Seit dem Mittelalter gab es in Visp während mehreren Jahrhunderten klösterliches Leben, allerdings spielte es sich in kleinen Einheiten ab. Über Niederlassungen von Orden in Visp und deren Leben gibt es nur dürftige Informationen.
Ordensleute «de passage» in Visp
Die ersten Klosterbrüder hielten sich in Visp eher vorübergehend auf. Gemäss einer Urkunde vom 17. Januar 1310 hatten die Augustiner Eremiten, die vermutlich aus Freiburg kamen, das Recht, in einem Stübchen in der Nähe des Friedhofs Aufenthalt zu nehmen, sooft ihre Reisen sie nach Visp führten.

Klausnerinnen und Klausner konnten sich in der Einsiedelei in einer Felsennische unterhalb der St. Martinskirche niederlassen. Die Einsiedelei soll bereits im 13. Jahrhundert bestanden und den Eremiten Unterkunft geboten haben. Das Bild, das aus der Zeit nach 1855 und vor 1897 stammt, zeigt die in den 1650er-Jahren erstellte St. Martinskirche. 1855 beschädigte das Erdbeben die Einsiedelei mitsamt der Kapelle so stark, dass sie ihrem bisherigen Zweck nicht mehr dienen konnte.
Fotograf unbekannt, erschienen in Fux 1996, zVg/Rudolf Ruppen
Felsennische unter der Pfarrkirche
Es ist die Rede von einem Reclusium, das sich beim Friedhof der St. Martinskirche befand. Darunter verstand man eigentlich eine Zelle, in der eine gottgeweihte Person für ihr ganzes Leben förmlich eingemauert wurde. Hier dürfte es sich aber eher um eine gewöhnliche Einsiedelei gehandelt haben, in der fromme Männer oder Frauen in stiller Zurückgezogenheit dem Gebet und der Arbeit oblagen.
1310 wurde die Einsiedelei in einer Felsnische unterhalb der St. Martinskirche eingebaut. Man richtete sie im südlichen Bogen unter der Kirche ein. Sie war mit einer Loreto-Kapelle verbunden.
Visper Spittel schon im 14. Jahrhundert
Anfangs des 14. Jahrhunderts gab es bei der Landbrücke ein Spittel mit dem Namen St. Jakob.
Kirchen als Depot um 1300
Dass die Kirchen früher oft auch für andere Zwecke «missbraucht» wurden, geht aus den Leuker Synodal-Statuten hervor. Diese untersagten den Leuten in Leuk, in der Kirche Heu, Stroh oder Saatgut zu deponieren.
Heilige Apollonia gegen Zahnschmerzen
Bei Zahnschmerzen hoffte man im 14./15. Jahrhundert auf Hilfe von oben, sei es durch eine Anrufung der heiligen Apollonia oder durch Teilnahme an einer Wallfahrt.
Meistens Laien
Im 14. Jahrhundert gibt es eine Reihe von Erwähnungen dieser Ordensleute, die sich in Visp und in der Umgebung aufhielten. Solche Klausner nannten sich Conversen, Beginen oder auch Reclusi und Inclusi. Sie waren gewöhnlich als Terziaren, also Laien, den Orden der Dominikaner, der Franziskaner oder der Augustiner angeschlossen und deren Aufsicht unterstellt.
Frauen bewohnten Einsiedelei
In der Einsiedelei bei der St. Martinskirche hauste Ende des 13. Jahrhunderts die Begine Belina als Klausnerin. Die Beginen waren Frauen, die ein abgeschlossenes, religiöses Leben führten, ohne ein Klostergelübde abgelegt zu haben. Belina erhielt nach ihrem Tod als Nachfolgerin Ita oder Itha, Tochter des edlen Ritters Ulrich von Raron und Witwe von Walter Asper. Ihr verkaufte Niklaus de Chouson, Sohn des Meiers von St. Niklaus, Weibel von Visp, um 1310 die Beginen-Klause unter dem Friedhof der St. Martinskirche zur Wohnung.
Am 6. Dezember 1332 schenkte die Begine Salome, Schwester des Peter Müller von Niederhüsern, der Kirche «Unserer Lieben Frau von Visp» drei Fischel Korngilt zu Niederhäusern. Die Visper Wohnung der Klausnerin Agnes, Tochter des verstorbenen Junkers Rykardus, fand am 4. Juli 1337 Erwähnung. Agnes soll eine der Letzten des um die Mitte des 14. Jahrhunderts erloschenen Geschlechts der Familie de Vespia gewesen sein. Am 18. Oktober 1349 schenkte die Begine Margareta, Tochter des Peter Asper von Stalden, dem Altar des heiligen Johannes in der Kirche «Unserer Lieben Frau» eine Gilt von 20 Schilling.
