Kapitel Nr.
Kapitel 04.07

Die Landstrasse, die ihre Bezeichnung oft nicht verdiente

Im Lauf der Geschichte war Visp immer wieder davon betroffen, dass verschiedene Machtträger Interesse an der Kontrolle der wirtschaftlich einträglichen Simplon-Route und damit am Durchgang durch das Wallis hatten. Vom 12. Jahrhundert an nahm der Handels- und Fernverkehr im Rhonetal zu. Aus dem Süden kamen italienische Kaufleute. Um den Bau von Strassen und Wegen mussten sich oft die Anlieger kümmern.

Savoyer und italienische Adelige

Der Bischof von Sitten war nicht der einzige Inhaber von Herrschaft und Rechten, der sich um die Route durch das Rhonetal bemühte. Am Verkehrsknotenpunkt Visp waren es zuerst die Grafen von Visp, später die de Castello und schliesslich die de Biandrate, welche beidseits der Pässe die Verkehrswege beherrschten. Das Grafengeschlecht der de Biandrate soll den Simplon schon im 12. Jahrhundert kontrolliert haben. Wie andere italienische Adelige hatte die Familie im Bistum Novara, welches bis an die Grenze reichte, Besitzungen inne.

Die Grafen von Savoyen legten in ihrem früher eroberten Untertanenland unterhalb von Sitten ein uneingeschränktes wirtschaftliches Interesse am Transitverkehr an den Tag. Die Praxis, den Bischofsstuhl von Sitten mit savoyischen Parteigängern und Familienmitgliedern zu besetzen und mit regionalen Oberwalliser Machthabern (von Turn und von Raron, später auch de Biandrate) zusammenzuspannen beweist, dass die diesbezüglichen Anstrengungen an der Grenze des eigenen Herrschaftsbereichs keineswegs Halt machten. So stand denn auch das Strassenregal des Bischofs von Sitten den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Savoyer keineswegs entgegen, auch wenn sich ihre Interessen mit jenen des Bischofs überschnitten. Zweifellos ist der Versuch, ihren Einflussbereich auf das Oberwallis auszudehnen, mit ihrer Absicht zu erklären, den Simplon zu kontrollieren.

Strassenregal und Geleitrecht

Die Reichs- und Landstrasse wurde wahrscheinlich schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf dem linken, also südlichen Rottenufer, angelegt. Im Turtig wurde sie 1306 «Antiqua strata» genannt. 

Schon anfangs des 13. Jahrhunderts gehörte die Rhonetal-Route mit ihrer Wagenstrasse zu den grossen Fernhandelsstrassen. Ein beachtlicher Anteil der transportierten Waren wurde von der Lombardei nach Sitten transportiert und von dort weiterbefördert.

Der Bischof, der auch weltlicher Landesherr war, garantierte als alleiniger Verantwortlicher für diese Transitachse den Unterhalt des damals als Reichsstrasse bezeichneten Wegs entlang des Rottens und gewährte den Kaufleuten freies Geleit, garantierte also deren Sicherheit. Als Gegenleistung erhielt er die Zolleinnahmen der Transitroute. Er besass die sogenannten Regalienrechte. In seinem Namen zogen die Feudalherren, die dieses Amt von ihm in Pacht erhalten hatten, die Weggelder und Brückenzölle ein.

Zwischen 1206 bis 1237 war Bischof Landrich von Mont sowohl Inhaber des Strassenregals als auch des Geleitrechts und der damit verbundenen Schutzpflichten gegenüber der Kaufmannschaft.

Bis zum Aufruf Schiners von 1502 sorgte der Bischof allein für den Unterhalt der Strasse. Erst im 15. und 16. Jahrhundert trotzten ihm die Gemeinden und Zenden das Regalienrecht ab und übernahmen gleichzeitig Pflichten zum Unterhalt der Landstrasse.

Pappelallee an der Landstrasse bei Visp 1942.

ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Leo Wehrli, Dia_247-13508 CC BY-SA 4.0

Visp an einer grossen Fernhandelsstrasse

Neben den im Verkehrswesen aktiven Säumern, Ballenführern und Fuhrleuten trifft man im Wallis immer wieder auf Einzelpersonen bürgerlicher und vor allem adeliger Herkunft, die über Verkehrsrechte verfügten und die vom Bischof und den Grafen von Savoyen engagiert wurden.

