Die Spannungen zwischen den Liberal-Radikalen und dem katholisch-konservativen Lager verschäften sich. Für die Verfassungen von 1839 waren noch die Liberalen verantwortlich. Fünf Jahre später waren es die Konservativen, die ihrer Unzufriedenheit Ausdruck gaben. 1847 mündete der Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen in einen Bürgerkrieg.
Stellung des Klerus im Staat wieder gestärkt
Als die Liberalen Anfang der 40er-Jahre eine Hetzkampagne gegen den Klerus starteten, wehrte sich dieser zusammen mit der konservativen Partei und der Bevölkerung für die katholische Kirche.
Erst nach langen, blutigen Unruhen kam schliesslich die Verfassung vom 14. September 1844 zustande, die nun die Stellung des Klerus im Staat stärkte.
Die Verfassungskämpfe zwischen den Liberal-Radikalen und den Konservativen führten 1845 zu einem Verteidigungsbündnis der sieben katholisch-konservativen Kantone, dem Sonderbund. Der Sonderbund sah vor, dass sich die beteiligten Kantone im Fall eines Angriffs auf einen von ihnen gemeinsam zur Wehr setzten – ähnlich wie die NATO rund 120 Jahre später.
Regierung unter Beschuss
Der neu gewählte Staatsrat geriet bald unter Beschuss. Der Führer der liberalen Bewegung «Jungschweizer», Alexis Joris, liess auf eigene Faust die Glocken läuten und den Generalmarsch schlagen. Er zog mit etwa 200 Mann das Land herauf, um die Regierung zu stürzen, trat aber den Rückzug an, ohne die Hauptstadt überhaupt erreicht zu haben.
Das Oberwalliser Volk erhob sich und zog bewaffnet nach Sitten, um sich der Regierung zur Verfügung zu stellen. Man wollte dem Treiben der «Jungschweizer» entgegentreten, die namentlich im Unterwallis die Ruhe störte, und alles unternehmen, um die Bewegung aufzulösen.
Der neue Staatsrat musste übrigens feststellen, dass im Arsenal von Sitten vier Kanonen und eine Menge Munition abhandengekommen waren.

Im Wallis wurde der Sonderbundskrieg von den Aristokraten geschürt. Gegen das Ersuchen, sich dem Sonderbündnis der katholischen Kantone Luzern, Freiburg, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug anzuschliessen, also gegen die Walliser Teilnahme am Krieg von 1847, lehnte sich als einziges Regierungsmitglied der Visper Staatsrat Joseph Anton Clemenz auf – vergeblich, wie sich 1847 zeigen sollte.
© Delphine Debons und Yves Fournier in 200 Jahre Walliser Geschichte, 2015
Bürgerkrieg mit 60 Toten
Die mehrjährigen Auseinandersetzungen zwischen der liberal-radikalen Bewegung «Jungschweizer» und der konservativen Vereinigung «Alte Schweiz» fanden am 21. Mai 1844 ihren Höhepunkt im Zusammentreffen in Trient bei Martigny, wo die Junge Schweiz eine schwere Niederlage erlitt.
Die Jungschweizer hatten ihren Rückzug am frühen Morgen des folgenden Tages fortsetzen wollen. Am Fluss Trient angekommen, wurden sie jedoch von einem heftigen Flintenfeuer empfangen. Die konservative Bevölkerung der Zenden Saint-Maurice und Monthey, die unter der liberalen Bewegung mehr zu leiden gehabt hatten als andere Bezirke, bildete eine Kolonne, die sich am Trient aufstellte, um den Fliehenden den Rückzug abzuschneiden.
Dabei wurden an die 60 Personen getötet oder verwundet, die meisten waren Jungschweizer. Unter den Toten befanden sich auch zwei Offiziere, ehemalige Schulkameraden des damaligen Visper Staatsrats Clemenz, die Lieutnants Parvex und Alfred de Werra.
Die Oberwalliser Truppen zogen indes weiter bis nach St. Gingolph hinunter. So blieb das Unterwallis besetzt, bis die verfassungsmässige Ordnung wiederhergestellt war.
Im Unterschied zu 1840, als sich die Oberwalliser schlecht betragen hatten, benahmen sie sich diesmal musterhaft. Fast gleichzeitig mit dem Einzug der Oberwalliser Truppen in die Stadt Sitten hatte sich westlich davon eine Kolonne Jungschweizer gesammelt. Die Regierung bot unverzüglich die Oberwalliser Landwehrtruppen auf, die als einzige einsatzbereit waren.
