Was sich am Widerstand gegen Savoyen und zum Teil gegen savoyenfreundliche Bischöfe zu entwickeln begonnen hatte, führte anfangs des 17. Jahrhunderts zur völligen Ausschaltung der Bischöfe in weltlichen Belangen. Unter Adrian II. von Riedmatten, Bischof 1604–1613, setzte sich der Kampf um die weltliche Herrschaft des Bischofs im Wallis fort. Beim Streit zwischen dem Fürstbischof von Sitten und den Zenden um die Souveränität im Wallis begründeten die Zenden ihre Ansprüche. Die Auseinandersetzungen zwischen fürstlicher und kommunaler Herrschaft wurden in den ersten Jahrzehnten zugunsten der Zenden entschieden: Der Walliser Landrat löste den Bischof als oberste Gewalt ab. Die Zendendemokratie setzte sich durch. 1619 erschien die neue Staatsform als freie demokratische Republik.
Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren so die Gemeinden der sieben Zenden alleinige Souveräne der Landschaft; sie hatten im Lauf der Zeit zuerst den Adel, dann die Geistlichkeit und schliesslich den Landesherrn selbst aus dem Regiment verdrängt. Es soll in Europa kein Gemeinwesen gegeben haben, das in der frühen Neuzeit eine ähnliche Umgestaltung wie das Wallis erlebte.
Immer mehr kontrollierte nun das Patriziat – also die vornehmen, wohlhabenden Bürger – das politische Leben, was verschiedentlich zu Unruhen führte.
Die «Carolina», die Legitimation des Bischofs
Jahrhundertelang hatten die Walliser Fürstbischöfe ihre weltliche Macht von der sogenannten «Carolina» abgeleitet, einer Schenkungsurkunde, deren Bezeichnung auf Karl den Grossen zurückgehen soll: Karl der Grosse, König der Franken und ab 800 römischer Kaiser, soll dem Walliser Bischof Theodul (gestorben um 400) die Grafschaft Wallis geschenkt haben – so die Behauptung der Bischöfe und des Domkapitels. Ausgangspunkt der legendären Übertragung der Schenkung auf Karl den Grossen und den berühmten Walliser Heiligen war die Schenkung von 999, welche die Grundlage der weltlichen Macht des Bischofs im Wallis war: König Rudolf III. von Burgund schenkte dem Bistum von Sitten die Communitas Vallensis. Der Schenkungsakt umschreibt die Rechte, die dem Beschenkten zustehen, nicht. Immerhin standen dem Bischof von Rechtswegen zu: die öffentliche Gerichtsbarkeit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, die bischöflichen Hoheitsrechte (Regalien) wie Kanzleirecht, Strassen-, Zoll-, Steuer-, Münz- und Marktrecht, Jagd-, Fischerei- und Bergregal – es ist die Rede von 18 Regalien.
Umfassend war die Macht des Bischofs als Grundherr. Es ist erwiesen, dass der Bischof vielerorts bedeutenden Grundbesitz besass. Auch auf eigenem Grund und Boden waren seine landesherrlichen Rechte unbestritten und fest verwurzelt.
Als Fürst des hochburgundischen (ab 999) und später des Deutschen Reichs (ab 1032) hatte der Bischof von Sitten also rechtlich über alle der königlichen Gewalt zustehenden Rechte und Einkünfte in der Grafschaft Wallis verfügt, soweit diese nicht durch geistliche und weltliche Immunität oder durch allodiale Herrschaften (Eigengut) eingeschränkt waren. Zur Ausübung der weltlichen Gerichtsbarkeit und zur Verwaltung des ausgedehnten Grundbesitzes hatte er an verschiedenen Orten Beamte weltlichen Standes mit unterschiedlichen Kompetenzen ernannt: Viztum (vicedominus), Meier (Major), Weibel (salterus), Mechtral (mistralis).
Als sich der Bischof vermehrt gegen die Machtansprüche der Grafen von Savoyen, des einheimischen Adels und der Lehensträger zur Wehr setzen musste, fand er im Volk, bei den Bauern des Oberwallis, getreue Gefolgsleute. Diese verlangten aber für ihre Tapferkeit und ihre Treue mehr Selbstständigkeit und Freiheiten und mit der Zeit erhielten sie diese auch.