Die vom Bischof mit dem Strassenunterhalt betrauten Personen wurden auch in die Verhandlungen mit den lombardischen Prokuratoren einbezogen. In einem Vertrag zwischen dem Bischof und den Prokuratoren der mailändischen Kaufleute, offensichtlich Inhaber der Vorrechte vom 20. Juli 1321, kam Visp als Endpunkt der Transporte durch das Wallis eine zentrale Rolle zu; der Ort erschien als ideale Weggabelung für weitere Etappen Richtung Süden.

Die Strassen und Wege ins Saastal zum Antrona- und zum Monte Moro-Pass sowie ins Mattertal zum Theodul-Pass scheinen von der bischöflichen Strassenoberhoheit ausgeschlossen gewesen zu sein. Hier wurden Warenzölle auf Handelsgüter erhoben, die von der Lombardei nach Sitten und noch weiter geführt wurden; pro Ballen erhob man ein Pfund Zoll.

Ausser den vom Bischof beauftragten Personen mit Verkehrsrechten gab es auch von den Zenden oder gar einzelnen Gemeinden eingesetzte Verkehrsbeamte. Solche Beamte zogen im Auftrag des Zenden Visp den Brückenzoll für die 1307 erstmals erwähnte Chi-Brücke in Stalden am Eingang zum Saastal ein.

Transitverkehr provozierte Walliser Landstrasse

Während Ausgrabungen im Bereich des Autobahnbaus bei Gamsen Besiedlungsspuren aus vorchristlicher Zeit zutage förderten, fehlen gemäss Forschungen von Roland Flückiger-Seiler Hinweise aus dem ersten Jahrtausend auf Strasse und Verkehr im Tal des Rottens.

Das Anlegen von Strassen und Bauten für die Verkehrsinfrastruktur richtete sich während der mittelalterlichen Jahrhunderte notwendigerweise auch an den naturräumlichen und klimatischen Gegebenheiten aus. Diese Bedingungen prägten die Verkehrstechnik und -politik besonders im Wallis: Das weitgehende Fehlen von schiffbaren Gewässern und eine Vielzahl von Gebirgskämmen in der alpinen beziehungsweise hochalpinen Zone schränkten die Möglichkeiten ein. In (hoch)mittelalterlicher Zeit etwa entstanden Höhenrouten entlang der Höhensiedlungen.

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts deuten Urkunden auf einen verhältnismässig regen Verkehr durch das Rhonetal und über den Simplon hin. Indizien erlauben es, die Entstehung der «Reichs- und Landstrasse» ins späte 12. Jahrhundert, in die erste Hochblüte des Transitverkehrs in der Region, zu datieren. Der Fernverkehr durch das Wallis gelangte zu dieser Zeit im Gefolge der erstarkenden Handelsmessen in Frankreich erstmals zur Blüte; Belege dafür sind die Kontrollen der Zugänge zum Simplon durch die Staufer mit einigen ihnen treu ergebenen adeligen Familien oder die direkte Unterstellung des Sittener Bistums unter das Reich um 1189. Die Machtpolitik der Staufer, die damals während gut 120 Jahren die deutsche Königskrone für sich beanspruchten, zielte darauf ab, mit Hilfe einiger ihnen treu ergebenen adeligen Familien die italienische Nachbarschaft unter ihre Kontrolle zu bringen.

23 Pässe nördlich und südlich

Die Alpenpässe und ihre Linienführungen stellten für die Geschicke des Wallis einen strategisch, politisch und wirtschaftlich gewichtigen Faktor dar. Mindestens 23 Pässe führten ins Tal des Rottens oder – je nach Ausgangspunkt – aus diesem heraus. Wer vom Mittelland durch das Wallis in den Süden reiste, hatte zwei Gebirgsketten zu überwinden: über die Pässe zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis, anschliessend beispielsweise über den Grossen St. Bernhard.

Strasse in den schattigen Süden verlegt

Die alte Reichs- und Landstrasse, deren Existenz sich bis ins 13. Jahrhundert zurück schriftlich belegen lässt, wurde auf dem linken, südlichen Rottenufer angelegt, mit dem Ziel, den Transitverkehr zu bewältigen. Sie führte wie die heutige Strasse von Brig über Glis, Gamsen und Eyholz nach Visp, um weiter westlich das zuvor kaum begangene linke Flussufer über Turtig zu erschliessen. 1270 war in einem bischöflichen Vertrag die Rede von einem Ausbau der Strasse von Agarn nach Visp. Die erwähnte Nennung einer «Antiqua strata» im Turtig 1306 ist als indirekter Hinweis auf die dort neu erstellte Landstrasse zu deuten.

