Bilder in den Seitenaltären, die dem Herzen Jesu und der Mutter Gottes gewidmet sind, wurden in Mosaiktechnik farbige Flächen zu einem Ganzen zusammengefügt. Gegenüber der kräftigen Gestaltung der Glasmalereien hätte ein Mosaik mit Emailglas, wie es für die Reliquiare in der Bruder-Klaus-Kapelle verwendet wurde, zu wenig grosszügig und überladen gewirkt.

Beton-Glasfenster von Paul Monnier mit dem Kirchenpatron Martin, der seinen Mantel für den Bettler teilt.

© Peter Salzmann

 

Die neue, erweiterte Pfarrkirche St. Martin 1955, links im Erdgeschoss befindet sich die Bruder-Klaus-Kapelle.

Fotograf unbekannt, zVg

Kirchweih an St. Martini 1955

Am 23. Oktober 1955, gut zwei Jahre nach der Grundsteinlegung, fand in der neuerbauten Kirche anlässlich der Eröffnung der Volksmission der erste Gottesdienst statt.

Am Sonntag, 13. November, am Patronatsfest, kam es dann unter Teilnahme der Bevölkerung zur feierlichen Einsegnung der Kirche durch Bischof Nestor Adam. 300 Jahre früher hatte man sich für die Einsegnung des neuen Gotteshauses noch mehr als 20 Jahre gedulden müssen – und das erst noch «im Schlepptau» der Einweihung der neuen Kirche von Naters, zu der sich der päpstliche Nuntius von Luzern aus ins Wallis bemüht hatte.

Ein paar Tage später erschien im «Walliser Boten» ein Bericht über diese Kirchweih; in solchem Umfang würde dieser in der heutigen Presselandschaft wohl kaum mehr Platz finden. Doch er war so gut abgefasst, liebevoll und reichlich mit Schmuck ausgestattet, dass hier darauf zurückgegriffen wird. Die Unterschrift «Chronist» ist eher als Pseudonym zu verstehen. Besser wäre wohl «ada» gewesen – Amanda Rothen-Pfammatter.

Bischof Nestor Adam begann seine Festpredigt mit: «Mit innerer Ergriffenheit begrüsse ich die neue Kirche, die von der Opferfreudigkeit der Visper Bevölkerung bestes Zeugnis ablegt.»

Zur weltlichen Feier im Saal des La Poste hatten sich etwa hundert Gäste eingefunden. Die schneidige Musikgesellschaft Vispe umrahmte die Feier unter der Leitung von Ludwig Mathieu mit ihren Weisen. Den munter fliessenden Redekehr unter dem Tafelmajor Ferdinand Summermatter eröffnete der Landesbischof, gefolgt vom Ortspfarrer Leander Stoffel, Staatsrat Karl Anthamatten, Gemeindepräsident Adolf Fux, Grossrat Josef Bittel, Samuel Ruosch als Vertreter der evangelischen Kirchgemeinde Visp und Domherr Raphael Mengis. Die Kirchweih der neuen St. Martinskirche, hoch über der Vispa, auf dem Felsen am Eingang des grössten Seitentales am alten Rotten, stand mit dem sinnbildlichen Ausdruck der Worte des Herrn «Wohlbegründet ist das Haus des Herrn auf sicherem Felsen».

Die Pfarrkirche St. Martin.

© Peter Salzmann

Der Visper Kirchenprozess

Die aus Visp stammende Familie Burgener, die schon seit anfangs des 20. Jahrhunderts in Siders ein erfolgreiches Architekturbüro führte, hatte damals alle grösseren Bauten in Visp geplant und gebaut, so das erste Visper Schulhaus (1907) und auch das neue Visper Rathaus (1948).

Als es in den 40er-Jahren um die Vergrösserung der Pfarrkirche ging, gewann Marc Burgener 1943 den Ideenwettbewerb. Nachträglich wurde das preisgekrönte Projekt von der Baukommission, geführt von Pfarrer Leander Stoffel und Gemeindepräsident Adolf Fux, aus triftigen Gründen abgelehnt. Stattdessen gelangte das Projekt von Ferdinand Pfammatter, einem bekannten Zürcher Kirchenbaumeister mit Walliser Wurzeln, zur Ausführung.

