Kapitel Nr.
Kapitel 05.06

Peter II. Werra verschrieb die Gründung der Pflanzetta

Die Junkerfamilie Werra, von Törbel stammend, verzweigte sich um 1300 nach Stalden und 1335 nach Visp. Sie begann im 14. Jahrhundert nicht nur in Visp, sondern im ganzen Land eine wichtige politische Rolle zu spielen. Mitte des 14. Jahrhunderts wirkte Peter II. Werra de Vespia als Clericus, Notar, Junker, Landratsabgeordneter und Burgermeister von Visp. Er entfaltete eine rege politische Aktivität in der Burgerschaft und der Pfarrei von Visp und genoss hohes Ansehen.

Seinen Vater Johannes I. Werra, der zwischen 1306 und 1354 mehrfach urkundlich bezeugt ist, trifft man im Zusammenhang mit Visp erstmals 1324, als er in der St. Martinskirche bei einer Lehensanerkennung gegenüber dem hiesigen Pfarrer Zeuge war. Am 1. Mai 1348 vertrat Johannes als Abgeordneter auf dem Landrat in Sitten die Gemeinde und Pfarrei Visp. Er scheint ein angesehener Mann gewesen zu sein, der auch über einen gewissen Wohlstand verfügte. Sicher ist, dass er in Stalden wohnte, wo er begütert war; in Gspon besass er aus einer Erbschaft ebenfalls Grundeigentum. Hingegen bleibt unklar, ob er Sohn des Wilhelm III. Werra war.

Durch das Tor der Pflanzetta, die sich östlich des Friedhofs befindet, blickt man in den Innenhof.

© Peter Salzmann

Vereinbarung über eine Suste in Visp

Sein Sohn Peter II. Werra wurde in Stalden geboren. Nachdem er sich die Grundlagen seiner Bildung, sein sprachliches und rechtliches Wissen angeeignet hatte, verlegte der zielstrebige Peter seinen Lebensmittelpunkt kurz nach 1334 nach Visp – an jenen Ort, dessen damalige Bedeutung ihm die besten Möglichkeiten zu eröffnen schien.

Tatsächlich trat er hier schon zwei Jahre später als «clericus» auf und ab 1340 wirkte er als öffentlicher Notar. Am 26. Oktober 1351 legte er Johannes de Platea und Gesandten der Mailänder Kaufmannschaft eine für Visp bedeutende Urkunde vor, mit der die beiden Parteien eine Vereinbarung über die Errichtung einer Suste (Pflanzetta) in Visp trafen. [Siehe auch Kapitel 05.05 «Die Suste Pflanzetta, ein bedeutender Warenumschlagplatz».]

Notariatszeichen von Peter II. Werra aus einer Urkunde vom 26. Oktober 1351 (BA Visp E5).

Erfolg in der Politik

Auch in der Politik ging es mit Peter II. Werra rasch aufwärts. Bereits 1347 war er Abgeordneter von Visp auf dem Landrat und 1348 erschien er mit Wyfried von Silenen an der Spitze des Visper Gemeinwesens.

Offensichtlich verstand sich Peter Werra mit dem Domkapitel, denn 1349 wurden ihm zusammen mit dem Geistlichen Johannes Goler vom Domkapitel Sitten die Kanzleirechte der Pfarreien von Visp, Raron, Niedergesteln und Lötschen übertragen. Später, 1351, erhielt er zusammen mit Johannes de Mulinbach auf Lebenszeit die Obedienz von Raron sowie die Kanzleirechte von Chouson (St. Niklaus) und Prato Borni (Zermatt).

Gastgeber des Domkapitels

Im Haus von Peter Werra in Visp fanden am 10. August 1351 Lehensanerkennungen der Leute von Törbel und anderer Gemeinden zuhanden des Domkapitels statt.

Wasserleitung von der Wolfsgrube her

Am 13. März 1350 gab Johannes Gotfredi von Visp einer Geteilschaft von Gütern in Visp die Vollmacht, eine Wasserleite zu bauen mit mindestem Schaden gegen Bezahlung von 20 Schilling und die Erkenntnis von 1 Müth Korngilt.

Autoritärer Bischof legte sich mit Gemeinden an

1342, als Peter II. Werra in Visp wirkte, begann der autoritäre Bischof Witschard Tavel (auch Guichard Tavelli) mit harter Hand zu regieren. Tavel glaubte, sich über die politischen Realitäten hinwegsetzen und den Gemeinden diktatorisch seinen Willen aufzwingen zu können. Seine Regentschaft gefährdete die relative Unabhängigkeit der Gemeinden der «terre Vallesii» unter der Leitung des niederen Adels. Doch das Rad der Zeit liess sich nicht zurückdrehen. Der Bischof legte sich mit den aufstrebenden Gemeinden an, die sich nicht beugen wollten, und geriet in kriegerische Auseinandersetzungen mit den Freiherren von Turn. Zudem begab er sich in die Abhängigkeit von Savoyen, sodass das bischöfliche Wallis in den Herrschaftsbereich des Grafen von Savoyen zu geraten drohte.