Diese wurde im späten 13. Jahrhundert als speziell erbaute Strasse beschrieben, die sich – «auf höheren Befehl» – in ihrer Anlage qualitativ ganz entscheidend von anderen Strassen abhob. Es soll sich um eine «Kunststrasse» von fünf Meter Breite gehandelt haben, die auch im Winter befahren wurde. Sie lag gegenüber der Umgebung, dem angrenzenden Land höher und ihr Unterbau bestand aus einem Steinbett im Sand befestigt und verstärkt mit einem Gerippe von Holzschwellen. Bei ebenerdiger Anlage wurde der Wasserableitung grosse Beachtung geschenkt und bei kritischen Stellen war die Strasse mit Dämmen und Holzwänden gegen Rotten und Vispa geschützt. Auch die Anlage auf der Schattenseite weist darauf hin, dass diese Landstrasse für den Transitverkehr und auf obrigkeitlichen Befehl des Bischofs, der alleiniger Verantwortlicher für diese Transitachse war, gebaut worden war. Sie mied unterhalb Visp bis Turtmann die grösseren Ortschaften auf der Sonnenseite. Damit konnte die Strasse ohne rechtliche Auseinandersetzungen mit den Gemeinden angelegt werden. Vielleicht liegt gerade hier ein wichtiger Grund für die Trasseewahl auf der linken Seite.

Gemäss savoyischen Quellen wurde die Strasse im späten 13. Jahrhundert für den savoyischen Machtbereich als wagengängige Strasse mit einem ansehnlichen Transit bezeichnet.

Machthaber bestimmten die Linienführung

Bei der Entstehung der Walliser Rhonetal-Route, welche der Bischof im oberen Wallis erhalten wollte, hatten wahrscheinlich herrschaftliche Machtsphären die Linienführung bestimmt, wenigstens auf einzelnen Abschnitten. Nachgewiesen ist die alte Talstrasse im Jahr 1393 bei Niedergesteln sowie 1417 im Pfynwald. Dabei wurde festgehalten, dass der reguläre Weg von Visp in Richtung Sitten nicht über Leuk, sondern durch den Pfynwald führte.

Von den Seitenbächen hin und her gedrängt, wechselte der Rotten regelmässig seinen Lauf. Deshalb wurde die grosse, durch das Tal führende Landstrasse in mittelalterlicher Zeit immer wieder durch Anlegen neuer Trassierungen näher an den Berghang gelegt, um dem noch unbändigen Fluss auszuweichen. Aufgrund des Landschaftsreliefs blieben die meisten Strassen für Karren und Wagen nur schwer befahrbar.

Mit der neuen Linienführung links des Rottens umging die Strasse die alten sonnseitig gelegenen Siedlungen und führte erst in Turtmann und Agarn wieder durch ältere Dörfer. Unterhalb davon durchquerte sie kaum besiedeltes Gebiet und führte durch den Pfynwald bis Siders.

Die älteste Linienführung der Strasse durch das Rhonetal hatte also abseits von Visp dem rechten, nördlichen Rottenufer entlanggeführt. Diese Verbindung, die heute nicht mehr überall nachgewiesen werden kann, diente nach Erstellung der Reichs- und Landstrasse nur noch der lokalen Erschliessung; zwischen Naters/Brig beschritten die Eggerberger sie noch als Kirchweg. Für ihren Unterhalt waren die Gemeinden zuständig. Obschon ihre Existenz durch verschiedene Urkunden belegt ist, erscheint sie nur selten in den Landratsprotokollen.

Beschaffenheit der Landstrasse

Gemäss Arthur Fibicher bestand die Fahrbahn früher zumeist aus festgestampfter Erde. Die Löcher und Rinnen, die der Regen hineinfrass, füllte man mit Reisig, Sand und Steinen aus. Musste man sumpfige Gegenden durchqueren – das war nicht nur im Bereich Visp der Fall – so legte man sogenannte Prügelwege an. Mancherorts hob man auch zwei tiefe Gräben aus und warf die Erde in der Mitte zu einem Damm auf.

Die Räder der Fuhrwerke hinterliessen tiefe Geleise. Nach 1830 kam eine neue Technik zur Anwendung. Man nivellierte den Boden und bedeckte ihn dann mit einem Schotterbett, auf das man eine Schicht Kies schüttete.