Zenden erbten Macht des Bischofs
1613 kam es bezüglich der Carolina zur Entscheidung: Der Walliser Landrat wies auf den Widerspruch der erwähnten «Carolina» hin, habe doch Karl der Grosse lange nach dem heiligen Theodul gelebt. Bischof Hildebrand II. Jost (1613–1638) war der erste Bischof, der bei seinem Amtsantritt das Regalienschwert und die Schlüssel zum bischöflichen Schloss aus den Händen des Landeshauptmanns empfing. Auf Druck der Zenden verzichteten Bischof und Domkapitel auf die «Carolina» – der Bischof, weil ihm «die Seelen höher standen als die weltliche Herrschaft». Der Landrat liess im Oktober verkünden, die Walliser seien ein «fry Volk» und die Zenden ein «fryes demokratisch regiment». In der Walliser Geschichtsschreibung ist die Auffassung verbreitet, die Auseinandersetzungen um diese Frage seien wesentlich von der Reformation bestimmt worden; diese wird als Motor des politischen Wandels gesehen.
Einmal im Amt, bereute der Bischof seinen Entschluss und kämpfte fortan – vergeblich – für die bischöflichen Rechte. Bischof und Domkapitel widerriefen den Verzicht zwei Jahre später.
Am Landrat vom 19. Wintermonat 1617 beschlossen die Landsleute aufs Neue, dem Bischof keine Hoheitsrechte mehr zuzugestehen. Die Versammlung verlief stürmisch. Die Abgeordneten behaupteten, der Kaiser habe das Tal des Rottens, das ihm nie gehört habe, auch im Jahr 999 nicht verschenken können. Das Volk habe durch eigene Tapferkeit die Oberherrlichkeit und Grafschaft erworben, nachdem es das mehrmals von den Bischöfen verratene Land wieder gewonnen habe.
1623 erklärten die Walliser Landleute, Karl der Grosse habe nicht das Recht gehabt, eine solche Schenkung vorzunehmen und einen solchen Teil des Reichs abzutrennen. Und vier Jahre später fügten sie hinzu, das Wallis sei zu den Zeiten Karls des Grossen von drei Völkerschaften bewohnt gewesen, die ihm nicht untertan waren. Die Schenkung wäre mithin nicht zu Recht erfolgt. Sogar ins Lächerliche zog man die Carolina und nannte sie «Narrolina».
1630 erklärten die Landleute rundweg, von der Carolina nichts mehr wissen zu wollen, denn sie seien freie Leute. Man machte dem Bischof Vorhaltungen, weil er diese 1624 und 1627 von Kaiser Ferdinand II. habe bestätigen lassen.
Da der Bischof keine Unterstützung erhielt, beschloss er 1630 zurückzutreten, was aber von Rom nicht angenommen wurde. Der Kampf um die Souveränität der sieben Zenden hatte nämlich auch Bedeutung für die Bewahrung der katholischen Religion im Wallis erhalten.
Die Lochmatter
1611 war Johann Lochmatter Konsul von Visp. Theodul Lochmatter war Zendenhauptmann und 1685 Konsul von Visp.
Öffnung nach Norden?
Anfangs Juni 1613 trafen sich die Vertreter der vier Zenden Visp, Brig, Raron und Leuk in Visp und berieten eingehend darüber, ob man nicht mit gut nachbarlicher Hilfe die Pässe nach Norden öffnen könnte.
Anfangs 17. Jahrhundert abgelegener denn je
Im 16. Jahrhundert und bis zum 30-jährigen Krieg (1618–1648) war das Wallis ein abgelegenes und vom internationalen Güterverkehr kaum berührtes Alpental.
Die Rücksicht auf den Warentransit spielte in seiner Handels- und Aussenpolitik kaum mehr eine Rolle. Es verlor damit auch eine bedeutende Einnahmequelle und sein Transportgewerbe fiel auf einen sehr niedrigen Stand. Aus früheren Zeiten war nur noch ein regionaler Handel von geringer Reichweite übriggeblieben.
Die drei Ruten Hunger, Pest, Krieg
Als der Landrat 1628 in Visp tagte, befasste er sich mit den «drei Ruten» Hunger, Pest und Krieg, mit denen Gott das Menschengeschlecht von Zeit zu Zeit strafte. Zugleich leide das Land auch an der Teuerung («türi Zitt») bei verschiedenen Lebensmitteln und schliesslich herrsche eine nicht geringe Kriegsgefahr. Im Vergleich zu früheren Stellungnahmen nahmen die Abgeordneten eine etwas mässigere Stellung zu den Strafen ein. Dennoch wiederholte der Landrat, dass man die göttliche Allmacht mit Demut, Fasten und Almosen besser als mit jedem anderen Mittel zur Änderung bewegen könne.

Bischof Hildebrand II. Jost im Alter von 44 Jahren. Geboren am 21. November 1585, Besuch der Landesschule und des Kollegiums von Freiburg im Üechtland, Studium der Theologie in Mailand, Domherr von Sitten 1604, Pfarrer von Leytron 1609–1613, Bischof von Sitten 1613–1638.