Durch diesen Entscheid fühlte sich die Familie Burgener veranlasst, einen Prozess gegen die «Kirchenfabrik» Visp anzustrengen. Sie stellte Forderungen im Betrag von 129 000 Franken. Ein gegen die Pfarrei Visp gerichteter Prozess beschäftigte die Gemüter der Visper während Jahren, bis schliesslich das Kantonsgericht sein Urteil bekanntgab: Es erklärte die Klage Burgeners für teilweise erheblich und sprach der Klägerpartei für den Auftragsentzug und als Genugtuung den Betrag von 9 420 Franken zu.

Gemäss Honorarrechnung der schweizerischen Ingenieure und Architekten erhöhten sich die Ansätze für eine geleistete Arbeit, mag sie gut oder schlecht sein, um 20 Prozent. Dieser Bestimmung hätte man allerdings auch sonst nachleben können, ohne dafür einen Prozess anzustrengen. Die Prozesskosten waren zu zwei Dritteln von der beklagten Partei und zu einem Drittel von den Klägern zu zahlen.

So planten die Architekten M. & D. Burgener die Vergrösserung der St. Martinskirche.

zVg/Heinz Studer

Aus dem Projekt der Architekten M. & D. Burgener zur Vergrösserung der St. Martinskirche 1944–1946, das 1943 den ersten Preis des Ideenwettbewerbs gewann. Nachträglich wurde das preisgekrönte Projekt von der Baukommission abgelehnt. Dies hatte einen Prozess zur Folge. Die Familie Burgener erhielt eine Genugtuung von 9 420 Franken.

zVg/Heinz Studer

Geistliches Konzert auf Stahlband-Aufnahmegerät

Beim geistlichen Konzert der Visper Vereine Martinschor und Orchesterverein vom 27. März 1949 wartete der damalige Chefarzt des Spitals Sta. Maria, Dr. Gottfried Meyer, mit einer sensationellen Neuheit auf. Er hatte die Idee, aber auch die Möglichkeit, das gesamte Konzert mit seinem Stahlband-Aufnahmeapparat festzuhalten. Das Experiment gelang bestens. Die Aufführenden konnten sich in der Folge davon überzeugen.

Zwischen der unteren Kirche und dem Schulhaus stand – leicht erhöht mitten in einem Rebberg – das Kaplaneihaus, das den Kaplan mit seiner Haushälterin, der «Jungfrau», beherbergte. In den 60er-Jahren musste es der Erweiterung des Pausenplatzes weichen.

Fotograf unbekannt, aus dem Fundus der ehemaligen Druckerei Mengis

Kein Stacheldraht für das Kaplaneigut

1948 musste der Gemeinderat Kaplan Benjamin Sarbach davon in Kenntnis setzen, dass längs der Einfriedung des Kaplaneiguts keine Stacheldrähte angebracht werden durften.

Benjamin Sarbach wirkte 36 Jahre, 1918–1954, in Visp als Kaplan.

Orgel von 1978

Die Orgel der heutigen St. Martinskirche aus dem Jahr 1978 ist mit vertikalen Pfeifen und horizontalen spanischen Trompeten versehen.

Ehren-Domherr Dr. Leander Stoffel

Die Erweiterung der St. Martinskirche zwischen 1953 und 1955 führte der Kirchenrat, bestehend aus den Gemeinderäten katholischer Konfession, unter dem Präsidium von Pfarrer Leander Stoffel durch.

Leander Stoffel war Sohn des Alex und der Josefina, geborene Salzmann. Er wurde an Silvester 1905 in Naters geboren. Von 1918 bis 1926 absolvierte er das Kollegium in Brig und anschliessend, bis 1932, das Kollegium Germanicum in Rom, wo er 1931 zum Priester geweiht wurde und über dem Grab des heiligen Paulus Primiz hielt. Bis 1934 war er Provikar und Rektor an der Kathedrale von Sitten. Als Doktor der Philosophie und der Theologie gehörte er dem Walliser Erziehungsrat an und wirkte auch als Schulinspektor. Er wurde 1934 in der Nachfolge von Theodul Wirthner Pfarrer von Visp. Dieses Amt brachte es mit sich, dass er – fast von Amtes wegen – Visper Schulpräsident wurde.

Angesichts seiner grossen Verdienste wurde er zum Ehren-Domherrn des Bistums von Sitten ernannt. Er starb am 29. Oktober 1961 im Alter von erst 56 Jahren im Amt als Pfarrer von Visp.