Bedenklicher Strassenzustand hielt Verkehr fern

Im 16. Jahrhundert scheint das Wallis ein vom internationalen Güterverkehr wenig berührtes Alpental gewesen zu sein. Es scheint, dass mit dem sinkenden Verkehrsaufkommen und damit verbunden einem Abflauen der verkehrsbezogenen Einnahmen der Strasse und der Organisation des Verkehrs erheblich weniger Aufmerksamkeit zuteilwurde als in den Jahrhunderten zuvor. Quellen aus dem 16. Jahrhundert sprechen von Susten und von Zollrechten, die aber «plus de souvenirs que des réalités» gewesen sein sollen.

Nur selten blühte der Durchgangsverkehr wieder auf und jeweils nur für kurze Zeit. Die Versuche, den Verkehr anzukurbeln, wurden meist dann unternommen, wenn andere florierende Alpenübergänge zumeist aus kriegerischen Gründen unbegehbar waren. Die Interessen des lokalen Verkehrs blieben da auf der Strecke.

Kardinal Schiner wollte Verkehr beleben

Ab 1500 erscheint die linksufrige Strasse regelmässig in den Landratsabscheiden – erstmals 1502 anlässlich eines Befehls des Bischofs und späteren Kardinals Matthäus Schiner, sie zu verbessern. Um den Verkehr in der Region des Simplonpasses zu beleben, wollte man zunächst eine neue Brücke östlich von Siders bauen und die Reichsstrasse dem Rotten entlang ausbauen. Der Landrat des Wallis nahm gleichzeitig die reisenden Kaufleute unter seinen Schutz.

Die Massnahmen, die Bischof Schiner und auch seine Nachfolger zur Belebung des Verkehrs ergriffen, blieben weitgehend wirkungslos.

Für den Strassenunterhalt fehlte oft das Geld

Trotz Initiativen der Obrigkeit und gelegentlichen Anstrengungen zur Behebung von Schäden befand sich die Landstrasse über längere Zeit in einem bedenklichen Zustand.

An der Sitzung des Landrats vom Mittwoch vor der Kreuzerhöhung, am 13. September 1525, wurde auf der Majorie in Sitten festgestellt, die «richstrass» von Martigny bis Brig sei vielerorts verfallen und die Brücken befänden sich in üblem Zustand.

Daraufhin wurde beschlossen, dass der Landeshauptmann Johann Werra mit zwei oder drei Ehrenmännern die Strasse von Brig bis nach Martigny besichtigen, die Mängel und die nötigen Verbesserungen durch einen Schreiber aufzeichnen lassen und sich mit Jodok Kalbermatter über die Kosten beraten solle, anschliessend sollten sie «solchen anzug» auf dem nächsten Landtag anbringen, um darüber weiter zu beschliessen.

Strassenkosten beschäftigten Landrat

Obwohl man beim Kanton einsah, dass die Verkehrswege politisch und wirtschaftlich von grosser Bedeutung waren, fehlte es bei der Realisierung zumeist an Geld. Am Landtag vor Weihnachten 1526 klagte alt Landeshauptmann Jodok Kalbermatter, er erhalte kein Geld zur Vollendung der Strasse und müsse die Werkleute verschicken. Wenn man ihm nicht Geld verschaffe, so verlange er seines «Verdings ledig» zu sein. Die Mehrheit der Boten ersuchte ihn, noch einige Zeit zu warten, bis das Geld ankomme, dann werde man ihm «beförderlichst» helfen.

Immerhin konnte am 7. August 1527 zur Kenntnis genommen werden, dass jeder Zenden 100 Kronen an die Kosten der Landstrasse erhalten hatte.

Der Zustand der Strassen, besonders der Landstrasse, war der Grund für die Tagung des Landrats am Mittwoch, 15. Februar 1559. Bereits im Dezember darauf wurde die Abrechnung genehmigt: «für die Landstrasse bei Visp 210 Kronen». Dennoch blieb dieser Abschnitt besonders im Winter sehr gefährlich.