Porträt in der bischöflichen Gemäldegalerie Sitten
Geistliche und weltliche Gewalt getrennt
Von grosser Bedeutung in der Geschichte des Wallis war das Jahr 1634, als die Gemeinden, die sich im Verlauf der Zeit immer mehr Rechte aneigneten, zusätzliche Freiheiten errangen und dem Bischof ganz bedeutende Rechte abrangen. Am 9. Januar 1634 musste Bischof Hildebrand Jost im Landrat in Sitten schriftlich bestätigen, dass er auf die Carolina verzichtete. Das heisst, der Walliser Fürstbischof verzichtete auf seine weltliche Macht und anerkannte die Souveränität der sieben Zenden. Die Auffassung der Zenden wurde 1634 zur amtlichen Staatsdoktrin.
Während zuvor der Bischof den Landeshauptmann mit dem Regalienschwert als Wahrzeichen der weltlichen Macht belehnt hatte, musste er nun zugestehen, dass ihm der Landeshauptmann als Vertreter der souveränen Landschaft bei Amtsantritt dieses Schwert übergab. Von nun an hatte sich der Bischof mit Ehrenrechten wie dem Vorsitz im Landrat und dem Titel eines Reichsfürsten zu begnügen. Das bedeutete die Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt, von Kirche und Staat. Der alte Ständestaat war damit endgültig zu Grabe getragen, der Bischof war nur noch dem Namen nach Fürst.
Als der Bischof endgültig auf die Carolina verzichtet hatte, wollten ihn die Patrioten, also das Volk, nicht mehr als Landesherrn anerkennen und so fiel auch der Treueeid der Zenden. Beim Antritt der Regierung hatte sich der Bischof nämlich jeweils in jeden Zenden verfügt, um als Landesfürst den Eid der Treue entgegenzunehmen.
Als Verbände unabhängiger Kommunalitäten konstituierten nun die sieben Zenden, zu denen auch Visp gehörte, die Landschaft Wallis, deren Bewohner «freye Landslüt» waren.
Fürst und Republik auf derselben Münze
Die führenden Personen in den Dörfern, die in den Zenden zusammengeschlossen waren, wurden im 16. Jahrhundert immer selbstständiger. Allmählich fühlten sie sich mündig und wollten die Verwaltung ganz in ihre Hände nehmen.
Im Weihnachts-Landrat von 1642 griffen die Patrioten, die Wortführer der Zenden, das «Münzwäsen» auf. Sie wollten dem Bischof das Münzregal und allen daraus entstehenden Profit belassen, wie es bis anhin Brauch gewesen war, dies aber unter einer Bedingung: Auf der Vorderseite der Münzen solle der Bischof wie bisher sein Wappen und seinen Namen einprägen lassen. Auf der Rückseite müsse jedoch stehen: «Praefectus et Comes Reipublicae Vallesei». Damit sollte die Trennung zwischen der kirchlichen und der weltlichen Gewalt zum Ausdruck kommen. Der Bischof sollte künftig nur noch Magistrat der Republik Wallis sein, aber nicht mehr im Vollbesitz der Hoheitsrechte.
Bischof Adrian III. konnte sich damit nicht einverstanden erklären und schaltete sogar den päpstlichen Nuntius Farnese in Luzern ein. Der Landrat beschloss darauf, nun «im Namen der löblichen Landschaft» selber Münzen zu prägen.
Der Kampf Adrians III. für seine Rechte als Fürstbischof
Im darauffolgenden Landrat vom Mai 1643 erklärten die Boten dem Bischof in eindeutiger Form, dass sie in Sachen Münzregal von ihrem Befehl nicht zurücktreten konnten. Im Januar 1644 sandte der Landrat einen feierlichen Protest an den Heiligen Vater in Rom, weil dieser es gewagt hatte, das Land Wallis in einem Schreiben als Provinz zu bezeichnen.
Streit gab es auch wegen des Eids, den die bewaffneten Patrioten zu leisten hatten; ihnen widerstrebten einige unziemliche Zeremonien wie «wehr und gürtel ablegen, knieen, Handinlegung und Thaumen küssen». Solche Eidesleistungen oder «fidelitatum praestationes» seien für Männer von freiem Stand ungeziemend und «schmeckendt nach den Zwingherren». Der Bischof war in keiner Art und Weise bereit nachzugeben; in seiner von Rom bestimmten Haltung war er unbeirrbar, und das über Jahre.
Ohne diese Differenzen mit seinen Diözesanen bereinigt zu haben, starb Bischof Adrian III. im Jahr 1646. Mit überschwänglichen Worten nahm der nächste Landrat Abschied von diesem grossen Kämpfer – gegen ihre Interessen, denn er hatte für das Ideal des mittelalterlichen Fürstbischofs gekämpft.