Ostern im damaligen Visp

Die Osterzeremonien in der Pfarrei Visp verliefen noch bis zum Neubau der St. Martinskirche im Jahr 1955 wie folgt: Am Karfreitagabend brachten die Gläubigen die Monstranz in einer gut besuchten Prozession in die untere Kirche, wo sie aufgebahrt wurde. Die Kirchenglocken blieben stumm, weil sie – wie man den Kindern weiszumachen vermochte – bereits am Hohen Donnerstag nach Rom geflogen waren. Während der ganzen Prozession ertönte aber vom Kirchturm herab lautstark eine grosse Holz-«Rätscha», eine Holzrassel, unterstützt von kleinen Rätschen, welche die älteren Schulkinder lebhaft zum Ertönen brachten.

Während der ganzen Nacht zum Samstag setzten die Erwachsenen am Grab Christi – quartierweise und fast obligatorisch – das Stundengebet fort. Das Stundengebet der Schulkinder lief nach einem speziellen Ritus ab: Jede halbe Stunde präsentierte sich dafür jeweils ein Sechstklässler mit je einem Schüler der unteren Klassen – die Mädchen natürlich noch separat.

Am Samstagabend trug man den nun verstorbenen Christus – wieder in Prozession – in die Pfarrkirche zurück, wo die Auferstehung gefeiert wurde und auch die Kirchenglocken wieder ertönten. Am Sonntag beim Hochamt wartete die Musikgesellschaft mit geistlicher Musik auf.

Der Ostermontag war ein halber Feiertag. Wer nicht arbeitete, begab sich an den Strassenrand, um den Aufmarsch des Fussballclubs mit den Gästen aus dem Val d’Ossola – angeführt von der Musikgesellschaft «Vispe» – zu unterstützen. Die beiden Mannschaften führten auf dem damaligen Fussballplatz Ennet der Brücke das traditionelle Freundschaftsspiel durch.

Das Pfarrhaus in den Zwanzigerjahren am Fronleichnamstag.

Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Elisabeth Bittel

Das unpopuläre «Kanisi»

Noch Mitte des 20. Jahrhunderts nahm der Religionsunterricht in der Schule in Visp viel Raum ein. Die «Christenlehre» durfte einzig und allein von einem der drei Ortspriester erteilt werden. Zusätzlich unterrichteten die Lehrpersonen fast täglich die Fächer Bibel und nochmals «Kanisi», das heisst den Katechismus, der vom heiligen Petrus Kanisius verfasst worden sein soll.

Katechismus war bei den Schülerinnen und Schülern alles andere als beliebt, denn die vielen Fragen und Antworten mussten auswendig gelernt und gedrillt werden.

Diesbezüglich waren die Visper noch in einer besseren Lage als ihre Altersgenossen in den drei umliegenden Pfarreidörfern; für den Unterricht in der Christenlehre mussten diese an einem ihrer freien Nachmittage auch bei Wind und Wetter in Zweierkolonne zu Fuss ins Schulhaus von Visp pilgern. Es gab noch keinen Bus und auch die Priester waren nicht mobil.

Kein täglicher Kirchgang mehr für die Schulen

1952 gab es Bestrebungen, den täglichen Kirchgang für die Schulen zu beschränken. Sukzessive wurde er auf einmal pro Woche während der Schulzeit reduziert.

Pfarrergehalt um 70 Prozent erhöht

Der Kirchenrat, dem auch sämtliche Gemeinderäte katholischer Konfession angehörten, erhöhte 1948 die Löhne der geistlichen Herren der Pfarrei Visp, da die Gehälter als massiv ungenügend bezeichnet worden waren. Das Jahresgehalt des Pfarrers wurde von 4 042 Franken auf 6 850 Franken erhöht, jenes des Kaplans von 4 434 Franken auf 6 300 Franken und jenes des Rektors von 4 416 Franken auf 5 750 Franken. Die nicht zu verachtenden Einnahmen der Priester in Naturalien sind darin nicht berücksichtigt.

Umgiessen statt Schweissen

Aufgrund eines Defekts musste die grosse Glocke der Pfarrkirche 1928 geschweisst werden. Da sich das Schweissen aber nicht bewährte, musste die Glocke umgegossen werden. Die Kosten dafür übernahmen die Paten, Witfrau Adrienne Clemenz und Dr. Rupert Burgener.