Strasse am Hohberg, im Winter unpassierbar

Vor allem dank eines Aufnahmeplans von Kantonsingenieur Ignaz Venetz aus dem 19. Jahrhundert ist der Nachweis der Strasse sehr gut möglich. Zwischen Visp und Gampel lässt sich noch heute der Verlauf der alten Landstrasse im Gelände nachvollziehen, mit einigen durch Militäranlagen (Grosseye und Beckenried) und Deponien bedingten Lücken. Die Transitstrasse führte konsequent dem Hangfuss entlang, das heisst wohl geschützt vor den Überschwemmungen von Vispa und Rottu, aber in sonnenärmster und damit vor allem im Winter schier kaum zu unterhaltender Lage.

Neuralgische Stellen bei Brig und Visp gaben gemäss Protokollen immer wieder zu Klagen Anlass: die Rohrfluh bei Gamsen, die Ritina in Eyholz und unmittelbar westlich von Visp der Hohberg, wie das ungefähr einen halben Kilometer unterhalb der Landbrücke gelegene Teilstück am Fuss des Graubergs genannt wird. Die eigentliche Sorgenstrecke führte von der Visper Landbrücke bis Gampel Tännu und westlich davon. Es darf nicht vergessen werden, dass die Vispa bis 1875 von der Landbrücke weg direkt dem Hohberg entlang bis zum Schwarzen Graben führte und dort in den Rotten mündete.

1559 wurde dieser Abschnitt der Strasse, der von der mäandrierenden Vispa oft überschwemmt wurde, von der Ebene der Grosseye auf ein neues, höher gelegenes, bis zu sechs Meter oberhalb der heutigen Kantonsstrasse liegendes und teilweise aus dem Felsen gehauenes Trassee verlegt. Im Allgemeinen war das Strassentrassee einen oder zwei Meter höher als der von Überschwemmungen bedrohte Talboden angelegt. Etwa einen Kilometer westlich der Landbrücke sind noch heute auf etwa 80 Metern Reste der alten Landstrasse vorhanden.

Strasse voll «Wassergüllen»

Im Mai-Landrat von 1569 kritisierten die Boten von Visp die schlechte Landstrasse am Ort Goler, «mit Wassergüllen, pfitzen und anderen bösen tritten».

1575 war dann von einem konkreten Verbesserungsprojekt die Rede: Die Landstrasse «soll vom underen stützlin in alle geredi geleit werden bis zum Stadel». Gut Ding will aber Weile haben. Erst im Jahr darauf wurde die Finanzierung der Begradigung diskutiert und entschieden. Dieses neue Strassenstück sollten die Fuhrleute von Brig erstellen. Gebaut wurde aber offensichtlich nicht. Auch nach einem erneuten Beschluss des Landrats von 1579, die neue Strasse nun abzustecken, geschah nichts. Der Strassenvogt der Fuhrleute von Brig gab 1580 zu Akten, dass er im Goler habe bauen lassen wollen, aber von Ammann Gattlen daran gehindert worden sei.

Umweg im Winter

Im Landrat vom Dezember 1580 brachten die Boten von Raron vor, dass die Strasse durch den Hohberg unterhalb von Visp im Winter so gefährlich sei, dass die Fuhrleute dort über die untere Brücke nach Baltschieder oder anderswo über den Rotten gehen und dann auf der Sonnenseite abwärts fahren würden. Bei Raron überquerten sie erneut den Rotten, um wieder zurück auf die Landstrasse zu gelangen. Der Landrat erkannte aber, dass die rechtsufrige Strasse durch Raron «nit die rechte Landstrasse sei».

Maurer und Schreiner verdienten am meisten

1587 wurde der schlechte Zustand der Strasse nochmals kritisiert, dann fand man sich offensichtlich mit einem verbesserten Unterhalt des bestehenden Trassees ab. Alle Arbeitskräfte, die für die Unterhalts- und Bauarbeiten an den Strassen engagiert wurden, entlöhnte man pro Tag und nach zugewiesenem Aufgabenbereich. Dabei verdienten Maurer und Schreiner am meisten. Nirgends ist die Rede von Frondiensten, obwohl auch in Visp und Gampel solche geleistet werden mussten.

Unzumutbare Strassen in einem Transitland

Im Landrat vom 5. Juni 1590 berichtete der Landeshauptmann, Strassen, Brücken, Wege und Stege befänden sich vielerorts in dermassen üblem Zustand, dass mannigfaltige Klagen eingegangen seien. Die Zenden-Richter wurden ermahnt, es seien hierzu die gebührenden Massnahmen zu ergreifen von denen, welche die Strassen und Brücken zu unterhalten verpflichtet seien.