Eidgenossen 1648 unabhängig
Der westfälische Friede von 1648 führte unter anderem dazu, dass die Grossmächte der Eidgenossenschaft die Unabhängigkeit vom Reich völkerrechtlich garantierten.
Nuntius: Walliser als wildes, grobes Volk
Der päpstliche Nuntius Scotti, der von 1630 bis 1639 die Interessen des Vatikans in der Schweiz vertrat, stellte seinem Nachfolger das Walliser Volk mit folgenden Worten vor: «Mit diesem Volk muss man sehr bedächtig umgehen, sie behandeln wie wildes, grobes Volk und so sind sie, die Walliser, umgeben von gewaltigen Bergen und umgeben von protestantischen Bernern, mit denen sie eifrig Verkehr haben. Ich gestehe, so freiheitsliebende Menschen wie diese habe ich auf der ganzen Welt keine gesehen.»
Zenden-Abgeordnete ohne eigene Meinung
Die Landschaft Wallis bestand im 17. Jahrhundert aus den sieben Zenden Goms, Raron, Brig, Visp, Leuk, Siders und Sitten sowie den beiden ihnen untertanen Landvogteien westlich der Morge, die man 1475 im Zuge der Burgunderkriege von Savoyen erobert hatte, und Monthey, das seit 1536 eine eigene Landvogtei bildete. Die Untertanen wurden von den Zenden gemeinsam verwaltet und der Landrat bestimmte auch jeweils die Vögte.
Wichtigstes Organ war der Landrat (heute Grossrat), der vom Landeshauptmann präsidiert wurde. Die Exekutive lag beim Landeshauptmann und dem Bischof, in den Landvogteien bei den Landvögten. Eigene Meinungsäusserung im Landrat gab es für die Abgeordneten aus den Zenden nicht; sie waren vielmehr Boten, welche die Meinung ihres Zenden zu einem Problem übermittelten. Der Landrat konnte also nur über jene Dinge abstimmen, für welche die Abgeordneten von den Zenden mandatiert waren. In allen anderen Fällen war er nicht beschlussfähig und das Geschäft musste zur weiteren Beschlussfassung in die Gemeinden zurückgenommen werden. Oberstes Organ des Zenden war der Zendenrat, in dem jede Gemeinde vertreten war. Dieser wurde regelmässig durch den Kastlan beziehungsweise den Meier des Zenden einberufen; hier fielen alle wichtigen Entscheide im Zenden.
Der Konsul als Friedensrichter
Der Konsul waltete in Visp wie übrigens vielerorts im Wallis auch als Friedensrichter. Dabei war ihm ein regelrechter Versöhnungsversuch vorgeschrieben, wie es noch heute beim Gemeinderichter der Fall ist. Der Kläger hatte den Beklagten vor den Syndicus zu laden, ihm den Streitfall vorzulegen und eine friedliche Lösung anzustreben. Zur Verhandlung sollte der Syndicus sechs Burger einladen, die Streitenden anhören und wenn möglich den Streit durch seinen Entscheid beilegen.
Erschienen Kläger oder Beklagte nicht zu diesem Vermittlungsversuch, wurden sie gebüsst und der Konsul behielt sich als Richter das Recht vor, trotzdem einen Entscheid zu fällen.
Duldung der Protestanten
Am 17. Oktober 1629 ging ein Schreiben Berns an das Wallis, unter anderem wegen der Duldung der Protestanten. Offensichtlich wurde die Suppe – das heisst die scharfen Beschlüsse, die 1604 in Visp getroffen worden waren – nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wurde.
Massnahmen gegen politisierenden Priester
Am Ratstag der Zenden vom 1./2. März 1689 in Sitten wurden Massnahmen gegen einen politisierenden Priester im Zenden Visp verfügt.
Papst wollte 2000 Walliser Söldner
1644 erhielten die Gemeinden vom Landeshauptmann die Mitteilung, dass Papst Urban VIII. rund 2000 Walliser Söldner anwerben wolle.
Wer hatte Vorrang rund um Visp?
Im März 1667 gab es einen Konflikt zwischen den Gemeinden rund um Visp, Zeneggen, Baltschieder, Albenried und Visperterminen, um den Vorrang ihrer Vertreter bei grossen Anlässen.
Sonderbare Gnade
Mitte Juli des Jahres 1681 kam es in Visp vor dem Kastlan Niklaus Kreuzer gegen Johann Tellmatten von Saas zu einer peinlichen Untersuchung wegen Schwesternmordes. Die Untersuchung endete mit der Verurteilung zum Feuertod. Der Bischof begnadigte den Verurteilten – zum Tod durch das Schwert.