Die Jungschweizer zogen sich nach Ardon zurück, von wo aus sie am folgenden Tag von den Oberwallisern angegriffen und verjagt wurden. Dabei brannten sie, um ihren Rückzug zu sichern, Brücken nieder, deren Wiederaufbau das Land hunderttausende Franken kosten sollte. Der Zweck aber wurde erreicht: Die Oberwalliser Kolonne, die ihnen auf den Fersen war, konnte so den Rotten nicht mehr überschreiten.
Eine bedeutende Zahl Jungschweizer und ihre Gesinnungsgenossen flüchteten ins Waadtland, wo sie gastfreundlich aufgenommen wurden.
Nach der schweren Niederlage der Jungschweizer in Trient war dieses unrühmliche Kapitel in der Walliser Geschichte vorerst beendet; das liberale Regime war besiegt, die Junge Schweiz aufgelöst.
Spezialgericht statt Amnestie
Im Wallis sann man auf Rache. Statt eine Amnestie zu verfügen, richtete der Grosse Rat ein Zentral-Spezialgericht ein. Dieses erhielt die Weisung, Bürgern, welche der Jungschweiz oder der Radikalen Partei angehörten, ihre politischen Rechte wegzunehmen. Staatsrat Clemenz beurteilte diese Aktion kritisch und sollte recht behalten: Der Entscheid erwies sich als arger Missgriff des Grossen Rats, dessen Mehrheit sich vom Rädelsführer Domherr André de Rivaz dazu hatte verleiten lassen. Bei einem so unklugen Verfahren konnte es nicht ausbleiben, dass die ins Waadtland verbannten Walliser und die Bürger im Kanton, die ihrer politischen Rechte beraubt worden waren, fortan mit Genugtuung jeden Anlass zu einer Reaktion benutzten.
Zweifellos nützte das damalige Vorgehen gegen die Führer der Jungschweizer der liberalen Sache, der konservativen aber schadete es auf die Dauer. Die Führer der Bewegung wurden nämlich zu Märtyrern für die Freiheit. Von ihren Parteigängern wurden sie denn auch als solche verehrt, als diese nach dem Sonderbundskrieg aus Genf und der Waadt wieder in die Heimat zurückkehren durften.
Eidgenössische Tagsatzung im Wallis
Am 5. Juli 1847 versammelte sich die Eidgenössische Tagsatzung im Wallis. In seiner Begrüssungsrede schob der Berner Ochsenbein das Problem «Sonderbund» auf die europäische Ebene. Es gelte, das freie intellektuelle Leben zurückzuholen und zu wählen zwischen dem Fortschritt und dem Stillstand. Europa sei in seinen Grundfesten erschüttert. Aus diesem Grund müsse die Schweiz ihre Institutionen mit ihren neuen Bedürfnissen in Einklang bringen.
Man müsse den Staatenbund von 1815 revidieren, ebenso die Verfassung. Die Schweiz werde die Unabhängigkeit verteidigen, welche die Vorfahren erkämpft hatten.
Müller-Siegwart, der Chef der Konservativen aus Luzern, antwortete, die Katholiken würden die Revision nur annehmen, wenn die Klöster wieder zugelassen würden, die Jesuiten bleiben dürften und an der Souveränität des Kantons nicht gerüttelt würde.
Staatsrat Clemenz kämpfte gegen Windmühlen
Im Wallis wurde der Sonderbundskrieg von den Aristokraten geschürt. Gegen das Ersuchen, sich dem Sonderbündnis der katholischen Kantone Luzern, Freiburg, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug anzuschliessen, also gegen die Walliser Teilnahme am Krieg von 1847, lehnte sich als einziges Regierungsmitglied der Visper Staatsrat Josef Anton Clemenz auf. Er hatte das Unsinnige eines solchen Unterfangens erkannt.
Angesichts der Gefahren war die Walliser Regierung vorsichtig. Bereute sie es, sich in dieses zweifelhafte Unternehmen eingelassen zu haben? Zweifelte sie an der Treue eines Teils ihres Kontingents? Der Grosse Rat war jedoch anderer Ansicht und entschied, sich dem Bündnis anzuschliessen. [Siehe auch Kapitel 15.05 «Clemenz, der vielseitigste Oberwalliser Politiker des 19. Jahrhunderts».]
46 Jahre Präfekt
1847, bei Einführung des Bundesstaats, wurde der Visper Jurist Adolf Burgener zum Präfekten des Bezirks Visp ernannt. Er sollte dieses Amt bis 1893, also volle 46 Jahre beibehalten.