Der schlechte Zustand der Land- und Reichsstrasse war auch im 17. Jahrhundert ein Dauerpolitikum. Vor allem nach Hochwassern waren die Verantwortlichen mit der Schadensbehebung häufig überfordert.

Peststrasse schützte Siedlung

Die Landstrasse durchquerte die Burgschaft Visp wohl bis ins 17. Jahrhundert nicht. Am 7. Januar 1629 beschlossen die Visper Burger, von der oberen Mühle weg eine neue Umfahrungsstrasse anzulegen, um die Burgschaft vor der Pest zu schützen.

Salz finanzierte Strassenunterhalt

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann der Landrat Salzgelder an die betroffenen Zenden und Gemeinden zu sprechen, damit der Handelsverkehr wegen der schlechten Strasse nicht unterbrochen wurde. Um 1746 wehrten sich die sieben Zenden dagegen, dass sie in der Landschaft Wallis vermehrt für die Reparaturen an der Strasse aufkommen sollten. Gerade bei der Bewältigung von Überschwemmungskatastrophen seien Aufgaben und Kompetenzen des Landes stark erweitert worden. So könne der Landrat nicht mehr nur Aufsichtsfunktionen wahrnehmen. Kurz darauf begann der Landrat, auch Brandgeschädigte mit den Salzeinnahmen zu unterstützen, wobei es nicht für alle reichte. So waren die Zuschüsse zu gering, als dass der Zustand der Landstrasse sich wesentlich gebessert hätte.

«Ehrentagwan» für Briger Ballenteiler

Im Mai 1723 kam es zwischen den Zenden Visp und Raron zu einem Konflikt mit den Ballenführern von Brig betreffend den Unterhalt der Landstrasse.

1744 trat der Kastlan Brindlen in Statt und Namen der Briger Ballenteiler vor und ersuchte den Visper Burgerrat, ihnen bei der Reparatur der Landstrasse zwischen Brig und Visp beim Ort Brechbinden mit ihren Wagen an die Hand zu gehen und zu diesem Zweck einen «Ehrentagwan» (Tagwerk) zu leisten. In Anerkennung dieser Arbeitsleistung würden sie eine gebührende «Erkanntlichkeit» anbieten. Die Herren Burger von Visp sagten den Brigern diesen Dienst zu, jedoch ohne irgendwelche Konsequenz.

Ohne Landstrasse keine Transporte

Den gutnachbarlichen Beziehungen zuliebe erklärten sich die Briger Ballenteiler bereit, die Land- und Winterstrasse durch den Hohberg von Eyholz zu erstellen und auch zu erhalten. Diese Strasse hätte die Eyholzer Güter in halber Höhe durchquert und damit viel kultivierten Boden beansprucht. Die Ballenteiler bemühten sich mit den Vispern um eine andere Strassenführung, zu der die Visper Burger ihr Einverständnis gaben.

Dennoch gelangte dieser Handel anlässlich des Mai-Landrats von 1749 vor die Landesherren und die Abgesandten der sieben Zenden der Republik Wallis. Zuvor hatten sich je zwei Vertreter aus jedem Zenden in die Riti nach Eyholz begeben, um die Lage in Augenschein zu nehmen. Nach «reipfer» Überlegung kamen sie zum Schluss, dass es ratsamer sei, durch den Hohberg ob- und unterhalb der Riti keine neue Landstrasse zu bauen. Stattdessen solle die alte Strasse gebührend erhöht und repariert werden, und zwar folgendermassen:

  1. Von der Andres-Scheune beim Holzschleif bis zur Steinwehry in der oberen Riti solle die beinahe zerfallene Landstrasse durch die Wefri-Geteilen repariert und in brauchbaren Zustand gesetzt werden, weil durch deren «Hinlässigkeit» die Rottenwehren nicht erhalten worden waren. Falls dies nicht der Fall sein sollte, sähe man sich gezwungen, die Strasse doch noch durch die Güter des Hohbergs zu führen.
  2. Von obgenannter Scheune bis hinunter zur Burgschaft Visp solle die Landstrasse wo nötig erhöht werden, auf Kosten von Brig und Visp. Die von Eyholz sollten die zur Reparatur notwendigen Steine und das erforderliche Holz ohne Entschädigung zur Verfügung stellen.
  3. Mit dieser Lösung würden die Güter der Eyholzer am Hohberg geschont, weshalb die Eyholzer einen oder zwei Tage «Ehrentagwan» zu leisten hätten. Auch die Burgerschaft Visp wurde ersucht, einen Ehrentagwan mit Ross und Wagen beizutragen. Was den künftigen Unterhalt der Landstrasse anbelange, bleibe dies eine Aufgabe der Briger Ballenteiler.
  4. Falls die je zur Hälfte von Brig und Visp zu tragenden 140 Kronen nicht ausreichten, um die Landstrasse in guten Zustand zu versetzen, blieben die Ballenteiler verpflichtet, jährlich noch 15 Kronen zu diesem Zweck beizutragen, nicht für immer, sondern nur so lange, bis die Landstrasse in gutem Zustand wäre.

