Die Familie der von Turn, die keine 10 Kilometer von Visp entfernt in der Burg von Niedergesteln residierte, konnte laut einem Vertrag aus dem Jahr 1220 im Kriegsfall mit dem Grafen von Savoyen ins Feld ziehen und dem Bischof Kriegsleute stellen oder umgekehrt, je nach Belieben. Meistens aber kämpften die von Turn auf der Seite der Savoyer und suchten sich mit deren Hilfe auf Kosten der Bischöfe zu verstärken.
Diese Grafen wurden als kampfesfroh und wild bezeichnet; wo ein Vorteil zu gewinnen war, kannten sie kein Weichen. Hatten sie den Gewinn eingesteckt, dem Gegner mit allen Mitteln geschadet und fühlten sie den Schatten des Todes über sich, dann kämpften sie für das Heil ihrer Seele wie zuvor für dasjenige des Leibes. In solchen Momenten beschenkten sie Kirchen und Klöster und stifteten ewige Jahrzeiten. Einer von ihnen bestimmte sogar, dass die Untertanen für ein Jahr keine Abgaben entrichten mussten – aber erst nach seinem Tod.
Morgengabe an Visperin
Hemme von Visp erhielt 1310 von ihrem Gatten Manegold de Saxo, Gesteln, ein Lehensgut in der Pfarrei Mörel als «Morgengabe». Die Morgengabe wurde der Frau nach der Brautnacht von ihrem Ehemann als «pretium virginitatis» geschenkt; danach besass sie diese in der Regel als getrenntes Eigentum.
Kriege brachten von Turn in Nöte
In der Mitte des 13. Jahrhunderts besetzte der Bischof mit seinen Getreuen das savoyische Wallis. Doch erschien der Graf von Savoyen an der Spitze seiner Truppen, nahm Sitten ein und vertrieb die letzten bischöflichen Scharen aus dem Oberwallis. Der Nachfolger des Siegers sah ein, dass dieses Tun unrechtmässig war, und erstattete die so gewonnenen Gebiete bald dem Bischof zurück.
Während dieser Kämpfe vergrösserten die Herren von Turn Besitz und Macht. Peter von Turn geriet durch seine Kriege allerdings in Geldnöte. Er sah sich gezwungen, alles, was er im Lötschental besass, zu verkaufen. Einer seiner Söhne, Aymo, wurde Bischof von Sitten. Dessen Bruder Johann erbte das Verbliebene, womit er zu einem der Mächtigsten im Wallis wurde.
Johann konnte es nicht lassen und nahm den von seinem Vater vom Zaun gerissenen Streit wieder auf. Infolge seiner Heirat mit der reichen Elisabeth von Wädenswil, die Besitzungen im Berner Oberland hatte, fielen die Herren des Oberlands ins Wallis ein und verwüsteten das Leukertal.
Anton von Turn stand über allen Edlen
1350, als die de Castello und die de Biandrate den Höhepunkt ihrer Macht überschritten hatten und die von Turn vermutlich die mächtigste Oberwalliser Adelsfamilie waren, vermachte Peter in seinem Testament seinem ältesten Sohn Anton die Gestelnburg mit den Tälern Lötschen, Zermatt und St. Niklaus.
Der neue Freiherr von Gesteln, Anton von Turn, stand über allen anderen Edlen des Wallis, dies einerseits aufgrund seines Reichtums, anderseits wegen seiner Verbindungen und seiner Herkunft, war doch seine Mutter, Agnes von Grandson, eine Tochter des savoyischen Grafenhauses.
Die von Turn waren wahrscheinlich neben dem Bischof die grössten Grundbesitzer in der Grafschaft Wallis, tendenziell aber auch seine grössten Konkurrenten, sofern sie nicht selber durch ein Familienmitglied auf dem bischöflichen Thron vertreten waren wie Aymo, der jüngste Sohn des Freiherrn Peter von Turn, der 15 Jahre Bischof war.