Zendenstube als Arsenal
1839 wurde an der Burgerwoche beschlossen, die Militäreffekten der Burgerschaft Visp künftig in der Zendenstube unterzubringen. Rückständige Militärtaxen sollten eingezogen werden.

Die Visper Truppen kehrten vom Sonderbundskrieg heim, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Sie hatten fünf Wochen in St. Maurice gewartet; der Feind zeigte sich nicht. Nach einem nahezu unblutigen dreiwöchigen Feldzug – das Wallis wurde wie die Urkantone fast kampflos unterworfen – mussten die Sonderbundskantone kapitulieren. Das Aquarell von José Simões von 1959 zeigt die Infanterie der Walliser Landwehr, 1827–1842.
© Walliser Kantonsmuseen, Sitten, Inv. Nr. MV 11889
Der Visper Landsturm musste her
Der Kriegsrat des Sonderbunds verlangte vom Wallis, seine Versprechungen und die daraus entstandenen Verpflichtungen einzuhalten.
Die besondere Topografie des Wallis erforderte nicht die Gesamtheit seiner Milizen, um eben dieses Territorium zu verteidigen. Aus diesem Grund konnte das Wallis leicht einen Teil davon der Innerschweiz und vor allem Freiburg zur Verfügung stellen.
Ende Oktober wurden die Soldaten vom Sonderbund aufgeboten. Weil aber dessen reguläre Truppen mit ihren Offizieren, die aus päpstlichen, neapolitanischen und sardinischen Diensten zurückgerufen worden waren, nicht genügten, musste auch der Landsturm aus dem Bezirk Visp zu den Waffen greifen. Dieser Bezirk hatte nämlich das bestbestellte und bereitwilligste Landsturm-Bataillon, während in anderen Zenden allerlei fehlte, angefangen bei den Gewehren bis zu den Pechschuhen; in Holzschuhen und ohne Gewehr wollte niemand der eidgenössischen Armee entgegenziehen und sich vor den Eigenen schämen müssen. Am 28. Oktober reisten alle Waffenfähigen von Visp ab.
Dufour – ein versöhnlicher Gegner
Als der Sonderbundskrieg unvermeidlich wurde, wählte die Tagsatzung den Genfer Henri Dufour, den ältesten Oberst der Eidgenossenschaft, zum Oberbefehlshaber der eidgenössischen Truppen. Der General begann seinen Tagesbefehl vom 5. November 1847 bei Kriegsausbruch mit: «Wehrmänner! Ihr müsst aber aus diesem Kampf nicht nur siegreich, sondern auch vorwurfsfrei hervorgehen. Man soll nachher von Euch sagen müssen, dass Ihr überall, wo es Noth that, wacker gekämpft, aber auch wieder Euch menschlich und grossmüthig gezeigt habt. Ich stelle daher unter Euern besonderen Schutz die Kinder, die Weiber, die Greise und die Diener der Kirche. Wer seine Hand an Wehrlose legt, entehrt sich selbst und befleckt seine Fahne. Gefangene und Verwundete verdienen um so mehr Euer Mitgefühl, als schon viele von Euch mit denselben zusammen im Eidgenössischen Dienst gestanden sind. Ihr werdet nirgends nutzlose Zerstörungen auf den Feldern anrichten und geduldig die augenblicklichen Entbehrungen zu ertragen wissen, welche die Jahreszeit mit sich bringt, und die eintreten werden, wenn auch Alles aufgeboten wird, um euch dieselben zu ersparen.»
Visper in Saint-Maurice blockiert
Die eidgenössische Armee rückte im November gegen Freiburg vor, welches recht bald kapitulierte und damit den Sonderbund ordentlich «erhudelte», wie ein auf Sand errichtetes Gebäude. Da im Lager des Sonderbunds selbst Zwistigkeiten entstanden waren, ergaben sich nach wenigen Tagen auch Luzern und die Urschweiz. Das Wallis hielt dem Ansturm am längsten entgegen, weil es zuletzt angegriffen wurde.
Die Visper standen bereits fünf Wochen in Saint-Maurice und waren dabei zum Nichtstun verurteilt wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Was hätten sie auch tun sollen? Der Feind wollte und wollte sich nicht zeigen. Nach einem nahezu unblutigen dreiwöchigen Feldzug – das Wallis wurde wie die Urkantone fast kampflos unterworfen – kapitulierten die Sonderbundskantone. Die Kapitulation des Wallis besorgten die Herren der Regierung in Sitten, ohne die kampfbereiten Visper zu befragen.