Beginen an Pfarrschulen
Im 14. Jahrhundert entstanden auch in Visp Pfarrschulen. Altaristen besorgten den Unterricht. Beginen hatten die Auflage, Mädchen das Lesen und Handarbeiten beizubringen. Die Herrenfamilien sorgten diesbezüglich selbst für ihre Kinder. Die Pfarrschulen wurden oft in Testamenten bedacht.
Fest der unschuldigen Kinder
Am vierten Weihnachtstag feierte man 1350 mit dem Hochamt am rechten Seitenaltar der unteren Kirche das Fest der unschuldigen Kinder.
Grosszügige Klausnerin
Die Klausnerin Margaretha, Tochter des Johann von Eyholz, liess am 21. Juli 1350 in ihrer Klause in Visp den Priester Johannes im Holtz von Grächen ihr Testament aufnehmen. Darin bedachte sie jeden Priester für eine heilige Messe am Begräbnistag mit 12 Pfennigen und alle Ordenspersonen der Burgschaft Visp, die Mönche, Klausnerinnen und Beginen, mit je 6 Pfennigen. Ebenso vermachte sie der Kirche von Visp für ihr Jahrzeit eine Gilt von 5 Schilling sowie 18 Fischel Korn und 1 Ziger im Wert von 10 Schilling zur Verteilung unter die Armen am Tag ihrer Beerdigung.
Ihre Wohnung neben der Liebfrauen-Kirche schenkte sie ihrer Nichte Agnes, Tochter des Wilhelm von Eyholz, falls sie sich dem Ordensleben widmen wolle, ansonsten falle die Wohnung samt Hausgerät dem Klausner Johann von Unterflüen zu. Ferner vermachte sie der Klausnerin Margaretha von Niederhüsern 5 Schilling und 5 Ellen graues Landtuch für ein Kleid (tunika), der Klausnerin Bela von Burgen ein Kleid und dem Klausner Johannes von Unterflüe 6 Schilling. Zudem bestimmte sie, dass Johann, Pfarrer von St. Niklaus, ein Bett, ein Kissen und ihre Bienenstöcke erhalten solle.
Interesse am Standort des Kollegiums
Als in den Jahren 1650 und 1662 die Frage erwogen wurde, an welchem Ort im Oberwallis das Jesuiten-Kollegium errichtet werden sollte, unternahmen Burgerschaft und Zenden Visp ernste Anstrengungen, die neue Anstalt zu erhalten. Der Landrat vom Mai 1662 entschied aber zugunsten von Brig.
Zufluchtsstätte nach der französischen Revolution
Viel später, zur Zeit der französischen Revolution, fanden zahlreiche französische Priester und Ordensleute im Wallis eine Zufluchtsstätte. So stellte Bischof Joseph Anton Blatter 1792 sein Vaterhaus am Blauen Stein in Visp sieben armen Klarissinnen aus Evian zur Verfügung. Unter diesen befanden sich auch drei Walliserinnen.
Am 18. März 1768 war in Visp Franz Konrad Letscher bestattet worden, nachdem er während mehr als 30 Jahren Eremit in der Höhle unter der Pfarrkirche gewesen war. Am 7. Oktober 1780 starb in Visp die bejahrte Barbara In Albon, die als Einsiedlerin unter der Visper Pfarrkirche gelebt hatte.
Redemptoristen fanden Schutz auf dem Gräfinbiel
1802 verschaffte der heilige Klemens Hofbauer in Deutschland der Kongregation der Liguorianer beziehungsweise Redemptoristen Eingang, wobei die Umwälzungen der folgenden Jahre sie wieder aus ihren Klöstern vertrieben. In diesen stürmischen Zeiten richtete Pater Joseph Passerat, ein Schüler Hofbauers, sein Augenmerk auf Visp. Bischof J.X. de Preux und der Visper Pfarrer de Courten unterstützten das Vorhaben.
Bereits im Sommer 1807 nahmen einige Redemptoristen-Patres in Visp Aufenthalt. Im Spätherbst des gleichen Jahres folgte Passerat mit mehreren Mitbrüdern, um am 3. Dezember eine förmliche klösterliche Niederlassung zu eröffnen. Für den Gottesdienst benützten sie die Burgerkirche, Wohnung bezogen sie in einem Haus in der Nähe der Kirche.
Sie wirkten im Beichtstuhl, am Krankenbett und in der Schule. Weil es ihnen auch an den nötigsten Existenzmitteln fast gänzlich fehlte, sah sich der grösste Teil der Patres gezwungen, in anderen Pfarreien des Oberwallis Seelsorgestellen anzunehmen.
