Kapitel Nr.
Kapitel 09.10

Wegen 12 Mass Weizen ging man zum Nuntius nach Luzern

Ein Zwist zwischen Visperterminen und Visp über Entschädigungen und Kirchendienst zog sich über Jahre hin. Sogar der päpstliche Gesandte in Luzern, der Nuntius, wurde einbezogen.

Wegen dem von ihr zu leistenden Weinzehnten hinterlegte die Gemeinde Visperterminen 1685 einen Rekurs beim Domkapitel zu Sitten – dies mit der Begründung, die Terbiner hätten 30 Jahre zuvor an die Errichtung der Pfarrkirche von Visp beigesteuert. Ihre Vorfahren hatten eine eigene Kirche gebaut und ein Rektorat geschaffen; obwohl die neuen Rektoren gemäss der Constitutio Alexander III. aus den Gütern der Mutterkirche (Visp) hätten besoldet werden können, wurden sie, die Terbiner, nun zur Bezahlung von 120 Dublonen verurteilt.

Gegen ein Citationsdekret protestierte mehr als zehn Jahre später, am 26. Hornung 1696, die Kirchenverwaltung von Visp und plädierte dafür, den Handel vor den Nuntius zu bringen; die Akten erlaubten es, an diesen zu appellieren, bevor der Ordinarius endgültig entschied. Unterschrieben war der Protest von Johannes Jodok Burgener, Capitaneus Vespiae, Procurator ecclesiae, und Philipp Venetz, Kastlan und Procurator Vespiae.

Terbiner mussten bezahlen

Ein Jahr später, am 18. März 1697, entschied Bischof Adrian von Riedmatten: «Die Leute von Visperterminen haben 12 Mass Silignis [Winterweizen] zu zahlen.»

Das liessen die Terbiner nicht auf sich sitzen. Zu ihrer Erklärung vom 23. November gleichen Jahres hielt Christian Zimmermann, Pfarrer in Brämis fest: «In Gegenwärt von Johann Heinzmann, Kirchenvogt von Terbinen, und Johann Crüzer, Kapellenvogt, Advokat Castellano Grily und den Zeugen Theodul Heinzmann, St. Leonhard, und Christian Bizig, eben daselbst, auf die Frage an den Bischof, ob der Rektor diese Dienstbarkeit leisten müsse, über welche der Zwist handelt zwischen Terbinen und dem Pfarrer von Visp.»

Der Bischof antwortete dem Rektor der Tochterkirche zu Visp, Anton Mangolt sei dazu verpflichtet. Wenn er dies nicht tun wolle, so solle er den Ort verlassen und nur aus diesem Grund das Benefizium nehmen.

Am 23. Januar 1698 erfolgte ein weiteres Urteil des Bischofs: «Die Visperterminer werden zur Ablieferung des Zehntens von 12 Mass Weizen jährlich verurteilt und müssen auch den Zehnten der zwei letzten Jahre nachzahlen und haben das Recht, diese zurückzuhalten, wenn der Dienst [also der Gottesdienst in Terminen] nicht gehalten wird. Der beklagte Teil kann aber seine Gründe innert 14 Tagen vorbringen.» Mit dem Citationsdekret des päpstlichen Nuntius Michael Angelus de Comitibus (Michelangelo Conti) vom 7. Hornung 1698 wurde das neue Urteil des Bischofs bestätigt.

Sechs Wochen später kam dann der Entscheid in zweiter Instanz durch Inter-Nuntius Carolus Diane Gallarini, «dass die Leute von Terbinen dem Pfarrer Johann Tolekem 12 Fischel Weizen zu zahlen haben, sowohl für die verflossenen Jahre als auch die künftigen». Der Pfarrer sei verpflichtet, die im Gründungsakt vorgeschriebenen ‚Servita‘ in der Kirche von Terminen zu halten, durch sich selbst oder einen anderen Priester, nicht aber durch den Rektor von Terminen. Zudem wurde Folgendes festgehalten: Der Bischof habe den Streitfall so entschieden, die Terbiner zu etwas verpflichtet, das sie nie abgestritten hätten. Daher sei man zu Recht an den Nuntius gelangt. Die Reise von Visp nach Luzern hätte in sechs bis sieben Tagen gemacht werden können, über Freiburg-Bern, wenn bei der Rückfahrt auf den Bergen Schnee liegen sollte. Sie wollten den Streit, der nun schon vier Jahre dauerte, nicht in die Länge ziehen. Sie seien gut auf dem Laufenden und bräuchten sich nicht zu orientieren, der Handel liege in den Händen von nur zwei Männern.

Fazit: Vier Jahre Streit – und das zwischen lauter geistlichen Herren! – und eine Reise nach Luzern wegen 12 Mass Weizen.

Seine Tüchtigkeit hinderte ihn Bischof zu werden

Der Visper Georg Summermatter hatte um 1630 als Domherr unter vier Bischöfen gedient und es verstanden, sich zum intimsten Mitarbeiter des in Luzern amtierenden päpstlichen Nuntius Farnese emporzuarbeiten – der Nuntius schenkte ihm volles Vertrauen. So hätte er zweifellos das Zeug zu einem ausgezeichneten Kirchenfürsten gehabt; sein Einfluss auf die Leitung der Diözese war schon wegen seiner Stellung als Dekan sehr gross.

Weil er aber immer Sprecher des Domkapitels war, muss er sich bei den Patrioten, den Vertretern des Volks, unbeliebt gemacht haben. Obwohl er vom Domkapitel oft als Kandidat für das Bischofsamt präsentiert wurde, wussten die Patrioten seine Wahl stets zu verhindern. Und – was mitentscheidend war – auch bei den Bürgern der Stadt Sitten war er wegen der grossen Streitigkeiten nicht beliebt.

Das Schloss am Eingangstor des In Albon-Hauses.

© Peter Salzmann