Diese Abmachung unterzeichnete der aus Visp kommende Landschreiber Blatter am 17. Mai 1749.

Instandsetzung der Brücken schwierig

Da die Investitionen sehr hoch waren, diskutierte der Landrat 1774 die Übernahme des Unterhalts der Landstrasse durch die Landschaft Wallis, die dann acht Jahre später auch erfolgte.

Der Landrat befürchtete, dass vor allem die Wiederinstandsetzung von Brücken Schwierigkeiten bereiten könnte. Deshalb beschloss er, die Brücken nicht in die Strassenregelung einzubeziehen. Als 1782 die Landschaft die Verantwortung für die durch das Wallis führende Hauptverkehrsachse auf dem Gebiet der Zenden übernahm, hatten diese sich weiterhin um den Unterhalt der Brücken zu kümmern. Die Zenden wurden vor die Wahl gestellt, entweder wie bis anhin die Brückenzölle einzuziehen und damit für alle Reparaturen verantwortlich zu sein oder diese Einnahmen der Landschaft zu überlassen und nur noch das erforderliche Baumaterial zur Verfügung zu stellen.

Kein Beitrag für Strasse ins Vispertal

Viele Gemeinden zweifelten an der neuen Strassenunterhaltsordnung; sie fühlten sich benachteiligt. Als entschiedene Gegner der neuen Unterhaltsordnung erwies sich der Zenden Visp. Für die Strasse ins Vispertal erhielt er keine Unterstützung, auch die Visper Landbrücke musste er auf eigene Kosten unterhalten. So protestierten seine Vertreter zwischen 1785 und 1794 immer wieder und verlangten, dem Zenden solle sein Anteil am Strassenbudget bar ausbezahlt werden. Der Landrat lehnte eine solche Forderung zwar grundsätzlich ab, erklärte sich aber schliesslich doch bereit, zum Unterhalt der Landbrücke beizutragen.

Napoleon baute die Simplonstrasse

Napoleon hegte konkrete Absichten, so rasch wie möglich eine Strasse über den Simplon zu erstellen, um den Pass mit Kanonen passieren zu können. Unter der Leitung des französischen Ingenieurs Nicolas Céard wurden diese Arbeiten unverzüglich in Angriff genommen. Gleichzeitig waren über 3 000 Arbeiter im Einsatz, die vorwiegend aus Italien kamen; die Oberwalliser verweigerten nämlich die Arbeit. Als sie auf Befehl der Obrigkeit schliesslich doch 150 Mann stellten, soll ein Ingenieur bemerkt haben, es seien ihm nur «Tölpel und Kretins» geschickt worden. 

Aber auch ohne Engagement der Oberwalliser kamen die Arbeiten tüchtig voran. 1805 konnte man die Fertigstellung der Strasse feiern. Wie viele Todesopfer der Bau forderte, ist nicht genau bekannt; es dürften weit über hundert gewesen sein.

Zusammenhang mit Entsumpfung

20 Jahre später, 1825/26, gesaltete der erste Walliser Kantonsingenieur Ignaz Venetz zwischen Visp und Eyholz das Trassee der späteren Kantonsstrasse, das noch heute Geltung hat. Parallel dazu führte er in Visp bedeutende Entsumpfungsarbeiten aus.

Wie erwähnt, ist der Nachweis des Trassees der alten Landstrasse dank eines Aufnahmeplans von Ignaz Venetz belegt. Sein Plan von 1810 zeigt die davor erbaute Strasse von Turtmann. [Siehe auch Kapitel 13.01 «Kantonsingenieur Ignaz Venetz legte den Visper Grund trocken».]

Im Unterwallis 100 Jahre früher

1841 bis 1844 wurde die Strassenverbindung ins Val d’Anniviers gebaut. Dies war fast 100 Jahre vor dem Bau der Strasse nach Saas-Fee.