Im Friedensvertrag von 1368 zwischen dem Bischof und Anton von Turn wurde festgehalten, dass die Besitzungen des Letzteren in St. Niklaus und Zermatt nicht sein Eigentum waren, sondern bischöfliche Lehen. Nach diesen Beschlüssen scheint die Kriegsführung der Herren von Turn nicht besonders schlimm gewesen zu sein, umso furchtbarer jedoch diejenige der bischöflichen Kriegsleute.
Parteinahme kostete Isabella de Biandrate das Leben
In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1365 floh die Gräfin Isabella de Biandrate, Ehefrau des Ritters Franz de Compey, mit ihrem ältesten Sohn aus dem Schloss von Visp, um in der Burg Naters Schutz zu suchen. Mutter und Sohn wurden jedoch von Häschern eingeholt und auf der Brücke zu Naters ermordet. Ihre Leichen warf man in den Rotten.
Als Grund für den Mord wurde ins Feld geführt, dass Isabella für das Geschlecht von Turn und gegen den Bischof Partei ergriffen hatte.
Natischer Brücken als Erbe der Ermordeten
Eine Urkunde von 1377 zitiert Thomas Tschampen, Statthalter des Viztums ob dem Deisberg, der bestätigte, dass den Erben der Isabella, geborene de Biandrate, die 12 Jahre zuvor ermordet worden war, die beiden Rottenbrücken in Naters zufielen.

Die Ermordung des Bischofs Witschard Tavel und seines Kaplans 1375; sie wurden über die Mauer der bischöflichen Burg Seta in Sitten geworfen. Rechts steht Anton von Turn aus der damals mächtigsten Oberwalliser Adelsfamilie, die 1260 und 1296 in Visp Zerstörungen angerichtet hatte.
Gefunden bei Fibicher, Lithografie aus Album de la Suisse pittoresque, Neuchâtel 1840
Rache des Bischofs endete mit seinem Tod
Der damalige Bischof Witschard Tavel nahm die Enkel der ermordeten Gräfin gefangen und zog deren Güter an sich. Seine Kriegsleute belagerten noch zur Zeit der Friedensverhandlungen die Gestelnburg und verbrannten in Gesteln dreissig Häuser, brachten Leute um und verwundeten andere. Auch Weinberge zerstörten sie. Bischof Tavel drang selber mit Kriegsscharen in die Talschaft Lötschen ein, ermordete viele Leute und verbrannte zwölf Häuser mit allem, was sich darin befand.
Neuer Hass entflammte in Anton von Turn. Als sein Enkel das Meiertum Sitten verkaufen musste, wurde dieses von Bischof Tavel erworben, was Anton nun ganz und gar nicht ertrug. Einige seiner Leute drangen am 8. August 1375 in die bischöfliche Burg Seta ein. Die einen sagten, der greise Bischof habe gerade das Brevier gelesen, andere behaupteten, er sei mit seinem Kaplan im Burggarten lustgewandelt und habe die Tagzeiten gebetet, als die Feinde hereinstürzten, den Bischof und den Kaplan überwältigten und beide über den hohen Burgfelsen in die Tiefe warfen. [Siehe auch Kapitel 05.08 «So blieben die ‘befreiten’ Lötscher weiterhin Untertanen».]
Zenden belagerten Gestelnburg
Kaum war der Mord am Bischof im Land bekannt geworden, da bewaffneten sich die Gommer, Briger, Visper, Rarner und Leuker sowie die von Siders und Sitten und fielen über die Güter der von Turn her. Sie erstürmten auch deren Feste Gradetsch (Grône). Bei St. Leonhard stellten sich ihnen die Truppen Antons von Turn und seiner Verbündeten entgegen. Diese wurden jedoch von den Truppen der sieben Zenden überwunden. Die «Patrioten», wie sich die Landleute jetzt nannten, zogen weiter gegen Gesteln und belagerten die Gestelnburg, die jedoch schier unbezwingbar schien.
Erst nach sieben Jahren sollte es ihnen gelingen, in die Burg einzuziehen und sie schliesslich im Jahr 1384 zu zerstören. Ebenso wurde das Schloss von Siders zerstört. Das bewog Amadeus VII. von Savoyen, die Stadt Sitten zu verbrennen und dem Bischof einen Vertrag aufzudrängen. Nun nahmen die Boten des Landrats die Leitung des Landes selbst in die Hand.