Als das Wallis 1810 dem französischen Kaiserreich einverleibt wurde, hatte die Klosterniederlassung viel unter der Ungnade der neuen Regierung zu leiden. Während die Lehrpersonen unter den Patres im Oktober 1811 endgültig nach Freiburg übersiedelten, mussten andere noch eine Zeit lang auf ihren Pfründen im Wallis verbleiben, viele bis zu ihrem Tod.
Dritter Orden
Für Laien gibt es in Visp seit circa 1860 den Dritten Orden des heiligen Franziskus, eine Ordensgemeinschaft, die 1930 noch 89 Mitglieder zählte.
Drei Kapellen
In der Mitte des 14. Jahrhunderts gehörten drei Kapellen zur Grosspfarrei Visp, ab 1356 diejenigen von Stalden und Visperterminen sowie diejenige von Saas. Die beiden ersten wurden wahrscheinlich durch Kapläne oder Vikare von Visp aus bedient, während in derjenigen von Saas ein ständiger Vikar wirkte, der seinen Wohnsitz in Stalden hatte.
Erdbeben zerstörte Einsiedelei
Das Erdbeben von 1855 beschädigte die Einsiedelei und die Loreto-Kapelle von 1310 auf der Westseite der St. Martinskirche so schwer, dass diese ihrem bisherigen Zweck nicht mehr dienen konnten. Der letzte Einsiedler von Visp war ein gewisser Josef Grütter aus dem luzernischen Ruswil, der am 30. Januar 1857 im Alter von 98 Jahren in der Grossen Eye starb.
Stützmauer mit Bundeshilfe
1898, fast gleichzeitig mit dem definitiven Aufbau des heute noch stehenden Kirchturmdachs, errichtete die Gemeinde für die Pfarrei unter der Einsiedelei im Südwesten der St. Martinskirche eine grosse Stützmauer. Der Bund subventionierte diese mit 1 591.70 Franken.
Als Pater German Weissen die Kapuziner nach Visp bringen wollte
Anfangs des 20. Jahrhunderts wollten sich die Kapuziner im Oberwallis niederlassen. Da gab es auch eine Initiative für ein Kapuziner-Hospiz in Visp. Diese ging vom Orden selbst aus.
Am 29. Februar 1912 schrieb der Burgermeister von Visp, Oswald Burgener, an den Bischof von Sitten: «Ein Kapuzinerorden möchte sich in Visp niederlassen.» Dessen Wunsch gemäss sollte die Burgerschaft dem Orden die Burgerkirche abtreten. Vor weiteren Verhandlungen wollte die Burgerschaft eine entsprechende Bewilligung einholen. Man wollte vom Bischof wissen, ob das generell infrage komme, und falls ja, ob man die Burgerkirche abtreten könne. Von der Burgerschaft aus würde man dem Orden diese ohne Entgelt abtreten. Man würde ihm sogar das kleine, zur Kirche gehörende Fundum abtreten.
Der Bischof verwies die Visper an den schweizerischen Ordensprovinzial in Luzern. Diesem teilten die Burger mit, dass man die Kapuziner gern in Visp hätte. Auch Bischof und Pfarrer würden die Niederlassung begrüssen. «Wir würden Ihnen die untere Kirche, die sogenannte Burgerkirche, auf ewige Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellen.»
Auf Rückfrage des Bischofs teilte man am 9. März gleichen Jahres mit, dass man selbst noch mit keinem Kapuzinerorden in Verbingung stehe. Man habe zur Kenntnis genommen, dass durch eine solche Niederlassung die Pastoration im Oberwallis sehr erleichtert würde.
Schon am 18. April 1912 teilte der Burgermeister dem Provinzial in Luzern mit: «Die Burgerschaft wäre geneigt, zur Gründung eines Kapuzinerklosters in hiesiger Ortschaft Hand zu bieten. Bischof und Pfarrer würden die Niederlassung begrüssen. Wir würden Ihnen die untere Kirche, die sogenannte Burgerkirche, auf ewige Zeiten unentgeltlich zur Verfügung stellen.»
Man nimmt an, dass hinter einem Kapuzinerorden, der sich in Visp niederlassen wollte, Pater Bonaventura Zenhäusern im Kloster Sitten und Pater German Weissen, Visp/Unterbäch (1857–1923) standen. Jeder der beiden Priester hatte eine ganz persönliche Beziehung zu Visp. Weissen war in Visp aufgewachsen, wo sein Vater eine Arztpraxis geführt hatte. Zenhäusern war in Visp Lehrer gewesen, bevor er Priester wurde. Es hiess, schon zwischen 1899 und 1902, als Weissen Guardian in Sitten war, sei eine Niederlassung ernsthaft geprüft worden. Der Bischof wäre schon damals einverstanden gewesen, doch hätten die Kapuziner damals verzichtet. Schliesslich scheiterte das Vorhaben am Orden selbst.