Peter Werra mit den Gemeinden gegen Savoyen

Werra vertrat Visp auf dem Consilium Generale, im Landrat, vom 30. April 1348. Am 10. Oktober 1355 amtete er als Notar und Vertreter der «villa et parrochia de Vespia» bei der Ratifikation des Verteidigungsbündnisses, das die Gemeinden Leuk, Raron, Visp, Naters und von Naters aufwärts bis zur Massabrücke abgeschlossen hatten.

Die Zwistigkeiten zwischen Bischof Tavel und den von Turn und die Tatsache, dass der Bischof mit dem Vertrag vom 25. April 1352 für die Dauer von neun Jahren zugunsten des Grafen Amadeus VI. von Savoyen auf seine landesherrlichen Befugnisse verzichtet hatte, löste unter den Gemeinden der Grafschaft Wallis zentrifugale Kräfte aus. Ziel musste es deshalb sein, durch eine geschlossene Front der Gemeinden jedem Übergriff des savoyischen Grafen zuvorzukommen. Namentlich ging es darum, dafür zu sorgen, dass mit dem Ablauf des Vertrags von 1352 die bischöflichen Temporalia durch Savoyen uneingeschränkt wiederhergestellt wurden.

Für die Gemeinden war es in dieser Lage immer noch besser, unter einem bischöflichen Landesherrn zu leben, der mit beschränkter Machtfülle ausgestattet war, als unter dem Regime eines fremden Herrn aus Savoyen, der über eine straff geführte Beamtenschaft verfügte.

Gemeinden und bischöflicher Meier schlossen Schutzbündnis

Als die Gemeinden eine geschlossene Front gegen Savoyen bilden wollten, kam der Gemeinde Visp eine Art Klammerfunktion zu, wobei Peter II. Werra eine Rolle spielte. Offensichtlich diente dazu auch das Schutzbündnis, das am 24. März 1360 in Visp zwischen Anton de Compey, dem bischöflichen Meier, und ungefähr 30 Männern aus Gemeinde und Pfarrei Visp geschlossen wurde. Es wird davon ausgegangen, dass Werra die treibende Kraft war. So wurde dieses Bündnis in seinem Haus geschlossen.

Sodann waren an diesem Bündnis ausser ihm selbst drei seiner Brüder und sein ältester, wohl kaum mündig gewordener Sohn Wilhelm sowie eine ganze Reihe von Männern aus Familien von Stalden und Törbel beteiligt, die Werra nahestanden. Überdies wurde Peter zusammen mit vier anderen als Schiedsrichter und Vertreter der Liga bezeichnet.

Die Walliser Gemeinden siegten

Wie richtig Peter Werra die Lage beurteilte und wie wirksam er auf das anvisierte Ziel hinstrebte, zeigt schliesslich die Tatsache, dass Amadeus VI. sich nach Ablauf des Vertrags vom 25. April 1352 herbeilassen musste, mit den Gemeinden der alten Landschaft Wallis am 11. März 1361 in Evian einen Friedensvertrag zu schliessen, in dem er sich verpflichtete, alle Besitzungen und Rechte unbeschwert zurückzuerstatten. Es war die Zeit, als die Gamsen-Mauer errichtet worden war.

Wenige Monate vor seinem Tod durfte Peter II. Werra als einer der «sindici communitatum terre Vallesii» an diesem Vertragsabschluss teilnehmen und damit sein politisches Lebenswerk mit einem Sieg der Walliser Gemeinden beschliessen.

Wohlstand und gesellschaftlicher Aufstieg

Dies macht deutlich, in welch hohem Ansehen Peter Werra in seiner Gemeinde und Pfarrei stand. Allerdings hatte er nicht nur in der Politik Erfolg, sondern begründete auch eine beachtliche wirtschaftliche Hausmacht.

Allein in Visp besass er mindestens zwei Häuser. Schon 1354 gehörte ihm der einstige Sitz des Ritters Franz de Compey und Grafen de Biandrate auf dem Gräfinbiel und später auch noch das Haus des Junkers Johannes de Subviis. Zudem verfügte er an verschiedenen anderen Orten über Grundgüter, Zehntrechte und so weiter.

Schliesslich gelang Peter zumindest eine Annäherung an den Stand des Adels, der dem damaligen Visp eine besondere Aura verschafft haben muss und es zur «Vespia nobilis» werden liess. So wird er in einer Urkunde von 1354 als «domicellus» bezeichnet und in einem weiteren Akt trat er als erster von verschiedenen Vertretern des niederen Zendenadels auf und wurde von ihnen als Junker betitelt. Auffallend ist die immer wieder feststellbare Verflechtung Peters mit den Asperlin, den de Platea, den Silenen und den Embda, und zwar auch in privaten Belangen.

Peter Werra starb am 5. März 1362.

[Siehe auch Kapitel 05.11 «Johannes III. Werra, Anführer der Visper in der Schlacht».]