Die Visper Truppen kehrten an einem der letzten Tage im Wintermonat heim, glücklicherweise ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Dafür rächten sie sich anschliessend bei der Jagd auf die Gämsen, die ja nichts dafürkonnten.
So endete der Sonderbundskrieg für die Oberwalliser. Dieser war nicht etwa ein Religionskrieg gewesen, hatten doch die Sonderbündler an ihrer Spitze einen protestantischen General, während in der eidgenössischen Armee katholische Kontingente gestanden hatten.
Der «Sonderbund-Fall Visp»
13 Jahre später, in seiner Herbstsession von 1860, hatte sich der Walliser Grosse Rat mit der Regelung eines Relikts aus der Sonderbundszeit zu befassen, das die Gemeinde und den Zenden Visp betraf. Noch immer weigerten sich die Visper hartnäckig, eine damals nicht bestellte Waffenlieferung aus dem Jahr 1847 zu bezahlen. Der Staatsrat hatte damals Gewehre und Bajonette zur Ausrüstung des Auszugs bestellt und auf die Zenden verteilt. Die Visper hatten aber nur eine kleine Anzahl Bajonette erhalten, da die Visper «sowieso alle Gämsjäger seien und so Gewehre besässen». Es ging um den Betrag von 2 300 Franken.
Nachdem Joseph Anton Clemenz und Adolf Burgener den Visper Standpunkt erläutert hatten, einigte man sich, dass Visp nur jene Bajonette zu bezahlen hatte, die nicht mehr zurückerstattet werden konnten.

Ein herausragender Offizier und Politiker mit Visper Wurzeln war Wilhelm Theodor von Kalbermatten (1793–1875). 1847 führte er die Walliser Truppen als General im Sonderbundskrieg. 1814–1830 hatte von Kalbermatten in französischen Diensten gestanden; 1844 war er Kommandant der Alten Schweiz und der Regierungstruppen gewesen, 1844 Staatsrat. Schliesslich wirkte er in Rom als Brigadegeneral im Dienst von Papst Pius IX. und 1870 als Mitglied des päpstlichen Kriegsrates.
Aus Fibicher.
General und Staatsrat von Kalbermatten mit Visper Wurzeln
Die Walliser Truppen führte im Sonderbundskrieg 1847 Wilhelm Theodor von Kalbermatten an, auch wenn sie mit dem Feind nicht in Berührung kamen. Im Walliser Bürgerkrieg von 1840 hatte er die Teilung des Wallis in zwei Halbkantone verhindert. 1842 gründete er mit anderen Konservativen die Zeitung «Gazette du Simplon». Im zweiten Walliser Bürgerkrieg von 1844 war er Kommandant der Regierungstruppen des Kantons Wallis, der «Alten Schweiz», welche die Jungschweizer bei der Trientbrücke schlugen.
Danach wurde er zum Staatsrat gewählt, allerdings nicht als Vertreter des Oberwallis. Es wurde ihm das Militärdepartement anvertraut. Der Regierung gehörte er 1845–1847 an, zusammen mit Joseph Anton Clemenz.
Von Kalbermatten, 1793 in Holland als Sohn von Hauptmann Joseph Louis von Kalbermatten aus Visp geboren, hatte seinen Adelstitel von seinem Vater, der 1823 den erblichen Titel Baron erhalten hatte. Wilhelm wurde Soldat und diente von 1804 bis 1814 zuerst der spanischen Krone, später bis 1830 in Frankreich.
Nach der Kapitulation des Sonderbunds trat Wilhelm von Kalbermatten als General und Staatsrat zurück und setzte sich nach Rom ab. Er trat 1850 in die Dienste des Kirchenstaats in Rom und übernahm als Brigadegeneral das Kommando über die päpstlichen Truppen, schliesslich wurde er 1870 Mitglied des päpstlichen Kriegsrats. Wie sein Bruder Theodosius war er Träger mehrerer päpstlicher, französischer und österreichischer Orden. 1875 starb er in Rom.
Joseph Anton Clemenz, vom Staatsrat zum Grossrat
In den ersten Grossrat wurden im Dezember 1847 folgende Visper gewählt: Donat Andenmatten, Adolf Burgener, Joseph Burgener und der frühere Staatsrat Joseph Anton Clemenz.
Clemenz hatte es vorausgesehen
Das Wallis musste bis zum 20. Dezember 1847 die Summe von 200 000 Franken aufbringen, wodurch das geldarme Land in eine verhängnisvolle Lage geriet. Den Betrag brachte grösstenteils der Klerus auf; er hatte den Beitritt zum Sonderbund besonders heftig befürwortet.